Friedrich v. Oppeln-Bronikowski
Schlüssel und Schwert
Friedrich v. Oppeln-Bronikowski

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17. Die Ligue

Menschliche Schwäche -- das war es, was Sixtus auch bei dem König von Frankreich zu verachten begann. Philipp von Spanien war starrsinnig und schwerfällig, aber Heinrich III. war der Wankelmut selbst. Wie ein steuerloses Boot tanzte sein Lebensschifflein auf den empörten Fluten des Bürgerkrieges: weder der Ligue, die es mit Spanien hielt, noch der Hugenotten wurde er Herr. Schließlich lehnte die Ligue sich offen gegen ihn auf, und er fand nirgends einen Rückhalt mehr.

Sixtus war empört über dies Schauspiel. Dem französischen Huldigungsgesandten, Monseigneur de Luxembourg, der noch immer in Rom weilte, und dem Botschafter Pisany gegenüber sprach er sich bitter über die Wirren in Frankreich aus.

»Auch die römischen Großen«, sagte er, »haben zu Beginn Unseres Pontifikats aufmucken wollen, aber sie haben sich rasch eines Besseren besonnen, denn sie merkten, daß es ihnen um Hals und Kopf ging. Euer König könnte sich das zum Vorbilde nehmen.«

Er erbot sich, ihm mit starker Kriegsmacht zu Hilfe zu kommen, die Rebellen zu züchtigen und die Ketzerei zu ersticken, aber Heinrich lehnte es ab und suchte Anlehnung bei den Hugenotten. Da verlor Sixtus jedes Zutrauen zu ihm. Fortan zeigte er unverhohlene Vorliebe für die Ligue. Er rühmte den ritterlichen Herzog von Guise, den Liebling des Volkes, den Makkabäus des neuen Bundes. Der spanische Botschafter war damit zufrieden, aber er glaubte nicht an die Dauer dieser Gesinnung. »Der Papst hält es stets mit dem Stärkeren«, schrieb er spöttisch an König Philipp. »Eure Majestät wird sich ja schon längst eine Vorstellung von seinem Charakter gemacht haben, und wie wenig Verlaß auf seine Worte ist.«

Aber es war nicht die Schuld des Papstes, wenn er so wetterwendisch erschien, sondern die der Ereignisse und Menschen in Frankreich, die immerfort wechselten wie die Bilder einer Zauberlaterne. Und wenn die Nachrichten von diesen Ereignissen glücklich eintrafen, waren sie oft schon durch andere überholt. Man hätte den Mantel des Erzzauberers Faust oder den Besenstiel einer Hexe haben müssen, um sie rechtzeitig zu erfahren. Bis Lyon gab es zwar eine regelmäßige Post, aber in Südfrankreich herrschte heller Aufruhr, und selbst wenn er einmal abflaute, brauchten die Briefe aus Paris zwei Wochen. Sixtus mußte daher abwarten lernen, und das war für sein stürmisches Wesen nichts Kleines. Doch es bildete ihn erst völlig zum Staatsmann.

Im Mai 1588 kam eine neue schlimme Post aus Frankreich. Die Häupter der Ligue hatten sich mit den Bürgern von Paris zusammengetan; Barrikaden waren aufgeworfen worden, und der König war aus seiner Hauptstadt geflüchtet. Der Herzog von Guise war Herr von Frankreich.

In Spanien frohlockte man darüber, aber in Rom herrschte große Bestürzung, und der Papst war ratlos. Anfangs wallte sein Herrscherstolz auf. »Wie!« rief er aus, als Pisany ihm diese Nachricht überbrachte, »hat Euer König denn nicht zwanzig Mann zur Hand gehabt, um den Rebellen zu verhaften und mit ihm nach Gutdünken zu verfahren!« Dann aber erwog er, daß die Ligisten zwar Rebellen, aber Hüter des Glaubens waren, und er ließ den Herzog vor den Anschlägen des Königs warnen. Er selbst wußte nicht mehr ein und aus.

In dieser Ratlosigkeit ward er zum ersten Male schwach. Die steten Sorgen und Aufregungen und die immerwährende Arbeit begannen seine Gesundheit zu zerrütten, und er bekam Fieberanfälle. Mit Sorge sah Donna Camilla und seine Umgebung im Vatikan, wie er der Ratschläge der Ärzte spottete und das Fieber wie ein Bauersmann mit Weinsuppen bekämpfte. Sein Tatendrang blieb zwar der alte, aber seine Kräfte ließen nach, und sein Haar bleichte zusehends. So fand ihn der venezianische Botschafter Gritti an einem der ersten glühenden Julitage, als er ihm auf Befehl seiner Regierung Vorstellungen wegen der Wirren in Frankreich machte. Sonst pflegte er aufzustehen und während er sprach, unruhig im Zimmer auf- und abzugehen. Heute saß er matt auf seinem Thronsessel unter dem Baldachin und winkte dem Venezianer, auf einem Sessel Platz zu nehmen.

