Friedrich v. Oppeln-Bronikowski
Schlüssel und Schwert
Friedrich v. Oppeln-Bronikowski

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29. Der Ausbruch des Kampfes

Wieder ballten sich Sturmwolken über dem Vatikan, wie zur Zeit, da die Guises ermordet waren. Um die Seele des gewaltigen Kirchenfürsten, der die Welt beherrschen wollte, stritten sich abermals die großen Parteien, die Europa zerklüfteten: hier Spanien, die Ligue und der Kaiser, dort Venedig, Navarra und die königstreuen Katholiken mit ihrem sächsischen Anhang. Aber die spanische Partei war die stärkere. Sie warf nicht nur das weltliche, sondern auch das geistliche Schwert in die Wage. Selbst im Kardinalskollegium war sie in der Überzahl. Schon wandten die Eiferer die Waffen des Glaubens gegen den Papst, und die Bettelmönche machten dem Volke weis, er stände bereits im Bunde mit Navarra. Unterdes hoben die Spanier in Neapel und Mailand Truppen zum Kriege mit Frankreich aus, aber sie konnten ebensogut gegen Rom verwandt werden. Schon sah Sixtus die Greuel des Sacco die Roma und des Krieges der Spanier mit dem Papst Paul Caraffa wiederkehren. Dann war er für alle Zeiten entehrt. Täglich hatte Olivarez Unterredungen mit ihm; er scheute vor keiner Drohung, keiner Einschüchterung zurück.

Wie stets schüttete Sixtus sein Herz dem venezianischen Botschafter aus.

»Die Spanier bedrohen Uns mit Krieg«, sagte er. »Sie wollen Uns durch Furcht ihren Willen aufzwingen.«

»Wie sollte der katholische König es so an Achtung vor dem Heiligen Stuhle fehlen lassen!« wandte Badoer ein.

»Er vielleicht nicht,« entgegnete Sixtus, »aber seine Gesandten und Kreaturen reden und schreiben derart. Wir wollen nicht prahlen, daß Wir ohne Menschenfurcht seien, aber Wir fürchten Gott mehr als die Menschen, und so sind ihre Drohungen vergebens. Vielleicht gelingt es Uns auch bald, Navarra zu bekehren; dann werden sie die Lust verlieren, Uns zu quälen.«

»Hunde, die bellen, beißen nicht«, tröstete Badoer. Doch er blieb selbst voller Sorge und Ungewißheit.

Auch Sixtus kam von seiner Angst nicht los, so sehr er sich Mut zu machen suchte. Schließlich gab er Badoer zu bedenken, ob nicht eine Liga zwischen dem Papste, Venedig und einigen italienischen Fürsten angezeigt sei. Des Großherzogs von Toskana glaubte er so gut wie sicher zu sein. Badoer versprach, bei der Signoria anzufühlen, aber er wußte im voraus, daß sie lieber weise Ratschläge gab, als Farbe zu bekennen und mannhaft zu handeln.

Auch der Papst war sich wohl bewußt, daß diese Liga nur ein äußerster Notbehelf sein konnte. Einstweilen suchte er Zeit zu gewinnen und ließ sich auf Verhandlungen mit Spanien ein, um Olivarez zu beschwichtigen. Er kam also auf den alten Bündnisplan zurück, wollte die größere Hälfte der Lasten an Geld und an Truppen tragen, behielt sich aber die Ernennung des Oberbefehlshabers vor und nahm den späteren Beitritt italienischer Mächte zu einer großen katholischen Liga in Aussicht. Kurz, er wollte sich nicht mit Haut und Haaren verkaufen.

