Oskar Meding
Zwei Kaiserkronen
Oskar Meding

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Vierundzwanzigstes Kapitel

Die Marchesa Pallanzoni lag in dem kleinen Boudoir ihrer Wohnung am Ende des Boulevard Malesherbes auf einer mit dunkelgrauem Seidenzeug überzogenen Chaiselongue und hatte soeben ein kleines Billet durchgelesen, welches sie neben sich auf einen mit Mosaik ausgelegten kleinen Tisch legte.

Schwere Vorhänge von dunkelblauer Seide waren vor den Fenstern fast ganz zusammengezogen und verwehrten dem Sonnenlicht den Eintritt in den stillen Raum, in welchem sich jeder Komfort und alle Eleganz vereinigte, mit dem eine Dame von Rang, Reichtum und Geist sich nur immer umgeben kann.

Die Marchesa trug einen Morgenanzug von einem so hellen silbergrauen Stoff, daß derselbe in der Umgebung der dunklen Farben der Möbel und der Vorhänge fast weiß erschien. Ihr wunderbar reiches und glänzendes ebenholzschwarzes Haar war wie gewöhnlich in einfachster Weise frisiert, und die ganze Erscheinung der jungen Frau war in der letzten Zeit noch schöner, anmutiger und bezaubernder geworden. Es schien, als ob diese großen dunklen Augen noch mehr Feuer ausstrahlten, in noch höherem Stolze, in noch kühnerem Mute leuchteten.

Die zarten, perlmutterweißen Finger der Marchesa, welche halb von dem Spitzengewebe ihrer Manschette bedeckt waren, spielten leicht mit den hellblauen Schleifen ihres Morgenrocks, und ein heiteres, zufriedenes Lächeln erhellte die schönen Züge der jungen Frau.

»Alles geht vortrefflich,« sagte sie, den sinnenden Blick nach dem mit zierlichen Blumenbuketts geschmückten Plafond des Zimmers emporrichtend, »mehr und mehr vereinigen sich die verschiedenen Fäden in meinen Händen, und je verwickelter und vielseitiger sich dieselben gestalten, um so mehr werde ich von jedem einzelnen derselben unabhängig. Bald wird der Moment kommen,« sagte sie mit tiefem Atemzug, »wo ich frei sein werde von den Fesseln dieses Mannes, der mich zu beherrschen wähnt, und der auch sich die Macht zutraut, mich zerbrechen zu können, – sein Arm reicht weit,« sagte sie, »und sein Blick dringt in viele verborgene Tiefen, – ich habe viel von ihm gelernt, und ich will seine Verbündete bleiben, – aber ich will nicht von ihm abhängig sein, ich will meine eigenen Wege gehen und meine eigenen Ziele verfolgen – Freiheit und Herrschaft heißt mein Ziel, und ich bin nahe daran, es zu erreichen, ich bin nahe daran, unter dem Schein der Dienstbarkeit nach der einen und der andern Seite hin die Herrin derjenigen zu werden, welche meine Kräfte für sich benutzen wollen. Und auch dieser junge Hannoveraner mit seiner so glühenden, so leidenschaftlichen Liebe schmückt mein Leben mit süßem Reiz und füllt die Stunden aus, welche mein ernster Kampf mit den Mächten der Welt mir frei läßt, und auch in dieser Liebe finde ich eine wunderbare Freude, denn auch sie führt mich in einen fortwährenden Kampf. Ich sehe es wohl, daß sein Herz nicht ohne Widerstreben sich zu mir hingewandt hat. Er denkt zurück an die Vergangenheit, und seine Vergangenheit liegt in dem eng geschlossenen Lebenskreise, in welchem jene langweilige und hausbackene Tugend herrscht, der ich den Krieg erklärt habe. Es ist für mich ein reizvolles Spiel,« sagte sie, während ein dämonisches Feuer in ihren Augen glühte, und ein triumphierendes Lächeln auf ihren Lippen erschien, »dieses ringende Herz immer wieder von seinem Innern loszureißen und im glühenden Rausch der Gegenwart die Vergangenheit vergessen zu lassen.

»Liebe ich ihn?« fragte sie, indem sie sinnend die Spitzen ihrer rosigen Nägel betrachtete, – »ich weiß es nicht – aber es reizt mich, ihn festzuhalten – und festhalten will ich ihn,« rief sie, indem sie die Fingerspitzen aneinander preßte, »festhalten will ich ihn, trotz seiner Erinnerungen, trotz aller sogenannten Engel der Tugend und Moral, welche mir den unumschränkten Besitz seines Herzens streitig machen wollen.«

Sie lag einige Augenblicke in schweigendem Nachdenken da, ihre Kammerjungfer trat ein und meldete, daß ein unbekannter Herr da sei, welcher die Marchesa zu sprechen wünsche, »er hat keinen Namen genannt, aber gesagt, daß er einen schnellen und dringenden Auftrag von dem Herrn von Wendenstein auszurichten habe.«

Ein wenig befremdet blickte die junge Frau auf.

»Was kann er haben?« flüsterte sie, »sollte er krank sein? – sollte ihn von neuem eine jener Anwandlungen von Leiden ergriffen haben, wie sie ihn zuweilen befallen?«

»Lassen Sie den Herrn in den Salon treten«, sagte sie, indem sie sich langsam von ihrer Chaiselongue erhob.

Die Kammerjungfer ging hinaus, und man hörte durch die doppelte Portiere einen männlichen Tritt auf dem Parkett des anstoßenden Salons. Die Marchesa trat einen Augenblick vor ihren großen Toilettenspiegel, strich leicht mit der Hand über ihr Haar und schlug dann die schweren Portieren der Türe zurück, die in ihren Salon führte. In der Mitte desselben stand jener Mann, welcher bei der Versammlung der Internationale in der Rue de Gravilliers zugegen gewesen war, welcher Michel Bakunin gefolgt war, und welcher mit dem Leutnant von Wendenstein und dem Kandidaten Behrmann in dem Bois de Boulogne gesprochen hatte. Doch trug er heute nicht die Bluse des Arbeiters, wie in der Rue de Gravilliers, auch nicht den Anzug des Kleinbürgers, wie im Bois de Boulogne – er war mit einfacher Eleganz gekleidet, sein Haar war sorgfältig frisiert, der große Bart, welcher den untern Teil seines Gesichts bedeckte, war sauber geordnet, er trug tadellose graue Handschuhe und hielt einen eleganten seidenen Hut in der Hand; sein regelmäßiges, aber von gemeinen Leidenschaften zerrüttetes Gesicht mit der grauen Hautfarbe zeigte den Ausdruck höhnischer Freude, und die tiefliegenden matten Augen blickten starr auf die junge Frau, deren reizendes Bild unter der erhobenen Portiere erschien.

Die Marchesa hatte zunächst einen gleichgültigen Blick auf den Fremden geworfen, dann flog eine helle Röte über ihr Gesicht, ihre Augen öffneten sich weit, und sie starrte den vor ihr stehenden Mann wie eine entsetzliche Erscheinung an, indem sie wie abwehrend die Hand gegen ihn ausstreckte, ihre Lippen öffneten sich, es schien, daß ein Schrei aus ihrer Brust sich emporringen wollte, aber sie brachte keinen Laut hervor, und indem sie ihre Hand, welche die Portiere geöffnet hatte, fast krampfhaft um die Falten derselben schloß, schien sie eine Stütze zu suchen.

