Leopold von Ranke
Geschichtsbilder aus Leopold v. Rankes Werken
Leopold von Ranke

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36. Wilhelm III., König von England.

Englische Geschichte VII, Werke Bd. 20, S. 290-293.

Wilhelm III.Vgl. Macaulay, Geschichte von England, Kap. 7 u. 11, deutsche Übersetzung von Bülau Bd. 2, 148 ff.; 3, 47 ff. war keine imponierende Erscheinung. Weder als Staatsmann noch als General entwickelte er Eigenschaften, welche auf die Menge Eindruck machen oder sie gewinnen können. Im Felde glänzte er nicht durch unerwartete Kombinationen und große Siege; in seinen Schlachten auf dem Kontinent hat er meistens zurückweichen müssen. Er gehört zu den namhaften und befähigten, nicht zu den Feldherrn ersten Ranges. Wenn man ihm die Förderung bürgerlicher und konstitutioneller Freiheiten zum Verdienst anrechnet, so ist das zwar historisch sehr begründet, doch rührte es mehr von den Umständen als von persönlicher Vorliebe für diese Form des Staates her. In der Stadt Amsterdam sowie in der Provinz Geldern hat man viel über seine Eigenmächtigkeiten geklagt; auch in England setzte er sich vornehmlich die Aufrechterhaltung der PrärogativeD. h. der königlichen Vorrechte. zum Ziel. Die konstitutionellen Kämpfe widerten ihn an, weil man sie zur Verfolgung selbstsüchtiger Absichten mißbrauche. Eine sehr ausgedehnte Begünstigung seiner persönlichen Freunde und Vertrauten, selbst einer ihm nahestehenden Dame, nahm er sich trotz seiner parlamentarischen Verpflichtungen nicht übel.

Worin besteht nun seine Größe? Sie liegt in der Stellung, die er einnahm und vollkommen ausfüllte, in den welthistorischen Erfolgen, die er zum Teil bei seinem Leben errungen, zum Teil begründet und herbeigeführt hat.

Wilhelm III. war sozusagen eine internationale Natur: von Stammesherkunft ein deutscher Fürst, Sohn einer englischen Mutter,Maria, Tochter Karls I. Gemahl einer englischen Prinzessin;Maria, Tochter Jakobs II. durch ältere Blutsverwandtschaft und Religion dem französischen Protestantismus, durch das Verdienst seiner Väter und ererbten Anspruch der Republik der vereinigten Niederlande angehörig; nach allen diesen Seiten in besondere Beziehungen verflochten. Doch war es keine von ihnen, wovon seine Tätigkeit ausgegangen ist; so wirksam waren sie nicht mehr. Die vornehmste Frage der Zeit, welche für die Fortentwicklung der europäischen Menschheit von Bedeutung war, lag in dem Emporkommen der französischen Monarchie zu einem universalen Übergewicht, durch welches die Selbständigkeit jedes einzelnen Landes und jeder Nation bedroht wurde. Der lebendige Impuls nun, der das Tun und Lassen Wilhelms III. bestimmt hat, entsprang aus seinem Gegensatz zu dieser bereits dominierenden und noch immer um sich greifenden, mit allen Elementen der geistigen Bildung und einer kraftvollen Staatsentwicklung durchdrungenen, von einem ganz eigens dazu gearteten Fürsten, welcher zugleich der Ausdruck einer großen Nationalität war, geleiteten Weltmacht. Daß der beschränkte Statthalter einer Handelsrepublik, der seinen Titel von einem halbverlorenen Lande führte, der kleine Herr von Breda, wie ihn die Franzosen nannten, es unternahm, ihr Widerstand zu leisten, war ihm beinahe selbst ein Rätsel. Wie er überhaupt die calvinische Prädestinationslehre, der er anhing, zugleich in einem fatalistisch-providentiellen Sinne auffaßte, so erklärte er es für sein Schicksal, seine Bestimmung; er sah darin die Aufgabe seines Lebens.

