Friedrich v. Oppeln-Bronikowski
Schlüssel und Schwert
Friedrich v. Oppeln-Bronikowski

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34. Der Schicksalstag

Der 1. August war herangerückt. Durch gelbe Wolken fiel grelle Morgensonne. Schwarze Schatten liefen über die dürstende Landschaft, wie Vorboten unheilvoller Ereignisse. Die Berge waren zum Greifen nahe, bleifarben, wie schmutzige Aschehaufen. Der Schirokko blies dicke Sandkörner durch die Fensterspalten, füllte die Kirchen mit betenden Frauen und machte die Männer zum Jähzorn geneigt. Alles war erschöpft und zugleich gereizt.

Die französische Kongregation hatte ihre Beratungen beendet, und der Papst versammelte sie im Quirinal. Mit fieberglühenden Wangen nahm er auf seinem Thronsitze Platz und forderte die Kardinäle auf, ihre Meinung zu äußern. Schweigend hörte er sie an; erst nach einer Weile ergriff er das Wort.

»Wir haben Eure Meinungen reiflich erwogen, begann er, »und Unser eigenes Gewissen befragt. Hierauf fassen Wir folgenden Beschluß: Wir entsenden einen Prälaten zu den Prinzen von Geblüt und einen andern zu den Städten und Ortschaften, die zur Ligue halten, mit dem Auftrage, sich binnen gemessener Frist zur Wahl eines katholischen Königs zu versammeln. Wir beauftragen beide, alles daranzusetzen, daß diese Wahl einstimmig ausfällt. Der so gewählte König kann auf Unseren Beistand zählen. Wir werden ihn mit allen geistlichen und weltlichen Mitteln unterstützen. Was ist Eure Meinung darüber?«

Ein spanischer Kardinal erhob sich und erklärte:

»Eure Heiligkeit kann nach Gutdünken handeln, aber ich kann es nicht billigen, daß ein Vertreter des Papstes zu einem Ketzer entsandt wird.«

Die Hände des Greises zitterten krampfhaft. Er wollte den Dreisten andonnern, aber er sank in seinen Thronsitz zurück; das Fieber hatte ihn übermannt.

Trotzdem blieb er im Saale, aber die Leitung entglitt seinen Händen. Die Kardinäle äußerten ihr Für und Wider, und schließlich einigte man sich über die Abfassung einer Denkschrift, worin die getroffene Entscheidung erklärt und begründet ward. Dies Schriftstück ward den beiden spanischen Botschaftern mitgeteilt. Überdies sollte es zur Rechtfertigung des Papstes an alle katholischen Mächte versandt werden. Sixtus war mit allem einverstanden.

Kaum hatten die beiden Spanier die Denkschrift erhalten, so eilten sie zum Quirinal. Sie wurden abgewiesen, beharrten darauf, vorgelassen zu werden, und ertrotzten schließlich eine Audienz bei dem Fieberkranken.

»Die Spanier töten Uns«, klagte Sixtus seinem Großneffen Montalto. »Aber lieber wollen Wir als Märtyrer sterben, denn Uns von ihnen Gesetze vorschreiben lassen.«

Die beiden Peiniger traten in sein Gemach. Er saß matt in seinem Lehnstuhl und winkte ihnen, Platz zu nehmen.

»Bevor Wir Truppen entsenden,« sagte er, »wollen Wir Prälaten entsenden.«

»Einer von ihnen«, entgegnete der Herzog, »soll dem Gerüchte nach zu Navarra entsandt werden.«

»Und wenn dem so wäre?«

»Was verspricht sich Eure Heiligkeit davon?« fragte Sessa. »Glaubt Sie, daß die Katholiken Navarra abspenstig gemacht werden, wenn der Heilige Vater einen Boten zu dem Ketzer schickt?«

»Wir sind nicht gehalten, Euch Unsere Geheimnisse anzuvertrauen«, entgegnete Sixtus.

