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Fünfundzwanzigstes Kapitel

Sie rühmen sich des adelichen Bluts
Und führen uns in ihrer Ahnen Grüfte,
Wo, rückwärts von Jahrhundert zu Jahrhundert,
Sie ihrem Stamm die Ruhmposaune blasen.

Cowper.

So eifrig sich auch Edward Forster in der Erziehung seines Pflegkindes erwies, fühlte er doch, daß zu der Erziehung eines Mädchens mehr gehörte, als er zu leisten im Stande war. Oft und viel brütete er über die verlorenen Aussichten der Kleinen, über seine eigene beschränkte Lage und über die geringe Aussicht, welche augenscheinlich vorhanden war, sie ihren Freunden und Verwandten wieder heimzugeben; indeß beschloß er, Alles zu thun, was in seinen Kräften lag, und den Ausgang der Vorsehung anheimzustellen. Damit Ambra im Falle seines Todes nicht ganz unbekannt in die Welt hinausgeschleudert werde, hatte er sie oft nach einem benachbarten Herrenhause gebracht, mit dessen Besitzer, Lord Aveleyn, er lange auf freundlichem Fuße gestanden hatte, obgleich er bis auf die letzte Zeit mit der Gesellschaft, die sich, dort zusammenfand, keinen Verkehr unterhalten mochte. Der Lord war vor vielen Jahren in die Marine getreten und während der paar Monate, die er in der Eigenschaft eines Midshipman gedient hatte, Edward Forsters Obhut anvertraut worden.

Es ist eigen, wie sehr die Gesellschaft im Allgemeinen durch die Uebertragung des Vermögens aristokratischer Familien auf den männlichen Erben berührt und – wir dürfen wohl beifügen – demoralisirt wird. Der ältere Sohn, der von frühester Jugend auf an die Schmeicheleien abhängiger Personen gewöhnt wird, trägt sich nur mit einer einzigen Idee: daß er nämlich der Glückliche sei, den das Schicksal berufen hat, so und so viele Tausende jährlich zu verschwenden, während seine Brüder und Schwestern, die doch gleiche Ansprüche an ihre Eltern haben, in Betreff ihres Unterhaltes fast ganz von ihm abhängen. Dessen werden sich letztere nur zu bald aus dem Unterschiede der Behandlung bewußt, der ihnen von Seite ihrer Umgebung zu Theil wird, und Neid und Zwietracht sind leider die fast nothwendigen Resultate einer derartigen Ungleichheit, durch die der schönste Reiz im Leben – die Eintracht zwischen Geschwistern – verloren geht.

Der Besitzer des Titels und der Güter wird endlich zu seiner langen Heimath getragen, wo er liegen bleibt, bis er vor das Angesicht Dessen gerufen wird, vor dem Könige und Bettler als zitternde arme Sünder stehen, den Ausspruch der ewigen Gerechtigkeit erwartend. Dagegen kommt nun die Reihe des Schwelgens an den jugendlichen Herrn.

Um wie viel drückender ist nun die Lage der jüngeren Brüder. Während der Lebzeiten ihres Vaters hatten sie eine Heimath, von der aus sie in die Lage gesetzt waren, mit Schauplätzen und Ideen bekannt zu werden, welche im Einklange mit dem Vermögen ihres Erzeugers standen. Jetzt aber sehen sie sich in die Welt hinausgestoßen, ohne auch nur die Mittel zu einem dürftigen Auskommen zu besitzen. Wie der Haushalter im Gleichnisse »können sie nicht graben und schämen sich, zu betteln«, sehen sich also ebenfalls nur zu oft genöthigt, für ihr Fortkommen zu unwürdigen Mitteln ihre Zuflucht zu nehmen.

Ist der junge Erbe von schwächlicher Gesundheit, so wird auf sein Abscheiden spekulirt. Der weltliche Vortheil ist so ungeheuer, daß die Bande der Natur sich lösen und ein Bruder sich über den Tod seines Bruders freut. Aber eine Generation ist nicht hinreichend, diese Gefühle zu beseitigen; eine unfruchtbare Ehe oder der schwächliche Zustand der Kinder geben nachträglich dem muthmaßlichen Erben Anlaß zu weiteren Spekulationen. Ich will freilich nicht sagen, daß dies immer zutrifft, sondern setze nur den äußersten Fall, um daran zu zeigen, was unsern natürlichen Gefühlen gemäß daraus folgen muß, wenn nicht Sorge getragen wird, den Uebeln vorzubeugen. Es ist grausam und mehr als grausam, wenn Eltern ihre Kinder mit Ideen erziehen, die selten verwirklicht werden können und das künftige Leben derselben zu einer Pilgerfahrt durch das Thal des Elendes und der Unzufriedenheit, wo nicht gar der sittlichen Verderbniß machen.

