Leopold von Ranke
Geschichtsbilder aus Leopold v. Rankes Werken
Leopold von Ranke

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33. Karl I., König von England.

Englische Geschichte II, III, Werke Bd. 15 S. 274 ff. Bd. 16 S. 116, 336 ff.

Von den Nachkommen Maria Stuarts, zugleich Nachfolgern der Königin Elisabeth, auf welche die Verbindungen beider Königinnen vererbt waren, konnte man nichts anderes erwarten, als daß sie in die religiösen Konflikte des Kontinents nur wenig eingreifen würden. Sie suchten mit beiden Parteien in gutem Vernehmen und selbst in Verbindung zu stehen. Wohl waren sie durch die pfälzische AngelegenheitKurfürst Friedrich V. von der Pfalz, Gemahl einer Tochter Jakobs I. von England, 1621 von Kaiser Ferdinand II. geächtet, ging 1622 nach England, schloß sich 1632 an Gustav Adolfs Kriegszug an, starb aber gegen Ende des Jahres in Mainz. in den großen Streit verflochten worden; Karl I. hatte sogar einmal eine Stellung an der Spitze der Protestanten eingenommen,Im Jahre 1625, mit Holland und Dänemark verbündet; s. Englische Geschichte 2, 182-184. aber er hatte dabei eine Niederlage erlitten; seine Verbindung mit den Protestanten war diesen selbst zum Verderben ausgeschlagen. Er überließ sie seitdem in der Hauptsache sich selbst und verfolgte nur seinen besonderen Zweck, die Herstellung seiner Neffen von der Pfalz.Karl Ludwig, Friedrichs V. ältester Sohn, wurde erst durch den westfälischen Frieden wieder eingesetzt; vgl. o. S. 181.

Im Streite mit den beiden großen kontinentalen MächtenFrankreich und Spanien. hatte Jakob noch durchgeführt, was von Elisabeth angebahnt worden war; er hatte dazu beigetragen, die Republik der Niederlande von Spanien zu emanzipieren; das Übergewicht dieser Monarchie zu Lande und zur See war ihm selbst widerwärtig. Aber weiter wollte er nicht gehen. Ganz gegen seinen Wunsch und Willen ward er am Ende seiner Tage in Hader mit derselben verwickelt. Wie in dem religiösen Streite, so wollten die Stuarts auch in dem politischen zwischen Spanien und Frankreich nicht eigentlich Partei ergreifen. Von dieser Grundtendenz ihrer Politik wichen sie zuweilen ab, kamen aber immer wieder darauf zurück.

Genug, an diesen beiden großen Fragen, welche über die Zukunft der Welt entschieden, nahm König Karl, seitdem es mit seinem Eingreifen einmal mißlungen war, keinen nachdrücklichen selbständigen Anteil mehr. Wir sahen, wohin es ihn führte, daß er der Verbündete zugleich von Schweden wie von Spanien sein wollte. Ein bestimmtes Ziel hatte er dagegen in den inneren Angelegenheiten ins Auge gefaßt. Hier hatte seine Tendenz, wie sehr es auch eigens auf englischem Grund und Boden entsprungene Streitfragen waren, eine Analogie mit der auf dem Kontinent vorwaltenden: wie die großen katholischen Fürsten, so suchte auch er die ständische Mitwirkung in den politischen Angelegenheiten zurückzudrängen und die königliche Gewalt mit den Attributen der geistlichen zu verstärken. Nicht als hätte sich Karl I. dem Papsttum wieder zu unterwerfen gedacht; wir wissen, wie fern seine Seele davon war; nicht einmal über die Formel, in der die Katholiken ihren Gehorsam versprechen sollten, konnte er sich mit dem Papst verständigen. Es war nicht, wie bei den andern Mächten, die katholische Idee, durch welche die englische Krone verstärkt werden konnte; man stützte sich vielmehr auf die dem Papsttum abgerungene Autorität. Das königliche Supremat über die Kirche sollte durch die engste Verbindung mit den protestantischen Bischöfen zu einem die drei Reiche umspannenden Mittel der höchsten Gewalt gemacht werden. Das Bistum war in seinem Besitz und seiner Würde befestigt und durch gemeinschaftlichen Gegensatz gegen seine Widersacher, die den Stuarts von Schottland her verhaßt war, mit der Krone verbunden, deren Sache es als seine eigene verteidigte. Da die Krone Schonung der Katholiken, Unterdrückung der Puritaner in ihrem Interesse fand, so geschah das sonderbare, daß die durch die Reformation gebildete kirchliche Gewalt den Anhängern des alten Glaubens günstiger war als den eifrigen Verfechtern des neuen. Ebendas entsprach der Lage, in welcher die Stuarts ihre Krone empfangen hatten. Sie wollten Protestanten sein, aber die Feindseligkeit der Katholiken vermeiden und den Puritanismus womöglich vernichten. Ihr Verhältnis zur bischöflichen Kirche war im großen und ganzen dasselbe, welches Elisabeth begründet hatte; es unterschied sich dadurch, daß die Königin die Katholiken mit entschiedener Feindschaft verfolgt, die Presbyterianer als in diesem Streit unentbehrlich geduldet hatte, die Stuarts aber die Presbyterianer haßten, den Katholiken Duldung zu gewähren suchten.

