Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

36. Kapitel.

Im Norden der Mapimi, da, wo von Südwesten aus der Gegend von Cosigniachi her mehrere größere Wässer die Hochebene durchfließen, um sich dann von dem Plateau hinab in den Rio Grande del Norte zu stürzen, entlocken diese Wasser dem sonst unfruchtbaren Boden eine üppige Vegetation. Es gibt fruchtbare Weidestrecken, die von dichten Wäldern umschlossen werden, die sich hinab nach Sonora, der nordwestlichen Provinz von Mexiko erstrecken, wo sie sich dann in die leblosen Ebenen der Apacheria verlieren, denen weiter im Norden durch den Rio Gila einige Fruchtbarkeit abgezwungen wird.

Einer dieser Wälder war derjenige, an dem die Apachen unter Anführung Sternaus, Büffelstirns und Bärenherzens vorüberritten. Sie hatten während des ganzen Rittes keinen einzigen Menschen gesehen und hielten sich für vollständig sicher und unbeobachtet.

Hätte der Wald einen geringeren Umfang gehabt, so wäre er ganz gewiß von ihnen umstellt und durchsucht worden, dies war aber bei seiner ganz bedeutenden Größe vollständig unmöglich, und so begnügte man sich, an ihm vorüberzureiten und nichts als seinen Saum zu durchforschen.

Zu ganz derselben Zeit hätte ein aufmerksamer Beobachter in der Tiefe dieses Waldes ein leises aber ununterbrochen sich fortbewegendes Geräusch vernehmen können. Bald klang es wie das Knicken eines kleinen, dürren Zweiges, bald wie das Zusammenreiben von Blättern, an die jemand stieß. Dieses Geräusch blieb nicht an einer Stelle, sondern es bewegte sich fort, nach dem Rand des Waldes hin. Endlich erklangen sogar einige geflüsterte Worte:

»Hat mein Bruder gelernt, sich unhörbar zu bewegen?«

Darauf hätte man eine ebenso leise geflüsterte Antwort hören können:

»Unter den Bäumen ist es dunkel. Hat mein Bruder etwa die Augen einer Katze, daß er alle Zweige und Blätter erkennen kann?«

Darauf wurde es wieder still, nur ein geheimnisvolles Rauschen ließ sich vernehmen. Dann verstummte auch dieses, und nach kurzer Zeit lispelte es:

»Warum steht mein Bruder? Hat er etwas gehört?« – »Ja, er hörte das ferne Schnauben eines Pferdes.«

Da erklang dasselbe Schnauben abermals, und zwar in größerer Nähe.

»Es kommen Reiter. Hier ist eine große Kiefer; wer oben in den Zweigen sitzt, kann nicht gesehen werden und hat die Prärie vor sich liegen.«

Es waren zwei Indianer, die dieses Gespräch führten. Derjenige von ihnen, der die letzten Worte gesprochen hatte, umfaßte den Stamm und kletterte empor, der andere folgte ihm. Beide kletterten wie Eichkätzchen und zeigten eine solche Gewandtheit, daß nicht das geringste Geräusch zu vernehmen war. Als sie oben zwischen den dicht benadelten Ästen saßen, waren sie von unten unmöglich zu bemerken. Sie hatten ihre Waffen an sich hängen, wurden durch dieselben jedoch nicht im mindesten belästigt. Kaum saßen sie fest, so hörten sie nahende Schritte. Es waren diejenigen der Apachen, die von ihren Pferden gestiegen waren, um den Rand des Gehölzes zu untersuchen. Man konnte sie von oben nicht sehen. Als sie, dem Geräusch nach, vorüber waren, ertönte draußen lautes Pferdegetrappel, und die Truppe ritt vorüber.

»Uff!« flüsterte der eine Indianer. »Apachen.« – »In den Farben des Krieges!« fügte der andere bei. – »Es sind Bleichgesichter bei ihnen?« – »Vier! Uff! Uff!«

Die beiden letzten Worte waren in einem solchen Ton der Überraschung geflüstert daß der andere leise fragte:

»Worüber wundert sich mein Bruder?« – »Kennt mein Bruder das große, starke Bleichgesicht, das an der Spitze reitet?« – »Nein.« – »Es ist der Fürst des Felsens. Ich habe ihn gesehen vor drei Wintern, als ich in der Stadt war, die die Bleichgesichter Santa Fe nennen.« – »Uff! Das ist das tapferste Bleichgesicht, das es gibt! Aber kennt mein Bruder die beiden Häuptlinge, die daneben reiten?« – »Der eine ist Bärenherz, der Apachenhund.« – »Und der andere ist Büffelstirn, der Mixteka. Wir wollen sehen, wie viele reiten.«