Sollte sie aber erfüllt werden, so war an keine politische oder religiöse Parteistellung zu denken. Daß der Protestantismus aufrechterhalten werden mußte, lag am Tage, da der Gegner im Innern seines Reiches zu einer überaus gewaltsamen katholischen Reaktion schritt. Aber wie dies Verfahren zum großen Teil in der Idee der nationalen Einheit und Macht seinen Grund hatte, so war das keineswegs das einzige Moment, auf das es ankam. Ohne die Teilnahme der katholischen Welt ließ sich gegen Ludwig XIV. nichts ausrichten; die Hälfte der Verbündeten, die gegen ihn zusammentraten, waren Katholiken. In diesem Konflikt erschien die Idee der Toleranz als eine historische Notwendigkeit; von Anfang an hat sie Wilhelm III. auf seine Fahnen geschrieben. Für kein Land ist sie bedeutender geworden als für das Deutsche Reich. Von jeher hatte das norddeutsche Fürstentum die protestantischen Ideen dem Kaisertum gegenüber aufrechterhalten; jetzt traten die Heerscharen des einen und des andern der Macht, welche sie beide bedrohte, einträchtig zusammenwirkend entgegen; das Kaisertum der letzten Habsburger nahm eine veränderte Stellung ein, durch welche das Emporkommen der protestantischen Fürsten nicht mehr ausgeschlossen und doch dem Kaisertum eine weitere Ausdehnung möglich gemacht wurde. So standen auch in Holland der städtische Republikanismus und die statthalterische Autorität einander nicht mehr unversöhnlich gegenüber, sobald ein Statthalter das Gemeinwesen gegen einen gefährlichen Feind verteidigte. Aber die Hauptsache war, England von der Verbindung mit der französischen Monarchie, die dieser erst ihr Übergewicht verlieh, loszureißen. Im Gegensatz mit der Krone, welche daran festhielt, mußten dann die parlamentarischen Gewalten in den europäischen Bund gezogen werden; durch die Teilnahme daran wurden sie selbst für Europa unentbehrlich. Diese Koalition der verschiedenartigsten Elemente zustande gebracht und sie der vorherrschenden Macht mit Erfolg entgegengestellt zu haben, das ist die historische Handlung Wilhelms III. Was sonst gibt überhaupt einer bedeutenden Persönlichkeit ihren Charakter, als das Verhältnis der ihr auferlegten oder von ihr übernommenen Verpflichtung zu den angebornen Eigenschaften? Das Zusammentreffen von beiden bildet die großen Männer.

Seiner krankhaften Natur zum Trotz, zum Erschrecken hager und blaß, mit fortwährendem Asthma geplagt, entwickelte Wilhelm III. doch eine unverwüstliche Arbeitskraft. Er kannte fast kein Vergnügen, er lebte nur in Geschäften, er redete wenig und handelte um so mehr. Jeder seiner Schritte zeugt von gesundem Urteil und kluger Entschlossenheit. Niemand war jemals geschickter, Bündnisse zu bilden und zusammenzuhalten, Armeen der mannigfaltigsten Zusammensetzung ohne Erweckung nationaler Antipathien zu befehligen, auch in den innern Streitigkeiten Zeit und Stunde abzuwarten, zurückzuweichen und doch festzuhalten. In einem seiner Briefe findet sich ein Wort, das als sein Wahlspruch gelten könnte, es lautet: »Vorsichtig und mit Nachdruck.« Er unternahm nie etwas, ohne sich allseitig die Schwierigkeiten vorgestellt zu haben, auf die er dabei stoßen mußte. Bei der Ausführung folgte er fast mehr dem Zuge der Dinge, als daß er von vornherein viel veranstaltet hatte; sein Ehrgeiz erschien immer höchst gerechtfertigt und durch die Verhältnisse geboten. Die Vorbereitung des spanischen Erbfolgekrieges kann als sein politisches Meisterstück gelten.

In England ist Wilhelm III. nie recht einheimisch geworden. Die muntere Geselligkeit seiner stuartischen Vorgänger lag außer seinem Naturell; zuweilen hat er Feste gegeben, Gesellschaften gesehen, aber nicht weil es ihm selbst Vergnügen gemacht hätte, sondern um seine Dankbarkeit für geschehene Bewilligung zu zeigen oder eine günstige Parlamentssitzung zu gewinnen. Man hatte Mühe bis zu ihm vorzudringen; dann zeigte er sich unbefangen und gesprächig, er ließ sich auf Diskussionen ein und suchte zu überzeugen. Vertraulich aber war er nur in seinem engen Kreise von Holländern, deren Bildung, Sinnesart und Geschmack er teilte. Wenn man die Bauten und Anlagen in Hamptoncourt betrachtet, die sein Andenken erhalten, so empfindet man einen Anhauch holländischen Wesens. Den Gewohnheiten seines früheren Lebens blieb er auch in England treu, vielleicht selbst aus Bedürfnis. Er durfte die Jagden in gewohnter Weise nicht unterlassen, wenn er leben wollte; er brauchte viel Schlaf und reichliche Nahrung; man hat ihm die langen Mittagsmahle, die er mit seinen Holländern hielt, selbst zum Vorwurf gemacht; da ruhte er aus und ließ sich gehen. Alle Jahre im Sommer eilte er nach Holland zurück, selbst wenn es die Geschäfte nicht unbedingt erheischten; er befand sich dort, besonders in Loo, immer am besten.