Und da der Grund der Vereinigung von Schottland mit England und des besseren Gehorsams von Irland in dem Erbrecht der Stuarts lag, welches von beiden Religionsparteien anerkannt wurde, so konnten ihnen die Parlamente in dem Lichte provinzieller Unterordnung erscheinen, denen auf die Regierung der Gesamtmonarchie doch nur ein beschränkter Einfluß zustehe. Die dem Königtum entweder durch seinen Begriff oder durch den Gebrauch der Vorfahren zustehenden Rechte ohne Rücksicht auf dieselben durchzuführen, hielten sie sich für vollkommen befugt. Sie sahen in den Parlamenten Ratsversammlungen, die man nach Belieben befragen könne oder auch nicht, deren Pflicht es sei die Krone zu unterstützen, ohne das Recht ihr etwas vorzuschreiben oder in ihren Bewegungen hinderlich zu werden.

Das ganze System entsprang aus den Anschauungen, Erfahrungen und Absichten Jakobs I.; sie waren mit ihm auf den englischen Thron gekommen. Wie aber ein hochfliegender Theoretiker, so war dieser Fürst doch auch ein gewandter Praktiker.Dies ist jedoch kein unbedingtes Lob; über Jakobs I. widerspruchsvolles, kleinliches Wesen s. Englische Geschichte 2, 108. Unaufhörliche Bewegung zwischen entgegengesetzten Parteien war ihm zur Natur geworden. Er vermied es, die Gegner, die er bekämpfte, zum Äußersten zu bringen; nie trieb er die Sache auf die Spitze. Er verlor sein Ziel keinen Augenblick aus den Augen, aber er suchte seine Absicht auch auf Umwegen zu erreichen, vermittelst geschickter beugsamer Organe; wer ihm nicht diente, den ließ er ohne Skrupel fallen. Karl I. legte Wert darauf, dieses Schwanken zu vermeiden; er liebte Diener von entschiedener Farbe und Richtung und betrachtete es als Ehrensache, sie allem Andringen gegenüber zu behaupten. An den Maximen und Theorien, die er von seinem Vater aufgenommen hatte und als etwas Überkommenes betrachtete, hielt er ohne Wanken fest; er ging immer geradezu auf das zunächst vorgesteckte Ziel los.

