Leopold von Ranke
Geschichtsbilder aus Leopold v. Rankes Werken
Leopold von Ranke

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13. Ignatius Loyola

Päpste I, Werke Bd. 37 S. 117 ff., 151

Von allen Ritterschaften der Welt hatte allein die spanische noch etwas von ihrem geistlichen Element behauptet. Die Kriege mit den Mauren, die, auf der Halbinsel kaum geendigt, in Afrika noch immer fortgesetzt wurden, die Nachbarschaft der zurückgebliebenen und unterjochten Morisken selbst, mit denen man stets in glaubensfeindlicher Berührung blieb, die abenteuerlichen Züge gegen andere Ungläubige jenseit des Weltmeeres erhielten diesen Geist. In Büchern, wie der Amadis, voll einer naiv schwärmerischen loyalen Tapferkeit, ward er idealisiert.

Don Inigo Lopez de Recalde, der jüngste Sohn aus dem Hause Loyola, auf dem Schlosse dieses Namens in Guipuscoa geboren, aus einem Geschlechte, welches zu den besten des Landes gehörte, dessen Haupt allemal durch ein besonderes Schreiben zur Huldigung eingeladen werden mußte, aufgewachsen am Hofe Ferdinands des Katholischen und in dem Gefolge des Herzogs von Najara, war erfüllt von diesem Geiste. Er strebte nach dem Lobe der Ritterschaft; schöne Waffen und Pferde, der Ruhm der Tapferkeit, die Abenteuer des Zweikampfs und der Liebe hatten für ihn so viel Reiz wie für einen andern; aber auch die geistliche Richtung trat in ihm lebhaft hervor; den ersten der Apostel hat er in diesen Jahren in einer Ritterromanze besungen. Wahrscheinlich würden wir seinen Namen unter den übrigen tapferer spanischer Hauptleute lesen, denen Karl V. so viel Gelegenheit gab sich hervorzutun, hätte er nicht das Unglück gehabt, bei der Verteidigung von Pamplona gegen die Franzosen 1521 von einer doppelten Wunde an beiden Beinen verletzt, und obwohl er so standhaft war, daß er sich zu Hause, wohin man ihn gebracht, den Schaden zweimal aufbrechen ließ, auf das schlechteste geheilt zu werden. Er kannte und liebte die Ritterromane, vor allen den Amadis. Indem er jetzt seine Heilung abwartete, bekam er auch das Leben Christi und einiger Heiligen zu lesen.

Phantastisch von Natur, aus einer Bahn weggeschleudert, die ihm das glänzendste Glück zu verheißen schien, jetzt zugleich zur Untätigkeit gezwungen und durch sein Leiden aufgeregt, geriet er in den seltsamsten Zustand von der Welt. Auch die Taten des heiligen Franciscus und Dominicus, die hier in allem Glanze geistlichen Ruhmes vor ihm erschienen, däuchten ihm nachahmungswürdig, und wie er sie so las, fühlte er Mut und Tüchtigkeit, sie nachzuahmen, mit ihnen in Entsagung und Strenge zu wetteifern. Er riß sich los von seinem väterlichen Hause und seinen Verwandten und stieg den Berg von Moserrat hinan, nicht in Zerknirschung über seine Sünden, noch von eigentlich religiösem Bedürfnis angetrieben, sondern, wie er selber gesagt hat, nur in dem Verlangen, so große Taten zu vollbringen wie diejenigen, durch welche die Heiligen so berühmt geworden, ebenso schwere Bußübungen zu übernehmen oder noch schwerere, und in Jerusalem Gott zu dienen. Vor einem Marienbilde hing er Waffen und Wehr auf, die ritterliche Kleidung, in der er gekommen, gab er weg, er versah sich mit dem rauhen Gewand der Eremiten, deren einsame Wohnung zwischen diese nackten Felsen eingehauen ist. Nachdem er eine Generalbeichte abgelegt, begab er sich nicht gleich, wie seine jerusalemische Absicht forderte, nach Barcelona– er hätte auf der großen Straße erkannt zu werden gefürchtet –, sondern zuerst nach Manresa, um nach neuen Bußübungen von da an den Hafen zu gelangen.