Der Sitz der Indianer war so hoch, daß sie über die Wipfel des Waldrandes hinausblicken und den ganzen Zug übersehen konnten. Sie zählten genau, und als die Apachen vorüber waren, sagte der eine:

»Zwanzigmal zehn und noch sechs Apachen und vier Bleichgesichter!« – »Mein Bruder hat richtig gezählt, aber der Fürst des Felsens gilt hundert Apachen. Wohin gehen sie?« – »Diese Richtung geht nach der Hacienda Verdoja. Der Präsident von Mexiko hat die Krieger der Komantschen gerufen, und nun wird der Verräter Juarez die Apachen gerufen haben. Sie gehen nach der Hazienda, wohin auch wir wollen, und werden die Reiter, die sich dort befinden, töten wollen. Morgen kommen viele Krieger der Komantschen, die Apachen sind verloren und werden uns ihre Skalpe geben müssen. Wir müssen unsere Freunde auf der Hazienda warnen, aber wir müssen auch den Hunden der Apachen folgen, um darüber gewiß zu sein, was sie beabsichtigen.« – »So trennen wir uns. Ich folge ihnen, und mein Freund eilt nach der Hazienda.« – »So soll es sein.«

Die Indianer glitten vom Baum herab und drangen bis zum Ende des Waldes vor. Dort überzeugten sie sich zunächst, daß kein Nachzügler zu erwarten war, und dann traten sie auf die offene Prärie hinaus.

Jetzt konnte man beide genau erkennen. Es waren zwei Komantschen im vollen Kriegsschmuck. Sie trugen nicht das Häuptlingsabzeichen, aber sie waren jedenfalls keine gewöhnlichen Krieger, sonst hätte man ihnen nicht die schwierige Aufgabe anvertraut, das Terrain zu sondieren und auf der Hacienda Verdoja die Ankunft der verbündeten Komantschen anzusagen.

Die Sonne war im Untergehen, und in der Ferne verschwand jetzt der lange, schlangengleiche Zug der Apachen.

»Mein Bruder beeile sich, ihnen zu folgen. Er muß sie stets vor Augen haben, denn es wird nun so dunkel, daß man sich nicht auf die Fährte verlassen kann.«

Der andere eilte, ohne eine Antwort zu geben, vorwärts. Ein Kriegskundschafter hat selten ein Pferd bei sich, da ihm dasselbe oft hinderlich sein würde. So war es auch hier, und da der Komantsche als Fußgänger in dem weiten Raum der Prärie nur einen verschwindenden Punkt bildete und jede Art der Deckung benutzen konnte, so war es ihm leicht, selbst jetzt, da es noch hell war, sich den Apachen zu nähern, ohne von ihnen bemerkt zu werden.

Sein Kamerad blickte ihm eine Weile nach und schritt dann in westlicher Richtung davon. Die Apachen machten, um unbemerkt zu bleiben, einen Umweg; der Komantsche konnte sich also direkt nach den Weideplätzen der Hazienda wenden und kam dort eher an als sie, obgleich sie beritten waren.

Er war wohl noch nie in dieser Gegend gewesen, aber sein Instinkt und ein Rundblick über den Horizont ließen ihn erraten, wo die Hazienda liegen werde. Er hatte auch wirklich die genaue Richtung dahin eingeschlagen und eilte nun mit den langen, elastischen Schritten vorwärts, die man bei einem Indianer, wenn er Eile hat, beobachtet. Es wurde bald dunkel, aber er eilte weiter, als ob er jeden Fußbreit dieser Gegend kenne, bis er schließlich verschiedene Herdenfeuer sah, die die Vaqueros angezündet hatten, um sich zu erwärmen und die wilden Tiere abzuhalten. Er hielt sich jedoch von ihnen fern, obgleich er als Freund kam und niemand zu fürchten hatte, schlich sich unbemerkt zwischen den Herden hindurch und erreichte die Hazienda.

Dort weideten die Pferde der Dragoner, an den Vorderbeinen eng gefesselt, und vor der Umzäunung, die jede Hazienda besitzt, lagen die Krieger um mehrere Feuer. Der Komantsche duckte sich zur Erde, schlich nahe an sie heran und stand plötzlich mitten unter ihnen, wie aus der Erde emporgefahren.

Dies tut der Wilde auch dann gern, wenn er zu Freunden kommt, denn wer es versteht, sich unbemerkt anzuschleichen, der wird für einen guten Krieger gehalten. Die Dragoner erschraken beim Anblick der dunklen Gestalt, sprangen empor und griffen zu den Waffen, indem sie ihn sofort umringten.