Karl I. galt in der Welt, die ihn umgab, noch immer als ein Mann ohne Fehler, der keine Ausschweifungen begehe, keine Laster habe, Bildung und Kenntnisse die Fülle besitze, ohne damit prunken zu wollen, zwar nicht ohne eine angeborne Strenge, die er aber durch menschliche Gefühle mäßige: wie er denn schwer dahin zu bringen war, ein Todesurteil zu unterschreiben; seit dem Tode Buckinghams wähle er seine Minister nach Fähigkeit und Verdienst, nicht mehr nach Gunst; auch seine Gemahlin übe keinen politischen Einfluß auf ihn aus. Aber der ruhige, kunstbeflissene, religiöse Fürst hatte nun doch auch nicht die Gewandtheit, welche die Staatsverwaltung des Vaters kennzeichnete. Jakob war eigentlich nie zu beleidigen, er nahm alles hin was er nicht ändern konnte; Karl I. hatte ein sehr lebendiges und reizbares Gefühl von persönlicher Ehre, er war leicht verletzt und suchte sich zu rächen. Dann aber ging er wohl auf Unternehmungen ein, deren Tragweite er nicht übersah. Es fehlte ihm überhaupt an dem Gefühl der Dinge, welches das Ausführbare von dem, was es nicht ist, unterscheidet. Die Feindseligkeiten, in die er geriet, verfolgte er so eifrig und so lange wie möglich, dann stand er plötzlich davon ab. Man verglich ihn mit einem Geizigen, welcher jeden Pfennig umdreht, ehe er ihn ausgibt, aber dann plötzlich einmal eine große Summe wegwirft. Wenn aber Karl I. nachgab, so tat er es doch nie unbedingt. Der Mann der Zuverlässigkeit gewann es über sich, den Versprechungen, die er öffentlich machte, einen geheimen Vorbehalt entgegenzusetzen, der ihn derselben wieder entband. Für ihn war nichts verführerischer als das Geheimnis. Der Widerspruch seines Verfahrens verwickelte ihn in Verlegenheiten, in denen seine Erklärungen subjektiv noch immer wahr, doch nur eine Linie breit von Unwahrheit und selbst Unwahrhaftigkeit entfernt sind. Seine Staatsverwaltung an sich hatte einen zweideutigen Charakter, indem er die Gesetze von England aufrechthalten zu wollen erklärte und dann doch Dinge verfügte, die auf obsoleten Gerechtsamen beruhend dem, was alle Welt für gesetzlich hielt, entgegenliefen in dem er beteuerte, die parlamentarische Verfassung nicht antasten zu wollen, und dann doch alles tat, um der Berufung eines Parlaments auf lange Zeiten hinaus überhoben zu sein. Bei aller Schonung menschlichen Blutes, die er sich vorgesetzt hatte, ließ er doch an den Gegnern seines Systems die härtesten Strafen vollziehen, welche selbst das Leben gefährdeten. Denn alle andern Rücksichten überwog sein politischer Zweck; er wollte kein Mittel versäumen, um ihn zu erreichen.

Das System Karls I. aber war, die königliche Prärogative zur Grundlage der Regierung zu machen. Er hatte dazu keine militärische Macht zu verwenden, wie diese damals in Frankreich dazu diente, die höchste Gewalt aufrechtzuhalten; den Fremden fiel es auf, wie so ganz der König in den Händen seines Volkes sei; kaum gebe es einige feste Plätze, wohin er sich im Notfall retten könne; alles beruhe auf den Gesetzen und ihrer Auslegung. Eben darum war es ein so großes Ereignis, daß einige Häupter des Richterstandes, und zwar gerade solche, die früher der parlamentarischen Partei angehört hatten, sei es aus veränderter Überzeugung und sachwalterischer Parteinahme, da sich in den Gesetzen vieles fand was sich dafür sagen ließ, oder aus servilem Ehrgeiz, um zu den höchsten Stellen zu gelangen, die Sache der Prärogative verfochten. Mit ähnlichem Eifer wie in Frankreich ergriffen manche auch in England die Idee von der Souveränität der Krone, die allem Parlament vorausgegangen und in den Gesetzen anerkannt sei; aus der Pflicht, das Reich zu verteidigen und zu regieren, leiteten sie das Recht des Königs ab, von den Untertanen die Mittel zur Erfüllung derselben zu fordern. Alle entgegenstehenden Bestimmungen der Magna Charta, oder der Gesetze Eduards I. oder die Lehren der Rechtsbücher wie sie denn in der Tat vieles unbestimmte, von den Zeitumständen abhängige enthalten, verschwanden ihnen dagegen.

Besaß man aber dergestalt einen Anhalt, der als legal angesehen werden konnte, so war in dem Lord Deputy von IrlandThomas Wentworth, 1640 zum Earl of Strafford ernannt, 1641 hingerichtet. auch schon ein Mann der Administration gefunden, der den Willen und die Fähigkeit hatte, die Regierung durch Prärogative zu voller Erscheinung zu bringen. Und in der Kirche waltete der Erzbischof von Canterbury,William Laud, 1628 Bischof von London, 1633 Erzbischof von Canterbury, im Dezember 1640 gefangen gesetzt, 1645 hingerichtet. der nie einen Augenblick geschwankt hatte, in einem der geistlichen Prärogative, dem Supremat, vollkommen entsprechenden Sinne. Er schien nach einem britannischen Patriarchat zu trachten oder es eigentlich dem Wesen nach zu besitzen, dem ähnlich, wie es einst in Konstantinopel den griechischen Kaisern ihre Absichten fördernd zur Seite gestanden hatte.