»Geheimnisse!« lächelte der Spanier. »Man schreit es ja auf den Straßen aus. Aber ein päpstlicher Sendbote bei Navarra ist ein öffentliches Ärgernis und ein Schimpf für den König von Spanien. Sollte Eure Heiligkeit diesen Boten entsenden, wo Sie doch ein Bündnis mit uns schließen will, so werden wir das unverzüglich nach Madrid berichten, damit Seine Majestät sieht, was sie von Eurer Heiligkeit zu halten hat.«

»Ihr habt Euch trefflich den Ton des Grafen Olivarez angewöhnt«, fuhr Sixtus auf. »Ihr beschimpft Uns in Unserem eigenen Hause. Wir kennen Euren König als guten Fürsten, aber Ihr verfälscht und vergiftet seine Absichten. Woher wißt Ihr denn, daß ihm Unser Vorhaben mißfallen wird? Wir sind nicht sein Sklave, daß Wir ihm Rechenschaft schulden, sondern sein Vater, und es steht den Söhnen nicht zu, Rechenschaft von ihrem Vater zu fordern. Suprema Sedes a nemine judicatur. Wir verstehen Uns besser auf die Theologie als Ihr, die Ihr einen langen Degen an der Seite tragt. Wir sind Doktor der Theologie und anderer Fakultäten. Wir haben den Kanon, die heilige Geschichte, die Kirchenväter und Theologen, die Beschlüsse der Päpste und der Konzile studiert. Wer gibt Euch ein Recht, Uns zu drohen? Ein Gerücht, sagt Ihr, das Ihr auf der Straße auflaset. Seid Ihr deshalb nach Rom gekommen? Besser wäret Ihr nie erschienen.«

Die beiden Gesandten standen tief verletzt auf.

»So werden wir heute den gebrochenen Vertrag nach Madrid senden, entgegnete Sessa scharf. »Und der König wird marschieren.«

»Tut, was Euch beliebt«, schrie Sixtus. »Wir hindern den König nicht, zu marschieren.« Und in spöttischem Tone setzte er hinzu: »Was hat er bisher in Frankreich erreicht? Nichts!«

»Wir stehen erst am Anfang«, entgegnete Sessa.

»Wohlan, Wir sind auf den Fortgang gespannt! Gott gebe, daß es nicht so endet wie mit der Armada und dem Herzog von Mayenne.«

Sangalletto, der den Auftritt draußen mit pochendem Herzen gehört hatte, öffnete die Tür und ließ die Gesandten hinaus. Der Kardinal Montalto kam bestürzt hereingeeilt; er glaubte, es ginge mit dem Papste zu Ende. Seine Brust keuchte und seine Pulse flogen.

»Philipp will sich zum Gott erheben lassen«, phantasierte er. »Er wird enden wie Nebukadnezar.«

Als er sich wieder erholt hatte und an ein Fenster trat, hörte Sangalletto ihn seltsame Worte murmeln:

»Glückliche Elisabeth,« sagte er, »dir war es vergönnt, ein Fürstenhaupt fallen zu sehen!«

Als die beiden spanischen Gesandten den steilen, glühenden Treppenweg vom Quirinalsplatze zum Corso hinabstiegen, wo der Palast des spanischen Botschafters lag, fühlten sie sich endgültig geschlagen. Mit einem Gemisch von Groll und Genugtuung sagte Olivarez:

»Ich kannte den Papst besser als Eure Durchlaucht. Nur durch Furcht war bei ihm etwas zu erreichen. Sie aber haben es mit Güte versucht. Ihre Botschaft scheint mir endgültig gescheitert.«

»Ja, ich habe genug davon«, entgegnete der Herzog. »Ich kehre nach Spanien zurück und nehme den unvollzogenen Vertrag mit. Er ist nur noch ein Wisch Papier...«

»Er wird unsere Rechtfertigung sein«, entgegnete Olivarez. »Und er wird den Papst vor der ganzen Christenheit an den Pranger stellen.«

»Ein Jesuitenpater in Madrid«, nickte der Herzog, »hat ihn schon öffentlich als Ketzerfreund gebrandmarkt.«

Pranger und Brandmarkung -- es fehlte nur noch, daß die beiden Spanier den Wunsch hegten, den Papst im San Benito auf dem Scheiterhaufen zu sehen.

»Seine Brust ist ein Schlangennest«, versetzte Olivarez. »Nichts als Lügengespinste, Ränke und Falschheit. Ich beneide Eure Durchlaucht um Ihre Heimkehr. Könnte ich nur mitfahren! Ich will Seine Majestät um einen anderen Posten bitten, der eines kastilischen Edelmannes würdiger ist.«

»Ich will es Euch wünschen, Herr Graf«, entgegnete Sessa. »Einstweilen werdet Ihr hier wohl einem Leichenbegängnis beiwohnen. Je eher, desto besser. Und beim nächsten Konklave seid Ihr unentbehrlich.«


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