Bei diesen Zeichen der Feindseligkeit machte der Komantsche eine geringschätzende Handbewegung, blickte sich ruhig im Kreis um und fragte:

»Fürchten sich die Bleichgesichter vor einem einzelnen roten Krieger?«

Einer der Dragoner, der die Abzeichen des Unteroffiziers trug, antwortete:

»Pah, wir fürchten uns vor hundert Roten nicht! Wer bist du?« – »Können die Bleichgesichter die Kriegsfarben der roten Männer nicht unterscheiden?« – »Ihr seid viele hundert Stämme, und der Teufel kann sich da die Malereien alle merken; aber wie mir scheint, bist du ein Komantsche?« – »Ich bin es. Wo ist der Häuptling der Weißen?« – »Du meinst den Rittmeister? Was willst du bei ihm?« – »Ich habe mit ihm zu sprechen.« – »Das läßt sich denken, aber es fragt sich, ob er mit dir zu sprechen hat.« – »Er muß froh sein, wenn der rote Krieger zu ihm kommt«, antwortete der Komantsche stolz. »Ich komme als Abgesandter der verbündeten Komantschen und habe ihm eine wichtige Botschaft mitzuteilen.« – »Das ist etwas anderes. Komm, ich werde dich führen!«

Der Unteroffizier schritt voran, der Indianer folgte ihm. Sie passierten das Palisadentor und begaben sich in das Innere des Gebäudes. Dort mußte der Wilde warten, bis er angemeldet war. Als er eintreten durfte, sah er den Rittmeister mit seinen Offizieren rauchend und spielend am Tisch sitzen. Er blieb ruhig und wortlos an der Tür stehen. Der Rittmeister warf einen verächtlichen Blick auf ihn, spielte seine Partie erst aus, warf dann die Karte von sich und fragte unmutig:

»Was willst du, Rothaut?«

Der Indianer antwortete nicht.

»Was du willst, frage ich!« wiederholte der Rittmeister. – »Mit wem spricht der Offizier?« fragte jetzt der Komantsche. – »Mit dir!« rief der Rittmeister. – »Ich dachte, der weiße Häuptling rede mit einem Fuchs.« – »Mit einem Fuchs? Bist du toll!« – »Der weiße Häuptling sprach mit einer Rothaut, und der Fuchs hat eine rote Haut.« – »Ah«, lachte der Offizier. »Du fühlst dich beleidigt! Nun gut, so werde ich höflicher sein. Was willst du, Komantsche?« – »Ich bringe den Gruß unserer großen Häuptlinge. Der Präsident hat uns gebeten, ihm unsere Hilfe zu leihen, und die Häuptlinge haben beschlossen, es zu tun.« – »Sehr freundlich von euch! Also eure Krieger werden kommen?« – »Ja, sie kommen. Bereits morgen früh wird ein ganzer Stamm sich in dem Wald befinden, der von hier gerade gen Osten liegt.« – »Ah, das geht rasch! Und die anderen?« – »Sie kommen nach, täglich ein berühmter Häuptling mit den Seinen.« – »Ihr scheint lauter berühmte Häuptlinge zu haben; ob sie uns aber großen Nutzen bringen, das wird sich erst zeigen. Sie werden sich zunächst unter meinen Befehl zu begeben haben. Ich werde noch heute abend einen Boten nach Chihuahua senden, um mir Verhaltungsmaßregeln geben zu lassen.«

Der Komantsche lächelte auf eine eigentümliche Weise und antwortete:

»Mein weißer Bruder spricht Worte, die ich nicht begreife.« – »Warum nicht?« – »Er will einen Boten senden, um Befehle zu holen, also kann er kein Häuptling sein, und dennoch verlangt er, daß die berühmten Führer der Komantschen ihm gehorchen sollen. Die Komantschen werden kommen, ihre Häuptlinge werden eine Beratung halten mit den Häuptlingen der Weißen, und dann wird man tun, was beschlossen worden ist. Ein Komantsche stellt sich nicht unter den Befehl eines fremden Kriegers.«

Der Rittmeister sah gar wohl ein, daß er hier nicht starke Saiten aufziehen dürfe, und antwortete daher:

»Wir streiten uns nicht. Wenn deine Häuptlinge kommen, werde ich mit ihnen sprechen. Was mich betrifft, so würde ich allerdings keinen Roten brauchen.«

Das Auge des Indianers glühte auf.