Wiewohl im Verfahren und in der Grundlage abweichend, trafen diese Bestrebungen doch im allgemeinen mit dem zusammen, was in andern großen Monarchien durch ehrgeizige Minister, abhängige Gerichte und ergebene Bischöfe im Namen des Fürsten ausgeführt wurde. Wo war in England die Macht, die dem hätte widerstehen können? Um sich den dumpfen und an dem Mutterlande verzweifelnden Widerwillen zu vergegenwärtigen, der darüber um sich griff, muß man sich erinnern, daß die Gründung von Neu-England durch Auswanderung daher entsprungen ist. Schon früher war eine Schar von flüchtigen Gläubigen, die sich Pilgrime nannten und eigentlich eine Zuflucht in Virginien suchten, weiter nach Norden getrieben worden, wo sie New-Plymouth gründeten; nach zehn Jahren ihres Bestehens zählte die Kolonie nicht mehr als dreihundert Mitglieder, und es fehlte ihr an gesetzlicher Anerkennung. Nun aber ward der zunehmende kirchliche Druck für eine Anzahl von Familien von einem gewissen Besitz und Rang in Suffolk, Rutland, Lincoln, Northampton zum Antrieb, sich ebendahin zu wenden. Da es zu ihrer Sicherheit gehörte, daß sie nicht als rechtlose Flüchtlinge hinübergingen, so verschafften sie sich eine in den Formen des englischen Rechts abgefaßte Übertragung von Massachusettsbai und den angrenzenden Gebieten. Aber auch diese genügte ihnen noch nicht, denn nicht auf die Weise andrer Kolonien, von England aus, wollten sie regiert sein; zur Übersiedlung entschlossen sie sich erst dann, als man ihnen aus der Urkunde auch das Recht nachwies, die Regierung der Kolonie auf den andern Kontinent zu verpflanzen. John Winthrop, wenn nicht an Reichtum, worin ihm einige andre vorangingen, aber durch Herkunft und Lebensstellung der vornehmste von den Unternehmern, ward der erste Governor der Gesellschaft und der Kolonie. Im Jahre 1630 gingen sie in siebzehn Schiffen aus verschiedenen Häfen nach Amerika über, etwa 1500 an Zahl. Jahr für Jahr folgten ihnen andre Züge nach. Denn immer stärker wurde diesseits die Bevorzugung der episkopalen Kirche; dort fand der Presbyterianismus in der strengen Form, in der man ihn verwirklichte, freien Boden. Im Jahre 1638 wurden die Kolonisten auf 50 000 angeschlagen; eine Menge von Ansiedlungen hatten sie da bereits ausgeführt.

Und auch schon als eine politische Zuflucht erschien diese Kolonie. Zwar muß als unbegründet verworfen werden, was man so oft erzählt und wiedererzählt hat, Hampden und Pym seien durch die Regierung selbst gehindert worden, nach Amerika zu gehen; aber wahr ist, daß sie den Gedanken gehabt haben. Ihre Namen finden sich unter denen, welchen der Earl von Warwick einen großen Küstenstrich, den er erworben hatte, zur Ansiedlung anwies. Das Verzeichnis dieser Namen ist auch sonst merkwürdig; wir finden in demselben Lord Brook, Lord Say und Scale, welche, wie der Earl von Warwick selbst, zu den Mitgliedern der Aristokratie gehörten, die den Absichten Karls I. und seiner Minister am entschiedensten entgegentraten. Sie galten als Gegner WestonsDieser zog als Schatzmeister 1629 das Tonnen- und Pfundgeld ein, obgleich es vom Parlament nicht bewilligt war; Englische Geschichte 2, 213, 215. 246 f. und der Spanier, als Freunde Hollands und selbst Frankreichs. Was sie noch besonders vereinigte, war das presbyterianische Interesse, in welchem die Kolonie lebte und webte. Warwick, einer der größten Besitzer von England und in Amerika, war einer der vornehmsten Patrone der Kolonie; seiner Mutter Name glänzt unter denen der Wohltäter der neuen Pflanzung.Warwick wurde 1642 vom Parlament zum Admiral gewählt und vertrat die Sache der Presbyterianer gegen den König; seine Mutter war eine Tochter des unter Königin Elisabeth angesehenen Grafen Essex; 3, 146.