»Die Frau Marchesa Pallanzoni,« sagte der Fremde mit einer leisen und ruhigen Stimme, durch welche indes der Ausdruck boshaften Hohns hindurchklang, »wird sich vielleicht meiner nicht mehr erinnern, obgleich es nicht hübsch wäre,« fügte er hinzu, »diejenigen zu vergessen, denen man nahegestanden hat.«

Die Marchesa stand noch immer stumm und unbeweglich; sie schüttelte den Kopf, als wolle sie eine Vision verscheuchen, an deren Wirklichkeit zu glauben ihr schwer würde. Diese sonst so sichere und alle Verhältnisse mit kaltem, überlegenem Mut beherrschende Frau schien vollkommen ihre Fassung verloren zu haben.

»Doch ich täusche mich«, sagte der Fremde, indem er einen Schritt näher zu der Marchesa herantrat, welche eine rasche Bewegung machte, als wolle sie fliehen, aber dennoch wie von einem Zauber gebannt mit groß geöffneten starren Augen auf ihrem Platz stehen blieb, – »ich täusche mich, die Frau Marchesa Pallanzoni hat nicht so vollständig die Vergangenheit vergessen, ich lese in ihrem Blick, daß sie ihren treuen und geliebten Gatten wieder erkannt, welchen sie für tot hielt, und welchen sie ohne Zweifel innig beweint hat, bevor sie sich entschließen konnte, den Namen, welcher sie an ihn erinnerte, aufzugeben und sich mit dem Herrn Marchese von Pallanzoni zu verbinden. Denn ich zweifle nicht,« fügte er mit lautem Hohnlachen hinzu, »daß dieser Herr Marchese wirklich existiert und sehr glücklich in dem Besitz einer so liebenswürdigen und tugendhaften Gemahlin ist.«

Es schien, als ob die Stimme des Sprechenden, sein höhnisches Lachen, seine spöttischen Worte der Marchesa die Überzeugung gegeben hatten, daß sie es mit keinem Gebilde der Phantasie, sondern mit der Wirklichkeit zu tun habe, und mit einer mächtigen Anstrengung ihres so starken Willens schien sie die Herrschaft über sich selbst und den Entschluß wiedergewonnen zu haben, den Verhältnissen kaltblütig entgegenzutreten.

Der Ausdruck des tiefen Entsetzens verschwand von ihrem Gesicht, ihr starrer Blick wurde fest und hart wie Stahl, ihre Lippen preßten sich aufeinander und ihre gewöhnlich so zarten und weichen Züge erschienen unter der Herrschaft ihres entschlossenen Willens wie aus Marmor gemeißelt.

»Ich hätte es erwarten sollen,« sagte sie mit klarer und schneidender Stimme, daß der Unwürdige, dessen Namen ich einst zu tragen verurteilt war, den Tod betrügen würde, wie er das Leben betrogen hat, oder daß der Tod sich scheuen würde, ihn aufzunehmen. Ich bin einen Augenblick erschrocken,« fügte sie hinzu, »weil diese plötzliche Überraschung, welche so voll Widerwillen und Abscheu ist,« fügte sie mit einem Blick unendlicher Verachtung hinzu, »einen Augenblick meine Gedanken verwirrte und mich fast an eine Erscheinung aus dem Leben jenseits des Grabes denken ließ, und eine solche Erscheinung erfüllte mich mit Furcht. Jetzt sehe ich, daß ich den Elenden vor mir habe«, sagte sie, sich hoch aufrichtend, indem sie die Portiere wieder hinter sich zufallen ließ und mit stolzem und festem Schritt, fortwährend den Blick auf Herrn Balzer gerichtet, an ihm vorbei nach einem Fauteuil hinschritt, in welchen sie sich mit der Miene einer Königin niederließ.

Herr Balzer verfolgte sie mit einem höhnischen Blick, welcher deutlich ausdrückte, daß ihm ihr stolzes und selbstbewußtes Wesen wenig imponierte. Er kreuzte die Arme übereinander und blieb, sie fortwährend anblickend, vor ihr stehen.

»Du bist in der Tat sehr schön geworden,« sagte er, »und wenn ich auch aufrichtig bedaure, dich nicht im Witwenschleier zu finden, um dich durch mein Wiedererscheinen zu trösten und zu beglücken, so macht es mir doch Freude, zusehen, daß du es wenigstens verstanden hast, auch ohne meine Sorge und meinen Beistand dir dein Leben angenehm zu gestalten.«

»Ich verstehe nicht,« sagte sie, ohne das Auge vor seinem feindlichen und herausfordernden Blick niederzuschlagen, »weshalb Sie, mein Herr, es wieder unternehmen, in den Kreis meines Lebens einzutreten, in welchem Sie keinen Platz mehr haben. Ich bin in der Tat keineswegs aufgelegt, eine Konversation mit Ihnen zu führen, und ich glaube auch nicht, daß eine solche der Zweck Ihres Besuches sein kann. Sie sind eines Tages gestorben, Sie haben sich der Schande und dem Kerker durch einen Selbstmord entzogen, ich habe darüber die vollgültigsten und unwiderleglich Dokumente in Händen; ich bin auf die legalste Weise mit meinem jetzigen Gemahl, dem Marchese Pallanzoni, vermählt.«

Herr Balzer schlug ein lautes und rohes Lachen auf.

Ohne dies zu beachten, fuhr sie fort: – »Ich habe meine feste und unantastbare Stellung in der Welt und in der Gesellschaft. Was also verlangen Sie von mir? Weshalb verlassen Sie das moralische Grab, in welches Sie aus Furcht vor den Folgen Ihrer Handlungen gestiegen sind?«

»Aus einem sehr einfachen und praktischen Grunde,« erwiderte Herr Balzer ruhig; »ich habe es natürlich«, fuhr er fort, »in zärtlicher Anhänglichkeit an meine vortreffliche Gemahlin nicht unterlassen können, auch in der Verborgenheit meiner durch den Tod geschützten Existenz mich ein wenig nach ihrem Schicksal zu erkundigen, und da ich nun gefunden habe, daß meine geliebte Toni eine sehr vornehme Dame geworden ist und auch eine sehr reiche Dame,« fügte er mit Betonung hinzu, »denn sie hat die schönste Equipage von Paris, und diese ganze Umgebung«, sagte er mit einem forschenden Blick auf das reiche Ameublement des Salons, in welchem sie sich befanden, »muß einen guten und gediegenen goldenen Grund haben – nun, so habe ich mir gesagt, daß meine so vortreffliche und so kluge Frau, wenn sie nur auch vor der Welt nicht mehr angehört, doch gewiß als eine gute Katholikin unsere Verbindung, sobald ich wieder auferstehen werde, nicht für aufgelöst wird halten können, und daß sie es für billig finden wird, mich an dem Überfluß, der sie umgibt, in einem gewissen Verhältnis teilnehmen zu lassen, um so mehr, da sie mir ja doch denselben eigentlich dankt. Denn«, fuhr er mit einem höhnischen Lachen fort, »hätte ich nicht den ausgezeichneten Gedanken gehabt, aus der Welt der Lebendigen zu verschwinden, so hätte dieser Herr Marchese von Pallanzoni – dessen Bekanntschaft ich gar zu gern einmal machen möchte – nicht das Glück haben können, eine so schöne und liebenswürdige Frau heimzuführen und sie mit soviel Luxus und Reichtum zu umgeben.«