Wilhelm war keineswegs unempfänglich für den Glanz der Krone, die ihm zuteil geworden war, und hielt auf Beobachtung der Äußerlichkeiten; doch lag in seiner Art und Weise zugleich etwas von der Familiarität des Privatmannes. Die Franzosen, denen ein gutes Urteil in dieser Beziehung zuzugestehen ist, finden in seiner Erscheinung und seinem Ausdruck Einfachheit, Größe und selbst eine gewisse Anmut. Auch vertraute Freunde klagen doch, daß sie mit der Zeit von ihm vernachlässigt worden seien; sie geben ihm Herzlosigkeit schuld: das mochte daher rühren, daß er eben dann nicht mehr ganz mit ihnen einverstanden war, oder vielleicht daß er ihrer nicht mehr bedurfte. Er lebte nur immer in den großen Angelegenheiten, die freilich allezeit zugleich seine eigenen waren; davor verschwanden ihm die persönlichen Beziehungen.

Sein Leben macht den Eindruck einer Seefahrt, die zwischen gefährlichen Klippen nicht selten unter heftigen Stürmen dahinführt, in welchen der geschickte Pilot jede Wendung der Elemente benutzen muß.

Schlacht am Boynefluß 6, 359-362. Seeschlacht bei La Hogue 7, 47-52. Die Bank von England 7, 78-82.

  1. Wilhelm III. und das Parlament von 1698.

Vgl. die ausführlichere Darstellung Macaulays im 24. Kapitel, Bd. 5 S. 111 ff. der deutschen Übersetzung.

Englische Geschichte VII, Werke Bd. 20 S. 181-193.

Die gesetzliche Sitzungszeit des Parlaments war abgelaufen, und alles hing davon ab, ob die Wahlen, zu denen man unverzüglich schritt, im Sinne der Regierung ausfallen würden. In Westminster traten Montague und VernonMontague war Schatzkanzler, Vernon Staatssekretär. persönlich als Kandidaten für das Parlament auf, aber gleich bei diesem Wahlakt zeigte sich, daß die herrschende Stimmung dieser Verwaltung und ihren Ansichten nicht günstig war. Den beiden hohen Staatsbeamten, die um die Stimmen warben, setzte sich ein Mann der entschlossenen Opposition, Sir Harry Colt, entgegen. Er behauptete, sie seien Sklaven ihrer Stellen und dadurch der Sache des Volkes abtrünnig geworden; sich selbst stellte er als den wahren Altengländer dar, der sich vom Hofe nicht bestechen lasse. Das Geschrei seiner Anhänger war: »keine Hofleute, keine Erfinder von Auflagen«. Ein paar Tage hielt er den mächtigen Männern das Gleichgewicht; er unterlag zwar endlich, aber sehr mit Ehren, hauptsächlich durch den Einfluß französischer Refugiés, die in Westminster zahlreich das Bürgerrecht erworben hatten und sich dem Interesse des Königs unbedingt anschlossen.

In dem allgemeinen Wahlkampf fiel jedoch die Entscheidung anders aus. Überall wurden die sogenannten Patrioten, die Männer der Opposition, vorgezogen. Man zählte auch diesmal eine große Anzahl neuer Mitglieder, deren Meinungen man in der Hauptstadt nicht kannte, von denen man aber soviel hörte, daß sie meistens eifrige Gegner der Auflagen seien. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Whigs, welche die Regierung vertraten, in der Minderheit blieben. Als der König Anfang Dezember 1698 aus Holland zurückkam, hätte er die Sitzung lieber noch eine Weile aufgeschoben, um vorbereitende Unterhandlungen zu pflegen; aber die leitenden Whigs, namentlich die, welche selbst Mitglieder des Unterhauses waren, hielten es für besser, ohne weiteren Aufschub zu versuchen, was sich mit diesem Hause erreichen lasse. Die erste vorläufige Verhandlung bestärkte sie in ihren Erwartungen; Thomas Littleton, einer der Ihren, wurde zum Sprecher gewählt.

