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33. Kapitel.

Als Büffelstirn den Rand der Prärie erreichte, war die Sonne bereits hinter dem Horizont verschwunden, in einer halben Stunde mußte es Nacht sein. Man sah die Apachen beschäftigt, die erlegten Büffel mittels des Lassos von ihren Pferden in die Nähe der Zelte schleifen zu lassen. Der Mixteka gab sich jetzt keine Mühe mehr, nicht gesehen zu werden, er sprengte gerade auf die Zelte zu, wo sich bereits einige hundert Krieger mit ihrer Beute versammelt hatten, und sprang dort vom Pferd.

Vor dem zweiten Zelt stand ein junger Häuptling mit drei Adlerfedern im Schopf. Es war Bärenherz. Er trat auf Büffelstirn zu und streckte ihm die Hand zum Willkommen entgegen.

»Mein Herz hat sich gesehnt nach dir«, sagte er. »Ich danke dir, daß ich dich wiedersehe. Sei der Gast meines Zeltes und rauche das Kalumet mit meinen Brüdern.«

Die Krieger, die im Kreise herumstanden, betrachteten mit Ehrfurcht den berühmten Häuptling der Mixtekas und bildeten eine Gasse, als Bärenherz ihn zu den beiden anderen Häuptlingen führte, die vor dem Zelt des Fliegenden Pferdes saßen. Sie erhoben sich, obgleich der Alte den Mixteka gesehen hatte, und reichten ihm die Hände. In kurzer Zeit brannte ein Feuer, man briet viele Büffelrippen über demselben, und dann wurden noch mehrere angebrannt, immer eins neben dem anderen, so daß sich bald ein Halbkreis von Feuern gebildet harte, in dessen Mittelpunkt die drei Häuptlinge mit dem Gast saßen. Das bratende Fleisch verbreitete einen Geruch, der auch dem verwöhntesten Gaumen Appetit gemacht hätte, und die Flammen warfen ihre Reflexe hinaus auf die Prärie, wo kein Krieger sich mehr befand und nur die feigen Präriewölfe hin und her huschten, angelockt von der Ausdünstung des vergossenen Büffelbluts.

Nur einer fehlte, der Sohn des Fliegenden Pferdes. Sie alle wußten es, aber keiner sagte ein Wort. Es wurde überhaupt bei der Zubereitung des Mahles keine Silbe gesprochen. Die geselligen Zusammenkünfte und Vergnügungen der wilden Indianer werden ja stets durch ein anhaltendes Schweigen eingeleitet. Nur dann, wenn das Fleisch gar ist, hat der oberste Häuptling das Recht, die Unterhaltung zu beginnen.

Da plötzlich wurden aller Augen nach einer grotesken, fürchterlichen Gestalt gerichtet, die langsam dahergeschritten kam. Es war der junge Apache. Er hatte dem Bären das Fell abgenommen, den Kopf aber drangelassen. Diesen Kopf hatte er sich auf den seinigen gesetzt, so daß ihn das Fell wie ein weiter, ungeheurer Mantel umgab. Der Bär war so groß gewesen, daß dieser Mantel eine Elle lang am Boden nachschleifte.

Am Feuer der Häuptlinge hielt er an, er wunderte sich, den fremden Helfer bei ihnen sitzen zu sehen, verriet das aber durch keine Miene und legte die beiden Tatzen des Bären, die er in der Hand hielt, vor Büffelstirn nieder. Das war eine ehrenvolle und für die anderen sehr überraschende Widmung. Sie merkten daraus, daß Büffelstirn mit der Erlegung des Bären in irgendeinem Zusammenhang stehe und daß er der Namensgeber, der Pate des jungen Häuptlingssohnes sein solle, aber keiner sprach ein Wort, sogar das Fliegende Pferd nicht. Doch man sah die Augen des Alten leuchten vor Freude, daß sein jüngster Sohn eine solche Heldentat verrichtet und den gefürchteten Grizzly erlegt habe.