»Ich bedaure, mein Herr,« sagte die Marchesa kalt, »daß Sie sich einen überflüssigen Weg gemacht haben, Sie werden nicht das Geringste von mir erlangen – ich habe Sie vor Zeiten unterhalten, – weil ich damals Ihren Namen trug, und weil ich nicht wollte, daß dieser Name öffentlich entehrt würde. Diese Rücksicht ist vorbei, für immer vorbei, ich bin nicht mehr mit jenem elenden und traurigen Namen behaftet, und Sie selbst, mein Herr, sind nicht mehr Herr Balzer. Würden Sie es aber unternehmen wollen, als solcher wieder aufzutreten, würden Sie es wagen wollen, den Folgen Ihrer früheren Verbrechen zu trotzen, – so würde Ihnen das sehr wenig helfen, denn, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, Ihr Tod ist in genügender Weise konstatiert worden, mich trifft kein Vorwurf, und meine gegenwärtige Stellung ist eine gesetzlich begründete und unanfechtbare. Dies habe ich Ihnen«, fuhr sie fort, »ein- für allemal sagen wollen, ich habe Ihnen jetzt nur noch zu überlassen, sich augenblicklich aus meinem Salon zu entfernen, denn nach Verlauf einer Minute werde ich die Glocke ziehen und Sie durch meinen Lakaien aus dem Hause bringen lassen.«

Sie streckte gebieterisch die Hand aus und sah ihn mit einem Blick voll vernichtenden Stolzes an.

Er ließ seine matten tückischen Augen mit forschendem Ausdruck im Zimmer umhergleiten, – neben dem Kamin hing ein seidener, mit Gold durchwirkter Glockenzug, – er tat einen Schritt und stellte sich zwischen diesen und die Marchesa.

Sie lächelte verächtlich.

»Das wird Ihnen wenig helfen,« sagte sie, »ein Ruf, ein lautes Wort wird meinen Diener ebenso schnell erscheinen lassen, als der Ton der Glocke.«

Er trat näher zu ihr heran und sagte in halb flüsterndem Ton, indem er sich ein wenig vorbeugte:

»Dann würde in Gegenwart Ihrer Diener die erste jener Erörterungen stattfinden, welche Sie, wie ich glaube, noch mehr zu scheuen haben als ich. Sie können sagen, daß ich, da ich mich jetzt Charles Lenoir nenne, – wie ich Ihnen ganz offen und vertrauensvoll mitteilen will, eigentlich Herr Balzer heiße und in Wien einmal Wechsel gefälscht habe, und das wird mir vielleicht sehr wenig schaden, denn Sie haben keine Beweise, und ich habe vielleicht Mittel, mich vor Ihrer Verfolgung zu schützen – ich aber,« fuhr er immer leiser, aber in zischendem Ton jedes Wort scharf hervorstoßender Stimme fort, – »ich werde sagen, wer diese so tugendhafte und glänzende Marchesa Pallanzoni eigentlich ist. Darüber habe ich klare, unwiderlegliche Beweise – ich glaube, diese Erklärung meinerseits, die ich heute durch ganz Paris würde schallen lassen, möchte für die ganze Gesellschaft, insbesondere auch für den Herrn Marchese von Pallanzoni von sehr großem Interesse sein, und durch diese Erklärung würde vielleicht bald die Goldquelle versiegen, aus welcher meine geliebte Gemahlin mir verweigern will, meinen bescheidenen Anteil zu schöpfen.

»Ich bitte,« fügte er zur Seite tretend und sich einen Schritt der Türe nähernd, »bewegen Sie Ihren Glockenzug, rufen Sie Ihre Diener, der erste Akt des Lustspiels kann beginnen, welches für Sie jedenfalls als Trauerspiel enden möchte.«

Sie sann einen Augenblick nach, unschlüssige Gedanken schienen in ihr hin und her zu wogen.

»Ihre Drohung«, sagte sie dann, den Blick wieder auf Heim Balzer richtend, welcher in heuchlerisch demütiger Stellung dastand, »hat keinen Sinn, denn um das zu tun, was Sie soeben ausgesprochen, müßten Sie sagen, wer Sie sind, und ich glaube nicht, daß Sie dazu Neigung haben möchten. Sie werden sich erinnern, daß die Beweise Ihres Verbrechens vorhanden sind, und es ist nicht an mir, Ihnen mitzuteilen, wo sich dieselben in diesem Augenblick befinden.«

»Diese Mitteilung wäre auch überflüssig,« erwiderte er, »ich weiß vollkommen, wo jene Beweise sich befinden; sie befinden sich in den Händen dieses Herrn Grafen von Rivero, welcher die Laune hat, ein wenig Vorsehung zu spielen. Derselbe ist aber gegenwärtig nicht hier, und es fragt sich auch, ob er jeden Augenblick wieder geneigt sein möchte, in dem Krieg zwischen mir und Ihnen Partei zu nehmen. Übrigens«, fuhr er fort, »täuschen Sie sich ein wenig über die Lage. Um zu sagen und zu beweisen, wer Sie sind, habe ich keineswegs nötig, zu erklären, wer ich bin, und würden Sie dies erklären, so würden Sie damit zugleich die Wahrheit alles dessen anerkennen, was ich zu sagen imstande wäre. Doch du bist töricht, Toni«, sagte er mit plötzlich verändertem Wesen im Ton gemeiner Vertraulichkeit, indem er einen Fauteuil neben die Marchesa rückte und sich bequem in denselben niederließ, während sie sich in einer Bewegung unwillkürlichen Widerwillens zurückzog, »du bist töricht, mich in dieser Weise zu behandeln und zurückzuweisen. Die Chancen würden nicht gleich sein, wenn wir einen Krieg aufs Messer beginnen, – ich kann dich in deiner Stellung mit Sicherheit vernichten, während es doch sehr zweifelhaft ist, ob du mir schaden kannst, und während du mir jedenfalls nicht schaden kannst, ohne zu gleicher Zeit dich selbst zu treffen. Warum willst du mir eine kleine Teilnahme an dem Reichtum verweigern, den du dir so geschickt zu verschaffen gewußt hast? Ich bin wahrlich nicht feindlich gegen dich gesinnt – im Gegenteil, deine Geschicklichkeit flößt mir Respekt ein und macht den Wunsch noch lebhafter in mir, mit dir gute Freundschaft zu halten. Ich werde«, sagte er, »deine Mittel nicht erschöpfen, es liegt mir ja selbst daran, daß du deine Stellung behaupten kannst, ich will eben nur einen kleinen anständigen Zuschuß zu meinem Leben haben, und wenn du dich vernünftig mit mir arrangierst, so kann ich dir vielleicht wiederum sehr nützlich sein – sehr nützlich,« sagte er mit Betonung, »denn ich glaube nicht, daß dieser Herr Graf von Rivero dich so ganz vollständig nach deinem freien Willen leben läßt, wenn er auch vielleicht nichts dagegen hat, daß du dich mit dem kleinen Hannoveraner amüsierst, der jetzt an die Stelle jenes hübschen Ulanenleutnants getreten ist.«

Ein eigentümlicher Stolz zuckte in ihren Augen auf, wie mit scheuem Erschrecken sah sie Herrn Balzer einen Augenblick an, dann schlug sie die Augen wieder nieder und spielte nachdenklich mit den Fingern an einer Schleife ihrer Robe.