Die Thronrede hatte diesmal der Lordkanzler Somers verfaßt, und zwar mit der Rücksicht, daß darin zwar der Wunsch des Königs ausgesprochen, aber alles vermieden werden sollte, was das Selbstgefühl des Parlamentes verletzen könne. Der König spricht darin nicht von der Landmacht im allgemeinen, sondern nur von ihrer Stärke für das laufende Jahr; er erinnert an die Bedeutung derselben für das Gefühl der Sicherheit des Landes, von dem alles andre, selbst Handel und Verkehr abhänge, und für die Erhaltung des Einflusses von England auf die europäischen Angelegenheiten, aber er stellt seine Meinung hierüber nicht wieder voran,Dies war in der Thronrede vom Dezember 1697 geschehen (Ranke S. 169), und das Parlament hatte darauf eine starke Verminderung des Landheeres beschlossen, weil der Friede (zu Ryswick) hergestellt sei. er überläßt es den Erwägungen des Parlaments, was es selbst für diesen Zweck nötig finden würde. Aber wie vergeblich ist es doch, durch Annäherungen in der Form Versammlungen gewinnen zu wollen, die einmal ihre Stellung genommen haben. Das neue Parlament setzte dem König und seinen Ministern einen ebenso hartnäckigen Widerstand entgegen wie das alte. »So viel ist gewiß,« sagt der brandenburgische Berichterstatter,Louis Frederic Bonnet, aus Genf gebürtig, Nachfolger seines älteren Bruders in dem Amte eines brandenburgischen Residenten in London: s. Ranke Bd. 9 S. 41 f. »der bloße Name einer Armee ist den Engländern verhaßt. Männer, die nicht den mindesten Anflug von Jakobitismusd.h. Anhänglichkeit an den vertriebenen König Jakob II. haben, sondern sich der Regierung anschließen, verlassen sie doch, sobald von der Armee die Rede ist. Sie hören gern davon sprechen, daß England einen großen Einfluß auf das Ausland ausübe, allein die Idee von ihrer Freiheit und die geringe Kenntnis von auswärtigen Angelegenheiten bewirken doch, daß sie keine Armee im Lande dulden wollen.«

War das nicht die alte Streitfrage zwischen dem Parlament der Rebellion und Karl I., nur auf einer andern Stufe? Von der feudalistischen Gesinnung der Kavaliere, die der damaligen bewaffneten Macht ihren Charakter gab, war freilich nicht mehr die Rede. Aber das Kriegsheer des Protektorats hatte durch seine gewaltsamen Eingriffe selbst den Namen einer Armee verhaßt gemacht; ihre Auflösung war eine Bedingung der Herstellung des Königtums. Auch das Parlament der Restauration wollte von keiner starken bewaffneten Macht hören; unter den zusammenwirkenden Umständen der Zeit hatte man Karl II. genötigt, sie auf eine sehr geringe Zahl zurückzubringen. Wenn Jakob II. sie vermehrt und zu seinen der Verfassung des Landes entgegenlaufenden Absichten hatte brauchen wollen, so hatte das den Widerwillen des Parlaments und der Bevölkerung gegen die bewaffnete Macht verdoppelt. Nur die unbedingte Notwendigkeit, den gewaltigen FeindFrankreich. im Kriege zu bestehen, hatte die unaufhörlich sich regende Opposition beschwichtigen können. Aber nach geschlossenem Frieden erwachte sie mit aller Macht, und verstärkt durch die Antipathie gegen die Fremden, die in derselben eine große Rolle spielten. Nachdem der König und die Armee die parlamentarische Verfassung geschützt und ihre Fortentwicklung möglich gemacht hatten, ließ das Parlament eben infolgedessen seiner Antipathie gegen die Armee und deren Zusammenhang mit der Krone freien Lauf. Der Beschluß ward gefaßt, daß alle Landtruppen in England, ausgenommen 7000 Mann, abgezahlt und entlassen werden, die Truppen, die man behalte, nur aus eingebornen Engländern bestehen sollten. Für Irland wurden 12000 Mann genehmigt; auch diese aber sollten nur aus gebornen Untertanen des Königs bestehen und von Irland selbst besoldet werden.Über Schottland hatte das englische Parlament nichts zu beschließen; dieses Land hatte damals noch sein eigenes Parlament.

