Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierzehntes Kapitel

Aboan. Die arme Unschuld!
Orconoko. Sie sind's, wie sehr ihr auch dawider streitet.
Sie würden, wären wir's nicht schon, uns nicht
Zu Sklaven machen; doch so kaufen sie
Uns ehrbarlich gleich and'rem Handelsgut,
Wie manchen Elenden zuvor wir selbst
Verkauften oder kauften ohne Arg.
Sie haben ihren Preis für uns erlegt,
Und wir sind jetzt ihr Eigen, von dem Gut
Ein Theil, darüber frei ist zu verfügen.

In einer frühen Morgenstunde setzten sich Mr. Kingston, Mr. Berekroft und Newton auf Maulesel, um nach der Wohnung des Pflanzers aufzubrechen. Die Sonne erhellte bereits den Himmel, ohne jedoch schon aufgegangen zu sein, obgleich die goldnen Säume der Wolken, welche in breiten Gürteln am Horizont schwammen, ihre prachtvolle, aber doch verzehrende Annäherung bekundeten. Der Thau befeuchtete jedes Laub, oder hing in gänzenden Tropfen an den Kaktusdornen, welche die Wege säumten. Das Gewebe der silberbandigen Spinne war zwischen dem Gebüsche ausgebreitet und reflektirte in ihren feinen Tröpfchen die Strahlen der aufgehenden Scheibe, während die Thiere selbst im Mittelpunkte tanzten, um den erwarteten Raub zu blenden. Der Nebel lag noch auf den Thälern und verbarg einen Theil der Landschaft vor den Blicken. Das gelegentliche Rauschen fallenden Wassers mischte sich mit dem Zwitschern und Zirpen der Vögel, die von Zweig zu Zweig hüpften. Die Luft war frisch, sogar scharf, und Niemand, der plötzlich in die Gegend versetzt worden wäre, würde geglaubt haben, daß er sich unter dem heißen Himmelsstriche befinde.

»Wie ganz andere Vorstellungen bilden wir uns im Allgemeinen von dem Klima in Westindien,« bemerkte Newton. »In England können wir nicht daran denken, ohne eine unerträgliche Hitze und das gelbe Fieber damit in Verbindung zu bringen.«

»Eure Berichte rühren von Leuten her, welche selten die Häfen oder Städte verlassen, und dort trifft man allerdings Beides an,« versetzte Kingston. »Es gibt jedoch keine Insel in dem karibischen Meer, wo einer, der früh aufstehen mag, sich nicht dieser köstlich erquickenden Atmosphäre erfreuen könnte. Namentlich ist dies auf Jamaika der Fall, wo man in den Bergen soviel Schnee sammeln kann, als man nur will; und doch gibt es keinen ungesunderen Ort, als den Port-Royal-Hafen auf derselben Insel.«

»Liegt die Pflanzung, nach welcher wir gehen, eben so hoch über der Meeresfläche, als wir jetzt sind?«

»Nein, die meisten Pflanzungen befinden sich in den Schluchten zwischen den Bergen. Das Zuckerrohr verlangt Hitze. Sobald wir den Gipfel dieses nächsten Berges erreicht haben werden, steigen wir nach dem Ziele unseres Ausfluges hinab.«

Nach einer halben Stunde langten sie bei der Pflanzung an. Sie bestand aus einer langen Reihe niedriger Häuser am Eingange des Thales, welches nach dem Meere zu abfiel; letzteres zeigte sich jetzt, seit sie Bridgetown verlassen hatten, zum Erstenmale wieder ihren Blicken. Der Eigenthümer der Pflanzung befand sich an der Thüre und kam ihnen entgegen. Er war ein großer, magerer Mann, in eine Nanking-Jacke und dergleichen Modesten gekleidet; auch trug er einen breitrandigen Strohhut auf dem Kopfe.