»Jener kleine Leutnant von Wendenstein«, fuhr er fort, sie scharf beobachtend, »würde ebenfalls gewiß ein großes Interesse daran haben, zu erfahren, wer denn die von ihm so heißgeliebte Marchesa Pallanzoni eigentlich ist – ich glaube, alles das in Erwägung gezogen, wird meine so gescheite und so kluge Frau gewiß selbst einsehen, wieviel besser es ist, sich mit mir zu verständigen, – die glänzende, reiche und allgemein bewunderte Marchesa Pallanzoni zu bleiben und einen sehr ergebenen und gewandten Gehilfen zu gewinnen, der in jeder Weise nützlich sein will und nützlich sein kann – denn«, fügte er mit einem gewissen Selbstgefühl hinzu, »auch ich habe viel gelernt in der Zeit, seit wir uns nicht gesehen haben, und ich bin heute nicht mehr der Anfänger, welcher mit plumpen Wechselfälschungen sich aus den Verlegenheiten hilft – und vielleicht kann ich dir noch mehr Einfluß ganz im stillen verschaffen, als jener großtuende Graf Rivero. Ja, vielleicht kann ich dir behilflich sein, dich von seinem Einfluß zu befreien.«

Sie hatte während der ganzen Zeit, daß er sprach, nachdenkend dagesessen. Der harte, feindselige Ausdruck voll stolzer Verachtung war aus ihrem Gesicht allmählich verschwunden, ihre Züge waren kalt und ruhig geworden, und es blickte fast ein leichter Schimmer freundlicher Teilnahme aus ihren Augen, als sie zu ihm sprach:

»Ich habe vor Zeiten Ihren Namen getragen, und wie ich früher nicht wollte, daß Sie gänzlich zugrunde gingen, so kann ich auch heute, nachdem die Vorsehung nach so wunderbaren Schicksalen Sie wieder auf meinen Lebensweg gefühlt, das Gefühl einer gewissen Verpflichtung nicht zurückdrängen, Ihnen freundlichen Beistand zu gewähren, um wenigstens das meinige zu tun, damit Sie nicht aus Not auf die Bahn großer Verbrechen getrieben werden. Ihre Drohungen schrecken mich nicht,« sagte sie kalt, »aber ich kann mich dem Mitleid nicht entziehen, ich will für Sie tun, was in meinen Kräften steht. Sprechen Sie bestimmt Ihre Wünsche aus, damit ich prüfen kann, ob ihre Erfüllung möglich ist.«

»Ich wußte es ja,« sagte Herr Balzer, »daß bei meiner klugen Frau Vernunftgründe stets durchschlagen müßten. Wie wäre es,« fuhr er fort, – »du siehst, ich will ganz bescheiden sein, wenn du mir ein kleines Taschengeld von monatlich tausend Franken geben würdest – das ist wenig,« fuhr er achselzuckend fort, »in diesem teuren Paris! Aber mein Gott, ich bin ja auch anspruchslos, und ich will vor allen Dingen nicht, daß meine geliebte Toni sich irgendwelche Entbehrungen auferlegen soll – ich werde mich einzuschränken wissen. Komme ich einmal in Verlegenheit, so kenne ich ja deine Güte und Freigebigkeit genug, um zu wissen, daß du mich nicht im Stich lassen wirst.«

»Gut,« sagte sie ruhig, »Sie sollen diese Summe haben.«

»Tausend Dank«, rief er, indem er sich rasch verbeugte und ihre Hand ergreifen wollte, welche sie jedoch mit einer schnellen Bewegung zurückzog.

»Unser Vertrag ist also geschlossen,« fuhr er fort, »solange du dein Versprechen erfüllst, werde ich nicht nur nicht das geringste Unangenehme gegen dich tun, sondern ich werde auch dein aufrichtiger Freund sein und dich unterstützen, wo und wie ich kann, und du wirst dich überzeugen,« sagte er mit einem gewissen Stolz, »daß ich es kann, denn siehst du, auch ich habe meinen Weg gemacht: so wie du die Marchesa Pallanzoni bist, so bin ich ein Mitglied der geheimnisvollen Macht geworden, durch welche die Regierung ihr Auge und ihr Ohr überall hat, wo sie etwas zu hören oder zu sehen wünscht.«

Sie blickte rasch auf, ihre großen Augen erleuchteten sich einen Augenblick von einem Blitz lebhafter Freude.

»Sie stehen im Dienst der geheimen Polizei?« fragte sie in einem Ton, in welchem nichts mehr von ihrer früheren Kälte und abwehrenden Zurückhaltung lag.

»So ist es, meine Teure,« sagte er mit zufriedenem Lächeln – »und du wirst also begreifen, daß ich dir in der Tat nützlich sein kann. Denn für eine Dame in deiner Lage ist es gewiß von hoher Wichtigkeit, daß sie selbst so gut als möglich über alles unterrichtet ist, und daß man andererseits so wenig als möglich von ihr weiß. Nach beiden Richtungen kann ich dir sehr wesentliche Dienste leisten, und du wirst sehen, daß ich unsern Allianzvertrag pünktlich und getreulich halte.«

»Gut,« sagte sie, – »ich nehme Ihre Dienste an, und vielleicht werde ich sie schon in den nächsten Tagen nötig haben. Jener Graf von Rivero, von dem Sie soeben sprachen,« fuhr sie fort, »wird hierher kommen, ich wünsche genau von jedem Schritt unterrichtet zu sein, den er tut, und für mich selbst ist es schwer, fast unmöglich, ihn zu beobachten. Wenn Sie mir darüber wahre, schnelle und ausführliche Berichte schaffen, und im übrigen stets die Aufträge ausführen werden, die ich Ihnen gebe, so werde ich Ihnen nicht nur pünktlich zugehen lassen, was Sie verlangt haben, sondern Sie sollen sich auch überzeugen, daß ich wirkliche und wichtige Dienste freigebig zu belohnen weiß.«

Sie stand auf, öffnete eine Schatulle, welche auf ihrem Schreibtisch von Rosenholz stand, mit einem kleinen goldenen Schlüssel, den sie an einer feinen venezianischen Kette um ihren Hals trug, und reichte Herrn Balzer zwei Goldrollen.

»Ich bin glücklich,« sagte dieser, indem er das Geld in die Taschen seines Rockes verschwinden ließ, »daß wir uns so vortrefflich verständigt haben, und wünsche aufrichtig, daß die Freundschaft, welche wir heute von neuem beschlossen, länger dauern möge, als einst unsere Liebe.«

Sie zuckte leicht die Achseln und sagte:

»Sobald Sie mir etwas Wichtiges mitzuteilen haben, kommen Sie zu mir, ich werde Befehl geben, daß man Sie stets vorläßt –«

»Der Herr Graf von Rivero«, meldete die rasch eintretende Kammerjungfer. »Da ist er schon«, flüsterte die Marchesa. »Führen Sie diesen Herrn durch mein Boudoir hinaus,« sagte sie der Kammerjungfer. – »Der Herr Graf kommt von der Reise und wird nicht gerne Fremden begegnen.«

»Kommen Sie heute abend,« flüsterte sie Herrn Balzer zu, während das Mädchen voranschritt, »ich werde Ihnen Ihre Instruktionen erteilen.«

Herr Balzer verschwand hinter der Portiere nach dem Boudoir hin, die Marchesa lehnte sich bequem in einen großen Fauteuil zurück, indem sie von einer der nebenstehenden Etageren ein Buch nahm.

