Oskar Meding
Zwei Kaiserkronen
Oskar Meding

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel.

Nachdem der Gratulationsempfang vorüber war, hatte sich der König Georg in das kleine Wohnzimmer der Königin zurückgezogen und dorthin den Grafen Platen und den Regierungsrat Meding, welcher von Paris zur Feier der silbernen Hochzeit des Königs herüber gekommen war, bescheiden lassen.

Beide Herren erschienen, der sonstigen Gewohnheit des Hietzinger Hofes entgegen, in der gestickten hannöverischen Galauniform, welche sie bei dem vorhergehenden Empfang getragen.

Der König hatte den geheimen Kabinettsrat und den Kronprinzen rufen lassen und sprach, indem er die Uniform aufknöpfte und sich etwas ermüdet in das Sofa zurücklehnte, auf welchem er Platz genommen:

»Ich muß auch an dem heutigen Festtage die freie Zeit benutzen, um einige ernste Angelegenheiten mit ihnen, meine Herren, zu besprechen, denn keine Stunde soll der Arbeit für meine Sache verloren sein. Sie haben mir vorher eine kurze Andeutung gemacht, Graf Platen, über eine Mitteilung, welche von dem Reichskanzler von Beust an Sie gelangt sei. Was betrifft es?«

Graf Platen, dessen bleiches Gesicht den Ausdruck nervöser Abgespanntheit zeigte, und der nicht mehr wie früher einen mit der Farbe seines schwarzen Haares übereinstimmenden Backenbart trug, zog ein Papier aus seiner Uniform und sprach, indem er dasselbe entfaltete und einen Blick hineinwarf:

»Herr von Beust, Majestät, hat mir eine vertrauliche Note geschickt, in welcher er es für nötig hält, mich darauf aufmerksam zu machen, in wie große Verlegenheiten die österreichische Regierung kommen würde, wenn die vielen hierher zusammengekommenen Hannoveraner ihre Anwesenheit zu politischen Demonstrationen benützen würden. Er spricht die Erwartung aus, daß von mir in diesem Sinne gewirkt würde, damit die so gerne gewährte Gastfreundschaft den Kaiser nicht in eine schiefe Stellung zu Preußen bringe.«

Der König biß einige Male heftig in seinen Schnurrbart, ein zischender scharfer Atemzug fuhr aus seinen Lippen. Dann fragte er, indem seine Hand sich fest um die Lehne des Sofas spannte:

»Ist irgendetwas vorgekommen, was zu dieser Belehrung des Herrn von Beust hätte Veranlassung geben können?«

»Nicht das geringste, so viel ich weiß, Majestät,« erwiderte Graf Platen, – »man hat allerdings den Kaiser soeben mit sehr lebhaften und vielleicht etwas demonstrativen Rufen begrüßt, allein, darauf kann sich die Note, die ich schon diesen Morgen erhielt, nicht beziehen.«

»Und darauf könnte sie sich auch nicht beziehen, wenn es gestern vorgefallen wäre,« rief der König lebhaft, mit zwei Fingern in die flache Hand schlagend, »soll es so weit mit dem Hause Habsburg gekommen sein, daß man in der Hofburg vor einem Stirnrunzeln in Berlin zittert, wenn loyale Gäste Österreichs dem Kaiser Hoch rufen?«

»Der ganzen Note,« sagte Graf Platen, »liegt wohl nur die Absicht zum Grunde, sich nach allen Seiten zu decken, und bei etwaigen diplomatischen Interpellationen den Beweis liefern zu können, daß man das Seinige getan habe, um alle möglichen Rücksichten auf Preußen zu nehmen.«

Der König zuckte die Achseln.

»Und was wollen Sie tun?« fragte er nach einem augenblicklichen Schweigen.