Hier aber erwarteten ihn andere Prüfungen: die Richtung, die er mehr wie ein Spiel eingeschlagen, war gleichsam Herr über ihn geworden und machte ihren ganzen Ernst in ihm geltend. In der Zelle eines Dominikanerklosters ergab er sich den härtesten Bußübungen; zu Mitternacht erhob er sich zum Gebet, sieben Stunden täglich brachte er auf den Knien zu, regelmäßig geißelte er sich dreimal den Tag. Nicht allein aber fiel ihm das doch schwer genug, und er zweifelte oft, ob er es sein Leben lang aushalten werde; was noch viel mehr zu bedeuten hatte, er bemerkte auch, daß es ihn nicht beruhige. Er hatte sich auf Monserrat drei Tage damit beschäftigt, eine Beichte über sein ganzes vergangenes Leben abzulegen, aber er glaubte damit nicht genug getan zu haben. Er wiederholte sie in Manresa, er trug vergessene Sünden nach; auch die geringsten Kleinigkeiten suchte er auf. Allein, je mehr er grübelte, um so peinlicher waren die Zweifel, die ihn befielen. Er meinte, von Gott nicht angenommen, noch vor ihm gerechtfertigt zu sein. In den Leben der Väter las er, Gott sei wohl einmal durch Enthaltung von aller Speise erweicht und gnädig zu sein bewogen worden: auch er enthielt sich einst von einem Sonntag zum andern aller Lebensmittel. Sein Beichtvater verbot es ihm, und er, der von nichts in der Welt einen so hohen Begriff hatte wie von dem Gehorsam, ließ hierauf davon ab. Wohl war ihm dann und wann, als werde seine Melancholie von ihm genommen, wie ein schweres Kleid von den Schultern fällt, aber bald kehrten die alten Qualen zurück. Es schien ihm, als habe sich sein ganzes Leben Sünde aus Sünde fortgehend erzeugt; zuweilen war er in Versuchung, sich aus der Fensteröffnung zu stürzen.

Unwillkürlich erinnert man sich hierbei des peinlichen Zustandes, in welchen Luther zwei Jahrzehnte früher durch sehr ähnliche Zweifel geraten war. Die Forderung der Religion, eine völlige Versöhnung mit Gott bis zum Bewußtsein derselben, war bei der unergründlichen Tiefe einer mit sich selber hadernden Seele auf dem gewöhnlichen Wege, den die Kirche einschlug, niemals zu erfüllen. Auf sehr verschiedene Weise aber gingen sie aus diesem Labyrinth hervor. Luther gelangte zu der Lehre von der Versöhnung durch Christum ohne alle Werke; von diesem Punkte aus verstand er erst die Schrift, auf die er sich gewaltig stützte. Von Loyola finden wir nicht, daß er in der Schrift geforscht, daß das Dogma auf ihn Eindruck gemacht habe. Da er nur in inneren Regungen lebte, in Gedanken die in ihm selbst entsprangen, so glaubte er die Eingebung bald des guten, bald des bösen Geistes zu erfahren. Endlich ward er sich ihres Unterschiedes bewußt. Er fand denselben darin, daß sich die Seele von jenen erfreut und getröstet, von diesen ermüdet und geängstigt fühle.