Wenige Minuten darauf trat der Graf von Rivero in das Zimmer; die Marchesa begrüßte ihn mit der sichern Ruhe der Weltdame und zugleich mit der Vertraulichkeit einer alten Bekannten. Der Graf verneigte sich mit leichter Höflichkeit und berührte leicht die Hand, welche die junge Frau ihm entgegenstreckte.

»Ich danke Ihnen«, sagte er, »für Ihre sofortige Mitteilung über die wichtigen Dinge, welche Sie erfahren haben, und bin sehr zufrieden darüber, daß Sie alles so scharf und genau beobachtet haben. Ich bin sogleich hierher gekommen, um zu sehen, was vorgeht und welcher Einfluß auf den Gang der Ereignisse noch möglich ist. Nach den Erkundigungen, die ich in der kurzen Zeit meiner Anwesenheit eingezogen habe, sind Ihre Mitteilungen vollkommen richtig«, fügte er in einem Ton hinzu, der die Marchesa nicht angenehm zu berühren schien, denn ihre Lippen kräuselten sich leicht wie in unmutiger Erregung, doch verschwand dieser Ausdruck sofort wieder von ihrem Gesicht, und mit ruhigem Lächeln einer fast kindlichen Ergebenheit erwiderte sie:

»Ich glaubte allerdings meiner Sache ganz sicher zu sein, sonst hätte ich Sie in Ihrer Villeggiatur nicht gestört. Sie erinnern sich,« fuhr sie mit einem unbeschreiblichen Blick fort, »daß Sie mir besonders die Aufgabe gestellt haben, die Kreise der hannöverischen Emigration zu beobachten. Ich habe mich der Erfüllung dieser Aufgabe mit Sorgfalt unterzogen, und von dort wurde mir die erste Mitteilung über die sich vorbereitenden Ereignisse. Es scheint, daß man der hannöverischen Emigration jetzt gerade ein Avis gegeben hat, um sie au fait zu setzen. Ich habe infolge dieses ersten Winkes weiter nachgeforscht und bin zur vollen Bestätigung dessen gelangt, was ich Ihnen mitteilte.«

Der Graf blickte ernst und sinnend vor sich nieder.

»Sie haben sich bewährt, Madame,« sprach er, »ich werde Ihnen meine Dankbarkeit beweisen, Sie besitzen in diesem Augenblick ein Geheimnis, von welchem die Zukunft Europas abhängt. Ich darf Ihnen nicht noch besonders empfehlen, dasselbe tief in sich zu verschließen; würde man ahnen, daß Sie dieses Geheimnis kennen, so würde Ihres Bleibens in Paris vielleicht nicht lange sein. Es kommt alles darauf an,« sagte er, wie zu sich selbst sprechend, »um jeden Preis zu verhindern, daß dieser unglückselige Plan ausgeführt wird. Als Österreich noch ungebrochen dastand, als Italien in seiner innern Konstitution noch nicht so weit gediehen war wie jetzt, konnte es möglich sein und erstrebt werden, in der alten Weise die Herrschaft der Kirche wiederherzustellen. Damals hätte man verhindern können, daß Preußen die Führung der deutschen Nation übernahm – jetzt ist es vorbei; der Krieg nach dem Plan, den man jetzt gefaßt hat, würde die Vernichtung Frankreichs zur Folge haben, und diese spanische Hilfe in Italien würde dem gewaltigen Aufschwung der italienischen Nation gegenüber ohnmächtig bleiben. Mit Frankreich würde die letzte Unabhängigkeit Roms fallen, und dieses so mächtig emporwachsende Deutschland würde der unversöhnliche Feind der allgemeinen römischen Kirche werden. Das darf nicht geschehen! Das darf nimmermehr geschehen!« rief er, mit mächtigen Schritten im Zimmer auf und nieder gehend – »es gibt nur ein Heil! Das ist die Versöhnung des Papsttums mit dem italienischen Nationalstaat und sein Friede mit Deutschland, diesem Lande, welches allein für die Zukunft die kräftige und nachhaltige Stütze der Kirche sein kann. Wenn es gelingt, die Kirche an die Spitze des Fortschritts der Zeitideen zu stellen, – schon hat«, sprach er weiter, indem er die Anwesenheit der Marchesa, welche scheinbar teilnahmlos mit ihrem Buche spielte, »die Vorsehung selbst ihre Hand erhoben, um diesen unglückseligen Plan zu vereiteln. Diese Revolution, welche in Spanien ausgebrochen, ist vielleicht das Werkzeug in der Hand des Himmels, um die Absichten einer verblendeten Politik zu vereiteln, – aber wird diese Revolution siegen? wird sie nicht niedergeworfen werden, wie so viele Versuche vor ihr, und darf ich – darf ich, der Verteidiger des legitimen und göttlichen Rechts, darf ich wünschen, daß die Revolution siegen, daß die Regierung des Rechts ein Mittel werde, um die Zukunft vor dem schwersten Verderben zu wahren?«

Er schritt abermals in tiefen Gedanken auf und nieder.

»Wissen Sie,« fragte er dann, vor der Marchesa stehenbleibend, »oder glauben Sie imstande zu sein, zu erfahren, wer hier die Vertreter des spanischen Ausstandes sind, – denn ohne Zweifel hat derselbe hier seine Vertreter, – Prim ist zu geschickt«, sagte er leise, »und kennt das hiesige Terrain zu gut, um irgendetwas zu unternehmen, ohne sich auch hier für alle Fälle einen Stützpunkt zu schaffen«–

»Ich weiß das in diesem Augenblick nicht genau,« erwiderte die Marchesa, »indes – würde ich aus der Quelle, aus welcher ich meine Mitteilungen geschöpft habe, vielleicht auch hierüber Auskunft erhalten können, wenn man anders dort darüber unterrichtet ist – und ich habe in mehreren Fällen gesehen, daß man dort genau weiß, was vorgeht. Soweit ich hier die Blätter beobachtet habe« – fügte sie hinzu, »ist es besonders der Gaulois, welcher mit besonderem Eifer für die Sache der spanischen Erhebung plädiert, vielleicht werden sich dort Anhaltspunkte finden lassen.«

Der Graf schüttelte langsam den Kopf.