»Ich glaube allerdings, Majestät,« sagte Graf Platen, seine geschmeidige Gestalt zusammenbiegend, »daß man dahin wirken muß, die etwas erregten Hannoveraner von allen unnützen Demonstrationen zurückzuhalten, um so mehr, da noch eine andere Angelegenheit vorliegt, über welche ich demnächst sprechen werde, und welche der österreichischen Regierung einige Verlegenheit bereitet.«

»Vor allen Dingen aber müßte man doch«, bemerkte Regierungsrat Meding, »auf diese Note des Herrn von Beust eine sehr feste Antwort geben und sehr klar und bestimmt aussprechen, daß Eure Majestät sich vollkommen aller der Pflichten bewußt wären, welche der Genuß der österreichischen Gastfreundschaft Allerhöchst Ihnen auferlegte. Diese Gastfreundschaft ist in der Tat nach den vorhergegangenen Ereignissen so natürlich und selbstverständlich und wird von Eurer Majestät doch in der Tat in so bescheidenem Maße in Anspruch genommen, daß sie mir wirklich nicht die Verpflichtung für Eure Majestät zu bedingen scheint, Belehrungen solcher Art zu empfangen. Eure Majestät wissen,« fuhr er fort, »wie sehr ich stets darauf gedrungen habe, daß Allerhöchstdieselben sich in vollkommenster Unabhängigkeit nach allen Seiten erhalten, und in keiner Weise sich unter die Leitung der österreichischen Politik oder des Herrn von Beust zu begeben. Man hat in Paris zu meinem großen Erstaunen schon einigemal den Versuch gemacht, sich in die Angelegenheiten Eurer Majestät zu mischen.«

Der König horchte gespannt auf.

»Eure Majestät wissen,« fuhr der Regierungsrat Meding fort, »daß durch den Tod des Herrn Holländer die Angelegenheiten des Journals la Situation, in große Verwirrung geraten sind, da die Erben des Verstorbenen jetzt formell Herren der ganzen Sache sind, und es für mich ohne Bloßstellung des Namens Eurer Majestät nicht ganz leicht ist, den Behörden gegenüber die Sachlage klar zu stellen. Die französische Regierung ist mir dabei mit außerordentlicher Bereitwilligkeit behilflich, ich war daher nicht wenig überrascht, als mir vor einigen Tagen Herr von St. Paul, der Unterstaatssekretär des Innern, ganz erstaunt sagte, daß der österreichische Botschafter auf Veranlassung des Herrn von Beust ihn ersucht habe, diese Angelegenheit doch durch seinen Einfluß schleunigst zu Ende zu bringen. Herr von St. Paul drückte mir darüber sein um so mehr berechtigtes Erstaunen aus, als er ja bereits alles, was in seinen Kräften stand, zu meiner Unterstützung getan habe.«

»Unbegreiflich!« rief der König. – »Wissen Sie etwas davon, Graf Platen?«

»Ich erinnere mich allerdings, Majestät,« erwiderte der Graf, »daß ich mit Herrn von Beust vor einiger Zeit über die Schwierigkeit der Angelegenheit der › Situation‹ gesprochen habe, kann mich aber durchaus nicht erinnern, daß dabei von irgendeiner démarche der österreichischen Botschaft in Paris die Rede gewesen sei.«

»Und was haben Sie getan?« fragte der König sich zu Herrn Meding wendend.

»Ich habe der französischen Regierung sehr bestimmt erklärt,« erwiderte dieser, »daß ich niemand in der Welt kenne, der ein Recht habe, in den Angelegenheiten Eurer Majestät irgend etwas zu erklären oder zu verlangen: daß ich jede derartige Intervention auf das Bestimmteste ablehnen müßte, wenn ich auch die freundliche Absicht des Fürsten Metternich nur dankbar anerkennen könnte.«

Graf Platen neigte sich vornüber und hustete leicht. »Sie haben vollkommen recht gehabt und ganz in meinem Sinne gehandelt,« sagte der König lebhaft, »und ich bitte Sie, in jedem ähnlichen Fall nach gleichen Grundsätzen zu verfahren.«

Eine kleine Pause entstand.