Endlich, als das Fett aufzuhören begann, in das Feuer zu tropfen, und die Bratstücke sich bräunten, griff das Fliegende Pferd nach der bereitgehaltenen Friedenspfeife, erhob sich und begann:

»Heute ist den Kriegern der Apachen große Freude widerfahren, denn Büffelstirn, der große Häuptling der Mixtekas, der Freund unseres Bruders Bärenherz, ist gekommen, um das Kalumet mit ihnen zu rauchen. Seine Hand ist stark und sein Fuß schnell, seine Gedanken sind die Gedanken eines Weisen, und alles, was er tut geschieht in der Weise eines Helden. Er sei uns willkommen!«

Der Häuptling legte nunmehr eine Kohle auf den Tabak, tat aus der Pfeife sechs Züge, die er nach dem Himmel, der Erde und den vier Richtungen von sich blies, reichte die Pfeife dem Gast, der sich wieder erhoben hatte und nun sprach:

»Die Söhne der Apachen sind große und tapfere Krieger, sogar ihre Knaben erlegen den grauen Bären mit einer einzigen Kugel und ohne mit der Wimper zu zucken.«

Aller Augen richteten sich bei diesen Worten auf den Sohn des Häuptlings. Dieser hatte aus den Worten seines Vaters erfahren, welchem berühmten Mann er solche Güte zu verdanken habe, und sein Herz bebte vor Wonne. Im Auge des Alten aber glänzte es feucht, als er hörte, daß sein Sohn von einem solchen Krieger und Häuptling sogar in der ersten, allgemeinen Anrede ausgezeichnet werde. So eine Auszeichnung war noch niemals erlebt worden. Büffelstirn fuhr fort:

»Der Häuptling der Mixtekas ist zu ihnen gekommen, um ihnen eine Kunde zu bringen. Sie mögen ihn hören nachher, wenn das Mahl gehalten ist. Ihre Feinde sind seine Feinde und ihre Freunde seine Freunde. Er läßt sein Leben für jeden Sohn der Apachen und wird sich freuen, den Ruhm der Mixtekas mit dem ihrigen zu vereinigen.«

Nach diesen Worten tat auch er die sechs beschriebenen Züge aus der Friedenspfeife und gab sie dann an Bärenherz. Dieser und nach ihm der dritte Häuptling, der ein Sohn des Fliegenden Pferdes war, taten unter ähnlichen Höflichkeitsausdrücken ebenso, und nun ging die Pfeife im Kreis der Krieger herum. Nur der Sohn des Alten durfte sie nicht in den Mund nehmen, da er noch keinen Namen hatte.

Als diese Zeremonie beendet war, begann das Essen. Die großen Stücke Büffelfleischs verschwanden in einer Zeit, deren Kürze ganz erstaunlich war, und dann erklärte der Alte, daß man bereit sei, die Kunde Büffelstirns zu vernehmen.

Dieser erhob sich und begann:

»Es ist in dem Land Mexiko ein großer Streit ausgebrochen. Die Krieger und Männer sind mit dem Häuptling, den sie sich gewählt hatten, nicht mehr zufrieden. Er ist ein Bleichgesicht und tut nichts, was seines Amtes ist. Sie haben sich einen anderen Häuptling namens Juarez gewählt. Er ist stark wie ein Büffel, schlau wie ein Panther und erfahren in allen Dingen, die ein Häuptling wissen muß. Er hat die Stimme seines Volkes gehört und will die Seinen glücklich machen. Daher hat er sich mit tapferen Kriegern umgeben und durchzieht das Land, um alle zu sammeln, die zu ihm gehören. Da ist es dem bisherigen Häuptling angst geworden, und er hat viele Boten zu den Söhnen der Komantschen gesandt, die ihm helfen sollen. Die Häuptlinge der Komantschen aber haben eine große Beratung gehalten und ihm ihre Hilfe versprochen. Jetzt brechen sie auf, viele hundert Krieger stark, und ziehen nach Mexiko. Sie wollen sich zwischen dieses Land und die Weidegründe der Apachen legen. Wenn ihnen dies gelingt, so sind die Krieger der Apachen von den südlichen Gebieten abgeschnitten und werden in die Gebirge gedrängt, wo sie großen Mangel leiden müssen, denn der Winter ist vor der Tür. Der neue Häuptling der Mexikaner aber liebt die tapferen Krieger der Apachen, er will nicht haben, daß sie von den Hunden der Komantschen verdrängt werden, und sendet mich, ihnen zu sagen, daß er sich mit ihnen vereinigen will, den Feind zurückzujagen. Die Komantschen befinden sich bereits auf dem Kriegspfad, aber wenn die Apachen sofort aufbrechen und sich zwischen die Wüste Mapimi und die Stadt stellen, die man Chihuahua nennt, so können die Komantschen ihren Weg nicht fortsetzen und werden mitten in der Wüste erschlagen. Wenn die Krieger der Apachen meine Stimme hören, so werden sie viele Skalpe erbeuten und einen großen Sieg erfechten.«

