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Vierzigstes Kapitel

Reich an Kleinoden aus den ind'schen Zonen.
Dem Staub, den sie geholt von fremden Thronen –
Fluchwürd'ger Handel! Deine Söldner achten
Nicht aus das Weh von Tausend, die verschmachten.
Und suchen frevelnd Schätze zu erwerben.
Wo ringsum ganze Völker Hunger sterben;
Sie spotten über Brudernoth und tragen
Den Fluch der Reiche, wo nur noch Verzagen.
Unsel'ges Gold, mit ew'ger Schmach erkauft.
Das uns für alle Zeit mit Blut getauft!

Campbell.

Gold – Gold! Was versucht der Mensch nicht um deinetwillen! Welche Herabwürdigungen läßt er sich nicht gefallen, und wie viel wagt er nicht, um dich zu besitzen, in dieser Welt sowohl, als in seinen Aussichten für eine andere! – Du belohnst den Gewerbsfleiß, bist der Sporn des Unternehmungsgeistes, erzeugst Verbrechen und läßt dir sogar den Himmel abhandeln, du mächtiger Bundesgenosse des Teufels. Ein einziger Versucher war für den Fall des Menschen hinreichend, aber du wurdest dazu gegeben, damit Letzterer sich nie wieder erhebe.

Betrachtet das indische Reich, berechnet die Millionen von Morgen, die von Milliarden Menschen bewohnt werden, und dann haltet inne, um die Frage an euch zu stellen – wie kommt es, daß eine Kompagnie von Kaufleuten all dies als sein Eigenthum ansieht? Durch welche Mittel ist sie zu dem Besitze gekommen?

Ehrlich, werden sie antworten. Ehrlich? Ihr gingt hin als Bittende, wurdet mit Wohlwollen und Gastfreundschaft aufgenommen, erhieltet die Gewährung eurer Bitte und verschaffet euch so einen Fuß auf dem Boden. Nun seid ihr die Herren zahlloser Morgen – die Herren über Millionen, welche leben dürfen und zu Grunde gehen müssen, ganz nach eurer Willkür, während ihr ihnen zugleich einen ungeheuern Tribut abnehmt. – Wie ging dies zu?

Ehrlich, sagt ihr wieder – durch Vertrag, Abtretung und den Umstand, daß wir denjenigen die Mittel abnahmen, uns Schaden zuzufügen, welche uns vernichtet haben würden. – Ehrlich? frage ich wieder. O, daß der Himmel eure unverschämte, keckstirnige Lüge aufzeichnen und die Hölle darüber lachen möge.

Nein – es wurde herbeigeführt durch jeden Treubruch, den sogar die Heiden für schändlich gehalten haben würden, durch jeden Akt der Grausamkeit, welcher die menschliche Natur zu beflecken vermag, durch Erpressung, durch Raub, durch Ungerechtigkeit und durch Verhöhnung aller göttlichen und menschlichen Gesetze. Der Durst nach Gold und ein Eldorado führte euch weiter, und in diesen segnenden Regionen habt ihr dem Teufel einen Thron errichtet, um ihn in seiner stolzen Majestät als Mammon anzubeten.

Denken wir ein wenig darüber nach. Ist nicht der Durst nach Gold eine Versuchung, der zu unterliegen unsere Natur verflucht ist – ein Theil des Gottesgerichts, das wir zu erstehen haben? Wie könnte es sonst zugehen, daß er nie zu ersättigen ist.

Es scheint von der Vorsehung verordnet zu sein, daß dieses Metall, der Erde entnommen, um die Habsucht der Menschen zu nähren, wieder zu derselben zurückkehre. Wenn all das kostbare Erz, welches seit Jahrtausenden aus der Nacht an's Licht gefördert wurde, tastbar vorhanden wäre, wie unbedeutend würde nicht sein Werth sein, und wie wenig könnte es sich dazu eignen, als Tauschmittel für die übrigen Produktionen der Natur oder der Kunst zu dienen! Wenn alle Diamanten und andere kostbaren Steine, die aus den verwitterten Felsen gesammelt wurden (denn so hart sie auch einst waren, erlagen sie doch wie alles Irdische dem Zahne der Zeit) – wenn sie alle noch auf Erden wären, würde man nicht den fröhlichen Maitagtanz in lauter derartigen Kleinodien begehen, die jetzt nur da in Ueberfluß sich vorfinden, wo Rang und Schönheit an den Thronen der Könige ihre Huldigung bringen? Künste und Fabriken verzehren einen großen Antheil der Minenschätze, und wie ihre Erzeugnisse in Staub zerfallen, kehrt auch das Metall wieder zur Erde zurück, das übrigens in dem östlichen Klima, wo es gesammelt wird, am ehesten wieder verschwindet.

