Leopold von Ranke
Geschichtsbilder aus Leopold v. Rankes Werken
Leopold von Ranke

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22. Fortsetzung der Gegenreformation in Deutschland

Päpste II, Werke Bd. 38 S. 262-274

Jeder deutsche Fürst hielt es damals für sein gutes Recht, in seinen Landschaften die Religion nach seinen persönlichen Grundsätzen einzurichten. Ohne viel Zutun der Reichsgewalt, ohne besonderes Aufsehen wogte dann die angefangene Bewegung weiter; besonders hielten es die geistlichen Fürsten für ihre Pflicht, ihre Gebiete zum Katholizismus zurückzuführen. Schon erschienen die Schüler der Jesuiten unter ihnen. Johann Adam von Bicken, Kurfürst von Mainz 1601-1604, war ein Zögling des Collegium Germanicum in Rom. Im Schlosse von Königstein hörte er einst die Gesänge, mit denen die dortige lutherische Gemeinde ihren verstorbenen Pfarrer bestattete. »Mag sie denn«, rief er aus, »ihre SynagogeIn verächtlichem Sinne gemeint: óõíáãùãÞ annagris, Versammlung, im Gegensatz zur Ý÷÷ëçóéá ecclesia, der Kirche. ehrlich zu Grabe bringen.« Den nächsten Sonntag bestieg ein Jesuit die Kanzel; einen lutherischen Prediger hat es daselbst niemals wieder gegeben. So ging es auch anderwärts. Was Bicken unvollendet gelassen, setzte sein Nachfolger, Johann Schweikhard, eifrig fort. Er war ein Mann, der die Freuden der Tafel liebte, der aber dabei selbst regierte und ein ungemeines Talent zeigte. Es gelang ihm, die Gegenreformation in seinem ganzen Stifte, selbst auf dem Eichsfelde, zu vollenden. Er sendete eine Kommission nach Heiligenstadt, welche binnen zwei Jahren zweihundert Bürger, unter ihnen viele, die im protestantischen Glauben ergraut waren, zum Katholizismus zurückbrachte. Es waren noch einige wenige übrig; er ermahnte sie persönlich, »als ihr Vater und Hirt«, wie er sagte, »aus tiefem, getreuem Herzen«, und brachte sie zum Übertritt. Mit außerordentlichem Vergnügen sah er eine Stadt wieder katholisch, die vor vierzig Jahren völlig protestantisch gewesen war.

So verfuhren nun auch Ernst und Ferdinand von Köln, beides bayrische Prinzen, und der Kurfürst von Trier, Lothar aus dem Hause Metternich, ein ausgezeichneter Fürst, von scharfem Verstand, mit dem Talent, die Schwierigkeiten die sich ihm darboten zu überwinden, prompt in seiner Justiz, wachsam um den Vorteil sowohl seines Landes als seiner Familie zu befördern, auch übrigens leutselig und nicht allzu strenge, nur mußte es nicht die Religion anbetreffen; Protestanten duldete er nicht an seinem Hofe. So großen Namen gesellte sich Neithard von Thüngen, Bischof von Bamberg, zu. Als er von seiner Hauptstadt Besitz nahm, fand er den ganzen Rat bis auf zwei Mitglieder protestantisch. Er hatte schon in Würzburg dem Bischof Julius beigestanden; er entschloß sich, die Maßregeln desselben nunmehr auf Bamberg anzuwenden. Bereits für Weihnachten 1595 erließ er sein Reformationsedikt; es lautet auf Abendmahl nach katholischem Ritus oder Auswanderung, und obwohl Domkapitel, Adel und Landschaft ihm widersprachen, von den Nachbarn die dringendsten Vorstellungen ergingen, so finden wir doch alle die folgenden Jahre hindurch die Reformationsbefehle erneuert und im ganzen ausgeführt. Mit dem Bamberger wetteiferte in Niederdeutschland Theodor von Fürstenberg zu Paderborn. Im Jahre 1596 setzte er alle Priester seiner Diözese gefangen, die das Abendmahl unter beiderlei Gestalt austeilten. Natürlich geriet er hierüber mit seinem Adel in Entzweiung, und wir finden Bischof und Adel sich wechselseitig ihre Herden, ihre Stutereien wegtreiben. Auch mit der Stadt geriet er endlich in offene Fehde. Unglücklicherweise erhob sich hier ein ungestümer Volksführer, der doch der großen Stellung nicht gewachsen war, deren er sich bemächtigt hatte; 1604 ward Paderborn zu neuer Huldigung gezwungen. Hierauf ward das Jesuitenkollegium aufs prächtigste ausgestattet; in kurzem erging auch hier ein Edikt, das nur zwischen Messe und Auswanderung die Wahl ließ. Wie so ganz katholisch wurden allmählich Bamberg und Paderborn!

