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10. Kapitel.

Der Tag und die folgende Nacht verflossen sehr günstig, aber der Morgen brachte eine Unruhe, die sich allerdings nicht auf den Kranken bezog. Es erschien nämlich Büffelstirn, der Häuptling der Mixtekas, fragte nach dem Haziendero und erzählte, als er zu diesem geführt wurde, daß jedenfalls ein Überfall der Hazienda geplant werde. Arbellez erschrak.

»Da muß ich gleich Señor Sternau holen«, sagte er. – »Señor Sternau? Den großen Fremden, den ich zu Euch brachte?« fragte der Indianer. – »Ja.« – »Was soll dieser?« – »Uns einen guten Rat erteilen.«

Der Indianer machte eine Bewegung der Geringschätzung und fragte:

»Was ist dieser Mann?« – »Ein Arzt.« – »Ein Arzt der Bleichgesichter! Wie kann er Büffelstirn, dem Häuptling der Mixtekas, einen guten Rat geben?« – »Dir soll er ihn nicht geben, sondern mir. Ihr sollt miteinander beraten, was zu tun ist.« – »Ist er ein Häuptling des Rates im Kampf gegen die Feinde?« – »Er ist ein kluger Mann. Er hat Donnerpfeil gestern in den Kopf geschnitten und ihm den Verstand und das Gedächtnis wiedergegeben.«

Der Indianer staunte.

»Mein Freund Donnerpfeil spricht wieder wie ein vernünftiger Mann?« fragte er. – »Ja. Er wird in wenigen Tagen gesund sein.« – »So ist dieser Señor Sternau ein großer Arzt, ein kluger Medizinmann, aber ein Krieger ist er nicht.« – »Warum?« – »Hast du seine Waffen betrachtet?« – »Ja.« – »Hast du ihn reiten sehen?« – »Ja. Ich sah ihn von weitem kommen.« – »Nun siehe, er sitzt auf seinem Pferd wie ein Bleichgesicht, und seine Waffen glänzen wie Silber; das ist bei einem großen Krieger niemals der Fall.« – »Du willst also nicht mit ihm beraten?« – »Ich bin ein Freund der Hazienda, ich werde es tun, aber es wird keinen Nutzen bringen. Er mag geholt werden und kommen.«

Arbellez ging und trat bald darauf mit Sternau ein. Er hatte diesem unterwegs erzählt, was der berühmte Häuptling gesagt hatte. Sternau begrüßte ihn daher lächelnd, dann erkundigte er sich:

»Ich habe gehört, daß Ihr Büffelstirn seid, der größte Häuptling der Mixtekas. Ist dies wahr?« – »Ich bin es«, lautete die Antwort. – »Welche Botschaft bringt Ihr uns?« – »Ich sah, bevor ich Euch nach der Hazienda führte, zwölf Bleichgesichter, die Euch überfallen und töten wollen, jetzt aber sah ich dreimal so viele Weiße, die die Hazienda zerstören und alles Lebendige darin ermorden wollen!« – »Habt Ihr sie belauscht?« – »Ja.« – »Wann wollen sie kommen?« – »Morgen nacht.« – »Wo befinden sie sich?« – »In der Schlucht des Tigers.« – »Ist diese weit von hier?« – »Nach dem Maß der Bleichgesichter muß man eine Stunde reiten oder über zwei Stunden gehen.« – »Was tun sie jetzt?« – »Sie essen, trinken und schlafen.« – »Ist Wald in der Schlucht?« – »Ein großer, dichter Wald. Im Wald ist eine Quelle, und an dem Wasser liegen sie.« – »Haben sie Wachen ausgestellt?« – »Ich habe zwei Wachen gesehen, die eine am Eingang und die andere am Ausgang der Schlucht.« – »Wie sind die Bleichgesichter bewaffnet?« – »Sie haben Flinten, Messer und Pistolen.« – »Wollt Ihr mich hinführen?«

Bei dieser Frage blickte der Häuptling den Arzt mit sichtlichem Erstaunen an.