Eines Tages war es ihm, als erwache er aus dem Traume. Er glaubte mit Händen zu greifen, daß alle seine Peinen Anfechtungen des Satans seien. Er entschloß sich, von Stund an über sein ganzes vergangenes Leben abzuschließen, diese Wunden nicht weiter aufzureißen, sie niemals wieder zu berühren. Es ist dies nicht sowohl eine Beruhigung als ein Entschluß, mehr eine Annahme, die man ergreift, weil man will, als eine Überzeugung, der man sich unterwerfen muß. Sie bedarf der Schrift nicht, sie beruht auf dem Gefühl eines unmittelbaren Zusammenhanges mit dem Reiche der Geister. Luther hätte sie niemals genug getan; Luther wollte keine Eingebung, keine Gesichte, er hielt sie alle ohne Unterschied für verwerflich. Er wollte nur das einfache, geschriebene, unzweifelhafte Gotteswort. Loyola dagegen lebte ganz in Phantasieen und inneren Anschauungen. Am meisten vom Christentum schien ihm eine Alte zu verstehen, welche ihm in seinen Qualen gesagt, Christus müsse ihm noch erscheinen. Es hatte ihm anfangs nicht einleuchten wollen, jetzt aber meinte er bald Christum, bald die Jungfrau mit Augen zu erblicken. Auf der Treppe von S. Domenico zu Manresa blieb er stehen und weinte laut, weil er das Geheimnis der Dreieinigkeit in diesem Moment anzuschauen glaubte; er redete den ganzen Tag von nichts anderem, er war unerschöpflich in Gleichnissen. Plötzlich überleuchtete ihn in mystischen Symbolen das Geheimnis der Schöpfung. In der Hostie sah er den, welcher Gott und Mensch. Er ging einst am Ufer des Llobregat nach einer entfernten Kirche; indem er sich niedersetzte und seine Augen auf den tiefen Strom heftete, den er vor sich hatte, fühlte er sich plötzlich von anschauendem Verständnis der Geheimnisse des Glaubens entzückt; er meinte, als ein anderer Mensch aufzustehen. Für ihn bedurfte es dann keines Zeugnisses, keiner Schrift weiter. Auch wenn es solche nicht gegeben hätte, würde er doch unbedenklich für den Glauben, den er bisher geglaubt, den er sah, in den Tod gegangen sein.Acta antiquissima, a Lodovico Consalvo ex ore Sancti excepta; Acta Sanctorum I, 1, p. 634 ff. R.

Haben wir die Grundlagen dieser so eigentümlichen Entwicklung gefaßt, dieses Rittertum der Abstinenz, diese Entschlossenheit der Schwärmerei und phantastische Asketik, so ist es nicht nötig, Iñigo Loyola auf jedem Schritte seines Lebens weiter zu begleiten. Er ging wirklich nach Jerusalem, in der Hoffnung, wie zur Stärkung der Gläubigen so zur Bekehrung der Ungläubigen beizutragen. Allein wie wollte er zumal das letzte ausführen, unwissend wie er war, ohne Gefährten, ohne Vollmacht? An der entschiedenen Zurückweisung jerusalemischer Oberen, die dazu eine ausdrückliche päpstliche Berechtigung besaßen, scheiterte sein Vorsatz, an den heiligen Orten zu bleiben. Auch als er nach Spanien zurückgekommen, hatte er Anfechtungen genug zu bestehen. Indem er zu lehren und die geistlichen Übungen, die ihm indes entstanden, mitzuteilen anfing, kam er sogar in den Verdacht der Ketzerei. Es wäre das seltsamste Spiel des Zufalls, wenn Loyola, dessen Gesellschaft Jahrhunderte später in Illuminaten ausging,Adam Weishaupt, Professor in Ingolstadt, gründete 1776, nach der Aufhebung des Jesuitenordens durch den Papst, den Geheimbund der Illuminaten, der gegen jesuitische Gesinnung für die Aufklärung wirken sollte; manche frühere Jesuiten schlossen sich ihm an, andere verfolgen ihn; 1785 wurde der Bund unterdrückt. selbst mit einer Sekte dieses Namens in Zusammenhang gestanden hätte. Und leugnen kann man nicht, daß die damaligen Illuminaten in Spanien, Alumbrados, zu denen er zu gehören in Verdacht war, Meinungen hegten, die einige Ähnlichkeit mit seinen Phantasieen haben. Abgestoßen von der Werkheiligkeit des bisherigen Christentums, ergaben auch sie sich inneren Entzückungen und glaubten wie er das Geheimnis, sie erwähnten noch besonders das der Dreieinigkeit, in unmittelbarer Erleuchtung anzuschauen. Wie Loyola und später seine Anhänger machten sie die Generalbeichte zur Bedingung der Absolution und drangen vor allem auf das innere Gebet. In der Tat möchte ich nicht behaupten, daß Loyola ganz ohne Berührung mit diesen Meinungen geblieben wäre; allein daß er der Sekte angehört hätte, ist auch nicht zu sagen. Er unterschied sich von ihr hauptsächlich dadurch, daß, während sie durch die Forderungen des Geistes über alle gemeinen Pflichten erhaben zu sein glaubte, er dagegen, ein alter Soldat wie er war, den Gehorsam für die oberste aller Tugenden erklärte. Seine ganze Begeisterung und innere Überzeugung unterwarf er allemal der Kirche und ihren Gewalten.