»Das wäre ein letztes Mittel,« sagte er, »eins der gefährlichsten und bedenklichsten Mittel – und ich bin scheu geworden, die Waffen des Abgrunds im Dienste des Himmels zu verwenden. Aber in diesem Fall darf ich vor nichts zurückschrecken – doch noch gibt es andere Wege,« sagte er, tief aufatmend, »und diesen Weg zunächst zu versuchen, ist meine Pflicht. Ich will nach Biarritz gehen, vielleicht ist es möglich, dort noch die Überzeugung von den unglückseligen Folgen dieses Unternehmens hervorzurufen. Ich werde in zwei Tagen wieder hier sein,« fuhr er im Ton eines festen Entschlusses fort, »ich bitte Sie, sogleich Ihre ganze Tätigkeit aufzuwenden, um zu ermitteln, welche Verbindungen die spanische Revolution hier in Paris hat, und welche Personen ihre Agenten sind. Sie werden einen großen Dienst leisten, wenn Sie mir darüber bei meiner Rückkehr genaue Auskunft geben können, und dann –« er blickte einen Augenblick nachdenkend vor sich nieder, »Sie haben bereits einmal auf einem ganz eigentümlichen und besondern Wege die Kunde eines sich vorbereitenden Ereignisses an die richtige Stelle gebracht, – Sie erinnern sich der Pferde, welche Sie von Madame Musard kauften –«

»Soll ich etwa meine Equipage nochmals verbessern?« sagte die Marchesa lächelnd – »ich wüßte kaum ein besseres Gespann zu finden, als welches ich jetzt besitze.«

»Einer Dame von Ihrer Geschicklichkeit und von Ihrer Kenntnis der Verhältnisse wird es nicht schwer sein können, einen Weg zu finden, um auch diesmal ein Geheimnis dahin gelangen zu lassen, wo ich wünsche, daß es bekannt werden möchte.«

»Geben Sie mir Ihre Befehle, mein Meister,« sprach die Marchesa, indem sie unter einer demütigen Neigung ihres Hauptes das ironische Lächeln verbarg, welches eine Sekunde auf ihren Lippen erschien, »und seien Sie überzeugt, daß ich alles aufbieten werde, um dieselben auszuführen.«

»Es würde mir erwünscht sein,« sprach der Graf, »wenn dasjenige, was Sie über den in den Tuilerien gefaßten Kriegsplan erfahren haben, möglichst bald und auf einem möglichst verborgenen Wege in Berlin bekannt würde –«

»Graf Goltz ist krank in Fontainebleau«, erwiderte die Marchesa, indem sie die Hand an die Stirn legte, »indes – ich werde darüber nachdenken, und vielleicht wird es mir gelingen, diesen Weg zu finden.«

»Ich gebe Ihnen unbedingt Vollmacht, zu handeln, wie Sie wollen,« erwiderte der Graf, »Sie haben zuviel Geist, um nicht völlig begriffen zu haben, welche Folgen Ihre Unterhandlungen mit Madame Musard in einer früheren Zeit gehabt haben. Lösen Sie Ihre Aufgabe mit demselben Geschick wie damals, und seien Sie meiner höchsten Anerkennung gewiß. In zwei Tagen also,« sagte er, indem er seinen Hut ergriff, »werde ich wieder hier sein und erwarte dann die Mitteilungen über das, was Sie erfahren und was Sie getan.«

Er grüßte die junge Frau mit einer kalten, überlegenen Höflichkeit und wandte sich zur Tür, ohne den Blick voll freudigen Stolzes und triumphierenden Hohnes zu bemerken, welchen sie auf ihn richtete.

Im Augenblick, als er die Tür öffnen wollte, erschien die Kammerjungfer der Marchesa in derselben, und an ihr vorüberschreitend trat rasch, den glühenden Blick in das Zimmer tauchend, der Leutnant von Wendenstein ein.

Er blieb beim Anblick des Grafen Rivero einen Augenblick wie erstaunt stehen, dann verneigte er sich mit verbindlicher Artigkeit gegen denselben und sprach, indem er die Marchesa mit einer etwas gezwungenen Zurückhaltung begrüßte:

»Sie sind lange von Paris abwesend gewesen, Herr Graf, ich freue mich, Sie wieder hier zu sehen. Ich sehe es als ein gutes Zeichen an, daß Sie, der eifrige Verteidiger des legitimen Rechts, hier wieder erscheinen, hoffentlich bringen Sie uns glückliche Ereignisse und die endliche Entscheidung, welche wir schon solange erwarten.«

Der Graf ließ seinen Blick schnell von dem jungen Mann zu der Marchesa hinübergleiten, welche in ihren Fauteuil zurückgelehnt lag, dann erschien ein Ausdruck von tiefem Mitgefühl, fast von Trauer auf seinem Gesicht, und er sagte mit einem weichen, innigen Ton, der wenig zu der Gleichgültigkeit seiner Worte zu passen schien:

»Ich komme nur auf kurze Zeit aus der Stille der Schweizer Berge hieher, um einige Geschäfte zu ordnen. Die Politik ist mir fremd geworden, und sie scheint mir auch in diesem Augenblick keine Veranlassung darzubieten, um außergewöhnliche Ereignisse zu erwarten.«

Es schien, als ob Herr von Wendenstein etwas erwidern wollte; ein rascher Blick der Marchesa, auf welche fortwährend seine Augen gerichtet waren, traf ihn, in einer leichten, scheinbar unwillkürlichen Bewegung legte sie ihre zarten Finger auf die Lippen.

Der junge Mann erwiderte eine gleichgültige, höfliche Phrase.

»Ich hoffe, Sie noch wieder zu sehen,« sagte der Graf, »darf ich Sie um Ihre Adresse bitten, ich werde mir die Ehre nehmen, Sie aufzusuchen – ich habe ein hohes Interesse für Sie und Ihre Landsleute, die ein so schönes Beispiel der Treue für ihren unglücklichen König geben.«

»Ihr Besuch, Herr Graf, wird mir eine große Ehre und eine aufrichtige Freude sein«, erwiderte Herr von Wendenstein, indem er dem Grafen aus einem kleinen Etui seine Karte reichte.

Der Graf sah ihn noch einmal mit jenem schmerzlich traurigen Ausdruck an, warf dann einen fast strengen Blick auf die Marchesa, verneigte sich leicht vor derselben und verließ, dem jungen Manne die Hand drückend, den Salon.

Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, so eilte Herr von Wendenstein zu der jungen Frau, ließ sich zu ihren Füßen niedersinken und blickte in trunkener Begeisterung in ihre Augen.

»Ich habe zu dir eilen müssen,« rief er, »meine süße Geliebte, um aus deinen Augen neuen Mut und neue Hoffnung zu trinken, denn bald, bald vielleicht wird die große Entscheidung eintreten, auf welche wir solange gehofft haben, und welche uns Gelegenheit geben wird, für das Recht unseres Königs im offenen Felde zu kämpfen. Wie die Ereignisse ihren Weg nehmen, wie sie vorbereitet sind, so wird vielleicht schon in kurzem halb Europa in Kriegsflammen stehen – traurig genug,« sagte er mit dumpfem Ton, »denn ich habe das Elend des Krieges gesehen und seinen Jammer selbst erfahren. Aber wir werden ihn nicht hervorgerufen haben, diese allgemeine Bewegung wird uns die Möglichkeit geben, uns um die Fahnen unseres Königs wieder zusammenzuscharen und den letzten Versuch zu machen, ob wir in Deutschland wieder erobern können, was wir in jenem schweren Jahre 1866 verloren haben, und ob wir die alte Heimat wieder erringen können, wie sie einst war. O, wie habe ich diesen Zeitpunkt herbeigesehnt!« sprach er weiter, während die Marchesa sanft mit der Hand über sein Haar strich, »und nun, da er kommt, möchte ich fast bange werden.«

»Bange vor dem Kampf,« sagte die junge Frau mit sanftem Lächeln, »mein ritterlicher Freund scheut doch wahrlich die Gefahr nicht? An mir wird es sein, zu fürchten,« fuhr sie fort, indem sie die Augen wie vor einem drohenden Bilde verschloß, »an mir wird es sein, zu fürchten und zu bangen, wenn du in die Schlacht hinausziehst. Aber ich werde dich begleiten mit allen meinen Gedanken, und die dem festen Willen gehorchenden Gedanken haben eine wunderbare, geheimnisvolle Kraft; sie sind imstande, denjenigen, den sie begleiten, zu stärken und zu schützen. Meine Gedanken an dich werden ein Schild und Harnisch sein, der dich beschützt gegen jede drohende Waffe, wie ich dich schützen würde, wenn ich bei dir sein könnte, wie ich mich überall zwischen dich und die Gefahr werfen würde –«

