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Siebenundzwanzigstes Kapitel

Doch Adeline wollt' Juan vermählen
Nach eig'nem Sinn – genug für eine Dame.
Mit wem jedoch? Da war die Kluge Stählen,
Miß Rau, Miß Flau, Miß Zahme und Miß Lahme,
Dann die zwei schönen Erbinnen Goldzählen;
Denn nicht gewöhnlich dünkte ihr sein Name,
Sie gaben alle hübsche Ehstandstouren,
Und gingen wohl, gut regulirt, wie Uhren.

Byron.

Der junge Lord Aveleyn kehrte nach der Halle seiner Vorfahren zurück, um das düstere Cockpit gegen einen prunkvollen Salon, die Schiffsrationen gegen eine üppige Tafel, die Tyrannei seiner Tischgenossen und die Härte seiner Oberen gegen Schmeichelei und Achtungsbeweise zu vertauschen. War er aber glücklicher? Nein. Mag man nun jung sein oder in reiferen Jahren stehen, so fühlt man sich doch hienieden am wohlsten, wenn man sich unter Leitung befindet. Trotz der allgemeinen gegentheiligen Ansicht ist dies doch eine Thatsache, obschon ich mich mit dem Beweise derselben nicht aufhalten kann.

Das Leben kann mit der Tonleiter in der Musik verglichen werden. Von unserer Geburt an bis zu unserer Vermählung durchlaufen wir die sieben Noten der ersten Oktave: Milch, Rosinen, Aepfel, Ballspiel, Kravatte, Gewehr, Pferd. Dann kömmt die Gattin, das Da Capo eines neuen Daseins, welches fortgesetzt wird, bis das ganze Diapason durchgemacht ist. Lord Aveleyn lief durch seine Skala wie Andere vor ihm.

»Warum heirathest du nicht, mein theurer Frank?« fragte die Lady Adeleyn Mutter eines Tages, als ein dicker Nebel ihren Sohn an dem gewöhnlichen Zeitvertreibe hinderte.

»Nun, Mutter, ich habe nichts dagegen, zu heirathen, und werde es vermuthlich nächstens thun müssen; ich bin übrigens in diesem Punkte sehr bedenklich, und wenn ich eine schlechte Wahl träfe, so kann ich ein Weib nicht wieder beseitigen, wie dieses Gewehr hier.«

»Es gibt aber doch viele treffliche Partieen, die du machen könntest, mein theurer Frank.«

»Ich zweifle nicht daran, Mutter; aber ich bitte, sagt mir, wer sind sie?«

»Da ist Miß Riddlesworth.«

»Ein sehr hübsches Mädchen und dem Vernehmen nach auch sehr reich. Aber laßt mich auch von den Anderen hören.«

»Clara Beauchamp – sie steht in sehr schönen Verbindungen und ist ein äußerst angenehmes Mädchen.«

»Zugegeben, denn ich wüßte nichts dagegen einzuwenden. Habt Ihr noch mehr auf Eurer Liste?«

»Allerdings. Emilie Riddlesdale – zwar nicht sehr vermöglich, aber doch aus einer sehr guten Familie. Ihr Bruder, der Lord Riddlesdale, ist ein Mann von großem Einflusse.«

»Der Mangel an Geld kömmt nicht in Betracht, meine theure Mutter, und der Einfluß ihres Bruders ist kein Veranlassungsgrund, da ich desselben nicht bedarf. Ich gebe zu, daß sie ein sehr hübsches Mädchen ist. Fahrt fort.«

»Ei, Frank, sollte man doch meinen, du seiest ein Sultan mit seinem Schnupftuch. Da ist Lady Selina Armstrong.«

»Ja, sie ist ein sehr schönes Mädchen und weiß gut zu sprechen.«

»Dann Harriet Buttler, welche erst kürzlich in die Gesellschaft eingeführt wurde.«