Höchst merkwürdig bleibt allemal die rasche und dabei doch so nachhaltige Verwandlung, welche in allen diesen Ländern hervorgebracht ward. Soll man annehmen, daß der Protestantismus in der Menge noch nicht recht Wurzel gefaßt hatte, oder soll man es der Methode der Jesuiten zuschreiben? Wenigstens ließen sie es an Eifer und Klugheit nicht fehlen. Von allen Punkten, wo sie sich festgesetzt, ziehen sie in weiten Kreisen umher. Sie wissen die Menge zu fesseln, ihre Kirchen sind die besuchtesten; sie gehen immer auf die vornehmste Schwierigkeit los. Ist irgendwo ein bibelfester Lutheraner, auf dessen Urteil die Nachbarn etwas geben, so wenden sie alles an, um ihn zu gewinnen, was ihnen auch bei ihrer Übung in der Kontroverse selten fehlschlägt. Sie zeigen sich hilfreich, sie heilen Kranke, sie suchen Feindschaften zu versöhnen; durch heilige Eide verpflichten sie alsdann die Überwundenen, die Bekehrten. Nach allen Wallfahrtsorten sieht man die Gläubigen unter ihren Fahnen heranziehen; Menschen, die eben noch eifrige Protestanten gewesen, schließen sich jetzt den Prozessionen an.

Und nicht allein geistliche, sondern auch weltliche Fürsten hatten die Jesuiten erzogen. Noch am Ende des 16. Jahrhunderts traten ihre beiden großen Zöglinge auf: Ferdinand II. und Maximilian von Bayern. Man sagt, als der junge Erzherzog Ferdinand 1596 Ostern in seiner Hauptstadt Graz feierte, sei er der einzige gewesen, der das Abendmahl nach katholischem Ritus nahm; in der ganzen Stadt habe es nur noch drei Katholiken gegeben. In der Tat waren nach dem Tode des Erzherzogs Karl unter einer nicht sehr kräftigen vormundschaftlichen Regierung die Unternehmungen zugunsten des Katholizismus rückgängig geworden; die Protestanten hatten die ihnen entrissenen Kirchen wieder eingenommen, ihre Schule zu Graz durch neue glückliche Berufungen verstärkt; der Adel hatte einen Ausschuß aufgestellt, um sich allem zu widersetzen, was zum Nachteil des Protestantismus versucht werden möchte. Demohnerachtet entschloß sich Ferdinand augenblicklich, zur Ausführung und Vollendung der Gegenreformation zu schreiten. Geistliche und politische Antriebe kamen zusammen. Er sagte, auch er wolle Herr in seinem Lande sein, so gut wie der Kurfürst von Sachsen, der Kurfürst von der Pfalz. Gab man ihm die Gefahr zu bedenken, die ein Anfall der Türken während innerer Zwistigkeiten herbeiführen könne, so entgegnete er, erst nach vollzogener Bekehrung dürfe man auf die göttliche Hilfe zählen. Im Jahre 1597 begab sich Ferdinand über Loreto nach Rom zu den Füßen des Papstes Clemens VIII. Er tat das Gelübde, die katholische Religion in seinen Erblanden auch mit Gefahr seines Lebens herstellen zu wollen; der Papst bestärkte ihn darin. So kam er zurück und schritt ans Werk. Im September 1598 erging sein Dekret, durch welches er die Entfernung aller lutherischen Prädikanten in Graz binnen vierzehn Tagen gebot. Graz war der Mittelpunkt der protestantischen Lehre und Gewalt; man ließ nichts unversucht, um den Erzherzog wankend zu machen, weder Bitte noch Warnung noch auch Drohung, aber der junge Fürst war nach dem Ausdruck des Krainer GeschichtschreibersValvassor, Ehre des Herzogtums Krain. Teil I, Buch 7, S. 464. R. fest wie ein Marmor. Im Oktober erging ein ähnlicher Erlaß in Krain, im Dezember in Kärnthen.