»Sie wollten von einer anderen Angelegenheit sprechen,« sagte der König, »welche Österreich Verlegenheit bereite?«

»Eure Majestät erinnern sich,« erwiderte der Graf, daß einen Augenblick die Absicht bestand, die hannöverischen Emigranten, welche sich in der Schweiz nicht mehr halten konnten, auf das österreichische Grenzgebiet zu bringen, und daß deshalb die hiesige Polizei uns eine Anzahl von Pässen für jene Leute gegeben hat. Die Emigranten haben nun jene Pässe bei dem Eintritt nach Frankreich an der Schweizer Grenze überall vorgezeigt, darüber ist der österreichischen Regierung eine sehr gereizte Vorhaltung von Berlin gemacht worden, wo man in dieser Paßerteilung eine entschiedene Parteinahme für die Emigration und für deren Übergang nach Frankreich erblickte.«

»Es ist mir sehr lieb,« sagte der König, »daß Sie die Emigration gerade hier erwähnen, denn ich wollte Meding bereits darnach fragen. Ist denn die Angelegenheit vollständig in Ordnung?« fragte er, sich an den Regierungsrat wendend, »und sind meine armen getreuen Hannoveraner endlich in Ruhe?«

»Erlauben Eure Majestät,« erwiderte der Regierungsrat Meding, »daß ich zunächst die vom Grafen Platen erwähnte Paßangelegenheit berühre. Als Eure Majestät bei meiner letzten Anwesenheit hier im Dezember vorigen Jahres erklärten, daß die Emigration in der Schweiz, wegen der Schwierigkeiten, welche mir die dortigen Behörden bereiteten, nicht mehr bleiben könne, und daß Eure Majestät ihr ein Asyl in Frankreich, wo ja alle politischen Flüchtlinge Aufnahme finden, geöffnet zu sehen wünschte, habe ich diesen Wunsch sogleich der französischen Regierung zu erkennen gegeben, und der Kaiser hat sofort befohlen, daß die Emigranten die freundlichste Aufnahme in Frankreich finden sollten. Für die französischen Behörden sind die Hannoveraner also Flüchtlinge, welche unter den Schutz der französischen Gastfreundschaft aufgenommen werden. Sie bedürfen daher keines Passes und keiner Legitimation, die sie ja eben als Flüchtlinge in legitimer Weise gar nicht haben können. Es genügt vielmehr vollkommen, daß sie von mir der französischen Regierung als hannöverische Flüchtlinge bezeichnet und überwiesen werden. Ich vermag deshalb nicht zu begreifen, weshalb man die österreichischen Pässe überhaupt nach der Schweiz gesendet hat und weshalb man sie dieselben hat vorzeigen lassen, da beides ganz und gar überflüssig war.«

»Es wird auf einem Mißverständnis beruhen,« sagte Graf Platen, »welches sich aus den früheren anderen Absichten erklärt; jedenfalls befindet sich die österreichische Regierung in wirklicher Verlegenheit –«

»Dieser Verlegenheit«, sagte der Regierungsrat Meding, läßt sich sehr leicht abhelfen. Ich werde auf der Stelle den Emigranten die österreichischen Pässe abnehmen lassen und sie hierher senden, damit die corpora delicti aus der Welt verschwinden, die in Frankreich in der Tat gar keinen Zweck und Nutzen haben.«

»Das wird Herrn von Beust unendlich erfreulich sein!« rief Graf Platen aufatmend. »Ich kann ihn also versichern, daß binnen kurzem die unglücklichen Pässe hierher zurückgeliefert sein werden?«

»Zuversichtlich,« erwiderte Herr Meding, – »doch möchte ich«, fuhr er fort, »Eure Majestät, so ungern ich zur Verlängerung der Konferenz gerade an dem heutigen Tage beitrage, in derselben Angelegenheit noch um einen Befehl bitten. Der Eintritt der Emigration nach Frankreich hat schon zu verschiedenen Mißverständnissen Veranlassung gegeben, die für die Folge noch unangenehmer werden müssen, wenn ihre Wiederkehr nicht ein- für allemal verhindert wird. Wie ich Eurer Königlichen Majestät schon zu bemerken die Ehre hatte, sind die Emigranten für die französische Regierung eben nur einzelne politische Flüchtlinge, denen der Kaiser – ebenso wie den Polen – seinen Schutz gewährt, – keineswegs aber dürfen sie irgendwie eine militärische Organisation ersehen lassen.« »Das sollte ja aber auch gar nicht der Fall sein!« rief der König.