Unter Despotenherrschaft, wo die Kunde von dem Reichthum eines Einzelnen hinreichend ist, dessen Todesurtheil zu besiegeln, mag der Besitzer seine Schätze nur der stummen Erde anvertrauen, ohne daß er es wagt, sein Geheimniß einem Freunde oder Verwandten mitzutheilen, denn das Geld ist ein zu mächtiger Reiz für die Menschlichkeit. Nur auf dem Todtenbette vertraut er die Stelle, wo er seine Habe verborgen, den Hinterbleibenden, wenn er nicht etwa unversehens abgerufen wird und deshalb nicht mehr Zeit hat, ein Geheimniß kund zu thun, das ihm das Leben, an welchem er bis zum letzten Augenblick mit Inbrunst haftete, theuer machte. Oft geschehen die Mittheilungen auf dem Sterbebette in halb artikulirten Lauten und sind so unvollständig, daß die Kunde von dem Vorhandensein eines Schatzes den habsichtigen Erben keinen Nutzen bringt, und so kommt es, daß Millionen wieder zur Erde zurückkehren, der sie mit so viel Mühe entrungen wurden. Was die Habsucht aufgegraben, scharrt der Geiz wieder ein und wird vielleicht in späten Jahrhunderten mit Mühe wieder gewonnen, wenn es vermittelst der chemischen Kräfte einer ewigen, geheimnißvollen Natur durch die verhärtete Erde gesickert ist und die Form sammt dem Aussehen des Metalls angenommen hat, das seit Schöpfung der Welt im Dunkeln lag. Ist dies nicht ein Theil von dem großen Grundsatze des Alls – der ewige Kreislauf der Erneuerung und des Verfalls, der alles Geschaffene durchdringt, und dem die Thorheit und Verderbtheit des Menschen blindlings dienen muß? »So weit darfst du gehen und nicht weiter,« lautet das ewige Gebot, und wenn man an der vorgeschriebenen Grenze angelangt ist, muß man wieder von vorne anfangen. Gegenwärtig hat die Intelligenz sich die Siebenmeilenstiefel der Fabel, welche jedem beliebigen Träger paßten, angelegt, um über das Weltall zu schreiten. Wie bald werden nicht, wie nach dem Verfalle des römischen Reichs, alle die Haufen der Gelehrsamkeit, welche menschliches Streben zu einem Thurm von Babel aushäufen möchte, um daran den Himmel zu ersteigen – verschwinden und künftigen Generationen zum Beweise früher bestandener Kenntnisse nur Trümmer zurücklassen! Mögen wir nun Natur oder Kunst, die Kenntniß, Ueberfluß anzuhäufen, oder die Gewalt, Zerstörung zu bereiten, in's Auge fassen – überall sind dem Menschen Grenzen vorgeschrieben, die er nicht überschreiten kann – Grenzen von derselben nie irrenden, unsichtbaren Macht gehütet, welche die Planeten wirft, um in den ihnen zugewiesenen Systemen zu kreisen. Hienieden erscheint Alles wie Verwirrung, die aber im Himmel klar wird.

Ich habe irgendwo sagen hören, daß man vom Himmel aus den Mechanismus des Alls in seiner Vollkommenheit werde schauen können. Jene Sterne, die jetzt das Firmament in so bunter Wirre besäen, würden dann in ihrer ganzen Regelmäßigkeit als Welten erscheinen, kreisend in ihren verschiedenen Systemen, in deren Mittelpunkt Sonnen Licht und Wärme spenden; Alles erscheine dann in schön harmonischem Einklange und rolle froh dahin in der zugewiesenen Bahn, dem Geheiße des Allmächtigem gehorsam. Das Ganze sei ein ungeheurer, unsern Sinnen nicht faßbarer Mechanismus, vollkommen in seinen Theilen und wunderbar in seiner Gesammtheit. Ich will es nicht bezweifeln, denn die Annahme ist nur vernünftig. Er, der diese Welt und Alles darauf geschaffen hat, kennt keine Grenze für seine Macht.