Indessen hatten diese Anfechtungen und Hindernisse einen für sein Leben entscheidenden Erfolg. In dem Zustande, in dem er damals war, ohne Gelehrsamkeit und gründlichere Theologie, ohne politischen Rückhalt, hätte sein Dasein spurlos vorübergehen müssen. Glück genug, wenn ihm innerhalb Spaniens ein paar Bekehrungen gelungen wären. Allein indem man ihm in Alcala und in Salamanca auferlegte, erst vier Jahre Theologie zu studieren, ehe er namentlich über gewisse schwere Dogmen wieder zu lehren versuche, nötigte man ihn einen Weg einzuschlagen, auf dem sich allmählich für seinen Trieb religiöser Tätigkeit ein ungeahntes Feld eröffnete. Er begab sich nach der damals berühmtesten hohen Schule der Welt, nach Paris. Die Studien hatten für ihn eine eigentümliche Schwierigkeit. Er mußte die Klasse der Grammatik, die er schon in Spanien angefangen, die der Philosophie durchmachen, ehe er zur Theologie zugelassen wurde.Nach der ältesten Chronik der Jesuiten, Chronicon breve, Acta Sanctorum I, 1, p. 525, war Ignatius von 1528-1535 in Paris. Ibi vero non sine magnis molestiis et persecutionibus primo grammaticae de integro, tum philosophiae ac demum theologico studio sedulam operam navavit. R. Aber bei den Worten, die er flektieren, bei den logischen Begriffen, die er analysieren sollte, ergriffen ihn die Entzückungen des tieferen religiösen Sinnes, den er damit zu verbinden gewohnt war. Es hat etwas Großartiges, daß er dies für Eingebungen des bösen Geistes erklärte, der ihn von dem rechten Wege abführen wolle, und sich der strengsten Zucht unterwarf. Während ihm nun aus den Studien eine neue, die reale Welt aufging, ließ er doch von seiner geistigen Richtung und selbst ihrer Mitteilung keinen Augenblick ab. Eben hier war es, wo er die ersten nachhaltigen, wirksamen, ja für die Welt bedeutenden Bekehrungen machte.