»Ich sah sie auf dem letzten Balle – ein recht artiges Kind.«

»Lady Jemima Calthorpe.«

»Nicht sehr hübsch, aber verständig und angenehm.«

»Dann Louisa Manners, welche die allgemeine Bewunderung auf sich zieht.«

»Auch ich bewundere sie.«

»Nun hast du meine ganze Liste, Frank. Es ist nicht eine einzige darunter, an der sich etwas aussetzen ließe und die ich nicht mit Freuden als Schwiegertochter umarmen würde. Du hast nun dein rundes Sümmchen Jahre, mein lieber Sohn, und mußt dich entschließen, für einen Erben deines Titels und deiner Güter zu sorgen. Freilich fürchte ich, du werdest bei deiner Wahl in Verlegenheit kommen, da deine Bewunderung des schönen Geschlechtes so allgemein ist.«

»Ich will Euch gestehen, meine theuerste Mutter, daß ich seit vielen Jahren selbst auch an die Nothwendigkeit dachte, ein Weib nehmen zu müssen, aber ich konnte mir nie ein Herz fassen, um zu einem Entschlusse zu kommen. Ich gebe zu, daß ein Mann nicht lange nöthig hätte, in seiner Wahl zu zögern, wenn alle die von Euch genannten Damen das sind, was sie zu sein scheinen; doch da tritt die große Schwierigkeit ein, daß man sich von ihrem wahren Charakter nicht überzeugen kann, bis es zu spät ist. Wenn ich nun den Versuch machen wollte, die eigenthümliche Gemüthsart von einer dieser Lady's kennen zu lernen – was würde die Folge sein? – daß meine Aufmerksamkeit auffiele. Ich will sie nicht gerade des Trugs beschuldigen, aber ein Frauenzimmer fühlt sich natürlich geschmeichelt, wenn sie bemerkt, daß sie ein Gegenstand der Anziehung ist, und freut sich darüber. Es ist daher nicht wahrscheinlich, daß die etwaigen Gebrechen ihres Charakters von einem Manne entdeckt werden, in dessen Anwesenheit sie sich gefällt. Ist sie schlau, so wird sie ihre Mängel verbergen, im andern Falle ist aber kein Anlaß vorhanden, sie an's Licht zu fördern. Und wenn auch nach einer langen Freierei etwas Unrechtes entdeckt wird, so hat man sich entweder zu weit eingelassen, um mit Ehre zurücktreten zu können, oder man ist durch seine Gefühle so verblendet, daß man es in weit milderem Lichte betrachtet. Die wahre Auskunft ist daher nur von den Eltern und nahen Verwandten einer jungen Dame zu erfahren, welche Zeugen ihrer eigentlichen Gemüthsart sind, wenn man sich nicht etwa herablassen will, ihr Kammermädchen zu befragen.«

»Das ist Alles sehr wahr, Frank; aber vergiß nicht, daß dieselben Bemerkungen eben so gut auf dein Geschlecht, als auf das unsrige passen. Freier und Gatten sind gar verschiedene Wesen. Es ist auf beiden Seiten eine Lotterie.«

»Ich gebe das zu, meine theure Mutter, und da ich einmal heirathen muß, so soll es auch bei mir eine Lotterie sein. Ich will die Wahl dem Zufall, nicht mir überlassen; wenn ich dann unglücklich bin, kann ich meinen Sternen einen Vorwurf machen und habe nicht nöthig, mich eines Mangels an gebührender Vorsicht zu beschuldigen.«

Lord Aveleyn nahm einen Bogen Papier, zerschnitt ihn in kleine Stücke und schrieb auf jedes den Namen einer der jungen Damen, die ihm von seiner Mutter vorgeschlagen worden waren. Dann rollte er die Blättchen zusammen, warf sie aus den Tisch und bat die alte Lady, eines von den Papierchen auszulesen. Die Wittwe entsprach seinem Wunsche.