»Was wollt Ihr dort?« fragte er. – »Ich will mir die Bleichgesichter ansehen.« – »Wozu? Ich habe sie bereits gesehen. Wer sie sehen will, der muß durch den Wald und im Moos kriechen, und da würdet Ihr Euch Eure schönen mexikanischen Kleider beschmutzen.« Dies sagte Büffelstirn mit einem beinahe beleidigenden Lächeln, dann fügte er hinzu. »Und wer zu ihnen geht, sie zu belauschen, den werden sie erschießen.« – »Fürchtet Ihr Euch, mich zu begleiten?« fragte Sternau.

Da blickte ihm der Mixteka verächtlich ins Gesicht und erwiderte:

»Büffelstirn kennt keine Furcht. Er wird Euch führen, aber er kann Euch nicht helfen, wenn dreimal zwölf Bleichgesichter über Euch herfallen.« – »So wartet!«

Mit diesen Worten entfernte sich Sternau, um sich für den Weg vorzubereiten.

»Dieser Doktor wird sterben!« meinte der Indianer mit Bestimmtheit – »So wirst du ihn beschützen!« antwortete Arbellez sehr ernst. – »Er hat gesagt, daß er sich vor zwölf Feinden nicht fürchtet; er hat einen großen Mund und eine kleine Hand, er spricht viel und wird nichts tun.«

Damit trat er an das Fenster und blickte hinaus, als ob ihn alles Weitere nichts angehe.

Sternau hatte seine Jägerkleidung mit auf die Reise genommen. Er hatte sie auf der Jacht eingepackt sie mit nach Mexiko gebracht und in Mexiko hinter sich auf das Pferd geschnallt. Er legte sie jetzt an und kam dann zurück.

»Jetzt können wir gehen«, sagte er.

Der Mixteka drehte sich um. Als sein Auge auf den Mann fiel, der vor ihm stand, spiegelte sich auf seinem Gesicht das lebhafteste Erstaunen.

Sternau trug ein Paar elenlederne Leggins, ein festes Jagdhemd, einen breitkrempigen Hut und hoch heraufgehende Stiefel. Ober seiner Schulter hingen ein Henrystutzen, mit dem man fünfundzwanzigmal schießen kann, ohne zu laden, und eine doppelläufige Bärenbüchse. In seinem Gürtel steckten zwei Revolver, ein Bowiemesser und ein glänzender Tomahawk. Diese Waffen, außer dem Tomahawk, hatte der Indianer bereits gesehen. Das Äußere Sternaus war jetzt so kriegerisch und gebieterisch, daß es wohl Bedenken einzuflößen vermochte.

Der Indianer schritt an ihm vorüber und sagte nur das eine Wort:

»Kommt.«

Da er Sporen an den Stiefeln trug, fragte Sternau:

»Seid Ihr beritten?« – »Ja«, sagte Büffelstirn, noch einen Augenblick stehenbleibend. – »Wollt Ihr nach der Schlucht des Tigers reiten?« – »Ja.« – »Laßt Euer Pferd da, wir werden gehen.« – »Warum?« – »Ein Mann kann sich eher verbergen als ein Reiter, und ein Pferd verrät leicht den, dem es gehört. Ich will nicht die Fährte eines Pferdes machen.«

Der Blick des Mixteka leuchtete auf. Er sah ein, daß Sternau recht hatte. Er führte also sein Pferd nach der Weide, trat dann mit dem Deutschen hinaus ins Freie und schritt mit langsamen Schritten voran, ohne sich umzusehen. Nur einmal, als der Boden sandig war, blieb er stehen und blickte auf die Spur zurück, die sie gemacht hatten. Es war nur die Spur eines einzigen Mannes, denn Sternau war in die Fußstapfen seines Führers getreten.

»Ugh!« sagte dieser und nickte still mit dem Kopf.