Nach diesen Worten setzte er sich wieder nieder. Die Versammelten blieben zunächst in ein tiefes Schweigen versunken. Dann sagte das Fliegende Pferd:

»Die Worte unseres Bruders klingen gut. Der neue Häuptling Juarez ist ein roter Mann, dessen Stimme wir lieber hören als diejenige eines Bleichgesichts; die Söhne der Apachen werden sich nicht verdrängen lassen von den Feiglingen der Komantschen. Das Fliegende Pferd bittet die beiden anderen Häuptlinge, ihre Stimme zu erheben.«

Da stand Bärenherz auf und sprach:

»Hier steht mein Bruder Büffelstirn. Er ist ein berühmter Krieger, er fürchtet keinen Feind, und auf seiner Zunge wohnt nur das Wort der Wahrheit. Er wird nie etwas sagen und fordern, was den Söhnen und Töchtern der Apachen Schaden bringen könnte. Ich habe mit ihm die Komantschen getötet und werde mir mit ihm noch viele ihrer Skalpe holen. Sie befinden sich bereits auf dem Weg, und darum darf keine Zeit verloren werden. Hier sind versammelt drei Stämme der Apachen, um Fleisch zu machen für den Winter. Ich bin der Anführer der tapferen Jicarilla-Apachen, ich werde sogleich mit ihnen aufbrechen, wenn die beiden anderen Stämme uns versprechen, Fleisch für den Winter für uns zu bereiten und uns dann nachzukommen.«

Der dritte Häuptling, der Sohn des Alten, nahm auch das Wort.

»Mein Bruder Bärenherz hat die Wahrheit gesprochen«, sagte er. »Die Krieger der Apachen dürfen keine Zeit verlieren. Einer der Stämme muß schnell aufbrechen, und welcher dies sein soll, ob der seinige oder der meinige, das soll die Beratung entscheiden.«

Somit hatten alle drei Häuptlinge sich einverstanden erklärt, und es galt nur noch, den Medizinmann zu befragen. Medizin bedeutet bei den Indianern nicht Arznei, sondern Zauber, der Medizinmann ist also der Zauberer, der einen großen Einfluß auf alles einzelne und allgemeine hat, besonders wichtig ist seine Zustimmung, wenn es sich um einen Kriegszug handelt. Sagt er voraus, daß der Zug verunglücken werde, so wird derselbe nicht unternommen.

Der Mann hatte alle Insignien seiner Würde bei sich, wunderbar geformte Skalpe, Beutel, Haarschöpfe, Stäbe und Fähnchen. Er hüllte sich jetzt in die frische Haut eines der getöteten Büffel, legte die Zeichen seiner Würde an und begann einen Tanz, der um so ungeheuerlicher und grotesker aussah, als er von den düsteren Feuern beschienen wurde, die tiefe Schatten in die dunkle Ebene hinaus zeichneten.