Von den beiden Stubenburschen Loyolas in dem Kollegium St. Barbara war der eine, Peter Faber aus Savoyen, ein Mensch, bei den Herden seines Vaters aufgewachsen, der sich einst des Nachts unter freiem Himmel Gott und den Studien gewidmet hatte, nicht schwer zu gewinnen. Er repetierte mit Ignatius, denn diesen Namen führte Inigo in der Fremde, den philosophischen Kursus; dieser teilte ihm dabei seine asketischen Grundsätze mit. Ignatius lehrte den jüngeren Freund seine Fehler bekämpfen, klüglich nicht alle auf einmal, sondern einen nach dem andern, wie er denn auch immer einer Tugend vorzugsweise nachzutrachten habe; er hielt ihn zur Beichte und häufigem Genuß des Abendmahls an. Sie traten in die engste Gemeinschaft; Ignaz teilte die Almosen, die ihm aus Spanien und Flandern ziemlich reichlich zuflossen, mit Faber. Schwerer machte es ihm der andre, Franz Xaver aus Pamplona in Navarra, der begierig war, der Reihe seiner durch Kriegstaten berühmten Vorfahren den Namen eines Gelehrten hinzuzufügen; er war schön, reich, voll Geist und hatte schon am königlichen Hofe Fuß gefaßt. Ignaz versäumte nicht ihm die Ehre zu erweisen, die er in Anspruch nahm, und zu sorgen, daß sie ihm von anderen erwiesen wurde. Für seine erste Vorlesung verschaffte er ihm eine gewisse Frequenz. Wie er ihn sich erst persönlich befreundet hatte, verfehlte sein Beispiel, seine Strenge ihre natürliche Wirkung nicht. Er brachte diesen wie jenen dahin, die geistlichen Übungen unter seiner Leitung zu machen. Er schonte ihrer nicht; drei Tage und drei Nächte ließ er sie fasten; im härtesten Winter, die Wagen fuhren über die gefrorene Seine, hielt er Faber dazu an. Er machte sich beide ganz zu eigen und teilte ihnen seine Gesinnung mit.

Nachdem sich noch einige Spanier, Salmeron, Lainez, Bobadilla, denen sich allen Ignatius durch guten Rat oder Unterstützung unentbehrlich gemacht, ihnen zugesellt hatten, begaben sie sich eines Tages nach der Kirche von Montmartre. Faber, bereits Priester, las die Messe. Sie gelobten Keuschheit, sie schwuren, nach vollendeten Studien in völliger Armut ihr Leben in Jerusalem der Pflege der Christen oder der Bekehrung der Saracenen zu widmen; sei es aber unmöglich, dahin zu gelangen oder dort zu bleiben, in diesem Falle dem Papste ihre Bemühungen anzubieten, für jeden Ort, wohin er ihnen zu gehen befehle, ohne Lohn noch Bedingung. So schwur ein jeder und empfing die Hostie; darauf schwur auch Faber und nahm sie selbst; an dem Brunnen von St. Denys genossen sie hierauf eine Mahlzeit. Ein Bund zwischen jungen Männern, schwärmerisch, nicht eben verfänglich, noch in den Ideen, die Ignatius ursprünglich gefaßt hatte; nur insofern davon abweichend, als sie ausdrücklich die Möglichkeit berechneten, dieselben nicht ausführen zu können.

Anfang 1537 finden wir sie in der Tat mit noch drei anderen Genossen sämtlich in Venedig, um ihre Wallfahrt anzutreten. Schon manche Veränderung haben wir in Loyola wahrgenommen; von einem weltlichen Rittertum sahen wir ihn zu einem geistlichen übergehen, in die ernsthaftesten Anfechtungen fallen und mit phantastischer Ästhetik sich daraus hervorarbeiten; Theolog und Gründer einer schwärmerischen Gesellschaft war er geworden. Jetzt endlich nahmen seine Absichten die bleibende Wendung. Einmal hinderte ihn der Krieg, der eben damals zwischen Venedig und den Türken ausbrach, an der Abreise und ließ den Gedanken der Wallfahrt mehr zurücktreten; sodann aber fand er in Venedig ein Institut, das ihm, man möchte sagen, die Augen erst recht öffnete. Eine Zeitlang schloß sich Loyola auf das engste an CaraffaDer spätere Papst Paul IV., geboren 1476, fünfzehn Jahre älter als Loyola, schon 1503 am päpstlichen Hofe, dann in England und Spanien tätig, seit 1534 Kardinal, richtete 1542 die römische Inquisition ein und den Index liborum prohibitorum; er wurde 1555 zum Papst erwählt, starb 1559. an; in dem Konvent der Theatiner, der sich in Venedig gebildet, nahm er Wohnung. Er diente in den Spitälern, über welche Caraffa die Aufsicht führte, in denen dieser seine Novizen sich üben ließ. Zwar fand er sich durch das theatinische Institut nicht völlig befriedigt; er sprach mit Caraffa über einige in demselben vorzunehmende Veränderungen, und sie sollen darüber miteinander zerfallen sein. Aber schon dies zeigt, wie tiefen Eindruck es auf ihn machte. Einen Orden von Priestern sah er hier sich den eigentlich klerikalischen Pflichten mit Eifer und Strenge widmen. Mußte er, wie immer deutlicher wurde, diesseits des Meeres bleiben und seine Tätigkeit in den Bezirken der abendländischen Christenheit versuchen, so erkannte er wohl, daß er auch nicht füglich einen anderen Weg einschlagen konnte.

