Oskar Meding
Zwei Kaiserkronen
Oskar Meding

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Zweiunddreißigstes Kapitel

Um zehn Uhr abends an einem kühlen, dunkeln Wintertag fuhr einer jener eleganten und schnellen Fiaker Wiens, von der Mariahilfvorstadt herkommend, schnell in die Hauptstraße von Hietzing ein.

Ein mit Regen vermischtes Schneegestöber fiel vom Himmel herab. Schweigend und dunkel lag das weite Schloß von Schönbrunn inmitten des großen entlaubten Parks, und die Straße von Hietzing, auf welcher im Sommer sich die elegante Welt von Wien einherbewegte, schien verödet. Finster lagen die meisten Häuser da, welche nur den Zweck haben, den Wienern zum Sommeraufenthalt zu dienen, und den Winter über unbewohnt dastehen. Nur hie und da zeigte sich in einzelnen Fenstern Licht, aber auf der Straße selbst sah man keinen Menschen.

Der Fiaker fuhr schnell durch die lange Hauptstraße, indem unter dem Huf der Pferde der Schlamm des tief aufgeweichten Lehmbodens hoch emporspritzte und den Wagen mit einer grauen Kruste überzog.

Mit raschem Ruck der Zügel hielt der Kutscher vor dem kleinen Eingangstor der Villa Braunschweig, welche, durch eine lange, gleichförmige Mauer von der Straße geschieden, ebenfalls in tiefer Dunkelheit dalag. Der Kutscher warf rasch die dicke Decke über die dampfenden Pferde und aus dem geöffneten Schlage des Wagens stiegen zwei Personen, in dicke Überröcke gehüllt; die eine derselben groß, schlank und von elastischen Bewegungen; die andere klein, etwas gebeugt und so tief bis zur Höhe des Kopfes in Schals gehüllt, daß es unmöglich war, ihre eigentlichen Umrisse zu erkennen.

Der größere der beiden Männer zog an dem Knopf, welcher sich neben der Tür befand; augenblicklich wurde diese geöffnet und aus dem langen, mit Statuen und pompejanischer Wandmalerei dekorierten Korridor, in welchem eine Reihe von Gasflammen in Glasschalen brannten, drang ein helles Licht hervor und beleuchtete die glitzernden Regentropfen und Schneesflocken, welche immer dichter vom Himmel herabfielen.

Der Korridor war völlig leer, keiner der sonst auf demselben befindlichen Lakaien in scharlachroten Livreen war sichtbar. Der Leibkammerdiener des Königs von Hannover trat den Ankommenden entgegen und öffnete ihnen das kleine, neben der Eingangstür befindliche Entreezimmer, in welchem dieselben sich ihrer Umhüllungen entledigten.

Der jüngere der beiden Männer war der Doktor Wippern, ein wegen politischer Agitationen aus Hannover flüchtig gewordener Landwirt, welcher in den Dienst des Königs Georg von Hannover getreten war und von diesem in der Verwaltung des königlichen Vermögens und des Haus- und Hofhalts verwendet wurde.

Er war ein hoher, schlanker Mann von fünf- bis sechsunddreißig Jahren, von schönen und regelmäßigen Gesichtszügen und leichten, gefälligen Bewegungen. Ein auffallend langer und sorgfältig gepflegter Schnurrbart, welcher mit der dunkelbraunen Farbe seines vollen, einfach frisierten Haares übereinstimmte, gab seinen sonst etwas weichen und sanften Gesichtszügen einen kräftigen und entschlossenen Ausdruck, aus seinen dunkelgrauen Augen blickte Intelligenz und Willenskraft, zugleich aber auch jene etwas unsichere Beweglichkeit, welche Personen sanguinischen Charakters eigentümlich ist, die sich leicht von Illusionen hinreißen lassen.

Er hatte seinen weiten Überrock abgeworfen und wandte sich dann zu seinem Begleiter, der langsam und etwas schwerfällig den großen dichten Schal abwickelte, den er über seine weiche, kleine Mütze um den ganzen Kopf geschlungen hatte, um ihm bei seiner Entpuppung behilflich zu sein. Rasch war der Schal entfernt und Doktor Wippern nahm dem mit ihm Eingetretenen einen großen, gelben Havelock ab, dessen Kragen hoch emporgeschlagen war. Und im hellen Licht stand nun in einen langen und weiten Überrock gehüllt, fröstelnd und die Hände reibend, die gebückte Gestalt des Staatsrat Klindworth da.

»Dies Winterklima von Wien ist das unerträglichste, das ich kenne«, sagte der Staatsrat mürrisch, indem er langsam auch noch seinen letzten Paletot auszog und nun, in seinem gewöhnlichen dunkelbraunen Rock sich leichter bewegend, einige Schritte machte. »Wenn ich auch die Antipathie von Gentz gegen die Franzosen nicht teile, so hasse ich doch, wie er, auf das Tiefste die Kälte, die den Geist lähmt und alle Gedanken einfrieren läßt.«

»Nun, wir haben es ja überwunden,« sagte der Doktor Wippern, »und der große Zweck, den wir erreichen wollen, ist ja wohl eines kleinen Opfers wert. Ist Seine Majestät allein?« fragte er den Kammerdiener.

»Seine Majestät erwartet die Herren«, sagte dieser, indem er mit leichter Verneigung und einem etwas verwunderten Blick auf die eigentümliche Erscheinung des Staatsrats Klindworth durch den Korridor nach dem Zimmer des Königs voranging.

In dem großen chinesischen Wartesaal, dessen Fußboden mit feinen Matten bedeckt war, hingen große bunte chinesische Lampen von der Decke herab, in deren dämmerndem Licht die Porzellangesichter in den Gestalten der Seidentapeten phantastisch von den Wänden herabblickten, während die lebensgroßen Pagoden ringsumher langsam mit dem Kopf nickten.

In einem Lehnstuhl vor der Tür saß der Doktor Elster, des Königs Finanzverwalter, ein Mann von vier- bis fünfundvierzig Jahren, mit einem bleichen, langen Gesicht, dessen hervorspringende Nasenflügel sich weit öffneten und dessen tiefliegende Augen ein wenig schielend seitwärts blickten, während sein breiter Mund mit dem dunklen Schnurrbart auf der Oberlippe unausgesetzt ein sanftes und freundliches, aber etwas gezwungen erscheinendes Lächeln festhielt.