Ich bin begierig, ob ich je dies schauen werde.

Ich habe eben gesagt, wir wollen nachdenken, hätte aber wohl besser gesprochen, wenn ich gesagt hätte, wir wollen nicht denken – denn das Denken ist peinlich, sogar gefährlich, wenn wir uns zum Uebermaße verführen lassen. Glücklich der, der nur wenig denkt – dessen Vorstellungen so beschränkt sind, daß er nicht das intellektuelle Fieber kennt, welches Geist und Körper aufreibt und oft beiden mit Zerstörung droht. Es gibt ein glückliches Mittelding von Verstand, welches zureicht, uns zu überzeugen, daß Alles gut ist, und uns in die Lage versetzt, das Geoffenbarte zu begreifen, ohne daß wir uns vergeblich abmühen, in das Verborgene zu spähen – sich damit begnügend, das Eine zu fassen und das Andere zu glauben. Wenn aber der Geist sich zu nicht aufgeschlossenen Himmeln emporschwingt, oder in die versiegelte, dunkle Zukunft zu dringen versucht – wie kehrt er dann von seinen Ausflügen zurück? Verwirrt, erschreckt und unglücklich; er möchte ruhen und kann doch keine Ruhe finden, möchte glauben, und ist nicht im Stande, sich der Zweifel zu erwehren, möchte seine vergeblichen Wanderungen beendigen, und tritt sie doch stets wieder auf's Neue an. Und trotz dem – wie wird ein überlegener Verstand beneidet – wie von Allen ersehnt, obgleich er eine Gabe ist, die stets in Gefahr und oft in's Verderben führt.

Dem Himmel sei Dank, daß ich mit keiner so durch und durch gebildeten, schnaubenden, schlagenden und schäumenden Intelligenz begabt bin, die mit dem gemeinen Menschenverstande davonläuft und denselben schon mit dem Beginne ihres wilden Rennens aus dem Sattel wirft. Die meinige ist ein guter, stätiger, nützlicher Miethgaul, der die Landstraße des Lebens dahintrabt, hübsch in seiner Spur fortmacht, und nur da und dann, wenn ich unachtsam bin, ein wenig stolpert; ihr Ehrgeiz besteht einzig darin, das Ziel ihrer Reise wohlbehalten zu erreichen, nicht aber Andern vorzuschießen.

Warum bin ich nicht länger ehrgeizig? Früher war's anders, doch das fällt in die Zeit, als ich jung und thöricht war. Damals meinte ich, »es sei ein leichter Sprung, sich aus dem blassen Monde der Ehren viel' und hohe zu erholen«; jetzt aber bin ich alt und beleibt, und es liegt etwas in dem Fette, was den Ehrgeiz erstickt oder zerstört. Es scheint zwar, daß es für den Körper ebenso nöthig ist, thätig und schwungkräftig zu sein, wie für den Geist; wo dies aber nicht der Fall ist, drückt ersterer dem letzteren sein Gesetz der Schwere auf. Wer hat je gehört, daß ein fetter Mann ehrgeizig gewesen wäre? Cäsar war hager, Bonaparte schmächtig, so lange er an der Leiter seiner Höhe hinanklomm, und Nelson ein Schatten. Der Herzog von Wellington hat an seinem ganzen Leibe nicht genug Fett, um seine eigenen Wellingtonstiefeln einzuschmieren. Mit einem Worte, ich glaube meine Hypothese zur Genüge erwiesen zu haben – daß nämlich Fett und Ehrgeiz völlig unverträglich sind. Es ist freilich traurig, ein solches Zugeständniß machen zu müssen, denn ich bin überzeugt, daß es meinen Werken einen ernstlichen Eintrag thut. Ein Schriftsteller mit einer gentilen Figur wird immer mehr gelesen, als ein corpulenter, denn bei diesem geht alles Aetherische verloren. Manche junge Damen haben sich in mir einen eleganten jungen Mann voll Scherz und Laune gedacht – einen Mann wie Lytton Bulwer, der seine tiefen Kenntnisse unter der Maske des leichten Sinnes verbarg; aus diesem Grunde lasen sie vielleicht meine Bücher mit eben so viel Vergnügen, als sie in Pelham fanden. Aber die Wahrheit muß gesagt werden. Ich bin ein ernster, schwerfälliger Mann, der den Finger gewöhnlich an der Schläfe liegen hat und selten spricht, wenn er nicht angeredet wird; – ja, wenn Damen reden, so wage ich nicht einmal den Mund zu öffnen, und die Folge davon ist, daß mir bisweilen, wenn die Gesellschaft Schlag auf Schlag geht, keine Sylbe über die Lippen geht. Zudem bin ich verheirathet und habe fünf kleine Kinder; meine Wünsche beschränken sich deshalb einzig darauf, in Frieden zu leben und in meinem Bette zu sterben.

