Friedrich v. Oppeln-Bronikowski
Schlüssel und Schwert
Friedrich v. Oppeln-Bronikowski

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31. Das Wunder

Um den schrecklichen Olivarez zu beschwichtigen, brach Sixtus zum Scheine die Brücke mit den königstreuen Katholiken in Frankreich ab. Monseigneur de Luxembourg verschwand aus Rom, um eine Wallfahrt nach Loretto anzutreten, und die Spanier in Rom sangen Siegeslieder. Aber nach einer Weile tauchte er wieder auf, und Olivarez ward immer zudringlicher mit seinen Vorstellungen und Drohungen. Er bestand auf seinem Protest, bestand darauf, daß der Papst die katholischen Anhänger Navarras exkommunizierte und diesen für alle Zeit unfähig erklärte, die französische Krone zu tragen. Und zugleich drängte er auf den Abschluß des Kriegsbündnisses. Mit Beschämung sah Sixtus, daß er den Spaniern rettungslos verfallen war. Um aber die Schande seiner Unterwerfung wenigstens auf ihre Urheber abzuwälzen, berief er eine Kongregation, die er absichtlich aus spanischen Kardinälen zusammengesetzt hatte; über ihr Gutachten hegte er keinen Zweifel.

Die Sitzung fand am 19. März statt. Der Papst legte die Vorgänge der letzten Zeit dar; dann stellte er zwei Fragen: Soll der Protest des Doktors Martos zugelassen werden? Sollen Navarras Parteigänger sofort exkommuniziert werden? Er selbst befürwortete eine Frist von zwei Wochen.

Der Kardinal Gesualdo erhob sich und ergriff in seiner gezierten Weise das Wort. Soviel aus seiner stelzfüßigen Rede zu verstehen war, sprach er sich für die unbedingte Annahme der spanischen Forderungen aus. Der Kardinal von Como, des Papstes alter Feind, stimmte ihm schadenfroh bei, aber auch Madruccio, der im letzten Konklave höheren Sinn bewiesen hatte. Doch der Kardinal von Aragon, ein Stockspanier, hielt eine unerwartete Rede.

»Ich habe geschworen«, begann er feierlich, »mein Blut für die Kirche hinzugeben. Aber ich habe auch die wohlverstandenen Interessen meines Gebieters und Wohltäters, des Königs, wahrzunehmen. Darum kann ich frei heraussprechen. Nichts wäre den Interessen des Königs abträglicher, als Seiner Heiligkeit die Obödienz aufzukündigen und gegen die Beschlüsse des Papstes zu protestieren. Das Ärgernis wäre nicht nur in Spanien, sondern in der ganzen Christenheit unsagbar, und in Frankreich würde es den Interessen des Königs am meisten schaden. Würde das halbe Land exkommuniziert, so würde ganz Frankreich sich von der Kirche lossagen. Ein Schisma würde entstehen, und die übrige Welt würde diesem Beispiel flugs nachfolgen. Der Adel, die Geistlichkeit Frankreichs würden in ihrer Ehre und in ihrem Nationalgefühl aufs tiefste verletzt, und alle gingen zu Navarra über, der sie schon jetzt mit offenen Armen erwartet. Somit laufen die Forderungen des spanischen Botschafters der Religion wie der Staatsvernunft gleichermaßen zuwider.«

Mit wachsendem Erstaunen folgte die Versammlung dieser herzhaften Rede, und Sixtus traute seinen Ohren kaum, als Aragon schloß:

»Darum muß die Exkommunizierung der Anhänger Navarras aufgeschoben werden, bis der Nuntius über den Erfolg seiner Schritte berichtet hat. Und nur im äußersten Notfalle dürfen Zensuren verhängt werden, aber nicht allgemeine, sondern nur namentliche.«

Keiner der Purpurträger konnte sich der zwingenden Logik dieser Gründe verschließen, und alle stimmten Aragons Schlußfolgerungen bei. Aber sie waren verwundert über ihren eigenen Mut. Der Papst entsandte sofort zwei Kardinäle zu Olivarez, um ihn von dem Beschlüsse der Kongregation in Kenntnis zu setzen. Der Spanier war mit seinen eigenen Waffen geschlagen!