Doktor Elster erhob sich und begrüßte mit einer tiefen, etwas demütigen Verbeugung den Staatsrat Klindworth, während der Kammerdiener nach einem kurzen, starken Schlag an die Tür des Königs in das Kabinett eintrat.

»Nun,« sagte der Staatsrat, indem sein stechender Blick sich forschend auf Doktor Elster heftete, »ist alles in Ordnung, oder haben wir noch große Schwierigkeiten zu überwinden?«

»Ich glaube, daß Seine Majestät entschlossen ist,« erwiderte Doktor Elster. »Er hat den Brief bekommen, und ich glaube, auch persönlich ist ihm nochmals der Wunsch ausgesprochen, die Bank ins Leben zu rufen.«

»Das ist gut,« sagte der Staatsrat brüsk, »wenn aus dieser Sache nichts geworden wäre, so wollte ich mit dieser ganzen österreichischen Politik nichts mehr zu tun haben. Dies ist der einzige Weg, um noch eine vernünftige Aktion herbeizuführen.«

Der Kammerdiener kam zurück und sagte:

»Seine Majestät lassen die Herren bitten.«

Auf dem großen Tisch mit roter, golddurchwirkter Decke brannte eine hohe Lampe mit großem, flachem Schirm von blauem Glase, welche nur matt die schottische Tapete an den Wänden, die Waffen und die Gemälde aus Walter Scotts Romanen beleuchtete.

Der König Georg V. hatte auf einer neben dem Tisch stehenden Chaiselongue langausgestreckt geruht. Beim Eintritt der drei Herren erhob er sich und blieb aufrecht, die Hand auf den Tisch gestützt, stehen.

»Eurer Majestät Befehl zufolge«, sagte der Doktor Wippern, »habe ich den Staatsrat Klindworth hieher geführt, welcher gekommen ist, um Eurer Majestät Befehle in betreff des Bankprojekts entgegenzunehmen und Allerhöchstdenselben Auskunft über alle einzelne Punkte zu geben.«

»Eure Majestät haben die Gnade gehabt«, sagte der Staatsrat, indem er langsam herantrat und sich vor dem König verneigte, mit seiner leisen, aber eindringenden Stimme, »auch mich empfangen zu wollen und mir Ihr Vertrauen entgegenzubringen. Eure Majestät haben vergessen wollen, daß ich einst die Ungnade des hochseligen Königs auf mich gezogen – wie ich glaube, mit Unrecht und auf Grund von Mißverständnissen und falschen Darstellungen; denn ich für meine Person habe immer das höchste Interesse für Hannover gehabt, das ja mein Vaterland ist, und wenn ich damals die Interessen des Herzogs Karl, in dessen Diensten ich stand, vertrat, so war das meine Pflicht und geschah nicht in der Absicht, um Hannover oder dem hochseligen König Schaden zu tun, sowie ich auch jetzt mit Freuden jede Gelegenheit ergreife, um Eurer Majestät und Ihre Sache nützlich zu sein.«

Der König, welcher die Uniform des früheren hannöverischen Gardejägerbataillons trug, unter welcher man, wo auf der Brust die aufgemachten Knöpfe sie offen ließen, das blaue Band des Hosenbandordens erblickte – hatte bei den Worten des Staatsrats den Kopf etwas vorgebeugt. Mit Spannung lauschte er dem Ton dieser leisen, aber doch so scharfen und wenig sympathischen Stimme, während seine Augen sich so fest nach der Richtung hinwendeten, aus der diese Stimme ertönte, daß es schien, als wolle der König durch die Willenskraft dem gelähmten Sehnerv seine Tätigkeit wiedergeben.

»Ich begrüße Sie mit Freuden, mein lieber Staatsrat,« sagte er dann mit liebenswürdiger Freundlichkeit, »ich lasse mein Urteil niemals durch Vorurteile der Vergangenheit bestimmen, und jeder Freund, der mir mit Rat und Tat beistehen will zur Verteidigung meines Rechts, ist mir willkommen. Setzen Sie sich, meine Herren, wir haben einen ernsten Gegenstand zu besprechen.«

Er legte leicht tastend die Hand auf die Lehne des fast unmittelbar neben der Chaiselongue stehenden Sessels und ließ sich in demselben nieder.

Doktor Elster rollte schnell für den Staatsrat einen Lehnstuhl heran, und die Herren nahmen um den Tisch Platz.

»Sie wissen, mein lieber Staatsrat,« sagte Georg V. mit seiner hellen, klangvollen Stimme, »daß ich lange die Propositionen zurückgewiesen habe, welche mir in betreff der Gründung einer großen Fürstenbank gemacht worden sind. Ich habe es nicht für zweckmäßig und angemessen halten können, mich mit meinem Vermögen lediglich um eines größeren Gewinnes willen an einem solchen Unternehmen zu beteiligen und mich auf der andern Seite auch zugleich den unglücklichen Wechselfällen auszusetzen, welche ich nicht ertragen kann, da meine geringen verfügbaren Mittel mir schon die schwersten Beschränkungen in meinem Hofhalt, wie vor allem auch in meiner Tätigkeit zur Wiedererlangung meines Rechts auferlegen. Es könnten nur ernste politische Rücksichten sein, welche mich zu bestimmen imstande wären, die Vorschläge anzunehmen, die man mir gemacht hat.«

»Ich hoffe, Eure Majestät werden sich nunmehr überzeugt haben,« sagte der Staatsrat, als der König einen Augenblick innehielt, »daß solche politische Rücksichten in hohem Grade vorhanden sind. Seine Majestät der Kaiser interessieren sich auf das Höchste für die Sache,« fuhr er mit einem lauernden Blick auf den König fort, »worüber, wie ich glaube, Eure Majestät nicht im Zweifel sein können.«

»Ich habe einen eingehenden Brief darüber erhalten,« sagte der König, »der sich allerdings nur im allgemeinen über die Notwendigkeit und Vortrefflichkeit der Bank ausspricht und mich dringend zur Beteiligung an derselben auffordert. Auch habe ich persönlich noch weiter darüber gesprochen und mich infolgedessen entschlossen, die Sache auszuführen – wenigstens soweit dies an mir liegt. In betreff aller näheren Erörterungen über die Ausführung und über die dabei in Frage kommenden politischen Gesichtspunkte bin ich auf Sie verwiesen worden und sehe mit Spannung Ihren Mitteilungen entgegen.«

»Ich kann,« erwiderte der Staatsrat, »in betreff der finanziellen Durchführung der Sache nur die ersten maßgebenden Gesichtspunkte hervorheben, über deren weitere Entwickelungen Eurer Majestät Finanzbeamte, der Doktor Elster hier vor allen, in Verbindung mit dem österreichischen Finanzministerium und den Kapazitäten der Wiener Börse Eurer Majestät dann den besten Rat werden geben können.