Man sagte zwar in England, das werde mit Unrecht als ein Beweis von üblem Willen der Nation gegen den König angesehen; es sei nur ein Beweis von der Meinung der Landedelleute, daß die öffentliche Freiheit mit einer Armee nicht verträglich sei; aber eben in dieser Meinung lag der Gegensatz der zwischen ihnen und dem König bestand. Wilhelm mußte fürchten, daß seine Autorität bei Freund und Feind auf dem Kontinent geschmälert werden würde; seine ganze Stellung wurde dadurch erschüttert und zweifelhaft. Sie beruhte auf der Kombination der europäischen und der englischen Interessen; in der Aufrechthaltung einer aus verschiedenen Elementen zusammengesetzten Armee im Sold von England hatte sie ihren Ausdruck. Jetzt aber erhob sich der ökonomische und ausschließende Familiengeist Alt-Englands gegen allen Anteil Fremder an den Erträgen und dem Dienste des Landes; man schloß davon selbst das übrige Britannien aus. Wilhelm, der sich nach einem modernen Ausdruck als Kriegsherr betrachtete, hegte die lebendigsten Sympathien für die braven Männer, welche seine Schlachten mit ihm geschlagen und den Frieden, dessen man genoß, den unabhängigen Zustand, in dem sich England selbst befand, mit ihrem Blut errungen hatten: die tapferen Generale und Offiziere aus aller Welt, die keinen andern Lebensunterhalt besaßen, die holländischen Garden, auf deren Treue er unbedingt zählen konnte, die französischen Refugiés, ohne welche seine UnternehmungDie Landung in England 1688; damals dienten viele Refugiés in seinem Heere; s. Englische Geschichte 6, 206. schwerlich zustande gekommen wäre. Alle diese sollte er missen und an ihrem ferneren Ergehen keinen Anteil nehmen.

Das geschah ihm aber von einem soeben gewählten Parlament, das die unmittelbare Meinung des Landes ausdrückte, unter whiggistischen Ministern, welche, wenn sie auch nicht in alle seine Unterhandlungen eingeweiht waren,Der im Oktober 1698 mit Frankreich geschlossene geheime Vertrag über die Erbfolge in Spanien war den Ministern unbekannt; 7, 160. doch die Bedeutung seiner europäischen Stellung hinreichend kannten, um sie zu verteidigen. Am Hofe war man der Meinung, daß sie die Absichten des Königs in dieser Sache so gut hätten durchführen können wie bei der Sprecherwahl, wenn es anders ihr Ernst gewesen wäre; aber statt danach zu trachten, hätten sie dieselbe vielmehr geradezu fallen lassen. Der König machte kein Hehl daraus, daß das auch seine Meinung sei. Und es ist ohne Zweifel etwas Wahres daran. Die Whigs hatten seine eigentliche Absicht gar nicht vorzutragen, geschweige denn zu verfechten gewagt; sie wollten nicht mit einer Mehrheit, in welcher sie Angriffe besorgten, geradezu zerfallen. Und sollten sie überhaupt den Wunsch des Königs in seinem ganzen Umfang geteilt haben? Sie waren zu sehr Engländer, als daß sie die fremden Truppen, die er hielt, gern gesehen hätten. Sie dachten von vornherein auf eine Vermittlung, den Ansprüchen beider Teile zu genügen. Aber auch diese verfochten sie dann, da sie ja der königlichen Beistimmung für ihren Antrag nicht einmal sicher waren, schwach und in weichender Bewegung.

Die große Frage in dem Stadium, in welchem die Ausführung der konstitutionellen VerfassungSeit der am 13. Februar 1689 von Wilhelm III. anerkannten Deklaration der Rechte; S. 278. damals angekommen war, war es überhaupt, ob der König noch Minister finden würde, denen daran liege, seinen persönlichen Willen den Parteistandpunkten oder allgemein vorwaltenden Stimmungen gegenüber zu behaupten und durchzusetzen, oder ob die höchste Gewalt nur eben der Ausdruck der aus den Gegensätzen der Meinungen hervorgehenden parlamentarischen Mehrheit sein sollte. Wilhelm III. war sich bewußt, daß er die Freiheiten und Rechte der Nation niemals gefährden wolle. Er hatte ein Gefühl von dem Verdienst, das er und seine Armee sich um dieselben erworben. Daß die Nation, nur, wenn sie wohlbewaffnet war, ein Gewicht in den Ratschlägen von Europa ausüben, daß sie sonst ihre Sicherheit nur in der Nachgiebigkeit gegen Frankreich finden werde, lag auf der Hand; seine eigene Autorität in der Welt hing davon ab. Der sonst so ruhige Mann geriet in eine Aufwallung, die er nicht bergen konnte. »Das Verhalten des Unterhauses«, schreibt er an Heinsius,Den ihm eng befreundeten leitenden Staatsmann in Holland. »ist mir so widerwärtig, daß ich mich mit nichts anderm beschäftigen kann; ich sehe voraus, daß ich einen extremen Entschluß werde fassen müssen.« »Die Sachen im Parlament stehen so verzweifelt, daß ich etwas werde tun müssen, was großes Aufsehen in der Welt machen wird.«