In der Tat nahm er in Venedig mit all seinen Gefährten die priesterlichen Weihen. In Vicenza begann er nach vierzigtägigem Gebet mit dreien von ihnen zu predigen. An dem nämlichen Tage zur nämlichen Stunde erschienen sie in verschiedenen Straßen, stiegen auf Steine, schwangen die Hüte, riefen laut und fingen an, zur Buße zu ermahnen. Seltsame Prediger, zerlumpt, abgehärmt; sie sprachen ein unverständliches Gemisch von Spanisch und Italienisch. In diesen Gegenden blieben sie, bis das Jahr, das sie zu warten beschlossen hatten, verstrichen war. Dann brachen sie auf nach Rom. Als sie sich trennten, denn auf verschiedenen Wegen wollten sie die Reise machen, entwarfen sie die ersten Regeln, um auch in der Entfernung eine gewisse Gleichförmigkeit des Lebens zu beobachten. Was aber sollten sie antworten, wenn man sie nach ihrer Beschäftigung fragen würde? Sie gefielen sich in dem Gedanken, als Soldaten dem Satan den Krieg zu machen; den alten militärischen Phantasieen des Ignatius zufolge beschlossen sie, sich die Kompagnie Jesu zu nennen, ganz wie eine Kompagnie Soldaten, die von ihrem Hauptmann den Namen trägt.

In Rom hatten sie anfangs keinen ganz leichten Stand. Ignatius meinte, er sehe alle Fenster geschlossen, und von dem alten Verdacht der Ketzerei mußten sie hier noch einmal freigesprochen werden. Allein indes hatte ihre Lebensweise, ihr Eifer in Predigt und Unterricht, ihre Krankenpflege auch zahlreiche Anhänger herbeigezogen, und so viele zeigten sich bereit, zu ihnen zu treten, daß sie auf eine förmliche Einrichtung ihrer Gesellschaft denken konnten. Zwei Gelübde hatten sie bereits getan; jetzt legten sie das dritte, das des Gehorsams, ab. Wie aber Ignatius immer den Gehorsam für eine der vornehmsten Tugenden erklärt hatte, so suchten sie gerade in diesem alle anderen Orden zu übertreffen. Es war schon viel, daß sie sich ihren GeneralTrotz der erwähnten militärischen Richtung des Ordens ist diese Bezeichnung nicht militärisch zu verstehen, sondern entspricht dem Brauche der katholischen Orden von alters her; so haben die Franziskaner, die Dominikaner ihren Ordensgeneral. allemal auf Lebenszeit zu wählen beschlossen; allein dies genügte ihnen noch nicht. Sie fügten die besondere Verpflichtung hinzu, »alles zu tun, was ihnen der jedesmalige Papst befehlen, in jedes Land zu gehen, zu Türken, Heiden und Ketzern, in das er sie senden werde, ohne Wiederrede, ohne Bedingung und Lohn, unverzüglich«. Welch ein Gegensatz gegen die bisherigen Tendenzen dieser Zeit! Indem der PapstPaul III., regierte 1534-1549. auf allen Seiten Widerstand und Abfall erfuhr und nichts zu erwarten hatte als fortgehenden Abfall, vereinigte sich hier eine Gesellschaft, freiwillig, voll Eifer, enthusiastisch, um sich ausschließlich seinem Dienste zu widmen. Er konnte kein Bedenken tragen, sie anfangs im Jahre 1540 unter einigen Beschränkungen, dann 1543 unbedingt zu bestätigen.