»Es handelt sich also bei der ganzen Sache,« fuhr der Staatsrat fort, indem er sich in seinen Fauteuil zurücklehnte, die Hände über der Brust faltete und die Fingerspitzen leicht gegeneinander schlug, – »es handelt sich darum, ein Geldinstitut herzustellen, dessen Leitung sich nur von großen und weiten politischen Gesichtspunkten bestimmen läßt und allen kleinlichen, auf augenblicklichen und zweifelhaften Gewinn abzielenden Interessen des Börsenspiels fernbleibt. Ein solches Institut wird für Österreich den großen Vorteil haben, seine Finanzverwaltung von dem Beistande der Mitwirkung der gewöhnlichen Kräfte der Börsenwelt unabhängig zu machen, so daß sie ihre Operationen nach großen Gesichtspunkten ungehemmt und ungehindert auszuführen imstande ist. Schon aus diesem Grunde allein wird die österreichische Regierung, wie Eurer Majestät ja auch von maßgebendster Stelle zugesagt worden, alles tun, um dieses Institut zur höchsten Blüte zu bringen und in seine Hände alle großen und vorteilhaften Geschäfte legen, wobei ich, um nur eines sogleich herauszugreifen, unter anderem die ungarischen Bahnen, die Verwaltung der Domanialforsten und eine Reihe ähnlicher Geschäfte nennen will, die aus der neuen Entwickelung der österreichischen Finanzwirtschaft, aus dem fortschreitenden Verkehrsleben in Österreich sich ergeben werden.«

Der König stützte den Arm auf den Tisch und legte den Kopf in die Hand, wie er zu tun pflegte, wenn er gespannt und aufmerksam zuhörte.

»Mit diesem Vorteil, den die österreichische Regierung gewinnt, geht zugleich der Vorteil der hohen Gründer der Bank, als insbesondere Eurer Majestät, Hand in Hand, denn Sie werden den Ertrag Ihrer Kapitalien in einer nicht geahnten Weise vervielfachen, so daß nicht nur Ihre Revenüen sich sehr bedeutend erhöhen, sondern auch Ihr Vermögen in kurzer Zeit sich verdrei- und vervierfachen wird.«

»Gott ist mein Zeuge,« rief der König lebhaft, »daß ich nicht geldgierig bin – ich hänge nicht am Mammon, aber wenn es mir gelingen könnte, mir die Mittel zur weitesten Tätigkeit für die Durchführung meines Rechtes zu verschaffen, und ich das mir entzogene und mit Beschlag belegte Vermögen für die Zukunft meines Hauses entbehren könnte, so ist das ein Ziel, für welches ich alles daranzusetzen keinen Augenblick zögern darf.«

Doktor Elster warf dem Staatsrat Klindworth einen schnellen Blick zu. Der Staatsrat nickte, wie den Worten des Königs zustimmend, mit dem Kopfe und fuhr dann fort:

»Ich habe hier eben nur den einen mit dem projektierten Unternehmen verbundenen Vorteil angedeutet – ein großer Vorteil allerdings, denn Geld ist Unabhängigkeit. Über je mehr Geld die fürstlichen Herrschaften verfügen, um so mehr werden sie in der Lage sein, allen Strömungen und Ereignissen, die sich gegen ihr Recht richten, Widerstand leisten zu können. Für Eure Majestät insbesondere hat aber gerade dieses Unternehmen noch eine ganz speziell schwer ins Gewicht fallende Bedeutung. Damit komme ich auf das Wichtigste, auf den hohen politischen Teil der Sache, welcher aber, wie ich Eure Majestät dringend bitten muß, mit dem tiefsten Geheimnis zu behandeln, und von welchem außer den unmittelbar an der Sache beteiligten Personen niemand etwas erfahren darf – niemand, Majestät,« wiederholte er mit Betonung.

»Ich verstehe«, sagte der König.

»Eure Majestät«, sprach der Staatsrat weiter, »sind durch die Ereignisse des Jahres 1866 gewaltsamerweise Ihres Thrones und Ihrer königlichen Rechte beraubt. Eure Majestät arbeiten – und Sie tun Recht daran, an der Wiederaufrichtung Ihres Thrones und der Wiedererlangung Ihrer Rechte, während die meisten Fürsten heutzutage nichts anderes mehr verstehen, als eines ihrer Rechte nach dem andern abzugeben, um nur von dieser seichten liberalen öffentlichen Meinung geduldet zu werden; denn mehr erreichen sie doch nicht. Eure Majestät müssen sich aber darüber klar sein, daß Sie allein, als König von Hannover und auch wenn alle jungen Leute Ihres Landes sich auf Ihren Ruf und unter Ihren Fahnen versammeln würden, – daß Sie allein niemals imstande sein werden, den Kampf mit der Macht aufzunehmen, welche Sie Ihres Rechtes beraubt hat.«

»Darüber, mein lieber Staatsrat,« rief der König lebhaft, »bin ich mir vollkommen klar – ich leide wahrlich nicht an Größenwahn, ich weiß sehr gut, daß Hannover, wenn ich über seine ganze intakte Kraft verfügen könnte, nur ein kleines Reich ist, dessen Politik überhaupt nur von Bedeutung sein kann, wenn es sich an die Aktionen der größeren anschließt. Mein ganzes Streben geht dahin, mich fertig und bereit zu machen, um im Augenblick einer europäischen Krisis mich denjenigen anschließen zu können, die die Feinde meiner Gegner sein werden, – und die kleine Schaluppe so zu steuern,« sagte er ganz leise vor sich hin, »daß sie den Anschluß an das große Dampfschiff erreicht.«