Überhaupt aber standen die Lords keineswegs auf der Seite des Königs; hatte man doch ihre Einwirkungen schon bei dem Ankämpfen des Unterhauses gegen die aufsteigende Macht Buckinghams wahrgenommen. Wenn der König kein Parlament mehr berief, so verloren sie dadurch den vornehmsten Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten, den sie besaßen. Die englische Aristokratie teilte nicht die feurigen Antriebe der französischen;Erhebung des Connetable von Montmorency und des Herzogs von Orleans 1632 gegen Richelieu; Französische Geschichte, 2, 311 ff. da sie sich nicht sofort empörte, so zog sie auch nicht die Züchtigungen des Ungehorsams durch die unnahbare Staatsgewalt über sich herein, welche diese erfuhr.Montmorency hingerichtet; Gaston von Orleans begab sich in spanischen Schutz nach Brüssel 2, 318. 341. 344. Sie erwartete eine gelegene Zeit, um hervorzutreten.

Wie der hohe Adel, und noch mehr als dieser, fühlte sich die landbesitzende Gentry durch die Erneuerung abgekommener Gesetze und vergessener Rechtsansprüche bedroht und gefährdet. Die Ausdehnung der Forstgesetze geschah ohne ihre Zuziehung, durch Jurys von Förstern, Waldmeistern und andern bei dem Vorteil, der aus ihr zu erwarten war, beteiligten Personen, und deren Wahrspruch ward dann durch Richter bestätigt, welche die Voraussetzung der Parteilichkeit gegen sich hatten. Andre Kreise wurden durch die ehrenrührigen Strafen, welche die geistlichen Gerichtshöfe über Männer von einem gewissen Range verhängten, widerlich berührt. An PrynnesEifriger Puritaner; Englische Geschichte 2, 262. Angriffen auf das Schauspiel mochten die wenigsten Gefallen finden; daß man ihm aber für einige Worte, welche sich auf die Königin bezogen, die Ohren abschnitt, erschien als eine Beleidigung seines Universitätsgrades und des Rockes der Barrister, den er trug.

Und wie tief wurde das Gemeingefühl gebeugt, als der Spruch der Richter zugunsten des Hofes über das SchiffsgeldProzeß des John Hampden 2, 251 f. erfolgte! Man sah die Menschen mit melancholischem Gesicht schweigend aneinander vorübergehen. Auch die, welche dem König eine neue Einnahme gönnten und sie für notwendig hielten, erschraken doch, daß sie ihm ohne Bewilligung des Parlaments gewährt werden konnte. Der mindestens zweifelhaften Gesetzlichkeit gesellte sich die Besorgnis hinzu, daß die unzuverlässigen, moralisch verwerflichen, habgierigen Menschen, welche die Ansprüche der Krone verfochten, Meister der Regierung werden würden, ohne das ein Parlament erwartet werden könne, um ihnen Furcht und Rücksicht einzuflößen. So aber war es nun einmal; niemand hatte eine Stellung, sich dagegen zu erheben; selbst jede freie Meinungsäußerung war mit der äußersten Gefahr verknüpft. Die kirchliche und richterliche Autorität, auf ihrer Auslegung der Gesetze fußend, beherrschte England; dieses System dehnte sich durch die Freunde und Anhänger Lauds über Schottland aus; in Irland hielt ein entschiedener Wille die Zügel auf das strengste angezogen. Es schien doch in der Tat, als ob die Vereinigung der monarchischen und der kirchlichen Gewalt, welche in der übrigen romanisch-germanischen Welt vorwaltete, auch England in Besitz nehmen und hierdurch vollends allgewaltig werden würde.