Der Weg führte erst über von Sandflächen durchbrochenes Weideland, dann über mit Kleinholz bewachsene Höhen und endlich in einen Wald, dessen Bäume so stark waren, daß sich ein Mann gut hinter ihnen verbergen konnte. Jetzt waren sie fast zwei Stunden gegangen, als Sternau bemerkte, daß der Indianer vorsichtiger wurde; er schloß daraus, daß die Schlucht des Tigers in der Nähe sei. Zum Überfluß blieb der Mixteka stehen und sagte leise:

»Sie sind nicht weit von uns; mache keinen Lärm!«

Sternau beantwortete diese Mahnung mit keiner Silbe, mit keiner Miene und folgte seinem Führer schweigend weiter. Endlich legte sich dieser platt auf den Boden und bedeutete ihm, ein Gleiches zu tun. So krochen sie leise, ganz leise vorwärts, bis laute Stimmen an ihr Ohr schlugen.

Sie kamen in kurzer Zeit an den Rand einer tiefen Schlucht, deren Wände so steil abfielen, daß man sie unmöglich erklettern konnte. Diese Schlucht war vielleicht achthundert Schritte lang und dreihundert Schritte breit. Auf ihrem Grund schlängelte sich ein Wasser dahin, und an dem Ufer desselben lagen, im Gras ausgestreckt, gegen dreißig wohlbewaffnete Gestalten. Sowohl am Eingang als auch am Ausgang der Schlucht saß eine Wache.

Sternau überblickte das in einer Sekunde, dann flüsterte er:

»Ihr habt dreimal zwölf Krieger gesehen?« – »Ja.« – »Jetzt sind es kaum zweimal fünfzehn. Die anderen sind fort.« – »Sie werden auf Kundschaft gehen.« – »Oder auf Raub.«

Sternau horchte hinab. Es wurde so laut gesprochen, daß man ganz deutlich jedes Wort vernehmen konnte. Diese Menschen mußten sich sehr sicher fühlen.

»Und wieviel sollten wir erhalten, wenn wir sie erwischten?« fragte der eine. »Zehn Pesos der Mann? Das wäre genug. So viel sind zwei Deutsche und ein Spanier nicht wert.«

Aus diesen Worten hörte Sternau, daß die Rede von ihm und seinen beiden Gefährten war.

»Sie hatten einen anderen Weg eingeschlagen, hole sie der Teufel!« sagte ein zweiter. – »Warum fluchst du?« fragte dessen Nachbar. »Ich sage dir, es ist gut, daß sie uns entgangen sind, denn nun erhalten wir die ganze Hazienda als Beute, allerdings nur unter der Bedingung, daß wir alles niederschießen, besonders aber den einen Deutschen und den Spanier.« – »Wie nannte der Señor die beiden Namen?« – »Der Deutsche heißt Sternau und der Spanier Lautreville.« – »Ob wir Männer genug sind, um die Hazienda zu überwältigen? Dieser Arbellez soll gegen fünfzig Vaqueros haben.« – »Narr, wir überraschen sie ja!«

Jetzt wußte Sternau genug. Er war nicht der Mann, unnötigerweise Menschenblut zu vergießen, hier aber handelte es sich um die Ausrottung einer Räuber- und Mörderbande. Er griff daher zum Henrystutzen und nahm ihn langsam und vorsichtig von der Schulter.

»Was wollt Ihr tun?« fragte der Indianer besorgt. – »Diese Menschen töten.«

Der Häuptling sperrte den Mund auf.

»So viele?« fragte er. – »Ja.«

Man sah es dem Gesicht des Indianers an, daß er seinen Begleiter für vollständig verrückt halte. Er wollte sich zurückziehen. Aber Sternau gebot:

»Bleib! Oder fürchtest du dich? Ich bin Matavase, der Fürst des Felsens. Diese Mörder sind alle in unsere Hand gegeben.«

Bei Nennung dieses Namens fuhr der Indianer vor Schreck halb empor, um eine Bewegung der tiefsten Ehrerbietung zu machen.