Die Indianer sahen mit ernster Andacht zu und wurden nicht ungeduldig, obgleich der Tanz eine ziemliche Weile in Anspruch nahm. Endlich hielt der Zauberer in seinen Bewegungen inne, nahm zwei Feuerbrände und beobachtete die Richtung des Rauches, dann warf er einen forschenden Blick zu den Sternen empor und verkündete mit lauter Stimme:

»Manitou, der große Geist, zürnt den Kröten, die sich Komantschen nennen; er gibt sie in die Hände der Apachen und gebietet, daß die Krieger der Jicarilla ausziehen, sobald die Sonne sich zum zweiten Male erhebt, die anderen Stämme sollen ihnen folgen, wenn das Fleisch getrocknet ist, das für den Winter reicht.«

In diesen Worten war nicht nur die Erlaubnis Gottes zum Kriegszug enthalten, sondern es war auch auf eine schnelle und darum praktische Weise die Frage entschieden, welcher Stamm zunächst aufzubrechen habe; es war der Stamm, dessen Häuptling Bärenherz war. Diese Leute jubelten vor Freude. Sie erhielten einen vollen Tag Zeit, ihre Vorbereitungen zu dem Kriegszug zu treffen. Dies war ein Umstand, der sie sehr befriedigte, denn ohne diese Vorbereitungen, zu denen besonders das Anmalen mit den Kriegsfarben gehört, glaubt der Indianer nicht an einen glücklichen Ausgang.

Es wurden nun noch verschiedene Einzelheiten besprochen, über die man sich schnell einigte, denn alle waren begeistert von dem Gedanken, den Komantschen so viele Skalpe wie möglich abzunehmen.

Nach diesen notwendigen Verhandlungen war es dem Fliegenden Pferd möglich, seinem jüngsten Sohn gerecht zu werden. Dieser hatte bis jetzt bewegungslos dagesessen und kein Wort gesprochen. Nun aber fragte ihn sein Vater:

»Mein Sohn hat sich in die Haut des Bären gekleidet. Hat er ein Recht dazu?« – »Ich habe ihn erlegt«, antwortete der junge Mann. – »Allein?« – »Ganz allein.« – »Mit welcher Waffe?« – »Mit der Büchse, die der berühmte Häuptling der Mixtekas mir lieh. Er ist Zeuge.«

Da wandte sich der Alte an Büffelstirn und sagte:

»Der Häuptling der Mixtekas ist Zeuge von dem Kampf mit dem Bären, denn die Tatzen desselben liegen zu seinen Füßen. Er mag uns erzählen, was er gesehen hat.«

Büffelstirn erzählte mit kurzen Worten das Vorkommnis, vermied aber dabei alles, was den jungen Mann kränken konnte. Als er geendet hatte, erhob sich Bärenherz und sagte:

»Der Sohn des Fliegenden Pferdes hat den Grizzly erlegt; er hat dazu eines einzigen Schusses bedurft, das ist mehr, als wenn er zwanzig feige Söhne der Komantschen getötet hätte, sein Herz ist stark, seine Hand fest und sein Auge sicher, er verdient, aufgenommen zu werden unter die Schar der Krieger. Bärenherz will, daß sein junger Bruder einen Namen erhalte.«

Das war sehr schmeichelhaft für Vater und Sohn, denn beide hatten als die Beteiligten kein Recht, den Antrag zu stellen, den Bärenherz jetzt ausgesprochen hatte. Er erhielt allgemeinen Beifall. Der Besieger des Bären stand noch immer aufrecht am Feuer. Sein Auge glänzte vor Stolz und Freude, und er sagte:

»Bärenherz, mein Bruder, ist berühmt unter den Berühmten; seiner Rede verdanke ich es, daß ich einen Namen haben werde. Wann soll das Fest des Namens gefeiert werden?« – »Sobald die Söhne der Apachen heimgekehrt sind in ihre Wigwams«, antwortete der Alte. – »Darf einer, der keinen Namen hat gegen die Hunde der Komantschen ziehen?« – »Nein.« – »Aber ich will jetzt Bärenherz, meinen Freund, nach Mexiko begleiten; darum soll man mir bereits morgen einen Namen geben.« – »Das ist nicht Sitte; aber die Tatzen des Bären gehören dem Häuptling der Mixtekas, er ist unser Gast und mag entscheiden, wann er einen Namen für dich hat.«