»Willkommen, meine Herren, willkommen, Kingston; wie geht's Euch?« sagte er, als sie Halt machten. »Nur abgestiegen, meine Herren; die Jungen werden euch alsbald die Maulthiere abnehmen. Knabe Jack, wo bist Du? Wo ist Baby und wo Bulky? Her da, ihr trägen Schlingel, und nehmt die Maulthiere in Verwahrung. Nun, meine Herren, ich will euch den Weg weisen. Ich habe ein Frühstück auftragen lassen, sobald ich euch den Berg herunterkommen sah.«

Mit diesen Worten ging der alte Gentleman durch einen Porticus voran. Bei dem Anblicke von Fremden füllten sich die unteren Fenster mit Gesichtern von verschiedenen Farbenabstufungen – Augen und Mund weit offen, und dabei so gleiche und glänzend weiße Zähne zur Schau tragend, daß manche englische Schöne sich des bittersten Neides nicht erwehrt haben würde.

Die Gesellschaft wurde in ein geräumiges und kühles Gemach im Erdgeschoß geführt, wo die Tafel mit allen Varietäten eines tropischen Frühstücks besetzt stand: gebratene Fische, Reis mit Senf, eingebeiztes Geflügel, gesalztes Fleisch und Alles, was dazu dienen konnte, einen geschwächten Appetit zu stimuliren.

»Meine Herren, ich möchte euch empfehlen, eine weiße Jacke anzulegen; ihr habt's so bequemer und braucht hier keine Umstände zu machen. Knabe Jack, wo ist der Sangorie? Das ist ein herrliches Klima, Kapitän Berekroft; man braucht nichts zu beobachten, als daß man mäßig ist, und den Schweiß nicht unterdrückt.«

Knabe Jack, der ( per parenthesin) ein stämmiger, gut aussehender Neger von ungefähr vierzig Jahren war, trat jetzt mit dem Sangorie ein. Dies war ein Getränk aus einer halben Flasche Branntwein, zwei Flaschen Madeira, einem Zusatze von Zucker, Citronensaft und Muskatnuß nebst Wasser nach Belieben. Es befand sich in einer gläsernen Bowle, die ungefähr zwei Gallonen hielt, auf einem einzigen Fuße stand, und Aehnlichkeit mit einem brobdinag'schen Römer hatte. Knabe Jack brachte sie mit beiden Händen herein und stellte sie vor seinen Gebieter.

»Nun, Sir; ist Euch ein Trunk gefällig?« sagte der Pflanzer, sich an Berekroft wendend.

»Ich danke,« versetzte Mr. Berekroft; »ich trinke nie so früh am Morgen.«

»Trinken? Ei, 's ist ja nur ein Tröpfchen Magenstärkung. Eure Gesundheit, Sir; ich will mit dem guten Beispiel vorangehen.«

Er brachte den ungeheuren Becher für etwa eine Minute an seine Lippen, und trennte sich zuletzt nur ungern davon, um mit einem tiefen Seufzer wieder zu Athem zu kommen.

»Nun, meine Herren, bedient euch auch ein wenig – braucht euch nicht zu fürchten; man kann Alles in diesem Klima thun, wenn man nur mäßig ist und den Schweiß nicht unterdrückt.«

In diesem Augenblick fuhr Newton zusammen und blickte unter den Tisch.

»Ich meinte, es sei ein Hund, aber es ist ein schwarzes Kind.«

»Oh! ist eines herausgekommen? – Was soll das Kind, Jack – hab' ich Dir nicht gesagt, Du sollest sie alle einschließen?«

»Ja, Sär, das that ich,« sagte der Schwarze, unter den Tisch blickend. »Eh! es ist der verdammte kleine Nigger – der zweijährige Sambo – nicht möglich, ihn drinnen zu halten, Sär. Komm' heraus, Sambo. – Komm' hervor, Sambo.«

Das Kind kroch zu seinem Gebieter und kletterte an seinem Knie hinan. Der alte Pflanzer pätschelte es auf den Wollkopf und gab ihm ein Stück gerösteten Truthahn, mit dem der Knabe augenblicklich wieder unter den Tisch tauchte.