»Ich danke, Mutter,« sagte Lord Aveleyn, ihr das Röllchen abnehmend und es öffnend. »Louise Manners. Wohlan denn, bei Louise Manners soll es sein Verbleiben haben – natürlich stets unter der Voraussetzung, daß sie mir keinen Korb gibt. Ich will schon diesen Nachmittag den Anfang machen – das heißt, wenn sich das Wetter nicht aufheitert und ich mit den Hunden zu Hause bleiben muß.«

»Du scherzest, Frank.«

»Ich bin in meinem Leben nie ernster gewesen. Der Dame steht die Empfehlung meiner Mutter zur Seite, und das Schicksal hat mich auf sie hingewiesen. Heirathen muß ich, aber mit einer Wahl mag ich mich nicht abgeben. Ich bin jetzt schon sterblich in die schöne Louisa verliebt und will Euch, theure Mutter, in weniger als vierzehn Tagen den Erfolg meiner Werbung melden.«

Lord Aveleyn beharrte bei seinem Entschlusse, machte den Hof und wurde angenommen. Er hatte nie Grund, seine Wahl zu bereuen, denn seine Gattin war ebenso liebenswürdig, als schön. Die Frucht dieser Ehe war ein einziger Sohn – ein Gegenstand des Stolzes und banger Sorge für seine Eltern – der jetzt das fünfzehnte Lebensjahr erreicht hatte.

Dies ist die Geschichte Lord Aveleyns, der seine Freundschaft fortwährend auf Edward Forster ausdehnte und ihm im Nothfalle mit Freuden Beistand geleistet haben würde, um ihm für das Wohlwollen zu danken, das ihm der alte Seemann zur Zeit seines Midshipmandienstes erwiesen hatte. Die Umstände, welche sich auf die Geschichte der kleinen Ambra bezogen, waren sowohl Lord Aveleyn als seiner Gattin bekannt, und Forsters Wunsch, daß sein kleiner Pflegling die Vortheile einer guten Frauengesellschaft genießen möchte, wurde zuvorkommend, sowohl um des alten Mannes, als um der Kleinen willen, erfüllt. Ambra blieb oft Tagelang in dem Herrenhause und wurde der allgemeine Liebling, zugleich aber auch ein Gegenstand der gemeinsamen Theilnahme.

Der junge Aveleyn wuchs jedoch zu rasch für seine Jahre heran, und die Folge davon war eine Entfaltung gewisser Lungenkrankheitssymptome, welche Lord und Lady Aveleyn sehr beunruhigten. Auf den Rath der Aerzte verließen sie daher ihren Landsitz und begaben sich nach Madeira, um dort die Gesundheit ihres Sohnes zu pflegen. Ihre Abreise wurde sowohl von Forster als von seinem Pflegkinde tief gefühlt, und noch ehe sie sich von diesem Verluste erholen konnten, traf sie eine weitere schwere Heimsuchung in dem Tode der Mrs. Beaseley, welche nach vieljährigem Gichtleiden zu ihren Vätern versammelt wurde. Forster, der sich ganz an die alte Frau gewöhnt hatte, empfand ihren Heimgang bitter, denn er war jetzt mit Ambra ganz allein. Dazu kam noch, daß im folgenden Winter seine Wunde wieder aufbrach und er bis zum Frühjahre das Bett hüten mußte.

Während er in diesem bedenklichen Zustande dalag, kam ihm natürlich der Gedanke: »was wird aus dem armen Kinde werden, wenn ich abgerufen bin? Niemand sorgt für sie; sie hat keine Freunde, und ich habe nicht einmal meinen eigenen Verwandten mitgetheilt, daß sie vorhanden ist.« Er dachte an seinen Bruder, den Rechtsgelehrten, von dem er wußte, daß er sich in wohlhabenden Umständen befand, obgleich er nie mit ihm korrespondirt hatte. Er beschloß daher, sobald er im Stande sei, eine Reise zu unternehmen, nach London zu gehen und der kleinen Ambra seine Theilnahme zu sichern, im Falle ihm selbst etwas Menschliches begegnen sollte.

Der Frühling und der Sommer entschwand, ehe er sich kräftig genug fühlte, die Reise anzutreten. Erst spät im Herbst bestiegen Edward und Ambra Plätze in einer schweren Londoner Kutsche und langten ohne Zufall einige Tage nach Nicholas und Newton in der Hauptstadt an.


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