»Eure Majestät«, sagte der Staatsrat, »haben vollkommen genau das auszusprechen die Gnade gehabt, was ich soeben mir die Ehre geben wollte, zu sagen. Um aber«, fuhr er fort, »im Anschluß an die große Macht handeln zu können, ist es notwendig, daß auch diese selbst den Anschluß will, und dieser ihr Wille wird wiederum durch die Interessen und politischen Notwendigkeiten, nicht durch die Sympathie bestimmt. Mag der Kaiser Franz Joseph die dringende Pflicht fühlen, für Eure Majestät, seinen unglücklichen Bundesgenossen, alles mögliche zu tun, mag der Kaiser Napoleon die größte Sympathie und Freundschaft für Eure Majestät haben, – beide werden wahrlich dennoch nichts tun, um Eure Majestät wieder auf den Thron zu setzen, wenn die Interessen der Politik ihrer Staaten es nicht erheischen. Dies kann aber nur dann geschehen, wenn das Bündnis mit Eurer Majestät ein schweres Gewicht in die Wagschale des Erfolgs wirft. Die Armee, welche Eure Majestät ins Feld stellen könnte, selbst eine allgemeine Erhebung des Königreichs Hannover, das alles wird weder Frankreich noch Österreich bestimmen können, feste Verpflichtungen Eurer Majestät gegenüber zu übernehmen, das wird beide Mächte nicht verhindern, jeden Augenblick, wenn ihre Interessen das sonst fordern, unter Aufopferung Eurer Majestät ihren Frieden zu machen. Alle militärischen Mittel, die Eure Majestät schaffen und ins Feld führen könnten, kommen bei den ungeheuren Massen, mit denen der nächste Krieg geführt werden wird, nicht in Betracht – ein anderes aber wird von höchster Bedeutung sein, und wenn Eure Majestät dies haben, wenn Eure Majestät in der Lage sind, dies den kriegführenden Mächten zu geben oder zu verweigern, dann werden Eure Majestät eine Macht sein, mit welcher man rechnen, mit welcher man Verträge schließen muß und welche man nicht wird aufgeben und fallen lassen können – und dies andere, Majestät, ist das Geld, – das Geld, welches die zu gründende Bank schaffen und repräsentieren wird.«

»Sie sind also überzeugt davon,« fragte der König, »daß der große Krieg gegen das Werk von 1866 bald wieder beginnen wird?«

»Ich bin davon so sehr überzeugt,« sagte der Staatsrat, »daß nach meiner Überzeugung dieser Krieg die einzige Richtschnur aller politischen Erwägungen in diesen Tagen sein muß. Jene Politik, welche sich auf die Voraussetzung des Friedens stützt, wird zusammenbrechen und erfolglos bleiben. Der Kaiser Napoleon, Majestät,« fuhr er fort, »will den Krieg nicht, er möchte ihn vermeiden, weil er wohl fühlt, daß bei einem ungünstigen Ausgang alles auf dem Spiel steht. Dessenungeachtet wird er dazu gezwungen werden, die Waffen zu ergreifen, weil die stete Mißstimmung in Frankreich, der er nicht mehr den Damm des kraftvollen persönlichen Regiments entgegenzusetzen imstande ist, immer höher steigt und ihm nur die einzige Möglichkeit übrig läßt, durch einen großen militärischen Erfolg seine Macht wieder zu konsolidieren und die Zukunft des Kaiserreichs zu sichern. Der Kaiser fühlt das mit jenem seinen politischen Instinkt, der ihm stets eigen gewesen ist, und so sehr er fortwährend nach einer Verständigungsbasis mit Preußen sucht, so ist ihm doch vollkommen klar, daß er eine solche nicht finden und daß ihm Preußen auf der Höhe seiner Erfolge niemals die Kompensationen zugestehen wird, welche er bedarf, um der öffentlichen Meinung in Frankreich den Beweis zu liefern, daß die französische Nation unter dem napoleonischen Szepter noch die erste und maßgebendste in Europa ist. Um aber diesen Krieg mit der Sicherheit des Erfolges unternehmen zu können,« sprach der Staatsrat weiter, während der König immer gespannter zuhörte, »bedarf Frankreich unter allen Umständen der Mitwirkung Österreichs, nicht nur in militärischer Beziehung, sondern vor allen Dingen wegen der moralischen Einwirkung auf Deutschland. Wenn nun Österreich den Kampf von 1866 wieder aufnimmt, nicht wie damals von zwei Seiten angegriffen, sondern im Bunde mit der gewaltigen Macht Frankreichs, so ist kein Zweifel möglich, daß die süddeutschen Staaten, sowohl aus Neigung als aus Notwendigkeit, sich diesen beiden Mächten anschließen und daß auch im übrigen Deutschland – ja in der preußischen Machtsphäre selbst – zahlreiche und kräftige Sympathien auf seiten der gegen Preußen Verbündeten ihren Einfluß geltend machen werden. Zu einer solchen Aktion im Bunde mit Frankreich, welche seine Selbsterhaltung erheischt, bedarf Österreich nun vor allen Dingen Geld. Alles übrige ist da, dies eine aber ist nicht zu schaffen. Der Reichstag, der mit Freuden nach einem siegreichen Krieg jede Indemnität bewilligen würde, die die Regierung fordern könnte, wird niemals vorher zur Kriegführung Gelder bewilligen – diesem Bedürfnis nun soll durch die Bank abgeholfen werden. Wenn dies Geldinstitut, dessen Gründer und Leiter wesentliche politische Gesichtspunkte ins Auge fassen werden und für welche die Wiedererstattung Österreichs in Deutschland, die Zertrümmerung des Werkes von 1866 Lebensfrage ist, – wenn dieses Geldinstitut die Börsen und die Finanzwelt beherrscht, so wird es imstande sein, im kritischen Moment auch ohne vorherige Bewilligung des Reichstages der österreichischen Regierung die finanziellen Aktionsmittel zu schaffen. Das Risiko, welches die Gründer der Bank für den Fall eines unglücklichen Krieges, – der aber unter solchen Verhältnissen, kaum wahrscheinlich ist, – dabei etwa laufen möchten, ist ihr Anteil an dem Unternehmen, ist der Einsatz, den sie leisten müssen, um alles wieder zu gewinnen, was sie verloren haben. Und dieser Einsatz,« fuhr er fort, den Blick scharf und forschend auf den König richtend, – »dieser Einsatz ist doch gewiß des zu erlangenden Gewinnes wert?«

Der König schwieg einen Augenblick.

