Friedrich v. Oppeln-Bronikowski
Schlüssel und Schwert
Friedrich v. Oppeln-Bronikowski

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35. Der sterbende Sieger

Die letzten Aufregungen in diesen Gluttagen und das immerwährende Fieber warfen den Papst ernstlich aufs Krankenlager. Aber er war ebenso störrisch gegen die Ärzte wie gegen die Diplomaten. Er wollte sich nicht mal den Puls fühlen lassen und suchte das Fieber nach wie vor auf Bauernart durch Weingenuß zu brechen. Mehrmals hatte er so heftige Anfälle, daß sein Tod nahe schien. Aber immer wieder setzte er sich an seinen Arbeitstisch und erledigte die laufenden Geschäfte, empfing den Gouverneur von Rom und andere Besucher.

Nur die beiden Spanier empfing er nicht mehr; ihr bloßer Anblick erfüllte ihn mit Haß und Ekel. Olivarez hatte ihn zum ersten Male das Fürchten gelehrt und ihn vor sich selbst gedemütigt. In seinem Geiste verschmolz er ihn bisweilen mit Paolo Giordano Orsini. Lahmte er nicht auch wie jener Unhold, und hatte er nicht fast den gleichen herrischen und grausamen Blick? Und wer hatte ihm je so viel Leid angetan wie diese beiden? Aber auch Sessa war ihm kaum minder verhaßt. Als dieser endlich abgereist war, flackerte seine Lebenskraft noch einmal auf wie das Licht einer verlöschenden Lampe. Am 13. August hielt er sein letztes Konsistorium ab, um den Kardinälen Lebewohl zu sagen.

Er ernannte zunächst noch einen Kardinal, der den Namen Pepoli trug. Wollte er damit das Strafgericht wieder gutmachen, das er zu Beginn seiner Herrschaft an dem edlen Greis in Bologna vollzogen hatte?

Dann begann er mit matter Stimme Rechenschaft über sein Pontifikat abzulegen.

»Wie Unser Heiland Jesus Christus«, so sprach er, »mit seinen Jüngern Gutes und Schlimmes geteilt hat, so haben auch Wir, sein Stellvertreter, die Pflicht, den Kardinälen Unsere Leiden und Freuden mitzuteilen.« Und er zählte alles auf, was er zum Ruhme der Kirche und zum Nutzen und Glanze von Rom getan hatte. Es war eine lange stolze Liste, seine Selbstverklärung in der Form eines politischen Testaments.

Dann schwieg er eine Weile vor Schwäche, raffte sich wieder auf und schloß mit den Worten: »Drei Nachrichten haben Wir Euch noch zu verkünden. Die erste ist die Bekehrung des Markgrafen von Baden, ein neuer Sieg des Glaubens in Deutschland. Die zweite ist, daß Unsere Galeeren drei Raubschiffe aufgebracht haben, der erste Erfolg Unserer Marine, den Gott Uns geschenkt hat. Denn Wir haben sie nicht geschaffen, um christliche Herrscher zu belästigen, sondern um das Meer von den Korsaren zu säubern. Die dritte Nachricht ist minder erfreulich. Ihr alle kennt den Mißwachs des letzten Jahres. Wir hofften ihn durch unsere Kornspeicher wettzumachen, aber die Vorräte sind erschöpft. Wir haben kein Korn mehr in den Speichern, noch Geld in Unseren Kassen. Wir schlagen Euch daher vor, eine halbe Million Scudi aus dem Schatz in der Engelsburg zu nehmen, um Getreide anzukaufen. Wir sind froh, jederzeit über solche Summen verfügen zu können, die andere Fürsten für Kriege und Blutvergießen ausgeben, Wir aber zum Wohl Unserer Untertanen. Wir wollen dadurch auch der Welt zeigen, daß Wir für schlechte Jahre Vorsorge getroffen haben, wie die emsige Ameise im Sommer Vorräte einheimst, um sie in der Härte des Winters zu verzehren.«

Wie füglich, fand dieser Antrag einstimmige Annahme. So streute die Hand des Sterbenden noch einmal Segensfülle über Undankbare aus.