»Wenn du keinen Roten brauchtest, so wärest du morgen eine Leiche, und dein Skalp hinge an dem Gürtel eines Apachen«, antwortete er. – »Alle Wetter! Was sagst du da?« fragte der Rittmeister erschrocken. – »Was du gehört hast!« – »Du sprachst von Apachen?« – »Ja.« – »Sind sie etwa in der Nähe?« – »Ja.« – »Wo?« – »Sie sind von ihren Weideplätzen aufgebrochen, um die Weißen zu töten.« – »Das ist möglich, aber sie haben einen weiten Weg.« – »Sie haben gute Pferde.« – »Eure Komantschen werden eher hier sein als sie.« – »Die Apachen sind eher da als wir.« – »Donnerwetter! Morgen kommt ihr, da müßten sie also heute hier sein.« – »Sie sind hier.« – »Wo?« – »Sie können in diesem Augenblick bereits draußen bei euren Pferden sein.« – »Heilige Madonna, ist das möglich?«

Der Offizier sprang erschrocken auf und die anderen mit ihm. Der Komantsche lächelte über den Eindruck, den seine Worte machten. Ein Indianer wäre ganz kaltblütig sitzen geblieben. Er wußte sehr genau, daß die Wilden ihre Angriffe am liebsten gegen Morgen unternehmen. Wenn er auch die Apachen gesehen hatte, so war er doch überzeugt, daß die Hazienda jetzt noch vor ihnen sicher sei. Darum sagte er in stolzem Ton:

»Die Bleichgesichter fürchten sich!« – »Nein!« rief der Rittmeister. »Aber wir wollen uns nicht unvermutet und wehrlos morden lassen. Hast du die Apachen gesehen?« – »Ja.« – »Wo?« – »Sie ritten am Wald vorüber, in dem morgen die Komantschen ankommen werden.« – »Wann?« – »Vor so viel Zeit, als die Bleichgesichter eine Stunde nennen.« – »Wie viele waren es?« – »Zehnmal zwanzig und sechs.« – »Alle Teufel, zweihundertundsechs! Doppelt so viel, als wir sind.« – »Es waren vier Bleichgesichter bei ihnen.« – »Ah! Jedenfalls Anhänger dieses Juarez! Jetzt ist es sicher, daß sie es auf die Hazienda abgesehen haben. Wir müssen uns in Verteidigungszustand versetzen!« – »Es werden dennoch viele Bleichgesichter fallen.« – »Das befürchte ich nicht. Wir ziehen uns hinter die Umzäunung zurück und sind dann vor ihren Kugeln sicher.« – »Es ist bei ihnen der größte Krieger der Bleichgesichter, er hat ein Gewehr, das viele Feinde tötet, ehe er wieder ladet.« – »Wer wäre das?« – »Der Fürst des Felsens.«

Dieser Name war überall bekannt und berühmt, auch die Offiziere hatten ihn bereits gehört.

»Der Fürst des Felsens?« fragte der Rittmeister. »Donnerwetter, das wäre die beste Gelegenheit, diesen famosen Kerl einmal zu sehen. Ist er wirklich dabei?« – »Ja, ich kenne ihn.« – »Aber was haben wir ihm getan, daß er als Feind zu uns kommt?« – »Der Fürst des Felsens ist der Freund der Apachen und Komantschen, er ist der Freund aller roten und weißen Männer«, sagte der Indianer. »Er ist gerecht und gut, er tötet nur den, der ihn beleidigt hat. Wenn er als Feind nach der Hacienda Verdoja kommt, so muß es hier einen Mann geben, der sein Feind ist.« – »Hm, vielleicht Verdoja selbst? Aber der ist nicht mehr da, der hat sich aus dem Staub gemacht, der ist entflohen. Wo stecken die Apachen?« – »Ich weiß es nicht, aber es war einer meiner roten Brüder bei mir, der ist ihnen nachgeschlichen. Er wird kommen und berichten, wo sie zu finden sind.« – »Das genügt. Du bleibst bei uns, bis eure Krieger kommen?« – »Ich bleibe hier während der Nacht, dann aber gehe ich meinen Brüdern entgegen, um sie nach der Hazienda zu führen.«

Somit war dieses Gespräch beendet, und der Rittmeister traf seine Vorbereitungen zum Empfang der Apachen. Die Pferde wurden auf der Weide gelassen, um den Anschein zu bewahren, daß man von der Anwesenheit der Feinde gar nichts wisse, die Dragoner aber löschten ihre Feuer aus und zogen sich hinter die Palisaden und in das Gebäude zurück. Da ein jeder einen Karabiner, einen Degen und auch Pistolen hatte, so war vorauszusehen, daß die Apachen mit fürchterlichen Verlusten zurückgeschlagen werden würden.


 << zurück weiter >>