Indes tat auch die Gesellschaft den letzten Schritt. Sechs von den ältesten Bundesgenossen traten zusammen, um den Vorsteher zu wählen, der, wie der erste Entwurf, den sie dem Papste einreichten, besagt, »Grade und Ämter nach seinem Gutdünken verteilen, die Konstitution mit Beirat der Mitglieder entwerfen, in allen andern Dingen aber allein zu befehlen haben sollte; in ihm solle Christus als gegenwärtig verehrt werden«. Einstimmig wählten sie Ignaz, der, wie Salmeron auf seinem Wahlzettel sagte, »sie alle in Christo erzeugt und mit seiner Milch genährt habe«. Und nun erst hatte die Gesellschaft ihre Form. Es war auch eine Gesellschaft von Chierici regolari; sie beruhte auch auf einer Vereinigung von klerikalischen und klösterlichen Pflichten, allein sie unterschied sich doch vielfach von den übrigen dieser Art. Hatten schon die Theatiner mehrere minder bedeutende Verpflichtungen fallen lassen, so gingen die Jesuiten darin noch weiter. Es war ihnen nicht genug, alle klösterliche Tracht zu vermeiden; sie sagten sich auch von den gemeinschaftlichen Andachtsübungen, welche in den Klöstern den größten Teil der Zeit wegnahmen, von der Obliegenheit, im Chor zu singen, los. Dieser wenig notwendigen Beschäftigungen überhoben, widmeten sie ihre ganze Zeit und alle ihre Kräfte den wesentlichen Pflichten. Nicht einer besonderen, wie die Barnabiten, obwohl sie die Krankenpflege, weil sie einen guten Namen machte, sich angelegen sein ließen, nicht unter beschränkenden Bedingungen, wie die Theatiner, sondern mit aller Anstrengung den wichtigsten. Erstens der Predigt; schon als sie sich in Vicenza trennten, hatten sie sich das Wort gegeben, hauptsächlich für das gemeine Volk zu predigen, mehr darauf zu denken, Eindruck zu machen als durch gewählte Rede zu glänzen; so fuhren sie nunmehr fort. Zweitens der Beichte, denn damit hängt die Leitung und Beherrschung der Gewissen unmittelbar zusammen; in den geistlichen Übungen, durch welche sie selber mit Ignaz vereinigt worden, besaßen sie ein großes Hilfsmittel. Endlich »dem Unterricht der Jugend; hierzu hatten sie sich gleich in ihren ersten Gelübden durch eine besondere Klausel verpflichten wollen, und obwohl dieses da nicht durchgegangen war, schärften sie es doch in ihrer Regel auf das lebhafteste ein: vor allem wünschten sie die aufwachsende Generation zu gewinnen.

Aus den phantastischen Bestrebungen Ignatio's hatte sich demnach eine vorzugsweise praktische Richtung entwickelt, aus seinen asketischen Bekehrungen ein Institut mit weltkluger Zweckmäßigkeit berechnet. Alle seine Erwartungen sah er weit übertroffen. Er hatte nun die unbeschränkte Leitung einer Gesellschaft in Händen, auf welche ein großer Teil seiner Intuitionen überging, welche ihre geistliche Überzeugung mit Studium, auf dem Wege bildete, auf dem er sie durch Zufall und GeniusDas Wort ist hier in seiner eigentlichen Bedeutung gebraucht: angeborene Begabung: naturae deus humanae nach Horaz, Epist. 2, 2, 188. erworben hatte; welche zwar seinen jerusalemischen Plan nicht ausführte, bei dem sich nichts erreichen ließ, aber übrigens zu den entferntesten erfolgreichen MissionenFranz Xaver ging 1541 nach Ostindien, 1547 weiter nach den Molukken und Japan, starb im fernen Osten 1552. schritt und hauptsächlich jene Seelsorge, die er immer empfohlen, in einer Ausdehnung übernahm, wie er sie niemals ahnen können; die ihm endlich einen zugleich soldatischen und geistlichen Gehorsam leistete.