»Aber welche Garantien«, fragte er dann ein wenig zögernd, »würde ich haben, daß nicht bei etwa unglücklichen Wechselfällen des Krieges ein schnell geschlossener Friede abermals über mich und mein Recht hinweggeht und mich preisgibt?«

»Es wird«, erwiderte der Staatsrat, »im Augenblick der Aktion und wenn es sich darum handelt, durch die von Eurer Majestät beherrschte Bank die Geldmittel zum Kriege zu schaffen, Allerhöchstihre Sache sein, diese Garantien zu bestimmen und in einem festen Vertrag niederzulegen zu lassen – und damit,« fügte er, den Kopf mehr zwischen die Schultern zurückziehend, mit scharfer Betonung hinzu, »den Fehler zu vermeiden, den die Regierung Eurer Majestät im Jahre 1866 begangen hat, als dieselbe sich ohne einen festen und sicheren Allianzvertrag in den österreichischen Krieg hat hineinziehen lassen.«

»Die Großherzoge von Modena und Toskana,« sagte der König, »werden ebenfalls der Bank beitreten, und auch der Kurfürst von Hessen ist aufgefordert worden, wie ich gehört habe – und zwar auch durch ein direkt an ihn gerichtetes Schreiben.«

»Die Großherzoge von Modena und Toskana«, erwiderte der Staatsrat Klindworth, »werden sich bei der Sache nur als Glieder des Gesamthauses Osterreich beteiligen. Für sie handelt es sich um keine Wiedereinsetzung in ihre italienischen Besitzungen. Österreich hat dieselben definitiv aufgegeben. Die Großherzoge werden aber dessenungeachtet einer finanziellen Intervention der Bank zugunsten des Krieges, von dem ich Eurer Majestät gesprochen, freudig beistimmen, da es sich ja um die Wiederaufrichtung der alten Größe des Hauses Habsburg handelt, welche nur aus diesem Wege zu erreichen ist. Was den Kurfürsten von Hessen betrifft,« fuhr er achselzuckend fort, »so hat man hier Sympathien für denselben, wie natürlich, da er auf der Seite Österreichs seinen Thron verloren hat. Er ist deshalb aufgefordert worden, allein ich muß Eurer Majestät aufrichtig sagen, daß ich eigentlich wünschen möchte – was bei der Eigentümlichkeit des Kurfürsten auch anzunehmen ist – er möge sich nicht beteiligen, – denn wie ich Eurer Majestät bestimmt versichern kann, die Sache des Kurfürsten ist in Paris aufgegeben, man denkt an seine Restauration nicht und würde für dieselbe nicht das Geringste tun.«

»Soviel ich gehört habe,« sagte der König, »will der Kurfürst sich zu einer persönlichen Beteiligung nicht entschließen, – um jedoch dem von hier aus ihm so dringend ausgesprochenen Wunsch entgegenzukommen, hat er dem Prinzen Philipp von Hanau die Vollmacht erteilt, sich mit der Summe von zwei bis drei Millionen zu beteiligen.«

»Und der Professor Pernice«, fiel der Doktor Elster ein, »ist von kurfürstlicher Seite zum Eintritt in den Verwaltungsrat bestimmt.«

»Das ist eine sehr günstige Wendung,« sagte der Staatsrat, »man wird das Anerbieten leicht zurückweisen können, weil der Prinz nicht ebenbürtig ist und sich nicht in der Lage befindet, die Interessen des hessischen Kurhauses zu vertreten.«

»Aber die Summe, mit welcher er sich beteiligen würde,« sagte der König, indem er mit erstauntem Ausdruck den Kopf erhob, »würde doch für die Prosperität der Bank von hoher Wichtigkeit sein.«

»Die Bank wird auch ohne diese Summe,« erwiderte der Staatsrat, »durch die Geschäfte, welche man ihr übertragen wird, prosperieren. In politischer Beziehung,« fuhr er mit lauerndem Seitenblick fort, »ist es aber für Eure Majestät von hoher Bedeutung, die Teilnahme des Kurfürsten auszuschließen, denn eine solche würde nur zu großen Verwickelungen führen und den Abschluß der Verträge, welche die Garantie für die Erreichung der politischen Ziele geben sollen, erschweren, da, wie ich Eurer Majestät schon zu bemerken die Ehre hatte, in Paris eine Restauration des Kurfürsten von Hessen vollkommen aufgegeben ist, – auch in London, wo ich soeben gewesen bin und wo man die Wiederherstellung Hannovers indirekt in jeder Weise zu begünstigen geneigt ist, würde eine kurhessische Restauration keine Unterstützung finden, und wenn auch hier die Pietät des Kaisers an den alten Beziehungen zu dem Kurfürsten festhält, so teilt doch die Regierung vollkommen die Anschauungen, welche in Paris und in London maßgebend sind.«

»So würde man Kurhessen Preußen überlassen,« rief der König lebhaft, »um dadurch Hannover, wenn es wiederhergestellt würde, vollständig, zu einer Enklave innerhalb der preußischen Grenzen zu machen!?«

Ein listiges Lächeln spielte um den breiten Mund des Staatsrats, er schlug abermals mit den Fingerspitzen der Rechten auf die Oberfläche der Linken und sprach, indem er einen schnellen Blick zu dem Doktor Elster hinüberwarf:

»Das möchte ich nicht behaupten, Majestät. Der Kaiser Napoleon wird zwar auch im Falle eines vollständigen Sieges niemals dulden, daß Preußen, wie es seine erbitterten Gegner in Deutschland wünschen, über ein gewisses Maß verkleinert werde. Er wird das Gleichgewicht der Kräfte in Deutschland möglichst zu erhalten suchen und in jedem Falle bestrebt sein, aus dem geschlagenen Gegner sich einen Freund zu machen. Allein gerade um das Gleichgewicht in richtiger Weise herzustellen, bedarf es, so wie Bayern in Süddeutschland neben Österreich steht, auch im Nordwesten einer starken Macht, welche das Übergewicht Preußens kontrebalanciert. Diese Macht müßte Hannover mit seiner freien Seeküste bilden, freilich müßten dazu seine Grenzen ausgedehnt und ihm eine größere eigene Widerstandskraft gegeben werden, als es in seiner bisherigen Form hatte. Es sind ja da,« fuhr er fort, »verschiedene Gebiete, sowohl in Preußen als in Kurhessen, vorhanden, welche altes welfisches Eigentum waren und welche zu einer richtigen Arrondierung des wiederhergestellten Königreichs Hannover dienen könnten.«