Da sagte Büffelstirn:

»Diesen Namen habe ich bereits. Mein junger Freund hat den Grizzly überwunden, und darum soll er Grizzlytastsa, der Grizzlytöter, heißen. Ich werde ihm morgen diesen Namen geben, und wenn mein Bruder, das Fliegende Pferd, erlaubt, so soll Grizzlytöter mit uns nach Mexiko reiten, um sich die Skalpe der Komantschen zu holen, nachdem er sich die Haut des Bären genommen hat.«

Dieser Vorschlag des berühmten Häuptlings war abermals eine ehrenvolle Auszeichnung für den jungen Apachen und wurde darum sofort angenommen.

Damit war die Beratung beendet, aber noch lange saßen die Männer beisammen, um sich in ihrer ernsten, ruhigen Weise über den beabsichtigten Kriegszug auszusprechen. Einige brachen trotz der Dunkelheit nach der Schlucht auf, um den von Büffelstirn getöteten Stier und den abgezogenen Bären herbeizuschaffen. Es geschah dies durch Schleifen, die man aus freier Hand fertigte und an die man mittels Lassos die Pferde spannte.

Darauf trat die nächtliche Stille ein. Büffelstirn schlief im Zelt Bärenherzens, und das Lager war von Posten bewacht, die sich stündlich abzulösen hatten.

Am anderen Morgen wurde die Feier der Namensgebung vorgenommen, bei der die beiden gebratenen Bärentatzen eine Hauptrolle spielten. Grizzlytöter erhielt die beste Büchse seines Vaters und als Häuptlingssohn das Recht, eine Adlerfeder in seinem Haarschopf zu tragen. Am Nachmittag begannen die Kriegsmalereien. Es waren gegen zweihundert Krieger, die bei Anbruch des Tages abziehen sollten, und sie alle hatten vollauf zu tun, ihre Kleider und Waffen mit den Trophäen früherer Siege zu schmücken.

Als diese Schar am anderen Morgen das Lager verließ, wurde sie von den übrigen eine Strecke lang begleitet, und erst nach der Trennung formierte man den bekannten indianischen Zug, indem ein Reiter dem anderen folgte. Der älteste Krieger erhielt das Kommando über die Schar; Büffelstirn, Bärenherz und Grizzlytöter aber ritten im Galopp davon, um eine halbe Tagereise vor den Ihrigen die Gegend zu erkunden und für die nötige Sicherheit zu sorgen.

Da man die offene Prärie nicht benutzen durfte, so führte der Zug in das Gebirge und über die verschiedenen Stufen desselben empor auf die Hochebene; dies gab einen Aufenthalt, eine Verspätung, die man aber der Vorsicht halber keineswegs umgehen konnte, und erst am fünften Tag nach dem Aufbruch wurde die Wüste Mapimi erreicht, und zwar an einem Punkt, der sich ungefähr zwischen dem Muschelsee und dem westlichen Ende der Wüste befand.

Da es galt, zwischen Chihuahua und den heranziehenden Komantschen Stellung zu nehmen, so drangen die drei Männer nach Süden vor, immer weiter in die Mapimi ein, bis sie plötzlich alle drei zugleich ihre Pferde anhielten, denn gerade im rechten Winkel zu ihrer jetzigen Richtung führten Spuren vorüber.

»Reiter!« sagte Grizzlytöter, indem er vom Pferd stieg. »Mein Bruder mag zählen, wieviel es ihrer waren«, sagte Bärenherz, indem er ruhig im Sattel blieb. Er wollte nur den Scharfsinn des jungen Apachen üben, denn für ihn selbst hätte es nur einer halben Minute bedurft, um die Zahl der vorübergekommenen Pferde zu erkennen.