An diesem Tage atmete Sixtus zum erstenmal wieder auf. Beim Nachtmahle war er so guter Dinge, wie ihn seine Familiaren lange nicht gesehen hatten.

»Gott hat ein Wunder geschehen lassen!« sagte er zu Montalto. »Nicht Wir, die Spanier selbst haben die Liste dieser Kongregation aufgestellt, und doch hat sie Unsere Wünsche erfüllt; ja sie ist noch darüber hinausgegangen.«

Am Abend dankte er Gott auf den Knien, daß er ihn wieder in Gnaden aufgenommen habe.

Das Wunder war sogar noch größer, als er vermeint hatte. Er wußte noch nicht, daß Navarra den Herzog von Mayenne wenige Tage vor jener denkwürdigen Kongregation vernichtend geschlagen hatte. Damit war die Ligue, Spaniens Hilfstruppe, so gut wie erledigt; Navarra brauchte nur noch Paris zu erobern, um sich krönen zu lassen.

Diese große Kunde drang anfangs nur als Gerücht nach Rom; erst am Ende des Monats ward sie bestätigt. Seitdem war Sixtus fest entschlossen, den Kopf aus der spanischen Schlinge zu ziehen. Jetzt arbeitete die Zeit für ihn; denn es schien ihm fast gewiß, daß Navarra als König zur Kirche zurückkehren werde. Aber ebenso klar war es ihm, daß er es jetzt noch nicht konnte. Eines Abends, beim Nachtmahl, als er lange schweigend gesessen hatte, fuhr er plötzlich wie aus einem Traume auf und sprach zu Montalto:

»Wie könnte Navarra jetzt katholisch werden? Er braucht ja die Hugenotten noch. Auch die Königin von England und die deutschen Fürsten ließen ihn fallen, und Philipp söge ihn auf wie ein Ei.«

Seitdem schalt er in den Kongregationen auf Olivarez und auf seinen eigenen Legaten, der sich viel zu weit mit der Ligue eingelassen habe. Er nannte jenen einen Verbrecher und diesen höhnisch den Legaten Spaniens. Und er sprach es offen aus, er werde für die spanische Sache weder Geld noch Soldaten hergeben.

»Man verschreit Uns als geizig,« sagte er in einer Kongregation, »aber das sind Wir nicht. Wir wollen die Schätze der Engelsburg nur nicht vergeuden, um Navarra zu reizen und ihm die Rückkehr in den Schoß der Kirche zu verlegen. Da richten Wir lieber Obelisken auf, vollenden die Peterskuppel und erbauen schöne Paläste, die Uns und der Kirche zum Ruhme gereichen. Denn Wir leugnen nicht, daß Uns Ruhmbegierde erfüllt.«

Wie ein alter, sturmgebeugter Baum richtete er sich stolz wieder auf. Und er kämpfte weiter gegen den furchtbaren Spanier, der sein Leben vergiftete. Unaufhörlich kreiste sein Denken um die eine Frage: Wann wird Navarra in Paris einziehen?

Aber Spanien gab seine Beute noch nicht aus den Klauen. Philipp wollte einen letzten Trumpf ausspielen, indem er den Herzog von Sessa nach Rom schickte. Er war zu der Einsicht gelangt, daß Olivarez durch seinen Starrsinn und seine Grobheit mehr Schaden als Nutzen gestiftet hatte; und tatsächlich war er über seine Befugnis hinausgegangen, als er mit Krieg und einem Schisma gedroht hatte. Der junge Herzog sollte also durch Sanftmut und Ehrerbietung wieder gutmachen, was der Botschafter durch seine leidenschaftliche Härte gesündigt hatte.

Der Papst erwartete ihn mit banger Ungeduld, Olivarez dagegen mit dem Gefühl gekränkten Stolzes. In Rom aber zweifelte man nicht, daß er endlich die Lösung der schleichenden Krise bringen werde, die das öffentliche Leben vergiftete. Der Papst, so meinte man, werde dann endgültig zum Sklaven Philipps werden oder die Partei der Hugenotten ergreifen.


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