»Sie sind daran gewöhnt, Kapitän, zur Frühstückszeit herauszukommen, und werden bloß heute eingeschlossen, weil ich Gesellschaft habe. Die Thüre hinter mir führt zum Kinderhof.«

»Zu dem Kinderhof?«

»Ja, ich will ihn Euch nachher zeigen; 's ist ein hübsches Häufchen drinnen.«

»Oh! ich bitte, laßt sie hereinkommen – ich möchte sie gerne sehen, und es thäte mir leid, wenn sie um unserer willen in ihren Hoffnungen getäuscht würden.«

»So öffne die Thüre, Knabe Jack.«

Sobald die Thüre aufging, stürzten zur großen Belustigung von Newton und der übrigen Gesellschaft ungefähr zwanzig schwarze Kinder von drei bis zu sieben Jahren in das Gemach; sie waren meist nackt, hatten eine so schwarze Haut, wie ein polirter Ebenholztisch, und die runden Bäuche deuteten auf die gute Kost, deren sie sich zu erfreuen hatten. Hintendrein kamen noch sieben oder acht andere, die noch nicht alt genug waren, um zu gehen, und deßhalb fast ebenso schnell als die andern auf allen Vieren heranrutschten.

Die Gesellschaft vergnügte sich mit Austheilung des Schüsselinhalts an die Kinder – die älteren schmiegten sich mit der größten Vertraulichkeit an den Pflanzer und seine Freunde heran, während die jüngeren aufrecht auf dem Boden sitzen blieben und mit fröhlichem Lachen ihre Portionen verzehrten.

»Natürlich sind dies lauter Sklaven?« bemerkte Mr. Berekroft.

»Ja, lauter eigene Zucht,« versetzte der Pflanzer. »In der That sind unter den zweihundert und fünfzehn Negern, die ich auf meinem Eigenthume habe, kaum zwölf, die nicht in meiner und meines Vaters Zeit aus der Pflanzung geboren worden wären. Vielleicht beliebt es Euch jetzt, da das Frühstück vorüber ist, den Kinderhof zu besuchen.«

Der Pflanzer ging in den Hof voran, aus welchem die Kinder hereingekommen waren. Es war ein zwei Ruthen im Gevierte haltender Grund, der auf drei Seiten mit Reihen von kleinen Häusern eingeschlossen war. Jedes der letzteren hatte zwei Gemächer: sie waren meistens von weiblichen Sklaven bewohnt, welche entweder Säuglinge an der Brust trugen, oder doch sehr bald einer ähnlichen Pflicht entgegensahen. Sie bewillkommten ihren Gebieter mit einem lächelnden Gesichte, und dieser hatte beim Eintritte an Jede eine Frage zu stellen.

»Das sind meine Zuchtweiber; sie arbeiten nicht, sondern haben bloß auf die Kinder Acht zu geben, welche hier bleiben, bis sie acht oder neun Jahr alt sind. Wir haben einen Arzt auf der Pflanzung, der sowohl sie, als die andern Sklaven, wenn sie krank sind, behandelt. Wenn Ihr Lust habt, so wollen wir jetzt um die Werke gehen.«

Ein Spaziergang von einigen Minuten brachte sie nach einer ausgedehnten Reihe von Hütten, die einzeln im Mittelpunkte eines wohl mit Brodwurzeln, süßen Kartoffeln, Bananas und andern tropischen Gewächsen bepflanzten Gartengrundes standen. Hühner aller Arten waren bunt über den ganzen Platz zerstreut, und auch an Schweinen schien kein Mangel vorhanden zu sein.

»Das sind die Hütten der arbeitenden Sklaven, Kapitän. Der Gartengrund ist ihnen zugewiesen, und was sie darauf produciren, sammt den Schweinen und Hühnern ist ihr Eigenthum.«

»Und wie werden sie genährt?«

»Durch Rationen, die so regelmäßig ausgetheilt werden, wie an Bord Eures Schiffes; sie erhalten so viel, als sie verbrauchen können.«

»Leben die Männer einzeln?«

»Nein, die meisten sind an die Sklavinnen der Pflanzung verheirathet. Ihre Weiber leben bei ihnen, bis Nachzucht in Aussicht steht; dann werden sie nach der Kinderpflanzschule versetzt.«