Und sogleich entwickelte das nun eine weitere Wirkung auf alle österreichischen Gebiete. Anfangs hatte Kaiser Rudolf seinem jungen Vetter sein Vorhaben widerraten; da es gelang, ahmte er es selber nach. Von 1599–1601 finden mir eine Reformationskommission in Oberösterreich, 1602 und 1603 in Unterösterreich tätig. Von Linz und Steier mußten die im Dienste des Evangeliums ergrauten Prediger und Schullehrer weichen; schmerzlich empfanden sie es. »Nunmehr, vom Alter gebeugt,« ruft der Rektor zu Steier aus, »werde ich ins Elend verstoßen!« »Täglich,« schreibt einer von denen, die noch zurückblieben, »bedroht uns das Verderben; unsre Gegner beobachten uns, spotten unser, dürsten nach unserm Blute.«Raupach, Evangelisches Österreich (Hamburg 1732–44) IV, 151. R.

In Böhmen glaubte man sich durch die uralten utraquistischen Privilegien, in Ungarn durch die Selbständigkeit und Macht der Stände besser geschützt. Jetzt aber schien sich Rudolf weder um die einen noch um die andern kümmern zu wollen. Er war überredet morden, daß die alten Utraquisten untergegangen und die Evangelischen zum Genüsse jener Privilegien nicht berechtigt seien. Im Jahre 1602 erließ er ein Edikt, das zunächst die Kirchen der mährischen Brüder zu schließen befahl und ihre Zusammenkünfte verbot. Schon begann in Ungarn die offenbare Gewalt; Basta und Belgiojoso, welche die kaiserlichen Truppen in diesem Lande befehligten, nahmen die Kirchen von Kaschau und Klausenburg weg; mit ihrer Hilfe suchte der Erzbischof von Colocsa die dreizehn Städte ins Zips zum Katholizismus zurückzuführen. Auf die Beschwerden der Ungarn gab der Kaiser die Resolution: »Seine Majestät, welche den heiligen römischen Glauben von Herzen bekenne, wünsche ihn auch in allen ihren Reichen und besonders in dem ungarischen auszubreiten; sie bestätige hiermit und ratifiziere alle Beschlüsse, die seit den Zeiten des heiligen Stephan, Apostels der Ungarn, zugunsten dieses Glaubens erlassen worden.«

Trotz seiner hohen Jahre hatte der behutsame Kaiser seine Mäßigung abgelegt; die katholischen Fürsten insgesamt befolgten dieselbe Politik. Soweit nur irgend ihre Macht reichte, breitete sich der Strom der katholischen Meinung weiter aus; Doktrin und Gewalt trieben ihn vorwärts; in der Reichsverfassung gab es kein Mittel dagegen. Vielmehr fühlten sich die katholischen Bestrebungen so stark, daß sie nun auch die Reichsangelegenheiten zu ergreifen, die bisher behaupteten Rechte des protestantischen Teils zu gefährden anfingen. Schon waren, nicht ohne den Einfluß der päpstlichen Nuntien, besonders des Kardinals Madruzzi, der zuerst die Aufmerksamkeit dahin lenkte, im Zustande der Reichsgerichte Veränderungen eingetreten, die Anlaß und Mittel dazu in die Hand gaben. Das Kammergericht hatte endlich gegen Anfang des 17. Jahrhunderts eine mehr katholische Färbung bekommen; es waren Urteile ergangen, die der katholischen Auslegung des Religionsfriedens entsprachen. Die Benachteiligten hatten dagegen das Rechtsmittel der Revision ergriffen, allein mit den Visitationen waren auch die Revisionen ins Stocken gekommen; die Sachen häuften sich an und blieben liegen.