Der Gedanke ging ihm durch den Kopf, und er machte den Freunden kein Hehl daraus, daß er England sich selbst überlassen und nach Holland zurückkehren müsse. Für den Fall, daß eine demnächst zu erwartende neue Debatte in Sachen der Armee abermals gegen ihn ausfallen würde, hatte er bereits den Entwurf einer Rede abgefaßt, in der er dem Parlament diesen Entschluß aussprechen wollte. Er dachte darin in Erinnerung zu bringen, wie er es mit Gottes Hilfe so weit gebracht habe, daß England im Besitz seiner Freiheiten und seiner Religion fortan ruhig leben könne, wenn es nur für seine Sicherheit Sorge tragen wolle; aber er sehe jetzt, daß es des Rates, den er gebe, nicht mehr achte, sich der Mittel der Verteidigung beraube und ins Verderben stürze. Davon wolle er nicht selbst Augenzeuge sein, und da es ihm unmöglich werde, das Reich zu verteidigen und zu schützen, so ziehe er vor es zu verlassen. Man möge ihm die Männer bezeichnen, denen er die Regierung an seiner Stelle übergeben solle; würde man seiner später wieder bedürfen, so werde er zurückkommen, um sein Leben abermals für England zu wagen.

Es gibt Entschlüsse, über die man auch für bevorstehende Eventualitäten vollkommen mit sich einig geworden ist; man spricht nicht darüber, man führt sie aus, wenn der Moment dazu gekommen ist. Aber andre gibt es, die man als eine äußerste, vielleicht notwendig werdende Auskunft betrachtet, bei denen man sich aber noch weitere Erwägung vorbehält; mit diesen hält man nicht so ängstlich zurück, man gibt den Vertrauten davon Kunde, um sich der Wirkung zu versichern, die sie machen könnten. So hat Wilhelm III. die Absicht sich zurückzuziehen nicht allein den zuverlässigsten der Whigminister wie Somers und Montague, sondern selbst dem Vertrauten der Prinzessin Anna, Grafen Marlborough,Dieser nachher im spanischen Erbfolgekrieg berühmt gewordene Feldherr, geboren 1650, hatte sich schon in den Kriegen von 1672 und 1689 gegen Frankreich ausgezeichnet, auch zu Wilhelms III. Berufung auf den Thron mitgewirkt, 1692 seine Ämter verloren; nach dem Tode der Königin Maria aber (Dezember 1694) hatte der König sich ihm wieder zugewandt; Englische Geschichte 6, 218; 7, 43. 81. 89; 8, 13. zu erkennen gegeben. Es liegt am Tage, wenn sie ausgeführt wurde, so war nicht allein die Administration gesprengt, sondern die Monarchie überhaupt in Gefahr. Damit würde gleichsam die Unmöglichkeit einer eigentlich monarchischen Regierung im parlamentarischen Staat zur Evidenz gelangt sein. Man darf, denke ich, auch ohne ausdrückliches Zeugnis annehmen, daß die nächste Absicht König Wilhelms dahin ging, der Nachfolgerin und ihren Freunden, denen sich die Tories, und den Ministern, denen sich die Whigs anschlossen, dem Parlament überhaupt und der Nation das Unrecht, das man ihm tue, und die Gefahr, in die man sich dadurch stürze, zum Bewußtsein zu bringen.

Unausführbar aber war das Vorhaben selbst für ihn, auf seinem Standpunkt. Denn welche Verwirrung würde schon eine Erklärung dieser Art zur Folge gehabt, welche Förderung würden die Jakobiten, die noch immer sehr zahlreich und mächtig waren, für ihre Ansprüche und Versuche dadurch gewonnen haben; wie wäre sie selbst dem Übergewicht von Frankreich zustatten gekommen! Das ganze Lebenswerk Wilhelms III. würde dadurch gefährdet und vielleicht zugrunde gerichtet worden sein. Die Erfolge unsrer Handlungen werden uns selbst zu Bedingungen unsrer Existenz; vergebens kämpft die zuweilen aufblitzende Indignation des persönlichen Selbstgefühls dagegen an.