Und nicht ohne Zusammenhang mit diesen Tendenzen im Innern war die äußere Politik. Die großen Anglikaner und Verfechter der Prärogative zeigten wenig Eifer für die Sache des europäischen Protestantismus;Schwankende Haltung der Politik Englands im dreißigjährigen Kriege: Englische Geschichte 2, 231 ff.; Schotten in schwedischem Dienste 2, 333 f.; Verhandlungen Karls I. mit Spanien 2, 357 ff. dagegen sahen die Anhänger des Parlaments und die Nonkonformisten in dieser Sache gleichsam ihre eigene. Gegensätze der Ansichten, die selbst den Hof erreichten, vornehmlich aber die Nation in Gärung brachten und es hauptsächlich veranlaßten, daß die Bestrebungen des Königs auf einen Widerstand stießen, der sich nach und nach unüberwindlich erwies. Der große Kampf begann in Schottland.

Karl I. war von Natur nicht geeignet, diesen Kampf mit Glück zu bestehen. Er war seines mit Kabalen erfüllten Hofes und Staates, auf den sogar fremde Mächte einwirkten, nicht vollkommen mächtig. Indem er nur von den mit ihm Einverstandenen Rat nahm, konnte er doch nicht vermeiden, daß diese dabei nicht ihre besonderen Interessen ins Auge gefaßt hätten, worüber die andern mit erbitterter Hartnäckigkeit die Gegenpartei ergriffen. Er selbst war nur immer mit seinen eigenen Intentionen beschäftigt; die Absichten, Kräfte und wahrscheinlichen Schritte seiner Gegner zu ermessen, fehlte es ihm an Scharfsinn; mit der größten Zuversicht sehen wir ihn das Verderblichste unternehmen. Damit war in ihm eine falsche Klugheit verbunden; um eines größeren Endzwecks willen verstand er sich zu Dingen, die er in sich selbst mißbilligte. Indem dann doch seine Grundansichten wieder zum Vorschein kamen, jenseit dessen was er jeden Augenblick tat und zuließ, erschien er in sich selbst unwahr und unzuverlässig; man hielt es für gerechtfertigt, sich gegen die Rückkehr der alten Absichten mit allen Mitteln sicherzustellen.

Seine Widersacher dagegen waren konsequent, wachsam und mißtrauisch. Dem an sich nicht schwachen, nur schwach repräsentierten, aber immer gefürchteten Gedanken der einheitlichen Gewalt setzten sie die landschaftlichen und ständischen Autonomien entgegen, die, da sie von den Gefühlen und Ideen individueller Freiheit durchdrungen waren, eine unüberwindliche Macht entfalteten. So konnte es geschehen, daß das eine von den britannischen Reichen zu einer Selbständigkeit gelangte, welche der Krone allen wesentlichen Einfluß entriß, das andre in blutigem, mit gräßlichen Untaten beflecktem Aufruhr für die katholische Bevölkerung dieselbe Unabhängigkeit zu erkämpfen suchte, die dort der protestantischen zuteil geworden, während in dem dritten und größten eine Autorität zur Geltung kam, welche die königliche zu absorbieren trachtete.

Manchem wird es im Licht unserer Zeit kaum erlaubt scheinen auf die Frage zurückzukommen, inwiefern dem Worte, das Karl I. in den großen Augenblicken, die zwischen Jenseits und Diesseits liegen, wiederholt aussprach, »er sterbe als Märtyrer«, doch wirklich eine Wahrheit zukommt. Gewiß nicht in dem Sinne, in welchem man es gefaßt hat, als sei er eben nur ein Dulder gewesen, der für die erkannte Wahrheit gelebt und geblutet habe. Er war vielmehr ein Fürst, der sich für die Rechte seiner Macht, die er so persönlich faßte wie irgendein andrer, indem er sie bald zu erweitern, bald nur zu verteidigen suchte, mit allen Mitteln, die ihm zu Gebote standen, offenen und geheimen, im Rat und Feld, im Wortgefecht und mit blanken Waffen, sein Leben lang geschlagen hat und dabei erlegen ist.