Unter diesen Umständen geschah es, daß der Reichshofrat in Aufnahme kam. Wenigstens ließ sich hier ein Ende absehen: die unterliegende Partei konnte nicht zu einem niemals auszuführenden Rechtsmittel ihre Zuflucht nehmen. Aber der Reichshofrat war nicht allein noch entschiedener katholisch als das Kammergericht, er hing auch durchaus vom Hofe ab. »Der Reichshofrat«, sagt der florentinische Geschäftsträger Alidosi, »erläßt keinen definitiven Urteilsspruch, ohne ihn vorher dem Kaiser und dem geheimen Rate mitzuteilen, die ihn selten ohne Abänderung zurückschicken.« Welche allgemein wirksamen Institute gab es aber im Reiche als die richterlichen? Die Einheit der Nation knüpfte sich an dieselben. Auch sie waren jetzt unter den Einfluß der katholischen Meinung, der Konvenienz des Hofes geraten.

Schon fing man auf allen Seiten an, über die parteiischen Urtel, die gewaltsamen Exekutionen zu klagen, als bei der Sache von Donauwörth die allgemeine Gefahr hervortrat, die von diesem Punkte aus drohte. Daß ein katholischer Abt in einer protestantischen Stadt, der seine Prozessionen öffentlicher und feierlicher halten wollte als herkömmlich, hierbei von dem Pöbel gestört und beschimpft worden, genügte dem Reichshofrat, um die Stadt selbst mit einem weitaussehenden Prozeß, Mandaten, Citationen, Kommissariaten heimzusuchen und endlich die Acht über sie auszusprechen. Ein benachbarter strengkatholischer Fürst, Maximilian von Bayern, bekam den Auftrag, sie zu vollstrecken. Er begnügte sich nicht, Donauwörth zu besetzen; auf der Stelle berief er Jesuiten, erlaubte nur noch den katholischen Gottesdienst und schritt in gewohnter Weise zur Gegenreformation. Maximilian selbst sah diese Sache in dem Lichte ihrer allgemeinen Bedeutung; er schrieb dem Papste, wie an einem Prüfstein könne man daran die Abnahme des Ansehens der Protestanten erkennen. Allein er täuschte sich, wenn er glaubte, sie würden es sich gefallen lassen. Sie sahen sehr wohl, was sie zu erwarten hatten, wenn es so fortging. Schon erkühnten sich die Jesuiten, die Verbindlichkeit des Religionsfriedens zu leugnen; er habe im Grunde gar nicht geschlossen werden können ohne die Beistimmung des Papstes, auf keinen Fall sei er länger als bis zum tridentinischen Konzil gültig gewesen; als eine Art Interim sei er anzusehen. Und auch die, welche die Gültigkeit dieses Vertrages anerkannten, meinten doch, daß wenigstens alle seit Abschluß desselben von den Protestanten eingezogenen Güter wieder herausgegeben werden müßten; auf die protestantischen Erklärungen seiner Worte nahmen sie keine Rücksicht. Wie nun, wenn diese Ansichten, wie es ja schon zu geschehen anfing, von den höchsten Reichsgerichten anerkannt, Urtel danach ausgesprochen und zur Vollstreckung gebracht wurden?