»Es ist nicht diese Furcht, die mich erfüllt,« erwiderte er, indem er die Spitzen ihrer rosigen Finger sanft an seine Lippen zog, – »es ist nicht diese Furcht, die mein Herz beengt. Aber«, fuhr er fort, indem er sie mit brennenden Blicken ansah, »wenn der Kampf wirklich kommt, wenn unsere Wünsche erfüllt werden, und wenn wir Sieger in diesem Kampf bleiben, wenn wir dann wieder in die alte Heimat einziehen – in der ich einst so glücklich war, in der ich meine Jugend verträumte, ohne den berauschenden Feuerstrom des großen Weltlebens zu kennen, dann werde ich von dir getrennt sein, und jene Welt, in der ich früher lebte, in der ich früher glücklich war, sie öffnet sich vor wie mir ein dunkles Grab, in das ich wieder hinabsteigen soll aus den Sonnenhöhen von Glück und Licht, zu welchen du mich geführt hast. Du kennst es nicht, jenes langsame, fortschleichende, alltägliche Leben, das man niemals verlassen muß, um es ertragen zu können, das aber den Geist und das Herz erstarrt und tötet, wenn man einmal seine Fesseln abgestreift hat und dann wieder für immer in dasselbe zurückkehren soll. Wenn ich daran denke,« rief er, »dann möchte ich fast wünschen, die Ereignisse aufhalten zu können, dann verschwinden alle jene Hoffnungen und Wünsche, die mich einst so hoch begeisterten, dann möchte ich aus deinen Blicken Vergessenheit trinken, dann möchte ich in deinen Armen mich verbergen vor der ganzen übrigen Welt und vor der Zukunft, welche kalt und traurig heraufzieht.« »Denken wir nicht an die Zukunft,« sagte die Marchesa, indem sie sein Haupt sanft an ihre Brust zog, »wenn sie dir heute kalt und traurig erscheint, so kann sie ja doch noch licht und hell werden. Wir sind jung, und der Jugend gehört die Zukunft vor allen. Aber denke nur jetzt nicht daran, denke nur an die Gegenwart mit ihrem Reiz und ihrer Liebe!«

Schweigend blieben sie einen Augenblick in inniger Umarmung verschlungen.

»Vielleicht«, sagte die junge Frau dann mit einem tiefen Seufzer, »ist die Entscheidung ja auch nicht so nah, als du glaubst. Wenn die Alliance, welche der Kaiser mit der Königin von Spanien geschlossen hat, nicht zur Ausführung kommen kann, so wird vielleicht noch auf lange der Augenblick hinausgeschoben werden, in welchem du für deine Sache in den Kampf treten kannst. Die letzten Nachrichten, welche ich gestern in den Journalen gelesen – denn«, fügte sie mit einem reizenden Lächeln hinzu, »ich lese jetzt die Journale sehr sorgfältig – sie sprechen vom Fortschritte der Revolution. Freilich ist es schwer, darüber etwas Genaues zu erfahren, da die Mitteilungen in den öffentlichen Blättern alle parteiisch gefärbt sind.«

Der junge Mann richtete den Kopf empor, den er noch immer an ihre Schulter gelehnt hatte.

»Es ist wahr,« sagte er, »die Revolution macht Fortschritte, aber sie hat doch nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Königin Isabella noch immer zögert, sich nach Madrid zu begeben. Selbst die größten Anhänger und die eifrigsten Agenten der aufständischen Generale hier in Paris räumen vollständig ein, wie ich heute erfahren, daß, wenn die Königin sogleich persönlich in Madrid erscheint, der Aufstand im günstigsten Falle nichts weiter erreichen kann, als eine Ministerveränderung, da das spanische Volk an einen Wechsel der Dynastie nicht denkt.«

Ein eigentümlicher Blitz leuchtete einen Moment in dem Auge der Marchesa auf.

»Also haben diese aufständischen Generale,« fragte sie, »die ich hasse und verwünsche, wie alles, was der Revolution dient, und die ich doppelt hasse wegen ihrer Undankbarkeit gegen die Königin, die sie alle aus dem Nichts emporgehoben, – also haben sie bereits hier ihre Agenten –«

»Sie suchen mit großer Geschicklichkeit zunächst auf die Presse einzuwirken,« erwiderte Herr von Wendenstein, »und ganz insbesondere ist es, wie man mir erzählt hat, ein früherer Kammerherr der Königin, Angel de Miranda, welcher unermüdlich tätig ist, um für die Revolution hier Propaganda zu machen –«

»Angel de Miranda,« sagte die Marchesa in leicht hingeworfenem Ton, »ein junger eleganter Mann, welcher sich schon seit einiger Zeit hier aufhält; – ich habe ihm einige Male begegnet, er schien nichts zu tun, als sich amüsieren zu wollen –«

»Er ist der eifrigste Agent Prims und Serranos,« rief Herr von Wendenstein, »und er wenigstens meint es sehr ernstlich mit dem Sturz der Königin, die er haßt – wie ich glaube, aus rein persönlichen Gründen.«

»Von welchen Triebfedern,« sagte die Marchesa, »werden doch die Schicksale der Völker bewegt! Wie traurig muß es sein, ernsthaft und aus Beruf Politik zu machen! – ich würde dazu nicht imstande sein; mich interessiert das alles jetzt freilich, weil es dich und deine Zukunft angeht,« sagte sie weich, mit ihren Lippen seine Stirn berührend, »aber hätte ich dies Interesse nicht daran, ich würde wahrlich niemals einen Blick in diese öde, finstere Welt der Politik tun.«

»O, könnte ich mit dir«, rief er begeistert, »ewig in der reizenden Welt der Liebe, der Kunst und der Poesie leben, wie glücklich würde ich sein!«

»So laß uns wenigstens soviel und solange als möglich unsere Seelen in der reinen Flut dieser idealen Welt baden, da wir noch in derselben leben, und da die traurige Zukunft, welche du fürchtest, heute noch nicht zu uns heraufgezogen ist.«

Sie drängte ihn sanft zurück und stand auf.

»Jetzt verlaß mich, mein süßer Freund,« sagte sie, »ich muß Besuche machen, die ich nicht aufschieben kann, und es ist schon spät geworden. Denk' an mich und komm' bald wieder – wirst du heute abend bei mir dinieren?«

»Ich werde mich frei machen,« rief er, sie feurig in seine Arme schließend, – »o, könnte ich mich von allem frei machen, um immer nur bei dir zu sein!«

Rasch riß er sich los und eilte hinaus, während sie ihm, den Finger auf die Lippen legend, mit zärtlichem Blick nachsah, –


Als der junge Mann das Zimmer verlassen hatte, verschwand wie durch einen Zauberschlag der Ausdruck weicher Zärtlichkeit von ihrem Gesicht.