»Ja, bei Gott,« rief der König lebhaft, indem er mit seiner rechten Hand stark auf den Tisch schlug, »die alten angestammten Besitzungen des Welfenhauses sind durch die Zulassung der Vorsehung in entsetzlich trauriger Weise auseinandergerissen, und wenn es je gelingen könnte, dieselben wieder unter welfischem Szepter zu vereinigen, so würde nur ein Akt historischer Gerechtigkeit vollzogen.«

»Nun, Majestät,« sagte der Staatsrat, »ich hoffe, daß der nächste Krieg die historische und politische Gerechtigkeit zur Geltung bringen wird, und daß ebenso wie Europa und Deutschland auch das edle und erhabene Welfenhaus seine Rechnung dabei finden wird.«

»Ich habe mich schon seit einiger Zeit damit beschäftigt,« sagte der König nach einer augenblicklichen Pause, »durch genaue geschichtliche Forschungen ermitteln zu lassen, welche Gebiete in Deutschland zum Reich Heinrich des Löwen gehörten. Ich werde Ihnen, mein lieber Staatsrat, darüber eine Denkschrift zugehen lassen, welche Sie bei Ihrer Tätigkeit für meine Sache zugrunde legen können, Sie werden daraus ganz genau ersehen können, wie weit Heinrich des Löwen große Macht sich ausdehnte.«

»Ich werde Eurer Majestät für diese Denkschrift sehr dankbar sein,« sagte der Staatsrat, indem er mit fast erschrockenem Blick zu den beiden anderen Herren hinübersah. »Doch möchte ich mir erlauben, Eure Majestät darauf aufmerksam zu machen, daß ich bei meinen vorherigen Bemerkungen allerdings nicht an ein Zurückgreifen bis auf Heinrich den Löwen gedacht hatte.«

»Gewiß nicht, gewiß nicht,« rief der König, »diese historische Arbeit wird aber immer von großem Wert für Sie sein und Ihnen bei Ihrem Handeln als Richtschnur dienen können. Doch nun,« fuhr er fort, »würde es sich darum handeln, die politische Seite des Unternehmens, welche wir hier soeben auseinandergesetzt haben, genau zu formulieren und daraufhin ein Abkommen – einen Staatsvertrag mit der österreichischen Regierung zu schließen – denn Sie werden begreifen, daß die politischen Gesichtspunkte für mich allein maßgebend sind, auf die Proposition einzugehen – der Regierungsrat Meding hat, wie er mir sagt, ja bereits mit Ihnen über diesen Gegenstand gesprochen, Herr Staatsrat.« Ein Ausdruck von Verstimmung und Unzufriedenheit erschien auf dem Gesicht des Herrn Klindworth.

»Der Regierungsrat Meding, Majestät,« sagte er, »hat die höchst delikate und zarte Natur dieser ganzen Angelegenheit nicht erfaßt, wenn er daran denken kann, über diese Punkte in diesem Augenblick bestimmte Stipulationen aufzustellen. Das tiefste Geheimnis ist hier geboten, wenn die Erreichung des Zweckes möglich gemacht werden soll, und jede Erörterung darüber, welche durch irgendeinen Zufall bekannt würde, würde ja die österreichische Regierung absolut verhindern, auf dem Wege nach dem vorgesteckten Ziele vorwärts zu gehen. Interpellationen im Innern und von außenher würden erfolgen, und ich bitte Eure Majestät dringend, sich durch jene etwas engherzige juristische Auffassung des Herrn Regierungsrat Meding nicht bestimmen zu lassen. Eurer Majestät Bürgschaften liegen darin, daß Sie im Augenblick der Aktion die zu derselben notwendigen Mittel in Händen haben werden, und daß man, um diese Mittel von Ihnen zu erlangen, Alles wird bewilligen und verbürgen müssen, was Sie verlangen. Sie werden ein bedeutender und maßgebender Alliierter sein und auch nach dem Siege so erhebliche materielle Forderungen haben, um vollkommen darüber beruhigt sein zu können, daß man nicht ohne Berücksichtigung Ihrer Interessen Frieden schließen wird.«

Der König blieb einige Zeit in schweigendem Nachsinnen.

»Sie mögen recht haben, Herr Staatsrat,« sagte er, »die materielle Macht gibt mir vielleicht bessere Bürgschaften, als vertragsmäßige Abmachungen. Ich werde,« sagte er dann, wie einem raschen Entschluß folgend, »sogleich nach Paris telegraphieren und den Regierungsrat Meding wieder hierher kommen lassen. Sie können dann sogleich die Angelegenheit mit ihm weiter besprechen.«

»Ich würde Eure Majestät dringend bitten,« rief der Staatsrat schnell, »dies nicht zu tun. Ich glaube nicht, daß ich mich mit dem Regierungsrat Meding darüber verständigen würde. Davon aber abgesehen.« fuhr er, den Ton mäßigend, fort, »für das Geheimnis der ganzen Sache ist es entschieden notwendig, daß der Regierungsrat in Paris bleibt und daß Eurer Majestät Tätigkeit sich ganz und gar dort zu konzentrieren scheine, damit von dem, was hier vorgeht, die forschenden Blicke abgelenkt werden und damit die Bank, wenn sie ins Leben tritt, vor der Welt lediglich als ein finanzielles Unternehmen dasteht. Würde der Regierungsrat Meding jetzt hierher kommen und längere Zeit hier bleiben, würde man ihn in Beziehung zu der zu gründenden Bank treten sehen, so würde der politische Charakter dieses Unternehmens dadurch gewissermaßen vor den Augen aller Welt klar dargestellt werden. Man würde aber dadurch der österreichischen Regierung in ihren Beziehungen zur Bank große Verlegenheiten bereiten und sie zu einer Verhaltung und Zurückhaltung zwingen, welche ausgeschlossen bleibt, wenn alle Welt die Sache nur als eine reine Finanzoperation ansieht, um dem durch die Sequestrierung so beschränkten Vermögen Eurer Majestät höhere Revenüen zu verschaffen.«

Wieder neigte der König einige Zeit lang in schweigendem Nachdenken den Kopf.

»Haben Sie die finanzielle Seite erwogen und festgestellt, mein lieber Elster?« sagte er dann, sich zu dem Finanzassessor wendend.