»Du bestreichst den Ausgang mit deiner Büchse! Keiner darf entkommen.«

Bei diesen Worten legte Sternau auch die Büchse handgerecht vor sich hin, griff wieder zum Stutzen, legte an und senkte das Rohr nach abwärts. Aber er besann sich doch anders.

»Du sollst sehen, wie der Fürst des Felsens seine Feinde besiegt.«

Mit diesen Worten erhob er sich, so daß er von unten vollständig gesehen werden konnte, und stieß einen lauten Schrei aus, wie die Präriejäger es tun, wenn sie sich im Wald verirrt haben. Sofort richteten sich aller Augen zu ihm empor.

»Hier steht Sternau, den ihr haben wollt!« rief er hinab.

Seine Stimme schallte im Echo wider, und zugleich krachte sein Stutzen zum ersten Mal. Die Briganten waren aufgesprungen und griffen nach ihren Gewehren, die in der Schlucht zerstreut umherlagen. Aber sobald einer Miene machte, durch den Eingang zu entfliehen, streckte ihn die nächste Kugel nieder.

Die Schüsse fielen so schnell hintereinander, als ob zehn Schützen aus Doppelgewehren feuerten. Auch der Indianer hatte mit seiner Büchse zwei niedergestreckt, und als Sternau endlich den Stutzen wegwarf und nach der Büchse griff, waren nur noch zwei übrig. Den einen schoß er nieder, den letzten aber wollte er schonen.

»Leg dich nieder und beweg dich nicht!« rief er ihm zu. Der Mann gehorchte auf der Stelle.

»Geh hinab zu ihm, während ich ihn von oben bewache«, gebot er dem Häuptling der Mixtekas.

Dieser eilte in weiten Sprüngen am Rand der Schlucht dahin, bis er am Ausgang die Sohle erreichte und den Mann, der noch immer bewegungslos am Boden lag. Nun konnte dieser nicht entkommen. Sternau war dem Indianer gefolgt.

Jetzt gebot er dem am Boden Liegenden: »Steh auf!«

Der Mann erhob sich. Er zitterte an allen Gliedern. Ein solches Massaker war ihm noch gar nicht vorgekommen.

»Wie viele Männer wart ihr?« fragte ihn Sternau. – »Sechsunddreißig.« – »Wo sind die Fehlenden?«

Der Mann zögerte mit der Antwort.

»Rede, sonst kostet es dich dein Leben!« – »Sie sind nach der Hacienda Vandaqua.« – »Was tun sie dort?« – »Sie besuchen den Señor.« – »Wer ist der Señor?« – »Der uns befahl, die Hacienda del Erina zu überfallen.« – »Hat er euch seinen Namen nicht genannt?« – »Nein.« – »Ich kenne ihn dennoch. Habt ihr Pferde bei euch?« – »Ja.« – »Wo sind sie?« – »Sie weiden nicht weit von hier auf einer Lichtung.« – »Wie weit ist es von hier bis zur Hacienda Vandaqua?« – »Drei Stunden.« – »Wann ritten die Leute fort?« – »Vor einer Stunde.« – »Wann wollen sie wiederkommen?« – »Kurz vor Abend.« – »Gut! Führe uns nach der Weide, wo sich die Pferde befinden.«

Sternau lud zunächst seine Gewehre wieder, dann ließ er sich nach der Weide bringen. Hier wurden die drei besten Pferde ausgewählt und nach der Schlucht gebracht. Alle vorhandenen Waffen wurden in Decken gebunden und den Pferden aufgeladen. Darauf wurde auch der Gefangene auf ein Pferd geschnallt. Endlich stiegen die beiden Sieger auf, und fort ging es im Schritt durch den Wald, im Trab über die Berge und im Galopp über die Ebene.

Wie erstaunten die Bewohner der Hazienda, als die kleine Truppe dort anlangte. Sternau hatte seinen Patienten verlassen müssen, daher war sein erster Weg zu diesem. Unterdessen erzählte der Mixteka seinen staunenden Zuhörern, was geschehen war.