Soviel erreichte der König von den Ministern, daß sie sich noch einmal zu dem Versuch entschlossen, das Parlament zur Bewilligung von 10 000 Mann zu vermögen, in welcher Zahl sich dann auch vielleicht die holländischen Garden einschließen lassen würden. Am 3. Januar kam es zu dem Vorschlag, dem Komitee eine neue Erwägung der Truppenzahl anheimzugeben. Der Kriegssekretär Blaitwayt führte aus, daß es ein Irrtum sei, wenn man angenommen habe, zu den Garnisonen würden 3000 Mann hinreichen; dazu wären wenigstens 5000 erforderlich, so daß die Summe notwendig erhöht werden müsse. Noch einmal erörterte dann Montague die allgemeinen Bedenken gegen eine so große Verringerung der Streitmacht: der zu Land und See gleich furchtbare, aller seiner Kräfte jeden Augenblick mächtige benachbarte König sei bei weitem eher imstande einen Angriff auszuführen, als das vermöge seiner Verfassung schwer bewegliche England zur Verteidigung gerüstet sei; und was würde man, sagte er vollends erleben, wenn Gott in einem solchem Augenblicke über den König gebiete? Alle Parteien würden sich zum Kampf gegeneinander erheben, die Regierung würde keine Kraft haben, sie im Zaum zu halten. Diesmal aber erklärten sich selbst solche Mitglieder gegen die Regierung wie Lord Hartington, der ältere Sohn des Grafen von DevonshireWilliam Cavendish, Graf von Devonshire, seit 1694 Herzog, hatte eifrig für Wilhelms III. Berufung gewirkt und war als Oberhofmeister Mitglied des Ministeriums; Englische Geschichte 6, 110. 175; 7, 55. 208.

und ein Beamter der Schatzkammer, Pelham. Pelham war in der vorigen Sitzung für eine größere Anzahl von Truppen gewesen, aber jetzt stimmte er dagegen, weil nun der Friede allenthalben gesichert sei. Die Majorität des Hauses wurde dadurch um so mehr in ihrer Meinung bestärkt. Nur dann hätte sich vielleicht etwas bei ihr ausrichten lassen, wenn ein jeder erfahren hätte, daß ihm der König für die erwähnte Nachgiebigkeit zu Dank verpflichtet sein werde. Der König war aber weit entfernt das hoffen zu lassen; nur die Bestätigung der vorhandenen Truppenzahl hätte ihn befriedigen können. Die Minister trugen selbst Bedenken, es zu einer Abstimmung zu bringen, weil dann alle, welche mit der Majorität gestimmt hätten, sich an dieselbe gebunden geachtet haben würden. Die Zurückverweisung an das Komitee wurde abgelehnt.

Der König führte seinen Gedanken nun doch nicht aus. Ein Unwohlsein, von dem er befallen wurde, schrieb man dem Mißvergnügen zu, das er empfinde; er durfte es nicht einmal laut werden lassen. Bei den Lords fand er zwar in der Sache selbst Beistimmung. Als ihnen die Auflösungsbill vorgelegt wurde, sprechen sich sachkundige Mitglieder wie Marlborough, und nach ihnen die meisten andern, gegen die geringe Truppenzahl aus. Sie meinten, die Commons hätten die Frage in einer Konferenz mit den Lords in Erwägung ziehen sollen; sie machten es ihnen zu einem besonderen Vorwurf, daß sie auch die französischen Refugiés ausgeschlossen hatten, die nach keinem Vaterland zurückgehen könnten. Aber die Bill verwerfen wagten sie darum doch nicht; nicht allein weil sie als Geldbill angesehen werden konnte, sondern hauptsächlich um keine Entzweiung mit den Commons hervorzurufen, die auf den König zurückgefallen wäre und dessen Stellung unsicherer gemacht hätte als die Verringerung seiner Truppen.

Die Regierung hatte noch die Hoffnung, bei der Beratung über die Stärke der Marine einen Vorteil davonzutragen, der sich für die Wünsche des Königs hätte benutzen lassen. Statt 12 000 Mann, wie bisher, wurden 15 000 Mann für die Marine bewilligt. Die Absicht war, die angenommene Mehrzahl zu militärischem Zweck zu benutzen, und schon wurden darauf Entwürfe zur Beibehaltung von Soldaten gegründet, die in der Marine verwendet werden sollten. Der nächste Beschluß des Hauses war jedoch, daß die gesamte Anzahl ausschließend aus Matrosen bestehen solle. Nachdem die Auflösungsbill in beiden Häusern durchgegangen war, konnte der König, wenn er nicht mit der Nation geradezu zerfallen wollte, nicht anders als sie genehmigen. Er tat das bereits am 1. Februar, zugleich mit einigen andern Bills, in einer Versammlung beider Häuser. Er hoffte, indem er den Widerspruch in der Hauptsache fallen ließ, in einem Nebenpunkt eine Milderung zu erlangen. Er erwähnte, wie unangenehm es ihm sei, daß er sich von seinen Garden trennen solle, die zum Beistand für England mit ihm herübergekommen und in allen Aktionen um ihn gewesen seien. Das brachte jedoch um so weniger eine Wirkung hervor, da die Garden Holländer waren, welche man von allen Fremden am wenigsten im Lande zu behalten wünschte.