Es nimmt mich Wunder, warum ich nicht früher zu schriftstellern anfing! Wie wahr ist's, daß der Mensch nie weiß, was er kann, bis er es versucht! Ich hätte nie gedacht, daß ich eine Novelle zusammenbringen konnte, und war bereits dreißig Jahre alt, als ich endlich mit der Nase auf die Thatsache stieß. Wie Schade!

Das Schreiben eines Buches erinnert mich viel an eine Fahrt über das atlantische Meer. Das einemal, wenn die Ideen strömen, hat man den Wind hinter sich und man fliegt unter wehenden Segeln mit einer wahrhaft entzückenden Geschwindigkeit dahin; bei anderen Gelegenheiten, wenn der Geist flau wird und man an der Feder nagt (ich bediene mich in letzterer Zeit eiserner Federn, denn ich bin ein wahrer Teufel von einem Krippenbeißer), geht man Gang um Gang in widrigem Wind und braucht lange Zeit, um auch nur eine kurze Strecke zurückzulegen. Aber dennoch geht's vorwärts, obgleich nur langsam, und in beiden Fällen muß man sich darein finden. Wollte ein Schiff seine Segel beschlagen, bis der Wind wieder günstig wird, so käme es ewig nie an das Ziel der Reise, und hat ein Autor im Sinne, zu warten, bis er wieder bei Stimmung ist, so kann er sein ganzes Leben darauf verwenden, um einen einzigen Roman zu Stande zu bringen.

Bei widrigem Wind – der jedenfalls gegenwärtig vorhanden ist, denn ich schreibe von allem Andern, nur nicht von meinem Newton Forster, und man muß mir deshalb dieses abschweifende, zusammengestoppelte, dumme Kapitel zu gut halten – bediene ich mich übrigens einer besondern Methode, um vorwärts zu kommen: ich nehme nämlich zu dem Dampfe meine Zuflucht, und bediene mich dabei des Branntweins als Brennstoff. Alles auf dieser Seite der Erde schläft jetzt, mit Ausnahme der Spieler, der Hauseinbrecher, der neuen Polizei und der Autoren. Meine Gattin liegt in Morpheus Armen – ein allegorisches crimen consumatum, bei dem wir Ehemänner durch die Finger sehen müssen, und ich mache der Branntweinflasche eine Liebeserklärung, um damit meine Ideen zu spornen, die sich so ungerne aus ihren dunkeln Gehirnzellen aufstören lassen, als der von Lochiel beschworene Geist, der jedesmal in seiner Antwort flehte: »laß mich, o laß mich in meiner Ruhe!«

Jetzt will ich sie anrufen und wie kleine Kobolde heraufbeschwören, damit sie meines Winkes gewärtig seien.

Bei dem Glas, das ich jetzt leere,
Bei dem Geist, der drinnen quillt,
Bei dem Dunst, der euch zur Ehre
Des Gehirnes Kammern füllt –

Bei dem Kopf, so müd' vom Denken,
Bei der Hand, die nimmer schwankt,
Bei der Lippe, feucht vom Trinken –
Zeigt, daß ihr nicht länger krankt!

Bei der Flasch' hier auf dem Tische,
(Bis zum Morgen Nahrung euch)
Bei dem Munde, den ich wische –
Zeigt euch – Bettelpack – sogleich!


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