»Und welche Arbeit wird ihnen zugemuthet?«

»Sie arbeiten acht Stunden des Tages – die Erntezeit ausgenommen, zu welcher es schärfer hergeht; sie haben daher hinreichend Muße, wenn sie wollen, auch für sich selbst etwas zu erwerben.«

»Können sie sich auch Namhaftes ersparen?«

»Oft so viel, daß sie im Stande wären, ihre Freiheit zu erkaufen, wenn sie diese wünschten.«

»Wenn sie ihre Freiheit wünschten?« versetzte Mr. Berekroft überrascht.

»Ja; freilich mag Euch dies ohne Erklärung sonderbar scheinen und noch sonderbarer die Thatsache, daß sie die ihnen angebotene Freiheit oft zurückweisen. Ein Mann, der in der Zimmermannskunst oder sonst einem andern Gewerbe gut erfahren ist, wird sich allerdings seine Freiheit kaufen, wenn er kann, weil Handwerker hier sehr gut bezahlt werden; aber ein Sklave, der sich nur auf die gewöhnliche Arbeit versteht, würde sich nur schwer fortbringen und könnte keinesfalls etwas für sein Alter ersparen. Sie wissen das. Ich habe einige Alte freilassen wollen, aber sie wiesen mein Anerbieten zurück und leben jetzt als Erbstücke auf der Pflanzung; sie werden mit Allem versehen, brauchen nichts zu thun und arbeiten nur, wenn sie Lust dazu haben. Ihr saht den alten Mann den Porticus kehren? Nun, das thut er alle Tage und hat seit fünf Jahren nichts anders gethan. Wenn's Euch genehm ist, wollen wir jetzt durch die Pflanzung gehen und die Zuckerfabrik besuchen.«

Sie kamen an den Sklaven vorbei, welche mit dem Karste zwischen dem Zuckerrohre beschäftigt waren; wenn man nach dem Gelächter und dem Lärme urtheilen durfte, womit sie sich die Arbeit kürzten, befanden sie sich allerdings in keiner bemitleidenswerthen Lage.

»Ich muß übrigens gestehen, daß in dieser Peitsche etwas liegt, was mir nicht gefällt,« sagte der Kapitän.

»Ich gebe das zu; aber gegen die Gewohnheit ist nicht gut ankämpfen, und wir kennen kein passendes Ersatzmittel. Es ist das Abzeichen der Autorität, und ihr Knallen ist erforderlich, um die Sklaven an ihre Arbeit zu erinnern. Bei mir kommt sie selten anders in Anwendung, denn es ist nicht nöthig, und wenn ihr Kapitän eines Kriegsschiffes wäret, so würde ich Euch dieselbe Antwort geben, welche ich dem Kapitän C. zu Theil werden ließ – ich bemerkte ihm nämlich, daß ich sehr in Zweifel ziehen möchte, ob meine lärmende Peitsche nur halb so tückisch sei, als seine stumme Katze

Die Zuckerrohrpressen, die Ställe für die Maulthiere, die Kessel, die Kühlpfannen, kurz Alles wurde besichtigt, und die Gesellschaft kehrte nach dem Pflanzerhause zurück.

»Ihr habt nun mit eigenen Augen gesehen, Kapitän, was an der Sklaverei ist, und ich frage Euch nun um Eure Ansicht. Haltet Ihr die Schmähungen Eurer Philanthropen gegen uns für gerechtfertigt?«

»Zuerst gebt mir die Versicherung, daß alle übrigen Pflanzungen so gut geregelt sind, als die Eurige,« versetzte Mr. Berekroft.