»Dieser Arzt ist der größte Held der Prärie«, sagte er. »Er ist Matavase, der Fürst des Felsens. Er hat fast zweimal fünfzehn Feinde getötet in zwei Minuten, und dennoch ist seine Büchse nicht warm geworden.«

Büffelstirn war soeben mit seinem Bericht fertig geworden, als Sternau wieder erschien. Er hatte seinen Patienten schlafend gefunden und Emma seine Maßregeln eingeschärft. Alle anderen Bewohner der Hazienda standen im Hof versammelt. Pedro Arbellez trat ihm entgegen und reichte ihm die Hand.

»Señor, Sie sind ein wahrer Teufel!« sagte er. »Aber es ist gut so, denn Sie haben mich vor einem fürchterlichen Feind errettet.«

Sternau nickte nur und erkundigte sich:

»Wie weit liegt die Hacienda Vandaqua von hier?« – »Drei Reitstunden.« – »Wie stehen Sie mit dem Besitzer?« – »Er ist mein Feind.« – »Ich dachte es. Dort steckt jetzt Pablo Cortejo, der diese Mörderbande gegen Euch gedungen hatte. Wir müssen ihn haben. Ihr, Mariano und ich reiten mit zehn Mann hin. Büffelstirn kehrt mit zehn Mann nach der Schlucht des Tigers zurück, um die Pferde und Beute zu holen, und die übrigen bleiben unter Aufsicht meines Freundes Helmers hier zum Schutz der Hazienda, da man nicht wissen kann, was geschieht. Seid ihr einverstanden?«

Alle die Genannten hatten nichts gegen die Rollen, die ihnen zugeteilt worden waren, und es dauerte nicht lange, so ritten die beiden Trupps von der Hazienda ab, ihrem Ziel entgegen.

Die Abteilung unter Büffelstirn hatte glatte Arbeit. Die Leute erreichten die Schlucht, plünderten die Toten und luden die sämtliche Beute auf die Pferde, die sie nach Hause brachten.

Anders war es mit der Abteilung, die nach der Hacienda Vandaqua bestimmt war. Diese mußte vorsichtig verfahren. Als man die Grenze überschritten hatte, begegnete ihnen ein Cibolero, der von der Hazienda kam. Sternau ritt an ihn heran und fragte:

»Du kommst von der Hacienda Vandaqua?« – »Ja, Señor.« – »Ist der Besitzer zu Hause?« – »Er sitzt beim Monte und spielt um silberne Pesos.« – »Mit wem spielt er?« – »Mit einem fremden Señor aus der Hauptstadt.« – »Wie heißt dieser?« – »Ich habe den Namen wieder vergessen.« – »Cortejo?« – »Ja.« – »Sind noch andere Fremde bei euch?« – »Noch sechs Señores, die vorhin erst kamen. Sie liegen bei den Vaqueros und spielen auch, aber nicht um silberne Pesos.«

Jetzt galt es vor allen Dingen, die richtige Art und Weise zu finden, um Cortejo in die Hand zu bekommen. Einen Hausfriedensbruch zu wagen, davon konnte gar keine Rede sein, dennoch aber stimmten sowohl Sternau als auch Mariano dafür, direkt dem Haziendero vor das Haus zu reiten und zu sehen, was weiter zu machen sei.

Man hatte noch eine tüchtige Viertelstunde zu reiten, ehe man die Hazienda zu Gesicht bekam, aber vorher schon bemerkte man von weitem einige dunkle Punkte, die draußen über die Ebene jagten.

Als die Truppe dort ankam, trat ihnen der Besitzer entgegen.