»Heiliger Vater,« begann Gritti, »die Signoria hat mit großem Mißfallen die neuste Post aus Frankreich erhalten. Dies Land, einst das Auge der Christenheit und das Gegengewicht in der Wagschale der Mächte, ist völlig aus den Fugen geraten. Es geht um die Sache des Glaubens, welche die erste ist. Es geht auch um den Frieden der Christenheit, schließlich auch um die Ruhe und Selbständigkeit Italiens. Der Senat von Venedig besorgt, der König werde sich in seiner verzweifelten Lage den Ketzern in die Arme werfen. Die Signoria baut nur noch auf die hohe Einsicht Eurer Heiligkeit und auf Ihren Eifer für das öffentliche Wohl.«

Der Papst seufzte tief. »Die Signoria«, sprach er, »hat recht. Frankreich ist ein edles Land, und die Kirche hat stets großen Vorteil von ihm gehabt. Wir lieben es über alles und haben dem König unseren Beistand angeboten. Wir wollten ihm mit 25+000 Mann Fußvolk und mit 8000 Reitern zu Hilfe kommen und sie aus unserer Tasche besolden. Da hätten wir die Ketzerei erstickt und die Rebellen gezüchtigt, und heute wäre er unumschränkter Herr seines Reiches. Aber er hat es nicht gewollt.«

Sixtus schwieg einen Augenblick, als fiele das Sprechen ihm schwer. Dann fuhr er fort:

»Kommen wir nun zu den letzten Ereignissen. Der Herzog von Guise ist mit acht Reitern in Paris eingerückt und hat sich zur Königin-Mutter begeben. Die ist mit ihm zum König gefahren. Der König hat ihn zwei Stunden warten lassen; dann haben beide freundlich miteinander gesprochen. Hierauf fiel es dem König ein, die Schweizer nach Paris zu ziehen. Und zugleich verlangte er von den Parisern Leute zur Verstärkung seiner Palastwache. Ein einziger hat sich dazu eingefunden. Als die Schweizer einrückten, erhoben sich die Pariser; es kam zu Straßenkämpfen, und viele Schweizer wurden erschlagen. Während des Aufstandes ruft man unseren Nuntius, Euren Landsmann Morosini, in den Palast und bittet ihn, sich ins Mittel zu legen. Er macht seine Sache sehr gut und geleitet den Herzog zum König. Beide zeigen sich in der Stadt, der Herzog stets mit dem Barett in der Hand ... Doch bei sinkender Nacht verläßt der König heimlich Paris und begibt sich nach Chartres ... Da fragen Wir Uns: was hatte der König zu fürchten, da der Herzog sich ihm ganz in die Hand gegeben hatte? Warum zog er die Schweizer herbei? Entweder hatte er den Herzog in Verdacht oder nicht. Hatte er ihn in Verdacht, warum ließ er ihn nicht verhaften? Und wenn er den Anfang eines Aufstandes bemerkte, warum ließ er ihm nicht den Kopf abschlagen und ihn auf die Straße werfen? Da hätten die Leute sich beruhigt. Hatte er aber keinen Verdacht, warum ließ er die Schweizer kommen?«

»Jedenfalls, weil die Pariser ihn im Stiche ließen.«

»Hatte er denn nicht den Herzog als Geisel in Händen?«

»Hätte er den Herzog verhaftet oder gar getötet, so wäre die ganze Ligue aufgestanden und hätte seinen Tod gerächt. Denn sie war bewaffnet, der König aber nicht.«

»Nein,« entgegnete Sixtus, »dies Exempel hätte gewirkt. Und wäre auch ein Aufstand ausgebrochen, wie durfte er sein Heil in der Flucht suchen? Ein König flieht nicht. Er siegt oder fällt. Hat Eure Republik nicht auch manche Aufstände erlebt? Was wäre aus Eurer Herrschaft geworden, wenn Eure Signoria ausgerissen wäre? Jetzt verlangt er von Uns, Wir sollten dem Herzog befehlen, Paris zu verlassen. Wir haben in Paris nichts zu befehlen, außer in Kirchen- und Ketzersachen. Und dies ist eine weltliche Sache der Staatsgewalt. Aber nicht genug damit, der König hat gedroht, sich mit den Hugenotten zu verbünden. In diesem Falle wird er etwas erleben. Trotzdem haben Wir an ihn geschrieben und ihn zur Standhaftigkeit ermahnt. Ebenso haben Wir an den Herzog geschrieben und ihm stark ins Gewissen geredet, sich dem König zu unterwerfen. Mehr vermögen Wir nicht. Mag er selbst zusehen, wie er fertig wird, da er Unsere Hilfe nicht gewollt hat.«

Damit entließ er den Botschafter.


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