»Und doch, Majestät,« sagte der Regierungsrat Meding, »sind Dinge vorgekommen, die recht unangenehme Verwicklungen veranlassen, Ich habe«, fuhr er fort, »gar keine Mitteilung über den Zeitpunkt des Eintritts der Emigration nach Frankreich erhalten, habe also auch zu meinem großen Bedauern der französischen Regierung keine Anzeige machen können, um die Instruierung der unteren Provinzialbehörden zu veranlassen, vielmehr gingen mir plötzlich und ganz unerwartet aus einer Reihe von Orten des Elsaßes telegraphische Anzeigen von den Abteilungskommandanten zu, daß sie wegen der Quartierung der Leute in Verlegenheit seien, und die Ortsbehörden ihrer Aufnahme Schwierigkeiten entgegenstellten. Die französische Regierung war natürlich darüber sehr bestürzt und unzufrieden, um so mehr, als zugleich von den Unterpräfekten Meldungen einliefen, nach welchen die Abteilung der Emigranten sich vollständig als militärische Korps gerierten, und die führenden Offiziere sich sogar bei dem französischen Truppenkommandanten militärisch gemeldet hätten.«

»Ich begreife nicht –« sagte Graf Platen, die Hände reibend.

»Mir ist es in der Tat auch unbegreiflich,« fuhr der Regierungsrat Meding fort, »wie dies hat geschehen können, da ich doch zu wiederholten Malen dringend beantragt hatte, daß jeder sichtbare Schein von militärischer Organisation der Emigranten vermieden werden sollte; was nun einmal geschehen, ist leider nicht mehr zu ändern und der Kaiser Napoleon wird zu seinem Bedauern nicht umhin können, die Emigranten internieren zu lassen, wenn dies auch mit der größten Rücksicht und Schonung ausgeführt werden wird, und ihnen wesentlich nur der Aufenthalt in der Nähe der Grenze untersagt werden soll, damit der preußischen Regierung keine Veranlassung zu gegründeten Interpellationen gegeben werde. Um nun aber für die Folge ähnliche Vorkommnisse zu vermeiden, welche mir immer persönlich die größten Unannehmlichkeiten bereiten, so möchte ich Eure Majestät dringend bitten, daß alle Befehle, Geldsendungen usw., welche von hier aus an die Emigration gehen, nicht an deren Kommando direkt, sondern an den Major von Düring, den Eure Majestät mir für die militärischen Angelegenheiten beigegeben haben, erlassen werden. Der Major von Düring wird das nötige vermitteln, um alles so anzuordnen, daß keine Ombrage entsteht, und ich werde in der Lage sein, für die Emigration im Einverständnis mit der französischen Regierung zu sorgen, ohne daß ich persönlich von irgendwelchen militärischen Verhältnissen innerhalb derselben Notiz zu nehmen nötig habe, was ich schon meiner Stellung wegen nicht darf.«

»Gewiß, gewiß!« rief der König, »Sie haben vollkommen recht und ich bitte Sie, Graf Platen, dafür zu sorgen, daß in diesem Sinne der Verkehr der Emigration organisiert wird.«

Graf Platen verneigte sich schweigend.

»Ich lege hierauf,« fuhr der Regierungsrat Meding fort, »ein ganz besonderes Gewicht, nicht nur wegen der Verlegenheiten der französischen Regierung, welche mich persönlich peinlich berühren, sondern ganz vorzüglich auch wegen der Vermögensverhältnisse Eurer Majestät.«

Der König richtete den Kopf empor und horchte auf.