König Philipp ging auf alles ein; lag ihm doch viel daran, sich mit dem Ansehen des Papstes zu decken. Als jedoch der Kardinal Gesualdo seine Antwort überbrachte, fand er den Eifer des Papstes stark abgekühlt. Sixtus wollte erst neue Nachrichten von seinem Legaten abwarten. Die Ligue, sagte er, habe sich gespalten; wie es heiße, wolle der Herzog von Mayenne, der Bruder des ermordeten Herzogs von Guise, mit Navarra Frieden schließen; durch Voreiligkeiten könne man diesen Abschluß nur beschleunigen und andere Winkelzüge mehr. Und als Gesualdo betonte, in den jetzigen Zeitläufen könne nur rasches Handeln etwas nutzen, ein Grundsatz, den Sixtus selbst in der Zeit der Armada so oft ins Feld geführt hatte, erklärte er rundheraus:

»Wir müssen Uns an die kanonischen Vorschriften halten und zunächst Mahnschreiben erlassen.«

»Und wenn die nichts fruchten?«

»Dann müssen Wir zu Zensuren schreiten.«

Offenbar wollte er die Sache ganz auf kirchliches Gebiet hinüberspielen, genau wie dereinst in den Wirren mit Heinrich III.

Sofort war Olivarez auf dem Plan. Er hatte am Morgen gebeichtet und kommuniziert, um seine Seele zu stärken. So trat er vor den Papst, beugte mühsam ein Knie und sprach:

»Eure Heiligkeit erlaube, die Befehle meines Herrn auszuführen. Eure Heiligkeit möge den Herzog von Luxembourg sofort wegschicken. Eure Heiligkeit möge Navarra für alle Zeit unfähig erklären, die französische Krone zu tragen. Eure Heiligkeit möge unverzüglich alle Kardinäle, Prälaten, Prinzen und Herren, die ihm Folge leisten, exkommunizieren. Wo nicht, wird der katholische König sich von der Obödienz gegen Eure Heiligkeit lossagen und alle seine Kräfte in den Dienst der Sache Christi stellen, denn er kann nicht dulden, daß sie zugrunde gerichtet wird.«

Das war die offene Kriegserklärung, ein Ultimatum in verletzender Form. Zornbebend richtete Sixtus sich von seinem Thronsitze auf; die Ader auf seiner Stirn schwoll an, und seine Blicke sprühten Blitze.

»Es ist Ketzerei,« schrie er, »sich derart gegen den Statthalter Christi zu betragen. Keinem Fürsten der Welt steht es zu, den Papst zu belehren, den Gott zum Meister der Menschen gesetzt hat. Weicht von dannen, Stein des Anstoßes!«

Er wollte nach der Klingel greifen, um den Botschafter hinausführen zu lassen.

»Bevor ich gehe,« entgegnete Olivarez hartnäckig, »will und muß ich meinen Protest zu Ende bringen, und sollte Eure Heiligkeit mir den Kopf abschlagen lassen. Sie weiß wohl, daß mein König mich rächen und meine Treue an meinen Kindern belohnen wird.«

»Ganz ruchlos betragt Ihr Euch«, donnerte Sixtus ihn an. »Wir zweifeln erheblich, ob Ihr solche Instruktionen habt oder ob Ihr wieder aus eigener Willkür handelt. Hat der König aber solches geschrieben, so antworten Wir ihm, daß er am wenigsten befugt ist, Uns in Sachen des Glaubens Gesetze vorzuschreiben. Ohne Unser Wissen hat er zur Zeit der Armada einen Vertrag mit dem Türken und ein Bündnis mit dem ketzerischen König von Dänemark geschlossen, und nun will er Uns lehren, wie man die Ketzer behandeln soll! Möge er nicht zu weit gehen, sonst könnte er Unsern Zorn herausfordern. Wir könnten ihn exkommunizieren und die Völker Spaniens und seiner andern Länder des Treueides entbinden!«

Damit wandte er dem Botschafter den Rücken und verließ wutschnaubend den Audienzsaal.

Sangalletto und etliche Höflinge, die draußen den Stimmenschall gehört hatten, erschraken, als sie den Papst derart im Zorne sahen, und alsbald raunte ganz Rom von einem Bruch zwischen Spanien und dem Heiligen Stuhle.

Allein als der erste Zorn verraucht war, erkannten beide Teile, daß sie den Bogen überspannt hatten. Gesualdo und einige andere Kardinäle legten sich ins Mittel, und Sixtus erklärte sich bereit, den Botschafter wieder zu empfangen, falls er die Unmäßigkeit seiner Sprache mildere. Auch Olivarez fand sich zum Nachgeben bereit und erschien zu einer sogenannten Versöhnungsaudienz, aber diese Aussprache führte nur zu neuen Zerwürfnissen.