Sie sprang empor, richtete sich hoch auf, so daß ihre Gestalt größer und mächtiger erschien als sonst, ihre Augen sprühten Flammen, – sie streckte die Hand weit von sich mit der Geberde einer Königin, deren Befehl die Scharen ihrer Diener bewegt, – ein wunderbar aus Freude, Stolz und Hohn gemischtes Lächeln erschien auf ihren Lippen und mit leiser, in zischenden Lauten aus ihrem Munde hervordringender Stimme sprach sie:

»Gehen Sie hin, mein Herr Graf, – der Sie sich für den Meister und Gebieter aller Welt, – für meinen Meister gehalten haben, – jetzt halte ich Sie in meinen Händen, – Ihre Herrschaft über mich ist zu Ende, Sie sollen die Stütze sein, auf welcher ich empor-, immer höher emporsteige zu Macht und Herrschaft, – aber von nun an werden Sie am Ende des Fadens sich bewegen, den meine Hand hält, – die Hand des schwachen Weibes, das Sie wähnten zu Ihrem blinden Werkzeug machen zu können, das Sie glaubten mit einem Druck Ihres Fingers zerbrechen zu können.«

Sie stand noch einen Augenblick in derselben Stellung, ihre glänzenden Blicke aufwärts gerichtet, – die Hand vor sich hingestreckt.

Dann eilte sie zu ihrem Schreibtisch.

»Angel de Miranda,« sagte sie, schnell eine Notiz auf ein Blatt Papier werfend, – »und es fehlt jenen Leuten an Geld, – das ist ein kostbarer Fund, – Wissen ist Macht, sagt man, – und in der Tat, das, was ich weiß, gibt mir die Macht, alles nach meinem Willen zu leiten.« Sie saß einige Zeit schweigend in tiefem Nachdenken vor ihrem Schreibtisch.

Dann schienen ihre Gedanken sich geordnet zu haben; – mit rascher, entschlossener Bewegung öffnete sie eine zierliche, mit Perlmutter ausgelegte Briefmappe, nahm daraus einen Briefbogen mit einem Wappen in schönem Farben und Golddruck und begann eifrig zu schreiben, oft anhaltend und, wie es schien, mit besonderer Sorgfalt das richtige Wort für ihre Gedanken suchend.

Nachdem sie zwei Seiten des Bogens beschrieben, durchlas sie noch einmal genau und prüfend die Zeilen – dann faltete sie das Papier zusammen, verschloß die Enveloppe mit einem kleinen in Stahl geschnittenen Petschaft mit geschnitztem Elfenbeingriff und schrieb darauf: A Sa Majesté lImpératrice à Biarritz.

Gedankenvoll blickte sie auf den Brief.

»Wird er schnell genug in ihre Hände gelangen?« flüsterte sie.

»Es ist besser,« fuhr sie fort, – »ich sende ihn durch diesen Menschen, – auf den ich mich verlassen kann, wie ich glaube, – denn er würde kein vorteilhaftes Geschäft machen, wenn er mich betröge, – er steht sich besser, wenn er mir aufrichtig dient.«

Sie blickte auf die Uhr, – verschloß den Brief in ihren Schreibtisch und klingelte nach ihrer Kammerjungfer, um ihre Toilette zu machen. – – –

Eine Stunde später entzückte die schöne Marchesa Pallanzoni, welche in ihrer zierlichen Viktoria mit den wunderbar schönen Pferden durch das Bois de Boulogne dahinfuhr, die ganze elegante Welt von Paris; die Herren waren glücklich, einen Gruß von ihr zu erhalten, die Damen verfolgten sie mit neidischen Blicken, sie selbst lächelte grüßend hierhin und dorthin, und wer sie sah, war überzeugt, daß diese so schöne, so heitere und so sorglose Frau nur dem frohen Lebensgenuß und der Liebe lebte, und daß alle die finstern Geister des Kummers, der Sorge und der qualvollen Arbeit, welche die Häupter anderer Sterblichen umschweben, der reinen und strahlenden Stirn dieser Frau fern bleiben müßten. Und doch hatte kaum jemand von allen, die sie beneideten, die finstern Abgründe des Lebens so in ihren tiefsten Tiefen ermessen als sie, und unter dieser reinen heitern Stirn, hinter diesen sanft strahlenden Augen brüteten Gedanken voll düsterer Sorge.

Die Marchesa kam spät nach Hause, – fast schon war die Stunde des Diners gekommen, – Herr Lenoir erwartete sie bereits – er hatte jenes höhnische und herausfordernde Wesen, mit welchem er vorher hier eingetreten war, vollkommen abgelegt, – fast unterwürfig begrüßte er diejenige, welche einst seine Gattin war, und fragte in natürlichem Tone nach ihren Befehlen. Er schien, nachdem sie ihm eine neue Goldquelle geöffnet hatte, ihre Überlegenheit willig anzuerkennen.

Sie neigte leicht den Kopf gegen ihn und sprach, indem sie ihren Sekretär öffnete und den Brief, welchen sie vorher geschrieben, herausnahm:

»Sie können sogleich nach Biarritz reisen?«

»Unbedenklich,« erwiderte er, – »ich habe jetzt keinen Auftrag und bin frei.«

»Sie können diesen Brief sicher und unverzüglich an seine Adresse gelangen lassen?«

Sie zeigte ihm die auf die Enveloppe geschriebene Adresse.

»Der Brief soll sofort in die Hände gelangen, für welche der bestimmt ist.«

»Sie wissen,« sagte sie kalt und ruhig, »daß eine Unwahrheit unsere Beziehungen für immer lösen würde.«

»Welche Veranlassung sollte ich haben, Ihnen eine solche zu sagen?« fragte er.

Sie reichte ihm den Brief.

»Also reisen Sie sofort und kehren Sie unverzüglich wieder«, sagte sie. »Der Graf Rivero wird ebenfalls nach Biarritz gehen. Dieser Brief muß besorgt sein, bevor er dort angekommen und empfangen ist. Sobald Sie zurückkommen, treffen Sie Anstalt, einen Herrn Miranda scharf zu überwachen, – einen Spanier, der sich hier in Paris aufhält, und den Sie leicht ermitteln können – Sie werden dadurch auch nach anderer Seite einen Dienst leisten und teilen Sie mir alles mit, was Sie über ihn erfahren.«

Ein Geräusch ließ sich auf dem Vestibule vernehmen.

»Eilen Sie«, sagte die Marchesa, mit der Hand nach ihrem Boudoir deutend.

Heu Lenoir entfernte sich schnell.

Unmittelbar daraus trat Herr von Wendenstein ein. Die junge Frau empfing ihn mit ihrem reizendsten Lächeln. Entzückt küßte er ihre Hand und ließ seine Blicke voll Bewunderung über ihre wunderbar schöne Gestalt gleiten.

»Madame est servie«, meldete der Haushofmeister.

»Wir sind allein,« sagte die Marchesa, indem sie den jungen Mann mit einem eigentümlichen, halb neckischen, halb glühend leidenschaftlichen Blicke ansah, – »ich hoffe, daß Sie sich in Ermangelung anderer Gesellschaft nicht zu sehr bei mir langweilen werden.«

Er drückte schweigend seine Lippen auf ihre Hand, legte ihren Arm in den seinigen und beide traten durch die von zwei Lakaien geöffnete Tür in den Speisesaal, dessen Fenster bereits verhängt waren, und in welchem ein großer Lustre mit acht Kerzen den kleinen Tisch mit zwei Couverts erleuchtete.


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