Als Ignatius starb (1556), zählte seine Gesellschaft, die römische ungerechnet, dreizehn Provinzen. Schon der bloße Anblick zeigt, wo der Nerv derselben war. Die größere Hälfte, sieben, gehörte der pyrenäischen Halbinsel und ihren Kolonien an. In Kastilien waren zehn, in Aragon fünf, in Andalusien nicht minder fünf Kollegien; in Portugal war man am weitesten, man hatte zugleich Häuser für Professen und Novizen. Der portugiesischen Kolonien hatte man sich beinahe bemächtigt; in Brasilien waren 28, in Ostindien von Goa bis Japan gegen 100 Mitglieder des Ordens beschäftigt. Von hier aus hatte man einen Versuch in Äthiopien gemacht und einen Provinzial dahin gesendet; man glaubte eines glücklichen Fortgangs sicher zu sein. Alle diese Provinzen spanischer und portugiesischer Zunge wurden von einem Generalkommissar, Franz Borgia, zusammengefaßt. In der Nation, wo der erste Gedanke der Gesellschaft entsprungen, war auch ihr Einfluß am umfassendsten gewesen.

Nicht viel geringer war er in Italien. Es gab drei Provinzen italienischer Zunge: die römische, die unmittelbar unter dem General stand, mit Häusern für Professen und Novizen, dem Kollegium Romanum und Germanicum, das aus den Rat des Kardinals MoronePäpstlicher Nuntius in Wien bei König Ferdinand, anwesend bei dem Religionsgespräch zu Worms, Januar 1541, und bei der Verhandlung über den Augsburger Religionsfrieden 1555; Deutsche Geschichte 4, 144. 147; 5, 261. ausdrücklich für die deutschen eingerichtet wurde, jedoch noch keinen rechten Fortgang gewann; auch Neapel gehörte zu dieser Provinz, – die sicilianische mit vier bereits vollendeten und zwei angefangenen Kollegien; der Vizekönig della Vega hatte die ersten Jesuiten dahin gebracht; Messina und Palermo hatten gewetteifert, Kollegien zu gründen, von diesen gingen dann die übrigen aus –, und die eigentlich italienische, die das obere Italien begriff, mit zehn Kollegien.

Nicht so glücklich war es in anderen Ländern gegangen; allenthalben setzte sich der Protestantismus oder eine schon gebildete Hinneigung zu demselben entgegen. In Frankreich hatte man doch nur ein einziges Kollegium eigentlich im Stande. Man unterschied zwei deutsche Provinzen, allein sie waren nur in ihren ersten Anfängen vorhanden. Die obere gründete sich auf Wien, Prag, Ingolstadt, doch stand es allenthalben noch sehr bedenklich; die untere sollte die Niederlande begreifen, doch hatte Philipp II. den Jesuiten noch keine gesetzliche Existenz gestattet.Philipp war damals in Krieg mit dem Papste Paul IV. geraten, der die spanische Herrschaft über Neapel nicht dulden wollte; Geschichte der Päpste 2, 188 ff.

Aber schon dieser erste rasche Fortgang leistete der Gesellschaft Bürgschaft für die Macht, zu der sie bestimmt war. Daß sie sich in den eigentlich katholischen Ländern, den beiden Halbinseln, zu so gewaltigem Einfluß erhoben, war von der größten Bedeutung.


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