Grizzlytöter untersuchte die Fährte und sagte dann: »Es waren zehn und ein Pferd.« – »Das ist richtig. Wer hat auf diesen Pferden gesessen?« – »Es waren Bleichgesichter.« – »Woraus sieht das mein Bruder?« – »Sie sind nicht hintereinander geritten. Ihre Spur ist so breit, daß man alle Huftritte zählen kann.« – »Wann kamen sie vorüber?«

Der junge Apache bückte sich abermals nieder und antwortete dann:

»Die Sonne steht jetzt bald über uns; sie sind vorübergekommen, als sie gestern fast am Horizont war.« – »Hatten diese Bleichgesichter Eile oder nicht?« – »Sie hatten sehr große Eile, denn der Sand wurde von den Hufen zurückgeschleudert. Sie sind im Galopp geritten.« – »Mein Bruder hat sehr richtig gesehen, nun aber mag er mir noch sagen, ob es gute Männer waren oder böse!«

Grizzlytöter blickte den Häuptling einigermaßen ratlos an, schüttelte langsam und nachdenklich den Kopf und erwiderte dann:

»Wer soll das aus dieser Fährte erkennen! Kein Mensch!« – »Ich werde meinem Bruder beweisen, daß es zu erkennen ist. Die Mapimi ist hier vier Tagereisen breit. Wer über drei Tagereisen geritten ist, dessen Tier ist sehr ermüdet, und er wird es schonen. Die Eindrücke der Hufe sind nicht leicht, wie beim Galopp, sondern sehr tief; die Sprünge sind nicht weit und langgestreckt, sondern kurz gewesen. Die Tiere waren angegriffen und wurden über die Maßen angestrengt, die Reiter befanden sich also auf der Flucht.«

Grizzlytöter wollte sich verteidigen und sagte:

»Auch wer sich auf der Verfolgung befindet, reitet schnell.« – »Hätten sie einen Feind verfolgt, so wären sie auf dessen Fährte geritten, dies ist nicht der Fall; es gibt keine frühere Fährte, sie sind geflohen, sie befanden sich auf der Flucht und werden verfolgt. Es sind also böse Menschen gewesen.«

Büffelstirn nickte und sagte, scharf nach der Richtung blickend, aus der die Fährte kam:

»Bärenherz hat recht. Die Verfolger können bald eintreffen, und da wir uns nicht sehen lassen dürfen, so mag Grizzlytöter zurückreiten und sagen, daß die Krieger der Apachen uns nicht hierher folgen mögen; sie sollen weiter nach Norden über die Höhen gehen, welche die Mapimi begrenzen, und dort auf mich und Bärenherz warten. Wir werden sehen, was diese Spuren zu bedeuten haben.«

Der junge Apache gehorchte. Er setzte sich auf sein Pferd und ritt im Galopp zurück. Die beiden anderen verfolgten den westlichen Lauf der Spuren und blickten sich dann an. Sie sahen, daß sie ganz denselben Gedanken hatten.

»Die Fährte geht gerade nach West«, sagte Büffelstirn. – »In jenen Paß hinein. Das ist ein gefährlicher Ort.« – »Vielleicht stellen die Verfolgten den Verfolgern eine Falle. Wir wollen nachsehen.« – »Aber wir müssen unsere Spuren verbergen, denn die Verfolger können doch unsere Feinde sein. Mein Bruder mag mir helfen.«

Sie löschten die Tapfen ihrer Pferde und ihre eigenen mit einer Geschicklichkeit aus, die bewunderungswert genannt werden mußte, und als dies auf einer genügend langen Strecke geschehen war, ritten sie einen Bogen und erreichten die Berge, die an der westlichen Grenze der Mapimi liegen, vielleicht eine englische Meile nördlich von der Stelle, an der der Paß durch die Berge führt.

Es gab zwar hier ein außerordentlich schwieriges Terrain, aber dennoch lenkten sie ihre Pferde die schroffen, von Gebüsch besetzten Höhen hinan, wieder in die Tiefe hinab und ließen sie hier, wo sie in Sicherheit waren, stehen. Dann stiegen sie einen Felsenrücken empor und konnten nun von hier aus eine ziemliche Strecke des Passes übersehen. Derselbe bildete gerade unter ihnen das Tal, in dem Verdoja zum letzten Mal gelagert hatte und von dem aus die kleine Seitenschlucht nach Süden lief, in der die Mexikaner zurückgeblieben waren, die Sternau töten oder fangen sollten. Davon aber wußten die beiden Indianer nichts.