Als der Reichstag im Jahre 1608 zu Regensburg zusammenkam, wollten die Protestanten zu keiner Beratung schreiten, ehe ihnen nicht der Religionsfriede schlechthin bestätigt worden sei. Selbst Sachsen, das sich sonst immer auf die kaiserliche Seite neigte, forderte jetzt Abschaffung der Hofprozesse, insofern sie dem alten Herkommen zuwider seien, Verbesserung des Justizwesens und nicht allein Erneuerung des Religionsfriedens, wie er 1555 geschlossen worden, sondern eine pragmatische Sanktion, durch welche den Jesuiten verboten würde, wider denselben zu schreiben. Auf der andern Seite hielten aber auch die Katholiken eifrig zusammen. Der Bischof von Regensburg hatte ein Rundschreiben erlassen, in dem er seine Glaubensgenossen ermahnte, die Gesandten vor allem zu einhelliger Verteidigung der katholischen Religion anzuweisen, »steif und fest wie eine Mauer zusammenzustehen«, nur nicht zu temporisieren; jetzt habe man nichts zu fürchten, an stattlichen hochlöblichen Fürstenhäusern besitze man grundfeste eifrige Defensoren. Zeigten sich dann die Katholiken ja noch geneigt, den Religionsfrieden zu bestätigen, so trugen sie doch auf die Klausel an, »daß das, so demselben zuwiedergehandelt, abgeschafft und restituiert werde,« eine Klausel, die eben alles enthielt, was die Protestanten fürchteten und vermieden wissen wollten. Bei diesem Zwiespalt in der Hauptsache war nicht daran zu denken, daß in irgendeinem Punkte ein einmütiger Beschluß gefaßt oder dem Kaiser die Türkenhilfe, die er wünschte und bedurfte, bewilligt worden wäre.

Es scheint doch, als habe dies auf den Kaiser Eindruck gemacht, als sei man am Hofe einmal entschlossen gewesen, dem Begehren der Protestanten unumwunden zu willfahren. Wenigstens ist das der Inhalt eines sehr merkwürdigen Berichtes, welchen der päpstliche Geschäftsträger über diesen Reichstag abgestattet hat. Der Kaiser war nicht selbst dahin gegangen; Erzherzog Ferdinand versah seine Stelle. So war auch nicht der Nuntius selbst in Regensburg; er hatte aber einen Augustiner, Fra Felice Milensio, Generalvikar seines Ordens, in seinem Namen dahingeschickt, der denn auch mit ungemeinem Eifer die Interessen des Katholizismus aufrechtzuerhalten suchte. Dieser Fra Milensio nun, von dem unser BerichtVon Ranke in Rom gefunden; s. die Analekten zum 3. Bande der Geschichte der Päpste S. 102. stammt, versichert, der Kaiser habe sich wirklich zu einem Erlaß entschlossen den Wünschen der Protestanten gemäß. Er leitet ihn von den unmittelbaren Einwirkungen des Satans her; ohne Zweifel sei er von den Geheimkämmerern des Kaisers, von denen der eine ein Jude, der andre ein Ketzer sei, ausgegangen. Hören wir von ihm selbst, was er nun weiter berichtet: »Auf die Nachricht von dem eingelaufenen Erlaß, die mir und einigen andern mitgeteilt worden, begab ich mich zu dem Erzherzog und fragte, ob ein solches Dekret gekommen sei. Der Erzherzog bejahte dies. Und denkt nun auch Ew. erzherzogliche Durchlaucht es bekanntzumachen? Der Erzherzog antwortete: So befiehlt der kaiserliche Geheime Rat; der ehrwürdige Vater sieht selbst, in welcher Lage wir sind. Hierauf entgegnete ich: Ew. erzherzogliche Durchlaucht wird ihre Frömmigkeit nicht verleugnen wollen, die Frömmigkeit, in der sie aufgezogen ist, mit der sie vor kurzem gewagt hat, so vielen drohenden Gefahren zum Trotz die Ketzer ohne Ausnahme aus ihren Landschaften zu verbannen. Ich kann nicht glauben, daß Ew. Durchlaucht den Verlust der Kirchengüter, die Bestätigung der teuflischen Sekte Luthers und der noch schlimmeren Calvins, die doch nie im Reiche öffentlich Duldung genossen, durch dies neue Zugeständnis genehmigen werde. Der fromme Fürst hörte mich an. Was ist aber zu machen? sprach er. Ich bitte Ew. Durchlaucht, diese Sache Sr. Heiligkeit dem Papste vorzulegen und keinen Schritt zu tun, ehe wir dessen Antwort haben. So tat der Erzherzog; er achtete mehr auf die Gebote Gottes als auf die Beschlüsse der Menschen.«