»Wenn's nicht so ist, so werden sie's bald sein. Es liegt im Interesse aller Pflanzer, und sie werden sich, wie die ganze übrige Welt, hiedurch bestimmen lassen.«

»Aber doch sind schon große Grausamkeiten geübt worden, welche wohl geeignet sind, die ganze übrige Welt dagegen einzunehmen.«

»Ich gebe zu, daß dies der Fall gewesen ist und vielleicht jetzt noch hin und wieder vorkommt; aber wimmelt es in den englischen Zeitungen nicht gleichfalls von Handlungen der Barbarei? Die Menschen sind überall dieselben, und es ist das Unglück dieser Welt, daß wir nie wissen, wo wir Halt machen müssen. Die Aufhebung des Sklavenhandels war ein Akt der Menschlichkeit und eines Landes würdig, welches das Gesammtwohl in einem so großartigen Maßstabe zur Aufgabe nimmt, wie England; aber die Philanthropen begnügen sich nicht mit einer Erleichterung der Schwarzen, sondern verlangen die Austilgung ihrer eigenen weißen Landsleute, die sich, auf die Zusagen der Nation bauend, verleiten ließen, ihre Kapitalien in diese Inseln zu stecken.«

»Ohne Zweifel wünschen sie eben die Sklaverei überhaupt abzuschaffen,« versetzte Berekroft.

»Sie sollten sich begnügen, wenn die Schrecken derselben beseitigt sind, Sir,« fuhr der Pflanzer fort. »Zu einer Zeit, als der Markt offen war und man jeden an übler Behandlung oder Krankheit gestorbenen Sklaven leicht wieder durch Ankauf eines anderen ersetzen konnte, war das Leben eines Schwarzen bei Weitem nicht von solcher Wichtigkeit für den Pflanzer wie gegenwärtig. Außerdem waren die importirten Sklaven Erwachsene, die vordem frei gewesen; man hatte sie von ihrem heimischen Boden, wo sie den ganzen Tag müssig schliefen, fortgerissen, und so waren sie natürlich mürrisch, störrisch, widerspenstig und nicht geneigt zur Arbeit. Dies gab Anlaß zu schweren Züchtigungen, und die Herzen ihrer Gebieter, die durch die Gewohnheit verhärtet wurden, ließen sich zu barbarischen Handlungen verleiten. Seit der Abolition hat jedoch die Sklaverei eine weit mildere Form angenommen und sich in eine Art von Leibeigenschaft umgewandelt. Es gibt jetzt nur noch wenige Sklaven, die nicht auf den Pflanzungen geboren worden wären, und wir sind der Ansicht, daß unsere Nachzucht mit weit größerem Rechte unser Eigenthum ist.«

»Habt die Güte, mir zu erklären, was Ihr unter dem Ausdrucke › mit weit größerem Rechte‹ versteht?«

»Ich meine, Kapitän, daß zum Beispiel der Vater jenes Knaben (er deutete auf einen der jungen Neger, die beim Frühstück aufgewartet hatten) mein Sklave war, für mich arbeitete, bis er in die Jahre kam, und dann von mir geraume Zeit bis zu seinem Tode genährt wurde. Ich nahm die Mutter dieses Knaben, da sie fruchtbar ist, in meine besondere Obhut und ließ sie nach ihrer Verheirathung nie arbeiten, so daß sie mir seitdem nur Unkosten bereitet hat und wahrscheinlich noch einige Jahre in derselben Weise fortfahren wird. Für den Jungen selbst sorgte ich, indem ich ihn bis zu seinem zehnten Jahre nährte, ohne irgend einen Ersatz für meine Unkosten zu erhalten. Ich bin daher der Ansicht, daß er mir als Leibeigener verpflichtet ist und ich ein Recht an seine Dienste habe. Aber auch er hat seine Rechte; denn wenn er zu alt ist, um zu arbeiten, wird er ein Pensionär werden, wie sein Vater vor ihm.«

»Ich sehe, worauf Ihr hinauswollt; Ihr redet also der Sklaverei im Allgemeinen nicht das Wort.«

»Nein; ich bin der Ansicht, daß ein freigeborner Mensch, der zum Sklaven gemacht wurde, das Recht hat, alle Mittel in Anwendung zu bringen, um sich zu befreien; aber ein Sklave, den ich erzog, ist mit gutem Recht mein Sklave und muß es bleiben, wenn er den Aufwand nicht bezahlen kann, den er mir gemacht hat. Doch das Diner ist bereit, Kapitän; wenn Ihr die Sache weiter besprechen wollt, so muß es bei einer Flasche Bordeaux geschehen.«