»Eure Majestät haben,« fuhr der Regierungsrat Meding fort, »den Vertrag mit Preußen geschlossen, nach welchem Allerhöchstdenselben die Revenüen des im preußischen Depositum verbleibenden welfischen Vermögens gezahlt werden. Ich habe Eurer Königlichen Majestät bereits, als Sie mir im September vorigen Jahres die Ehre erzeigten, mich über den Abschluß dieses Vertrages um Rat zu fragen, meine Meinung dahin ausgesprochen, daß Eure Majestät den Vertrag abschließen müssen nicht aus Rücksicht auf die augenblickliche Lage, sondern aus Rücksicht auf die Zukunft Allerhöchst Ihres Hauses. Denn durch den Vermögensvertrag ist das zweifellose Eigentumsrecht an dem zu ermittelnden Äquivalent des welfischen Domanialvermögens festgestellt und für alle Zeiten gesichert worden. Ich habe damals Eurer Majestät ferner bemerkt, daß ich diese Feststellung für um so wichtiger halte, als sie Allerhöchst Ihrem Hause eine gedeckte Rückzugslinie und die Sicherheit einer großen fürstlichen Existenz bietet für den Fall, daß die Hoffnungen, welche Eure Majestät jetzt hegen und an deren Erfüllung wir arbeiten, sich nicht realisieren sollten. Ich war schon damals der Meinung, daß die gegenwärtige Zahlung der Vermögensrevenüen an Eure Majestät nicht allzu lange dauern würde, denn, wenn Eure Majestät den Kampf fortsetzen, so muß früher oder später der Zeitpunkt kommen, an welchem die preußische Regierung erklären wird, dem Gegner die Mittel zur Kriegführung nicht mehr gewähren zu wollen und zu können.«

»Dazu hat aber die preußische Regierung gar kein Recht«, rief Graf Platen.

»Die Rechtsfrage zu erörtern möchte zu weit führen,« sagte der Regierungsrat Meding ruhig, »über die Tatsache habe ich keinen Augenblick Zweifel. Nach Äußerungen, welche der Finanzminister von der Heydt in Berlin in Abgeordnetenkreisen getan hat und über welche mir Mitteilungen zugegangen sind, die auch bereits durch Zeitungsnotizen bestätigt werden – nach diesen Äußerungen scheint es, daß man in Berlin geneigt sei, gerade den Übertritt der Emigration nach Frankreich als Veranlassung zur Beschlagnahme des Vermögens Eurer Majestät zu benutzen.

»Das wäre doch aber unerhört!« rief der Kronprinz, indem er leicht mit den Zähnen die Nägel seiner linken Hand biß.

»Wir dürfen von unseren Gegnern keine Sentimentalität erwarten, Königliche Hoheit,« erwiderte der Regierungsrat Meding, »und müssen gerade in unserer Lage doppelt darauf sehen, nur mit wirklichen Tatsachen zu rechnen. – So sehr ich nun überzeugt bin,« fuhr er fort, »daß früher oder später die Beschlagnahme des Vermögens stattfinden wird, so halte ich es auch für sehr wichtig, daß unserseits nichts geschehe, dieselbe zu provozieren und vor den Augen des Publikums zu rechtfertigen. Eine hervortretende militärische Organisation aber und der Nachweis der Überweisung von Geldmitteln an dieselbe von hier aus würde der preußischen Regierung die Rechtfertigung der Beschlagnahme an die Hand geben. Unsere Politik aber muß es sein, einmal den Zeitpunkt dieser Beschlagnahme selbst so weit wie möglich hinauszuschieben und sodann der Rechtfertigung derselben so wenig Haltpunkte als möglich zu bieten. Ich möchte deshalb besonders darauf aufmerksam machen, daß im Verkehr mit der Emigration die äußerste Vorsicht beobachtet, daß namentlich der Gebrauch des Telegraphen ganz vermieden werde, und daß alle Befehle und Sendungen durch den Major von Düring ergehen, in allen wirklichen diskreten Fällen durch meine Vermittlung und der diplomatischen Chiffre.«

»Ich begreife nicht recht,« bemerkte Graf Platen, »wie ein direkter Verkehr mit der Emigration bekannt werden könnte.«

»Ich halte, wie Eure Majestät wissen,« sagte der Regierungsrat Meding lächelnd, »sehr wenig von dem Geheimnis des Telegraphenverkehrs, und besonders dürfen wir nicht vergessen, daß wir uns einer Macht gegenüber befinden, welche im Besitze einer sehr bedeutenden und ausgedehnten Polizeigewalt ist und den festen Willen hat, sich dieser Macht rücksichtslos zu bedienen.«