Ist alledem wirklich so, so sieht man wohl, welch eine wichtige Stelle dieser namenlose Augustinerbruder in unserer Reichsgeschichte einnimmt. Im entscheidenden Momente hintertrieb er die Bekanntmachung einer Konzession, welche die Protestanten wahrscheinlich befriedigt haben würde. An deren Stelle trat Ferdinand mit einer Interpositionsschrift hervor, die die Möglichkeit jener Klausel nach wie vor einschloß. In einer Versammlung am 5. April vereinigten sich die Protestanten, sich nicht zu fügen, sie nicht anzunehmen. Da jedoch auch der andre Teil nicht nachgab, von dem Kaiser oder seinem Stellvertreter nichts zu erlangen war, was ihre Furcht hatte beschwichtigen können, so griffen sie zu dem äußersten Mittel, sie verließen den Reichstag. Zum ersten Male kam es zu keinem Abschied, geschweige denn zu Bewilligungen. Es war der Augenblick, in welchem die Einheit des Reiches sich faktisch auflöste.

Und unmöglich konnten sie hierbei stehen bleiben. Die eingenommene Stellung zu behaupten wäre jeder allein zu schwach gewesen; eine Vereinigung, wie sie schon lange beabsichtigt, beraten und entworfen hatten, führten sie jetzt im Drange des Momentes aus. Unmittelbar nach dem Reichstage kamen zwei pfälzische Fürsten, Kurfürst Friedrich und der Pfalzgraf von Neuburg, zwei brandenburgische, die Markgrafen Joachim Ernst und Christian,Markgrafen von Ansbach und Bayreuth, Stiefbrüder des Kurfürsten Joachim Friedrich. der Herzog von Württemberg und der Markgraf von Baden zu Ahausen zusammen und schlossen ein Bündnis, das unter dem Namen der Union bekannt ist. Sie verpflichteten sich, einander auf jede andre Weise und auch mit den Waffen beizustehen, besonders in Hinsicht der auf dem letzten Reichstag vorgetragenen Beschwerden. Sie setzten sich sogleich in eine Kriegsverfassung; jedes Mitglied nahm es über sich, einen oder den andern seiner Nachbarn an den Bund zu ziehen. Ihr Sinn war, da die Lage der Dinge, wie sie im Reiche bestand, ihnen keine Sicherheit gewährte, sich diese selbst zu verschaffen, sich selbst zu helfen. Eine Neuerung von der umfassendsten Bedeutung, um so mehr da in den kaiserlichen Erblanden ein Ereignis eintrat, das ihr sehr wohl entsprach.

Aus mancherlei Gründen nämlich war der Kaiser mit seinem Bruder Matthias zerfallen; die in ihrer Freiheit und ihrer Religion bedrängten österreichischen Stände sahen in diesem Zwiespalt eine Gelegenheit, beides zu behaupten, und traten auf die Seite des Erzherzogs. Schon im Jahre 1606 schloß der Erzherzog im Einverständnisse mit ihnen einen Frieden mit den Ungarn, ohne den Kaiser darum gefragt zu haben. Sie entschuldigten sich damit, daß der Kaiser die Geschäfte vernachlässige, daß die Lage der Dinge sie gezwungen habe. Da nun aber Rudolf sich weigerte, diesen Frieden anzuerkennen, so erhoben sie sich, und zwar sogleich in Kraft ihres Vertrages, zur Empörung. Zuerst schlossen die ungarischen und die österreichischen Stände einen Bund zu Schutz und Trutz miteinander, dann zogen sie auch die Mährer, besonders durch den Einfluß eines Lichtenstein, an sich; so rückten sie in denselben Tagen, in welchen der Regensburger Reichstag sich auflöste, im Mai 1608, mit ihrem selbstgewählten Oberhaupt ins Feld wider den Kaiser. Rudolf mußte sich bequemen, seinem Bruder Ungarn, Österreich und Mähren abzutreten. Natürlich mußte aber Matthias den Ständen die Dienste, die sie ihm geleistet, mit Konzessionen erwidern. Seit 48 Jahren hatten die Kaiser vermieden, einen Palatinus in Ungarn zu ernennen; jetzt ward ein Protestant zu dieser Würde befördert. Die Freiheit der Religion ward nicht allein den Magnaten, sondern auch den Städten, allen Ständen, ja selbst den Soldaten an den Grenzen auf das feierlichste zugesichert. Nicht eher leisteten die Österreicher die Huldigung, als bis auch ihnen die Religionsübung in Schlössern und Dörfern sowie in den Privathäusern der Städte freigegeben worden.