Der Mehrzahl unserer Aristokraten fehlt es jedoch weder an Talent noch an innerem Werth; sie gibt dem Adel anderer Länder und sehr häufig sogar unserer eigenen weniger demoralisirten Gesellschaft ein glänzendes Beispiel; durch die Urkunden ihrer Ahnen eingeengt, bieten sie allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln auf, das Uebel zu heilen, und ein großer Theil ihrer jüngern Zweige findet nützliche und ehrenvolle Posten in der Armee, in der Flotte oder in der Kirche. Auf diesem Wege lassen sich jedoch nicht alle ihre Mitglieder unterbringen, und wem fällt die Unterhaltung dieser jüngeren Adelssprößlinge zur Last? Niemand anders, als dem Lande, das direkt durch Stellen und Sinekuren, indirekt aber auf verschiedene Weise gebrandschatzt wird – nirgend aber so schwer, als durch das Monopol der ostindischen Compagnie, welches die Nation nur deßhalb so lange brandschatzen durfte, damit diese Krebsschäden (wie sie sich selbst nennen) ihr Auskommen fänden.

Es ist eine wohlbekannte Thatsache, daß fast alle Peers des Oberhauses und außerdem viele Repräsentanten im Hause der Gemeinen durch ihre Verwandten oder Bekannten, die sie im Auslande untergebracht haben oder unterbringen wollen, gegen die Kompagnie Verbindlichkeiten haben; sie verdankt daher nur einem Systeme von Bestechlichkeit (denn Bestechung muß ich es nennen, in welcher Maske sie auch auftreten mag) ihren Fortbestand und die Befugniß, dem gesunden Sinne, der Gerechtigkeit und dem gewöhnlichsten Anstande zum Trotze den schreiendsten Druck zu üben. Andere Besteurungen werden in der Regel nur von den höheren Ständen und den Mittelklassen gefühlt; aber diese gehässigste und empörendste aller Belastungen übt ihren Einfluß bis auf die Hütte des Arbeiters herab, der sich nach des Tages Mühe nicht an seinem Lieblingsgetränke erquicken darf, ohne dessen Werth von seinem schwer verdienten kärglichen Tagelohne doppelt zu bezahlen, um die Dividende der Kompagnie zu vergrößern und die Eiterjauche des adeligen Blutes zu ernähren.

Und doch muß ich trotz aller Uebel, die aus dem Majoratssystem hervorgehen, anerkennen, daß es kein anderes Mittel gibt, durch welches sich in einem monarchischen Staate das wünschenswerthe Ziel, den Rang aufrecht zu erhalten, erreichen läßt. Ich erinnere mich eines Gespräches mit einem Amerikaner, den ich nach einigen seiner Landsleute fragte, welche vor nicht langer Zeit noch großen Reichthum und Einfluß besaßen. Auf eine meiner Bemerkungen antwortete er: »In unserem Lande schützt aller Reichthum und alle zur Zeit daran klebende Macht keinen Namen gegen ein Zurücksinken in Unbedeutsamkeit oder gegen ein Vergessenwerden, sobald der Besitzer todt ist, denn wir vererben unsere Habe nicht nach dem Rechte der Erstgeburt. Der Tod zerstreut die angehäuften Schätze, durch welche die Umgebung gefesselt wurde, und obgleich die Vertheilung dazu dient, das Land im Allgemeinen fruchtbarer zu machen, wird doch mit dem Verschwinden der Habe sowohl der Einfluß des Besitzers, als auch sein Name bald vergessen.«

Diese Bemerkungen passen, wie man in der Folge sehen wird, ganz auf die Personen, welche ich jetzt einzuführen im Begriffe bin. Da jedoch letztere von einiger Bedeutung sind, dürfte es von meiner Seite als Mangel an gebührender Achtung erscheinen, wenn ich sie dem Leser am Ende eines Kapitels vorstellen wollte.


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