Sie hatten sich auf den Boden niedergeduckt und konnten von unten unmöglich gesehen werden, während ihre scharfen, geübten Augen alles erkannten, was unter ihnen lag.

»Uff!« sagte da plötzlich Bärenherz.

Dieses Wort war ein sicherer Beweis, daß er etwas Ungewöhnliches bemerkte. Büffelstirn sah ihn an und folgte dann der Richtung seiner Augen. Da erkannte er einen Mann, der aus dem Seitental empor zur Höhe stieg. Die Entfernung war so groß, daß der Mann einem großen Käfer glich, der sich aufwärts bewegte, dennoch aber wußten die beiden sofort, wie sie ihn zu bezeichnen hatten.

»Ein Mexikaner«, sagte Büffelstirn. – »Ja«, antwortete Bärenherz. »Das Seitental scheint besetzt zu sein.« – »Sie stellen den Verfolgern einen Hinterhalt.«

Die beiden Indianer warteten nun, bis der Mann die gegenüberliegende Höhe erreicht hatte, dort stillstand und nach Osten blickte, und sie folgten mit ihren Augen dann ganz unwillkürlich derselben Richtung. Es vergingen einige Sekunden, ehe sie den dortigen Horizont abgesucht hatten, da aber meinte Büffelstirn:

»Uff, sie kommen!« – »Drei Reiter!« fiel Bärenherz ein.

In der Tat erblickten sie jetzt drei kleine Punkte, die aber so winzig waren, daß sie nur von zwei Paar solcher Augen erkannt werden konnten, wie sie die beiden Indianer besaßen. Der Mexikaner da drüben, jenseits des Passes, hatte sie jedenfalls noch nicht erkannt.

»Sollten es die Verfolger sein?« fragte Bärenherz. – »Nein«, antwortete Büffelstirn. – »Warum nicht?« – »Würden elf Krieger vor dreien fliehen?« – »Warum nicht, wenn diese drei tapfer genug sind! Übrigens können diese drei ja der Vortrab einer größeren Horde sein.« – »Wir müssen es abwarten.«

Sie beobachteten den Mann, der drüben auf dem Berg stand, auch fernerhin mit großer Aufmerksamkeit. Er stieß jetzt einen Ruf aus und stieg so schnell wie möglich von der Höhe herab. Offenbar hatte er die drei Nahenden jetzt auch bemerkt.

»Er benachrichtigt die anderen, die sich versteckt haben«, meinte Bärenherz.

Und so war es wirklich, denn nachdem er in dem Seitental verschwunden war, erschien er eine Minute später mit noch zwei anderen, die aus dem Tal herauskamen und sich mit ihm hinter einen Felsen versteckten, der die ganze Breite des Passes beherrschte.

»Sie werden die Nahenden töten«, sagte Bärenherz. – »Aber weshalb sind es nur drei, da wir doch elf Spuren fanden?« – »Die anderen haben den Ritt fortgesetzt, da die drei Feiglinge genug sind, um drei tapfere Männer aus dem Hinterhalt zu ermorden.« – »Wollen wir die Bedrohten warnen?« – »Wir warnen sie nicht nur, sondern helfen ihnen, wenn sie es wert sind. Es vergehen nach der Zeit der Weißen noch fünf Minuten, ehe sie hier sind, und das gibt uns Zeit, hinter ihre Gegner zu kommen. Vorwärts!«

Bärenherz glitt wieder von der Höhe herab, und Büffelstirn folgte ihm. Sobald sie von unten nicht mehr gesehen werden konnten, rannten sie aus Leibeskräften an der Abdachung des Berges dahin, bis sie ein Gebüsch erreichten, das sich über die Höhe zog und drüben bis auf die Sohle des Passes niederstieg.