Was den Österreichern und Ungarn der Angriff, verschaffte den Böhmen die Verteidigung. Gleich anfangs hatte sich Rudolf zu großen Zugeständnissen bequemen müssen, nur um seinem Bruder noch einigermaßen zu widerstehen. Nachdem Ungarn und Österreicher durch diesen zu so großen Freiheiten gelangt, konnte auch er, was auch immer der päpstliche Nuntius, der spanische Gesandte dazu sagen mochten, den Böhmen ihre Forderungen nicht verweigern. Er gewährte ihnen den Majestätsbrief, der nicht allein die alten Konzessionen wiederholte, die Maximilian II. gegeben, sondern ihnen auch eine eigene Behörde zu deren Verteidigung zu gründen gestattete.

Wie so ganz anders standen nun plötzlich die deutschen, die erbländischen Angelegenheiten. Die Union breitete sich in Deutschland aus und wachte über jeden Angriff des Katholizismus, den sie gewaltig zurücktrieb. Die Stände der österreichischen Provinzen hatten ihre alten Ansprüche zu einer wohlgegründeten verfassungsmäßigen Gewalt ausgebildet. Es war dabei ein nicht unbedeutender Unterschied: im Reiche hatte der Katholizismus die Territorien der katholischen Fürsten wieder erfüllt; erst als er weiterging, in die Reichssachen gewaltiger eingriff, die Existenz freier Stände gefährdete, da fand er Widerspruch; in den Erblanden dagegen stellte sich ihm noch innerhalb der Territorialbefugnisse die Macht protestantischer Landsassen unüberwindlich entgegen. Im ganzen war es aber der nämliche Sinn. In Österreich sagte man sehr bezeichnend: man müsse ein Schwert mit dem andern in der Scheide halten.

Denn auch die andre Partei setzte sich sogleich in kriegerische Verfassung. Am 11. Juli 1609 ward ein Bund zwischen Maximilian von Bayern und sieben geistlichen Herren, den Bischöfen von Würzburg, Konstanz, Augsburg, Passau, Regensburg, dem Propst von Ellwangen, dem Abt von Kempten, geschlossen zu gemeinschaftlicher Verteidigung, in dem nach dem Muster jenes alten Bundes zu LandsbergVgl. Geschichte der Päpste 2, 92. der Herzog von Bayern eine außerordentliche Gewalt bekam. Bald gesellten sich, doch mit einer gewissen Unabhängigkeit, die drei geistlichen Kurfürsten hinzu. Erzherzog Ferdinand wünschte aufgenommen zu werden, Spanien erklärte seinen Beifall, der Papst versprach nichts zu unterlassen, was er für den Bund leisten könne. Man darf nicht zweifeln, daß sich der Papst besonders durch spanischen Einfluß nach und nach immer stärker in die Interessen dieser Liga verwickeln ließ. Und so stellten sich zwei feindselige Parteien einander gegenüber, beide gerüstet, jede immer voll Furcht, überrascht, angegriffen zu werden, keine vermögend, die Sache zu einer großen Entscheidung zu bringen.


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