»Ah, Señor Arbellez«, sagte er, indem ein unbeschreibliches Lächeln um seine Lippen spielte. »Was verschafft mir die so seltene Ehre, Herr Nachbar?«

Da drängte Sternau sein Pferd vor und antwortete an Arbellez' Stelle:

»Verzeiht, Señor! Ich bin hier fremd und suchte Señor Cortejo in der Hacienda del Erina. Ich erfuhr aber, daß ich zu Euch muß, um ihn zu finden. Ist er zu sprechen?«

Das Äußere Sternaus machte einen solchen Eindruck auf den Haziendero, daß sein Lächeln verschwand. Er erhob den Arm, deutete hinaus in die Ferne und antwortete:

»Tut mir leid, Señor. Cortejo ist vor kurzem aufgebrochen.« – »Wohin?« – »Ich weiß es nicht.«

Sternau nickte lächelnd vor sich hin. Es war ja leicht erklärlich, daß dieser Mann Cortejo nicht verraten würde. Es galt nur zu prüfen, ob er die Wahrheit gesprochen habe, als er sagte, daß Cortejo aufgebrochen sei. Darum fragte Sternau:

»Würde es uns erlaubt sein, für kurze Zeit auf dieser Hazienda zu rasten?« – »Gern«, antwortete der Mann. »Tretet näher, Señores!«

Diese Einladung war Beweis genug, daß Cortejo nicht mehr anwesend sei.

»Wer waren die Männer, die da nach Westen hinüber ritten?« fragte Sternau. – »Quien save – wer weiß es!« antwortete der Haziendero.

Es war seinem verschlagenen Gesicht recht gut anzusehen, daß er hätte antworten können, wenn er gewollt hätte. Sternau machte also kurzen Prozeß:

»Lebt wohl!« sagte er, indem er sein Pferd drehte. »Wir werden bald wissen, wer es gewesen ist.«

Er sprengte davon, und die anderen folgten ihm.

Sie schlugen dieselbe Richtung ein, in der sie den Reitertrupp bemerkt hatten; es war die Richtung nach der Schlucht des Tigers. Als sie den Wald erreichten, vermochten sie nur sehr langsam vorzudringen. Die Pferde hinderten das Fortkommen; auch mußten sie besondere Vorsicht anwenden, da die Gegner sich versteckt haben konnten, um die Verfolger aus der Verborgenheit heraus niederzuschießen. Sie gelangten jedoch glücklich an den Eingang der Schlucht. Hier ließ Sternau den Trupp halten, um die Spuren zu untersuchen. Er fand, daß die Vaqueros bereits hiergewesen waren, aber auch Spuren, die aus der Schlucht heraus in westlicher Richtung in den Wald hineinführten. Das war ganz sicher Cortejo mit seinen Leuten gewesen, und nun galt es, zu erfahren, wohin derselbe sich begeben habe.

Aus diesem Grund folgte Sternau mit seinen Leuten diesen Spuren. Dieselben führten immer tiefer in den Wald hinein, schlugen eine südliche Richtung ein und traten in derselben aus dem Wald hinaus in die baumlose Ebene.

Zur Sicherheit blieb man bis gegen Abend auf der Fährte und überzeugte sich während dieser Zeit, daß die Verfolgten die Absicht hatten, sich nach dem kleinen Städtchen El Oro zu begeben. Endlich hielt man beruhigt wieder inne, und Sternau sagte:

»Wir können umkehren. Diese Leute sind uns wenigstens für einige Zeit ungefährlich. Sie haben eine Lehre erhalten, die sie sich merken werden.« – »Ich werde Anzeige erstatten«, bemerkte der Haziendero. – »Was wird dies Ihnen helfen?« – »Nichts, ich weiß es wohl. Dieses von der Natur so reich gesegnete Land ist doch eins der unglücklichsten der Erde. Es wird von Parteien zerspalten und zerrissen, einer ist gegen den anderen, Gerechtigkeit ist nicht zu finden, es gilt das Recht entweder des Schlechteren oder des Stärkeren, und wer Genugtuung haben will, der muß sie sich selbst nehmen. Ja, lasset uns zurückkehren. Der Anschlag, der gegen uns gerichtet war, ist niedergekämpft worden, und man wird uns nicht so bald wieder beunruhigen.«

Sie erreichten die Hacienda del Erina, als es bereits längst dunkel geworden war.


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