Der Papst riß sofort das Gespräch an sich und erklärte, er könne Luxembourg nicht von heute auf morgen fortschicken. Man müsse ihm die Möglichkeit lassen, sich mit Ehren zurückzuziehen. Jedenfalls müsse er erst die Berichte des Legaten abwarten, die in Bälde eintreffen müßten. Schließlich brauchte er sogar Kraftausdrücke.

»Glaubt Ihr etwa,« sagte er, »Wir ließen die Schmach auf Uns sitzen, einen Ketzer wie Navarra nicht zu bekämpfen? Wir wollen Unsere Truppen zu den spanischen stoßen lassen, und müßten Wir auch Unsere Mitra versetzen.«

Olivarez fand sich wieder in die Formen zurück, aber er traute den Worten des Papstes nicht.

»Möge Eure Heiligkeit nicht nur Truppen, sondern auch Ihr Herz schicken«, sagte er.

»Was soll das heißen?«

»Daß die Worte Eurer Heiligkeit nicht mit Ihren Taten in Einklang stehen«, sagte er dreist. Und er brachte von neuem die alten Forderungen vor; die Erklärung der Thronunfähigkeit Navarras und die Exkommunizierung der königstreuen Katholiken.

»Das wäre im Augenblick das Allerverkehrteste«, entgegnete Sixtus. »Wir würden ihren Bund dadurch nur um so fester schweißen.

»In diesem Falle wäre Spanien genötigt, einen öffentlichen Protest kundzugeben. Der Doktor Martos von der Sommaria in Neapel hat ihn für alle Fälle schon ausgearbeitet. Ich bitte Eure Heiligkeit um Ihre Einwilligung dazu.«

»Was,« schrie Sixtus auf, »ein Schisma! Und zu diesem Akte der Ketzerei sollen Wir Unseren Segen geben? Bei Gott und allen Heiligen, wer sich zu diesem gottlosen Schauspiel einfindet, den werden Wir ohne Ansehen der Person aus Rom verjagen!«

Der Papst war keuchend in seinen Thronsitz zurückgesunken. Olivarez blieb kalt und steif stehen und rührte kein Glied. Schließlich sagte er trocken:

»Die Gesandten genießen das Vorrecht der Immunität. Wenn Eure Heiligkeit Ihre Drohung ausführt, so ist das für mich kein Anlaß, die Befehle meines Königs nicht auszuführen. Lieber werde ich aus Rom verjagt, als daß mein König mir den Kopf abschlagen läßt. Um aber zu zeigen, daß der Protest keine Ketzerei enthält, bitte ich um die Erlaubnis, ihn im nächsten Konsistorium verlesen zu lassen. Das Heilige Kollegium wird wohl der beste Richter in der Sache sein.«

Mit diesem furchtbaren Menschen war nicht fertig zu werden. Er handhabte alle Kunstgriffe der weltlichen und geistlichen Diplomatie mit kalter, unbeirrter Meisterschaft.

»König Philipp will wohl selber Papst werden?« spottete Sixtus ingrimmig. »In diesem Falle müßten Wir ihn erst zum Kardinal machen.«

»Nein,« lächelte Olivarez geringschätzig, »sein weltliches Reich genügt ihm.«

Und er bat nochmals um die Erlaubnis, den Protest zu veröffentlichen.

Sixtus schlug es ihm zum zweitenmal ab, und er verließ unverrichteter Dinge den Vatikan.

Als Sangalletto wieder eintrat, fand er den Greis halb ohnmächtig in seinen Thronsitz zurückgesunken. Er wollte hinauseilen und Hilfe holen. Aber Sixtus ermannte sich wieder. »Es ist nichts«, sagte er. »Es geht Uns schon besser. Wir befehlen Euch zu schweigen. Ein Glas Wein. Und dann wieder an die Arbeit, an die Arbeit!« wiederholte er leise, fast schmerzlich.


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