Aber Sixtus hatte noch etwas auf dem Herzen, was er den Kardinälen aus Scham verhehlte: das Unwesen der Briganten hatte derart überhand genommen, daß sie bereits vor den Toren von Rom erschienen wie unter seinem Vorgänger Gregor. Er hatte Ottavio Cesi mit Truppen entsandt, um sie zu vertreiben, aber die Feiglinge wollten sich mit den Räubern nicht schlagen und hatten gemeutert. Anfangs verhehlte man dem Kranken diese traurige Kunde, als er sie aber erfuhr, grämte sie ihn tief, und er traf sofort energische Maßregeln.

Häufig arbeitete er noch mit dem Kardinal Aldobrandini, der die Dataria, das Pfründenamt, unter sich hatte und dicht beim Quirinal wohnte. Er hatte eine Vorliebe für diesen fleißigen Florentiner gefaßt, der als Feind der Medici im Exil geboren war und schwere Schicksale bestanden hatte. Als Uditor der Rota war er einst mit ihm selbst im Gefolge des Legaten Buoncompagni, des späteren Papstes Gregor, nach Spanien gereist. Sixtus hatte ihn zum Kardinal erhoben und ihn als Gesandten in Polen erprobt; dann hatte er ihm dies einflußreiche Amt zugewandt. Aldobrandini war freilich kein Kirchenlicht, obwohl er dafür galt und im Rufe eines Diplomaten stand. Er war dick und schwerfällig, aber auch zuverlässig, und darum stand er bei Sixtus in Gunst.

»Nun werdet Ihr bald hier einziehen«, sagte er einmal zu ihm, und als der Florentiner ihn erstaunt anblickte: »Nun ja, Wir haben ein Vorgefühl, als solltet Ihr bald Unser Nachfolger werden. Wohl Euch, Ihr werdet die Früchte Unserer Arbeit genießen und Navarras Sieg erleben. Verschließt ihm dann nur nicht die Pforte der Kirche, denn Wir sind sicher, er wird Einlaß begehren. Dies ist Unser letztes Vermächtnis.«

Das Fieber verzehrte ihn zusehends, und ein Brustfluß machte ihm das Sprechen schwer. Am 24. August mußte er die gewöhnlichen Audienzen der Botschafter absagen lassen. Die Ärzte waren verzweifelt, daß er noch immer so unfügsam war, aber niemand wagte ihm ernste Vorstellungen zu machen. Auch Sangalletto war trostlos.

»Wahrlich,« sagte er zum Kardinal Montalto, »ich bin ein Märtyrer im Dienst Seiner Heiligkeit. Heute abend will ich das Eis brechen, da doch keiner den Mut dazu hat.

Er tat, wie er gesagt hatte, und den Vorstellungen seines alten Hausmeisters lieh Sixtus endlich Gehör. Seitdem ließ er die Ärzte gewähren, aber es war jetzt zu spät. Er begann schwer zu leiden, und Donna Camilla verbrachte lange Stunden an seinem Schmerzenslager. Oft neigte sie sich weinend über ihn, wenn er nach Atem rang, und umarmte ihn.

Nach einer schlimmen Nacht verlangte er die Messe zu hören. Seine Familiären und der Kardinal Montalto waren dabei zugegen; auch Aldobrandini war herbeigekommen. Sixtus hatte sein Bett verlassen und saß in einem Lehnstuhl. Bei der Erhebung der Monstranz versuchte er niederzuknien, aber es gelang nur mit Hilfe Sangallettos und seines Großneffen.

Gegen Mittag verlor er die Besinnung; einen Augenblick hielt man ihn für tot. Sein Beichtvater, seine Angehörigen und sein alter Freund, der Kardinal Alessandrino, wurden eilends herbeigerufen. Dumpfe Starre lag über dem Palast, und im Hofe stand ein Dutzend Kuriere bereit, sich in den Sattel zu schwingen.


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