Vergegenwärtigen wir uns noch das Charakteristische der verschiedenen Epochen seiner Regierung. Denn das Wesen eines Menschen erscheint nicht auf einmal; erst in den verschiedenen Phasen des Lebens entwickelt sich das Selbst und treten die Eigenschaften hervor, die seine Natur ausmachen. In den ersten Stadien seines öffentlichen Lebens erscheint Karl I., wie die meisten eintretenden Fürsten, von einem gewissen Wunsche populär zu sein durchdrungen. Von persönlicher Antipathie gegen Spanien ergriffen durchbricht er das System der innern und äußern Politik seines Vaters, das freilich manchem Tadel Raum gab, aber allseitig erwogen war, noch bei dessen Lebzeiten; nachdem er den Thron bestiegen hat, will er auf dem eingeschlagenen Wege fortgehen; dann aber empfindet er die Macht der Weltkräfte, die er zu bekämpfen unternimmt, und die Unzuverlässigkeit der Elemente, auf die er sich stützen will. In den auswärtigen Geschäften, namentlich den deutschen, vermehrt er nur das Unheil und die Verwirrungen; wir finden ihn mit den beiden großen Mächten, zwischen denen sein Vater hindurchzukommen suchte, auf einmal in Krieg; auch er bequemt sich endlich zu einer neutralen Stellung, indem er den Frieden mit denselben herstellt. Im Innern reifen die populären Grundsätze, die er wenigstens zum Teil anerkannt hat und dann doch nicht zur Geltung gelangen lassen will, zum vollen Bewußtsein ihrer Macht; er kommt in den Fall, den Zugeständnissen, die er ihnen öffentlich nicht verweigern kann, mit geheimer Protestation zu begegnen. In alledem erscheint er nicht einmal selbständig, mehr unternehmend und beweglich als von nachhaltiger Tatkraft; vor sich selbst gerechtfertigt, nicht vor der Welt, welche vor allem Festigkeit und Erfolge begehrt.

Es folgt die Epoche der Ruhe im Innern und des äußern Friedens. Der König wendet seine Tätigkeit kommerziellen Bestrebungen zu, seinen Geist beschäftigt er mit Literatur und mit KunstPflege des Theaters, Rubens und van Dyk an seinem Hofe, Sammlung antiker Bildwerke und italienischer Gemälde; Englische Geschichte, 2, 268-270. Er findet darin eine unendliche Befriedigung. Von allem, was den Menschen vergnügen kann, erschien ihm eine geistvolle Konversation als der vornehmste Genuß. Seine GemahlinHenriette, Tochter Heinrichs IV. von Frankreich. verschafft ihm denselben durch sich selbst und ihre Umgebung, dadurch zuerst wird sie ihm wert. Zugleich kam er darauf zurück, das System seines Vaters auszubilden, die drei Reiche der kirchlichen Uniformität zu unterwerfen, die königliche Prärogative so weit festzustellen, daß kein Anwogen parlamentarischer Ansprüche sie erschüttern könne. Er erscheint würdig, ruhig, gebildet, aber auch zu gewaltsamen Repressionen, systematischem Drucke geneigt.

Da brach der Sturm einer universalen Bewegung des Ungehorsams und des Widerstandes über ihn herein. Nach einigen heftigen Anstrengungen, welche mißlangen, im Angesicht eines allgemeinen Abfalls wurde der König zugleich von dem Gefühl übernommen, daß er zu weit gegangen sei. Auf ein strenges Festhalten, welches unerschütterlich erschien, folgt eine Nachgiebigkeit bis zur Beschämung. Die Männer werden aufgegeben, welche den königlichen Gedanken am kräftigsten repräsentiert haben; ihren Gegnern werden nicht mehr zurücknehmende Zugeständnisse bewilligt, denn alles scheint nur auf eine Befriedigung ihrer Ansprüche anzukommen, um ein Gleichgewicht zwischen Prärogative und parlamentarischem Recht herzustellen: bis er zuletzt inne wird, daß das unmöglich ist. Die große Strömung der europäischen Dinge, welche eine Wendung zugunsten der rein protestantischen Idee genommen hat, kommt seinen Gegnern zustatten. Indem Karl I. sich zum Widerstande gegen sie anschickt, ruft er erst die volle Entwicklung der feindseligen Kräfte auf; er sieht sich in die Notwendigkeit versetzt, ihnen seine Hauptstadt preiszugeben. Es ist für ihn die Epoche mannigfaltiger Irrungen, falscher und trügerischer Politik, innerer Agonien.áãùíéá ágonía, Anstrengung, Ringen; vgl. Demosth., Vom Kranze 33.