»Wäre es aber nicht besser,« sagte der Kronprinz mit zögernder Stimme, »wenn man diese Emigration ganz abschaffte, die doch so viel Geld kostet?«

»Nachdem die Emigration einmal da ist,« sagte der Regierungsrat Meding, »würde ihre Abschaffung dem Aufgeben des Kampfes von seiner Majestät gleichkommen, und da Seine Majestät den Kampf nicht aufgeben wollen–«

»Niemals!« rief der König lebhaft, mit zwei Fingern der rechten Hand stark auf den Tisch schlagend, »niemals werde ich den Kampf für mein Recht aufgeben, so lange ich noch einen Taler übrig habe; keine finanziellen Rücksichten würden mich jemals bestimmen, in der Verfolgung meines Rechtes nachzulassen.«

»Da Eure Majestät nun also gesonnen sind,« sprach der Regierungsrat Meding weiter, »so kann von einer Auflösung der Emigration um so weniger die Rede sein, als Eure Majestät den Leuten Ihre königliche Unterstützung versprochen haben; jedenfalls müßte man dann doch denjenigen, welche sich durch ihre Auswanderung straffällig gemacht haben, zunächst die freie Rückkehr nach der Heimat erwirken, was auch wieder nur durch eine Anerkennung der Annexion geschehen könnte.«

»Warum sind die Leute aber fortgelaufen?« sagte der Kronprinz achselzuckend, »sie hätten zu Hause bleiben sollen – jetzt haben wir sie auf der Tasche.«

»Sie sind fortgegangen,« sagte der Regierungsrat Meding, während der König schweigend in seinen Schnurrbart biß und den Kopf in die Hand stützte, – »sie sind fortgegangen aus Liebe und Anhänglichkeit zu dem königlichen Hause, dessen Vorfahren seit tausend Jahren in ihrem Lande herrschten; wenn auch der eine oder der andere unter der Zahl dieser jungen Leute sein mag, der aus Lust zu einem abenteuerlichen Leben sich der Emigration angeschlossen hat, so besteht doch die weitaus größte Mehrzahl derselben aus Söhnen der besten Bauernfamilien des Landes, und es wäre unverantwortlich, dieselben einfach ihrem Schicksal zu überlassen, das dann nur ein sehr trauriges sein könnte. Ich werde meinesteils niemals aufhören, für diese braven Leute, ganz abgesehen von der hohen Bedeutung, welche sie für die Sache Eurer Majestät haben, zu plädieren und ihre Sache zu der meinigen zu machen.«

»Und bei mir,« rief der König, sich hoch aufrichtend, »werden Sie niemals Schwanken und Zögern finden, wo es meine heilige Sache und das Schicksal meiner Getreuen gilt.«

»Davon bin ich überzeugt, Majestät«, erwiderte der Regierungsrat Meding, »und hätte ich diese Überzeugung nicht, so würde ich nicht cm dem exponierten Platz im Kampfe für die Rechte Eurer Majestät stehen, an welchem ich mich jetzt befinde.«

Der König erhob sich.

»Ich will etwas ruhen, um mich vorzubereiten zu dem Feste in dem Stadtpark, das mir noch viele schmerzliche Aufregungen bringen wird,« fagte er mit tiefem Seufzer – »aber,« fuhr er dann fort, indem ein glückliches Lächeln wie Sonnenschein sein Gesicht erleuchtete, »wo ich auch das stolze Bewußtsein haben werde, mich trotz meines Unglücks und trotz meines Exils von so vielen Vertretern meines treuen Volkes umgeben zu wissen.« Er faltete die Hände und richtete einen Moment das Auge nach oben. Dann nahm er den Arm des Kronprinzen, verneigte sich gegen die anwesenden Herren und schritt die Treppe hinab, um in seinen Wagen zu steigen und begleitet von den jubelnden Zurufen der auf den Straßen versammelten Hannoveraner nach der Villa Braunschweig zurückzukehren.


 << zurück weiter >>