Die Mittagstafel war gut besetzt und sowohl der Madeira, als der Bordeaux, die einzigen Weine, die aufgesetzt wurden, von der besten Qualität. Der Wirth machte mit ächt westindischer Gastfreundschaft die Honneurs und ließ nach dem Mahle die Flasche mit einer Geschwindigkeit herumgehen, die auf weniger vorsichtige Gäste ihre Wirkung nicht hätte verfehlen können. Als sich Mr. Berekroft weigerte, weiter Wein anzunehmen, ließ der Pflanzer die Ingredienzien zum Aracpunsch bringen.

»Ihr müßt jetzt einen Becher von diesem nehmen, Mr. Forster, und ich denke, daß Ihr ihn vortrefflich finden werdet.«

»Ich muß in der That danken,« versetzte Newton.

»Nein, ich nehme keine Ablehnung an – braucht Euch nicht zu fürchten – denn in diesem Klima könnt Ihr Alles thun, wenn Ihr nur mäßig seid und den Schweiß nicht unterdrückt.«

»Nun gut,« entgegnete Newton, indem er das Glas Punsch vor sich hinstellte; »Ihr habt uns aber versprochen, nach dem Diner Eure Beweisführung wieder aufzunehmen. Es wäre mir lieb, zu hören, was Ihr zu Gunsten eines Systems vorzubringen habt, das ich nie zuvor vertheidigen hörte.«

»Gut,« erwiederte der Wirth, auf den der Wein und der Punsch bereits einige Wirkung zu üben begannen; »ich muß aber zuvor mein Glas wieder füllen, um meine Lippen anzufeuchten – dann will ich Euch beweisen, daß die Sklaverei schon in den frühesten Zeiten existirt hat und nicht im Widerspruch mit der Religion steht, zu der wir uns bekennen. In Betreff des ersteren Punktes brauche ich Euch bloß auf das Buch der Genesis zu verweisen, und was die Uebereinstimmung mit unserer Religion anbelangt, so mache ich auf das vierte Gebot aufmerksam. Wie kann jener Theil desselben, der da lautet: › Und den Fremdling, der in deinen Thoren ist,‹ anders gedeutet werden, als auf den Sklaven? Nachdem befohlen ist, daß kein Werk gethan werde, weder von dem Knecht noch von der Magd, geht die Stelle auf den Ochsen und Esel, zuletzt aber auf den Fremdling, der in den Thoren ist, über. Müßte man nun das Wort Fremdling in buchstäblichem Sinne des Wortes nehmen, so würde schon die Gastfreundlichkeit jenes Zeitalters verboten haben, seine Dienstleistungen zu fordern. So aber wurden die Sklaven aus fremden Landen gebracht und als ein Handelsgegenstand betrachtet, wie man aus der Bereitwilligkeit entnehmen kann, mit welcher die Ismaeliten den jungen Joseph käuflich an sich brachten, um denselben in Aegypten wieder zu verwerthen.

»Daß die Sklaverei auch von dem Allmächtigen zugelassen ist erhellt deutlich aus dem Zustand der jüdischen Nation bis zu der Periode, in welcher es ihm passend dünkte, sie aus dem Hause der Knechtschaft zu erlösen.«

»Wenn nun das Gesetz Gottes die üble Behandlung eines Sklaven verbietet, so ist die Sklaverei selbst tatsächlich ›als nicht im Widerspruch stehend mit dem göttlichen Willen‹ anerkannt. Wir haben auch noch einen späteren Beweis, indem die Apostel auch nach der Sendung unseres Erlösers die Sklaverei für gesetzlich betrachteten.«

»Ich entsinne mich – Ihr bezieht Euch auf Paulus, welcher den entlaufenen Sklaven Onesimus wieder zurücksandte. Nun, ich will all dies zugeben,« versetzte Mr. Berekroft, der es durchaus nicht gern sah, wenn Stellen der heiligen Schrift nach dem Diner besprochen wurden, »möchte aber doch wissen, welchen Schluß Ihr daraus zieht?«