Sowie nun aber die unveräußerlichen Rechte der Krone und nicht allein die politische Einwirkung, sondern der Bestand und der Besitz der bischöflichen Kirche angetastet sind, erheben sich in dem König die eingebornen Antipathien gegen die Anmutungen, die ihm gemacht werden, in aller ihrer Stärke. Von den zufälligen und wechselvollen Einflüssen der Hauptstadt frei, in dem Lufthauch entfernter Grafschaften, wo die alten Begriffe vom Königtum noch Leben haben, unter dem Einfluß seiner beleidigten, geflüchteten, aber aus der Ferne wirksamen Gemahlin entschließt er sich zu den Waffen zu greifen. Dann erscheint er mutvoll, kriegerisch, selbst nicht ohne strategisches Talent; er hat Erfolge, die ihn noch eine Wiederherstellung seiner Autorität hoffen lassen. Aber die Gegner sammeln nicht allein fremde Streitkräfte um sich, sondern in ihrer Mitte entwickelt sich eine noch weit über die ursprünglichen Tendenzen hinausgehende fanatische zugleich und militärische Partei. Der König trägt kein Bedenken, gegen die einen und die andern mit einem Eifer vorzugehen, der seine Kräfte übersteigt. Auf seine Weisung ist die Schlacht von Morstonmoor unternommen worden; er selbst hat entschieden, daß man bei Naseby den Angriff der Feinde nicht erwarten, sondern auf sie anrücken müsse. So unterlag er im Felde; in der Niederlage lösten seine Anhänger sich von selber auf.

Jakob I. hatte von den Streitkräften seiner Gegner Zeit seines Lebens wahrscheinlich einen zu starken, Karl I. gewiß einen zu geringen Begriff, sowohl anfangs, als er den Kampf mit Spanien provozierte, als in der Zeit, wo er den Schotten seine kirchlichen Gesetze auflegen wollte. Unternehmungen, aus denen alle seine Verwicklungen entsprungen sind. Er kannte weder die Tiefe der berechtigten parlamentarischen Antriebe noch die Tragweite der einmal aufgeregten Gegensätze; er nährte die glänzendsten Hoffnungen, als er seinem Ruin am nächsten war. Denn er traute vor allem auf die innere Macht der Rechte und Ideen, die er verfocht. Wenig bedachtsam in seinen Unternehmungen war er doch in der Tiefe von gediegenem Geiste; nicht selten unentschlossen und unzuverlässig – wir wissen, wie er es liebte, zwei Sehnen an seinem Bogen zu haben –, verlor er doch nie die hohe Bedeutung seiner Sache aus dem Auge. Er neigte sich von Natur zu Konzessionen, aber weder die Drohungen der Gegner noch die Bitten der Vertrautesten konnten ihn dahin bringen, eine politisch-religiöse Linie zu überschreiten, die er mit Scharfsinn und Gewissenhaftigkeit wahrnahm. Die Grundüberzeugungen, auf denen die Verbindung der Krone mit der organisierten Kirche ruht, hielt er unerschütterlich fest.

Im Unglück erscheint er nicht ohne moralische Größe. Es wäre ihm leicht geworden, sein Leben zu retten, hätte er den Schotten die ausschließende Herrschaft des Presbyterianismus in England oder den Independenten die faktische Unabhängigkeit der Armee, wie sie dieselbe begehrten, zugestehen wollen. Daß er das nicht tat, ist sein Verdienst um England. Hätte er sein Wort dazu gegeben, die bischöfliche Verfassung der Kirche aufzulösen und ihre Güter auf immer zu verkaufen, so läßt sich nicht absehen, wie sie jemals hätte wiederhergestellt werden können. Hätte er eine Ausstattung der Armee, wie sie in den vier Artikeln gefordert wurde, bewilligt, so würde die Selbstregierung der Korporationen und der Gemeinden, die spätere parlamentarische Regierung selbst unmöglich geworden sein. Insofern kann der Widerstand, den er leistete, nicht hoch genug angeschlagen werden. Der Umsturz der Verfassung, welchen die Independenten ganz offenbar unternahmen, brachte ihm vielleicht noch immer nicht deren letzte Intention, die Errichtung einer Republik, aber doch seine eigene Stellung ihnen gegenüber zum vollen Bewußtsein. Insofern ist allerdings etwas von einem Märtyrer in ihm, wenn ein solcher so genannt werden kann, der sein persönliches Dasein geringer anschlägt als die Sache, die er verficht und, indem er untergeht, diese für die Zukunft rettet.

Karls I. Verurteilung und Hinrichtung 3, 330-336.


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