Noch einmal, im Laufe des März, hat der König seinen Wunsch den Commons aufs eindringlichste ausgedrückt. Die holländische Garde war im Begriff sich einzuschiffen, wozu alles vorbereitet war; der König meldete das dem Hause in einem eigenhändigen Schreiben mit der Bemerkung, daß es ihm zum größten Gefallen gereichen würde, wenn man ihr dennoch gestatte im Lande zu bleiben. Man hatte im Parlament nicht die Absicht den König zu verletzen, man fühlte, was man ihm schuldig war, aber von persönlicher Rücksicht auf ihn oder auf die wohlverdienten Leute war bei der Mehrheit nicht die Rede. Das Gemeingefühl der Nation forderte die Entfernung der Truppen, das Parlament hatte sie beschlossen kraft seines Rechtes und infolge seiner Interessen; davon wollte man keinen Schritt zurückweichen. Diese Stimmung war so entschieden, daß von den Anhängern des Königs nur wenige auf eine Beratung darüber anzutragen, aber auch dann nicht dafür zu sprechen den Mut hatten. Man deklamierte vielmehr gegen die schlechten Ratgeber des Königs, durch die er hierzu veranlaßt worden sei, und schlug vor bei ihm anzufragen, wer ihm den Rat zu diesem inkonstitutionellen Schritt gegeben habe. So weit ging man zuletzt doch nicht, das zu beschließen. Aber die Adresse, mit der man das Schreiben des Königs beantwortete, war auch ohnedies sehr stark. Man sagte ihm, dem Volke gereiche der zur Entfernung der Truppen gefaßte Beschluß zur Genugtuung; sie würden von demselben nicht zurücktreten können, ohne die Konstitution zu verletzen, zu deren Herstellung der König einst selbst nach England gekommen sei. König Wilhelm fand die Adresse impertinent, das ist sein Ausdruck, aber er mußte sich in das Notwendige fügen. Alles vereinigte sich: nationaler Widerwille gegen die Fremden und das Soldatenwesen, die Absicht zu sparen, die Opposition gegen die königliche Autorität und der Haß gegen die vorwaltenden Minister; extreme Whigs und Tories hatten sich gegen sie vereinigt. Wenn man fragt, ob in der Tat und Wahrheit seine europäische Stellung, die er als eine besondere ihm selbst eigene Angelegenheit zu behandeln pflegte, dadurch gestört wurde, so ist das außer Zweifel. Als der Kurprinz von BayernDer in Aussicht genommene Erbe der spanischen Monarchie beim Tode des kinderlosen Königs Karls II.; er starb im Februar 1699. gestorben war und Frankreich mit Ansprüchen hervortrat, welche er prinzipiell verwarf, was war es dann, wodurch er sowohl wie Heinsius bewogen wurde, auf dessen Vorschläge einzugehen?Der erste Vertrag zwischen England, Holland und Frankreich, Oktober 1698, bestimmte den Kurprinzen zum Haupterben; Philipp von Anjou sollte Neapel und Sizilien, Erzherzog Karl Mailand erhalten. Der zweite Vertrag, März 1699, nannte den Erzherzog Karl als Haupterben, gestand aber dem französischen Prinzen auch noch Lothringen zu, dessen Herzog durch Mailand entschädigt werden sollte. Am 1. November 1700 starb Karl II.; sein Testament setzte Philipp von Anjou als Erben der Gesamtmonarchie ein; Ludwig XIV. nahm es an, in England aber blieb man zum Frieden geneigt; Ranke 7, 234 f. Vor allem doch die Unmöglichkeit, das damalige Parlament zum Widerstand gegen Frankreich zu vermögen. Unter keinen Umständen aber durfte er es zu vollem Bruch kommen lassen. Er schloß die Session am 4. Mai, nicht ohne sein Mißvergnügen über die Resultate der Sitzung auszudrücken. Die Subsidien, die man ihm bewilligt hatte, betrugen kaum die Hälfte der früheren; seine militärische Macht war ihm bereits zum großen Teil entwunden.

Ein Umschwung der öffentlichen Meinung in England trat dadurch ein, daß Ludwig XIV. nach dem Tode Jakobs II., im September 1701, sofort dessen Sohn Jakob (III.) als rechtmäßigen König von England anerkannte. Im Januar 1702 beschloß das Parlament, 40 000 Mann Landtruppen und 40 000 Matrosen auszurüsten; Englische Geschichte 7, 271. 277. Am 8./19. März starb Wilhelm III., nachdem ein englisches Heer unter Marlborough in Holland gelandet war.


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