»Zu Befehl, Majestät,« sagte dieser, »die Gelder sind flüssig gemacht, um die Anzahlung für die auf Eure Majestät fallenden Aktien sofort zu leisten, sobald die Bank gegründet wird. Ich habe alles mit dem Staatsrat besprochen. Es würde sich nur darum handeln, daß Eure Majestät drei Personen bestimmen, welche als Repräsentanten Allerhöchstihrer Anteile in den Verwaltungsrat einzutreten haben.«

»Sie werden mir morgen früh über die Finanzfrage ausführlichen Vortrag halten«, sagte der König. »Ich wünsche nun, da ich mich einmal entschlossen habe, daß die Sache auch so schnell als möglich zur Ausführung gebracht werde. Ich werde dem Grafen Platen meine Entschlüsse mitteilen und dann auf Ihren Vortrag in seiner Gegenwart die Geldfrage feststellen.«

»Wenn ich Eure Majestät bitten darf,« fiel der Staatsrat ein, – »aber nur die Geldfrage. Es scheint mir sehr wichtig, daß Graf Platen der politischen Seite vollkommen fern bleibt – er könnte sonst als Eurer Majestät Minister – in Verlegenheit kommen«, fügte er mit einem sarkastischen Ton hinzu.

Der König lächelte.

»Seien Sie unbesorgt,« sagte er, »es sollen keine Verlegenheiten entstehen, – was die Verwaltung betrifft,« fuhr er dann fort, »so sind Sie, mein lieber Elster, natürlich der erste derselben, Sie führen die Verwaltung meiner Finanzen mit so ausgezeichnetem Geschick und so pünktlicher Ordnung, daß Sie selbstverständlich auch dort, wo ein so großer Teil meines Vermögens engagiert wird, mich in erster Linie vertreten müssen. Sie müssen nun weiter überlegen, wen Sie sich an die Seite gestellt zu sehen wünschen.«

»Ich danke Eurer Majestät für das mir so gnädig geschenkte Vertrauen,« sagte der Doktor Elster, indem er seine rechte Hand auf die linke Brust legte und sich tief verneigte, »ich werde mich wie bisher bestreben, durch Aufbietung aller meiner Kräfte dasselbe zu rechtfertigen. Ich darf mir erlauben, Eurer Majestät zu bemerken, daß von den bei der Gründung der Bank beteiligten Finanzmännern von seiten des Finanzministeriums gewünscht wird, daß ein praktischer Ökonom in den Verwaltungsrat eintrete, da die Bank besonders auch Forst- und Grundbesitz zu erwerben und zu verwalten bestimmt ist; ich darf ferner bemerken, daß die betreffenden Herren in dieser Beziehung das größte Vertrauen zu der Person des Doktor Wippern ausgesprochen haben.«

Doktor Wippern fuhr mit der Hand über seinen großen Schnurrbart und schlug die Augen zu Boden.

»Gut,« rief der König heiter, »da haben wir ja gleich den zweiten; Sie sollen mein zweiter Verwaltungsrat sein, mein lieber Doktor Wippern.«

Doktor Wippern verneigte sich.

»Dann möchte ich mir meinerseits erlauben,« sagte der Staatsrat Klindworth, »Eure Majestät darauf aufmerksam zu machen, daß von österreichischer Seite der Oberküchenmeister Graf Wratislaw zum Beitritt bestimmt ist. Es wäre deshalb gewiß sehr gut, wenn Eure Majestät auch einen Ihrer Hofkavaliere Ihrerseits dazu bestimmen wollten, damit auch in der äußerlichen Repräsentation die hohen Gründer und Interessenten der Bank richtig vertreten seien.«

»Ganz recht, ganz recht,« sagte der König, – »ich werde den Grafen Alfred Wedel bestimmen,« fuhr er nach einem augenblicklichen Nachsinnen fort, »er versteht zwar nichts von Finanzen, aber das ist ja auch nicht nötig – dafür sind Sie ja, mein lieber Elster.«

»Der Graf Wedel ist gewiß eine sehr geeignete Persönlichkeit,« sagte Doktor Elster, indem er sich tief gegen den König verneigte und zugleich einen fragenden Blick auf den Staatsrat hinüber warf, »und sein Name, als der einer der ersten Familien Hannovers, wird der Sache das wünschenswerte Relief geben.«

»Wenn ich nun hoffen darf,« sprach der Staatsrat in bescheidenem Ton, »daß Eure Majestät mir Ihr Vertrauen gewähren, so möchte ich Sie um die Erlaubnis bitten, von nun an das Verbindungsglied sein zu dürfen, welches Eure Majestät in unausgesetzter und inniger Beziehung zur Staatskanzlei hält. Eure Majestät müssen unausgesetzt auf das genaueste informiert sein über alles, was auf dem Gebiete der hohen Politik geschieht. Das läßt sich weder schriftlich, noch durch einen in die geheime Allianz, die jetzt geschlossen worden, nicht Eingeweihten tun. Durch meine Hände, Majestät, geht dort alles und ich werde Eure Majestät stets so unterrichtet halten, daß Ihnen auch nicht die kleinste Nuance in der Haltung der politischen Kompaßnadel entgehen soll.«

»Vortrefflich, mein lieber Staatsrat,« rief der König, »es wird mir eine Freude sein, den Gang der Politik mit Ihnen zu verfolgen und Ihren so geistvollen und scharfen Rat zu hören. Sie werden mir jederzeit willkommen sein und ich hoffe, daß Sie recht oft erscheinen werden, um mir neues und erfreuliches zu bringen.«

»Eure Majestät«, sagte der Staatsrat, »wollen sich gnädigst erinnern, daß ich bereits darauf aufmerksam zu machen mir erlaubte, wie die Lebensbedingung für das Gelingen unserer Pläne das absolute Geheimnis ist. Eure Majestät müssen sich äußerlich weniger als je mit der großen Politik zu beschäftigen scheinen, ein öffentlicher Verkehr mit Eurer Majestät würde die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Denn man weiß schon,« fügte er lachend hinzu, »daß, wo der alte Klindworth seine Hände im Spiel hat, irgendein politischer Trank gebraut wird – auch dem Grafen Platen würde mein Erscheinen auffallen – und da könnten wieder Verlegenheiten entstehen; wenn Eure Majestät die Gnade haben würden, mich so wie heute abend spät, wo mich niemand mehr sieht, zu empfangen, so würde das alles ausgeschlossen bleiben.«