»Ich komme eben darauf und behaupte aus diesem Grunde, daß mein Eigenthum an Sklaven mir ebenso gesetzlich zusteht als mein Eigenthum an Land oder Geld; wer mich des einen oder des andern zu berauben sucht, begeht einen Raub, mag er nun von einer Nation oder von einem einzelnen Individuum geübt werden. Aber jetzt, Sir, möchte ich mir die Frage erlauben, wo denn überhaupt Freiheit ist. Werft Eure Blicke auf alle Klassen der Gesellschaft, und zeigt mir auch nur einen einzigen freien Mann.«

Mr. Berekroft, welcher an seinem Wirthe die Wirkung des Aracpunsches bemerkte, konnte sich eines lauten Lachens nicht erwehren, während er antwortete.

»Nun, ist Ihr Freund, Mr. Kingston, nicht frei?«

»Frei? Nicht halb so frei, als der Negerknabe, der hinter Eurem Stuhle steht. Er ist ein Kaufmann und als solcher Spekulant, mag er nun das Geschäft im Großen oder Kleinen betreiben, ein Bankier oder der Besitzer eines Kramladens sein. Er kann vielleicht einen fürstlichen Aufwand erschwingen, aber seine Spekulationen machen ihm ängstliche Tage und schlaflose Nächte. Ein Mann, der seine Kapitalien in einer Weise umtreibt, daß er vielleicht am folgenden Tag ein Bettler ist, kann nicht auf Rosen liegen; er ist der Sklave des Mammons. Wo findet man größere Sklaverei als im Matrosendienste? Ein Gleiches läßt sich von den Soldaten und den Beamten der Regierung behaupten. Die Politiker sind Sklaven ihrer Zungen, denn wenn sie in einem Alter, in welchem die Begeisterung gerne mit der Vernunft davon geht, eine Ansicht aussprechen und sich einer Partei anschließen, so sind sie, vielleicht gegen ihre Ueberzeugung, für ihr ganzes Leben gefesselt und dürfen nicht den Geboten ihres Gewissens folgen, ohne ihren öffentlichen Ruf zu beflecken. Daß die Höflinge Sklaven sind, müßt ihr gleichfalls zugeben.«

»Ich bitte um Verzeihung,« unterbrach ihn Kingston, »aber ich bemerke, daß Ihr keinen Unterschied macht zwischen denen, welche sich freiwillig binden, und denen, bei welchen die Knechtschaft ein Akt des Zwanges ist.«

»Das ist eine Unterscheidung ohne Unterschied,« versetzte der Pflanzer, »obschon sie nicht einmal allgemein richtig ist. Die Gesellschaft macht uns alle zu Sklaven. Wir sind gezwungen, den Gesetzen zu gehorchen, uns in die Gewohnheit zu fügen, der Mode des Tages zu folgen, die Taugenichtse durch Armensteuern zu unterstützen, Abgaben zu zahlen und zu den Interessen einer Schuld, welche Andere gemacht haben, unsern Beitrag zu geben, oder müssen in's Gefängniß wandern.«

»Und die Fürsten und Herrscher des Landes – schließt Ihr diese auch ein?« fragte Newton.

»Sie sind die größten Sklaven von allen, denn der gemeinste Bauer hat in einem Punkte, in welchem wir am meisten frei zu sein wünschen, einen Vortheil über den Fürsten – ich meine in der Wahl seiner Lebensgefährtin: diese steht Letzterem nicht frei, denn er muß sich den Wünschen seines Volkes fügen, hat auf Ebenbürtigkeit zu sehen und ist genöthigt, ein Weib in sein Bett aufzunehmen, dem er vielleicht keinen Raum im seinem Herzen geben kann.«

»Nun, so haltet Ihr wohl gar nichts für frei, wenn nicht etwa die Freiheit selber?«