Im Schutz dieses Gebüschs gelangten sie hinab, und zwar in genügender Entfernung, um von den drei Mexikanern nicht gesehen zu werden, dann sprangen sie quer über das Tal und befanden sich auf derselben Seite, an der die Männer versteckt lagen. Nun galt es, sich diesen unbemerkt zu nähern. Es gab zum Glück einige Büsche und zerstreute Felsblöcke, die Deckung gewährten, und so brachten es die beiden Häuptlinge fertig, sich vorwärts zu bewegen und hinter einem Stein Posto zu fassen, der kaum fünfzig Schritt von dem Felsenstück entfernt war, hinter dem die drei Mexikaner lagen.

Die Häuptlinge konnten die letzteren genau sehen und zugleich auch die ganze Sohle des Tales überblicken. Sie kauerten hinter dem Stein und hielten ihre Büchsen schußbereit.

Da hörte man Pferdegetrappel, und sogleich erschienen die drei Nahenden am Eingang des Haupttales, befanden sich aber noch außer Schußweite.

Kaum hatten die Indianer einen Blick auf sie geworfen, so konnten sie sich eine Bewegung der lebhaftesten Überraschung nicht erwehren.

»Uff!« flüsterte Bärenherz. »Das ist Itintika, Donnerpfeil, unser Bruder.« – »Und Francesco, der Vaquero!« flüsterte Büffelstirn. »Was tun die hier? Sollte es auf der Hacienda del Erina ein Unglück gegeben haben?« – »Das müssen wir abwarten. Aber wer ist der starke Krieger, den sie bei sich haben? Kennt ihn mein Bruder Büffelstirn?« – »Ja«, entgegnete Büffelstirn. »Es ist der berühmteste Jäger der Savanne, es ist der Fürst des Felsens, vor dem alle Feinde zittern.« – »Ugh!« machte Bärenherz, indem seine dunklen Augen glänzten. »Das ist ein großer Tag, an dem Bärenherz diesen Krieger kennenlernt. Wir werden die drei Mexikaner töten!« – »Erst wollen wir sehen, was sie vorhaben. Nur wenn sie zu den Waffen greifen, schießen wir sie nieder.«

Die Mexikaner lagen hinter dem Stein und flüsterten miteinander. Sie hatten nur Sternau erwartet, und zwar auch nicht jetzt schon, sondern erst am nächsten Tag. Und nun kam er nicht allein, sondern mit zwei anderen. Wer waren sie?

»Sie werden unterwegs zu ihm gestoßen sein«, sagte der eine Mexikaner zu seinen Gefährten. »Was tun wir? Es sind nun drei gegen uns.« – »Pah!« antwortete der zweite. »Fangen können wir ihn nicht; das ist nun wegen seiner Begleiter unmöglich; aber erschießen werden wir ihn.« – »Und die Begleiter? Lassen wir sie laufen?« – »Unsinn! Sie müssen fallen, damit sie nichts erzählen können. Aber wir haben noch Zeit. Sie sind noch nicht im Bereich unserer Büchsen, und wir dürfen keinen von ihnen fehlen. Sie müssen auf unsere ersten Schüsse fallen, sonst kann es uns übel ergehen; wir wissen ja, was für ein Teufel dieser Sternau ist. Übrigens haben wir Zeit zum Zielen, denn wenn sie hier die Spuren unseres Lagers finden, werden sie diese genau untersuchen und also geraume Zeit vor den Mündungen unserer Gewehre verweilen und uns nicht entlaufen. Wir brauchen uns nicht zu überstürzen und können mit Gemächlichkeit zielen.« – »Wenn unsere Kameraden, die Verdoja zurücksenden wollte, bereits erschienen wären, so würden wir alle drei fangen können«, meinte der dritte. – »Wir brauchen sie nicht Wir sind stark genug.« Die Mexikaner ahnten nicht, daß wenige Schritte hinter ihnen zwei furchtbare Männer lagen, die jede ihrer Bewegungen beaufsichtigten.


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