»So soll es sein, mein lieber Staatsrat,« sagte der König, »Doktor Elster oder Doktor Wippern soll Sie hierher führen, und ich werde dafür sorgen, daß so wie heute Sie niemand kommen sieht. So wird,« sagte er freundlich lächelnd, »das alte Sprichwort von dem späten Abend und den guten Gästen wieder wahr werden, – ich hoffe, daß Sie mir stets etwas Gutes bringen werden.«

»Wenigstens,« sagte der Staatsrat aufstehend, »werde ich bestrebt sein, alles zum guten und zum besten für Eure Majestät zu wenden, und hoffentlich wird die Zeit nicht mehr fern sein, wo ich Eurer Majestät im alten Welfenschlosse zu Herrenhausen meine untertänigste Aufwartung machen werde.«

»Ich wollte noch bitten, mein lieber Staatsrat,« sagte der König, »daß Sie die Güte haben möchten, sich wegen der Entschädigung Ihrer Mühe, Ihrer Arbeiten, Ihrer Reisen im Dienst meiner Sache mit dem Doktor Elster zu verständigen, ich werde selbstverständlich allen Ihren Wünschen in diesem Punkt auf das Bereitwilligste entgegenkommen.«

Der Staatsrat verneigte sich.

»Ich möchte um keinen Preis,« sagte er, »Eurer Majestät ohnehin so viel in Anspruch genommenen Mitteln zur Last fallen und werde die Wünsche, die ich aussprechen muß, gewiß so bescheiden formulieren, daß Eure Majestät mir keinen Vorwurf machen soll. Wenn es meinen Bemühungen gelingen sollte, Eurer Majestät Recht zur Geltung zu bringen, so weiß ich ja, daß Allerhöstdieselben meine Tätigkeit mit königlicher Großmut anerkennen werden.«

Der König richtete den Kopf empor.

»Sie haben, mein lieber Staatsrat,« sagte er mit einer Miene voll edler Hoheit, »vorhin von dem Tage gesprochen, an welchem Sie in Herrenhausen, dem alten Schloß der Welfen, vor mir erscheinen würden, – wohlan, an diesem Tage soll eine Million Ihr Eigentum sein. Das ist ein geringer Preis für die Arbeit desjenigen, der den tausendjährigen Thron der Welfen im neuen Glanz wieder aufzurichten geholfen hat. Ich werde ein Dokument darüber ausstellen und es in Ihre Hände legen lassen.«

»Ich erkenne mit tiefem Dank Eurer Majestät Großmut und Gnade,« sagte der Staatsrat, indem er aufstand und sich tief verneigte, wobei indessen die Züge seines Gesichts nicht die seinen Worten entsprechende Freude und Dankbarkeit ausdrückten, sondern eher das leichte Zucken eines ironischen Lächelns zeigten.

»Leben Sie wohl, Herr Staatsrat,« sagte Georg V., indem er leicht den Kopf neigte, »auf baldiges Wiedersehen. Und Sie, mein lieber Elster, bringen Sie mir morgen früh die formulierten Bedingungen der Bankgründung, damit ich dem Grafen Platen die nötigen Befehle geben kann.«

Der Staatsrat verneigte sich tief und demütig und verließ mit den beiden Herren das Kabinett des Königs, der dann seinem Kammerdiener klingelte, um sich zur Ruhe zu begeben.

In dem Entreezimmer reichte Doktor Wippern dem Staatsrat Klindworth seinen Überrock.

»Um Gotteswillen,« sagte der Staatsrat, indem er langsam und vorsichtig in die weiten Ärmel hineinfuhr, »was ist das für eine Idee mit dem Reich Heinrich des Löwen! – und daß davon nur nicht laut gesprochen wird, wer bringt dem armen Herrn solche Gedanken bei?«

»Beunruhigen Sie sich darüber nicht,« sagte der Doktor Elster, »niemand hat einen schärferen politischen Blick und erkennt klarer die politischen Notwendigkeiten, als der König. Er wird niemals daran denken, aus historischen Erinnerungen die Grundlage für die Kombination der Gegenwart zu machen.«

»Aber das Memoire,« sagte der Staatsrat, »das er mir geben will – machen Sie doch, daß das unterdrückt wird, – aber nein,« sagte er dann, wie plötzlich sich besinnend, »lassen Sie es mir nur zugehen, es kann mir nützlich sein,« sagte er mit einer eigentümlichen Betonung, indem er den Kragen seines weiten Oberrocks zuknöpfte, »nur machen Sie, daß die Sache bald zustande kommt. Diese Bank muß in kürzester Zeit ins Leben gerufen werden, und vor allen Dingen mache ich Ihnen zur Pflicht, dafür zu sorgen, daß der Regierungsrat Meding in Paris bleibt, denn er will immer allem auf den Grund gehen und alles in bestimmter Weise formuliert wissen, und dann darf der Prinz von Hanau nicht aufgenommen werden, er würde den Professor Pernice in den Verwaltungsrat setzen und den können wir ja gar nicht gebrauchen. Verstehen Sie wohl, ich rechne bestimmt darauf, daß hier alles richtig dirigiert wird; dort in Wien werde ich dafür sorgen.«

Doktor Wippern begann den großen Schal um den Hals des Staatsrats zu legen.

»Kann man sich auf den Grafen Wedel vollständig verlassen?« fragte dieser, indem er das breite Kinn noch einmal aus der Umhüllung hervorhob.

»Vollständig,« sagte der Doktor Elster, »Graf Wedel ist Kavalier und Hofmann und wird sehr wenig Zeit und Lust haben, sich um die Details der Bankoperation zu kümmern.«

»Gut,« sagte der Staatsrat und zog sich in den immer höher um das Gesicht sich wickelnden Schal zurück.

Doktor Wippern führte ihn vor die Tür, der Kutscher nahm die Decken von den weißbeschneiten Pferden und der alte Herr und der Doktor Wippern stiegen in den Fiaker, und im schnellsten Trabe eilte dieser auf den von Schnee und Regen hoch emporspritzenden Wegen in der Richtung nach Wien davon, während Doktor Elster nun langsam und vorsichtig, die festeren Stellen des Weges aufsuchend, seiner nahe bei der Villa des Königs belegenen Wohnung zuschritt.


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