»Um Euch zu beweisen, daß ich Recht habe, wenn ich behauptete, daß es keine Freiheit in dieser Welt gebe, fuhr der Pflanzer fort, »so will ich, wie paradox es auch erscheinen mag, sogar die Behauptung aufstellen, daß die Freiheit nur in Banden Freiheit genannt werden kann. Entfernt diese, und sie hört auf zu existiren; sie hat ihr Wesen verändert und die zwanglose Freiheit wird zur Zügellosigkeit

»Nun,« sagte Mr. Kingston, mit den Uebrigen über diese possirliche Bemerkung lachend, »da Ihr jetzt bei Eurem Climax angelangt seid, möchten wir mit Eurer Erlaubniß zu Bette gehen.«

»Habe ich Euch überzeugt, fragte der Pflanzer, das Glas von seinen Lippen absetzend.

»Wenigstens zum Schweigen gebracht. Wenn es Euch genehm ist, so wollen wir unsere Röcke anziehen und uns nach unserem Gemache zurückziehen.«

»Ja, – thut das,« versetzte der Andere, der nicht mehr sehr fest auf den Beinen war, »thut das, oder ihr könntet den Schweiß unterdrücken. Knabe Jack, wo sind die Lichter? – gute Nacht Gentlemen.«

Der Neger ging nach einem großen Zimmer mit zwei Betten voran, in welchem Newton und der Briggmeister schlafen sollten. Nachdem er sie auf einen Krug Sangori für den Fall aufmerksam gemacht hatte, daß »die Gentlemen durstig wären,« wünschte er ihnen gute Nacht und verließ das Zimmer.

»Nun, Newton,« sagte Mr. Berekroft, sobald sie allein waren, »was haltet Ihr von dem Pflanzer?«

Ich meine, daß er trotz seines beharrlichen Anrathens der Mässigkeit doch eine sehr große Quantität von Aracpunsch zu sich nahm.«

»Allerdings; aber wie gefallen Euch seine Argumente?«

»Ich kann da nicht viel sagen; nur so viel ist gewiß, daß mich keines davon hinreichend überzeugte, um mich zu bewegen, selbst Sklaveneigenthümer zu werden. Wir haben uns vielleicht, wie er behauptet, statt der Wesenheit mit den Schatten begnügen lassen; aber auch der Schatten der Freiheit ist einem Engländer theuer.«

»Ich bin mit Euch einverstanden, mein Junge; seine Belege weckten übrigens doch eine Idee in mir – daß nämlich eine merkwürdige Verbindung zwischen Religion und Sklaverei besteht. Im Zustande der Knechtschaft wurden die Juden darauf vorbereitet, das verheißene Land zu empfangen, und so oft sie sich von der wahren Gottesverehrung abwandten, wurden sie durch Gefangenschaft gestraft. Durch die Sklaverei wurde das Licht des wahren Glaubens zuerst auf unsere Insel gebracht, wo es mit einer reineren Flamme aufloderte, als irgendwo; denn wenn Ihr Euch erinnert, gab die Schönheit einiger englischer Kinder, die in Rom zum Verkauf ausgesetzt wurden, in Vereinigung mit einem lateinischen Wortspiele, Anlaß zur Einführung des Christenthums in Großbritannien. Wer weiß, ob nicht gerade dieser Handel, welcher der Menschheit so anstößig ist, von der weisen Allmacht in der Absicht zugelassen wird, daß er eines Tages das Mittel werde, das Christenthum in den weiten Regionen des afrikanischen Götzendienstes zu verbreiten.«

»Ihr habt Recht,« bemerkte Newton, »und die Zeit ist vielleicht nicht ferne.«

»Das ist unmöglich zu berechnen, denn die Mittel, mit welchen der Herr wirkt, sind unerforschlich. Nicht die Sache der Tugend, sondern der Wunsch, im Laster weniger eingeengt zu sein, gab in England Anlaß zur Einführung der Reformation. Je mehr wir versuchen, der Allmacht vorzugreifen, desto augenfälliger wird unsere Thorheit und Blindheit – desto klarer Gottes unerforschliche und unwandelbare Weisheit. – Gute Nacht, mein Junge.«


 << zurück weiter >>