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Einundzwanzigstes Kapitel

Wie lieblich, einer fremden Sprache Kunde
Erspäh'n aus süßem Frauenblick und Munde,
Das heißt, wenn Schüler jung und Lehrerin,
Wie sich's verhielt im Fall, den ich im Sinn.
Trifft man das Rechte, folgt ein heiter Lächeln,
Das heit'rer noch den Fehler grüßt.

Byron.

Monsieur de Fontanges, der das Ungestüm und die Launenhaftigkeit seiner Gattin, zugleich aber auch die vielen versöhnenden guten Eigenschaften derselben kannte, versuchte nicht länger, ihren Wünschen in den Weg zu treten. Sein Haupteinwurf gegen ihren Plan war die Ungebühr einen Gefangenen zurückzubehalten, den er an die geeigneten Behörden auszuliefern verpflichtet war; so aber machte er aus der Noth eine Tugend, theilte Newton den Wunsch seiner Gattin mit, und erbat sich von ihm für den Fall eines Aufschubes seiner Ablieferung an die Obrigkeit das mit seinem Ehrenworte bekräftigte Versprechen, keinen Fluchtversuch zu machen, und einige Zeit zu Lieu désiré zu bleiben. Newton, dem es nicht darum zu thun war, mit einem französischen Cachot früher Bekanntschaft zu machen, als eben absolut nothwendig war, gab Monsieur de Fontanges die gewünschte Zusage und versicherte ihm zugleich, daß Undank kein Theil seines Charakters sei. Monsieur de Fontanges ersuchte nun unsern Helden, einen Theil seiner Garderobe anzunehmen, welche er ihm nach dem Zimmer, das für ihn hergerichtet werden solle, zu schicken gedenke. Die Sache war somit abgemacht; Newton verbeugte sich gegen die Dame und verließ mit Monsieur de Fontanges das Boudoir.

Der Leser wird wahrscheinlich denken, daß Madame de Fontanges zu jenen Damen gehörte, die auf ihrem eigenen Kopfe bestehen, und sich sehr wenig um ihren Gatten kümmern. Was den ersten Theil dieser Beschuldigung betrifft, kann ich nur bemerken, daß ich noch nie das Glück hatte, mit einer Dame zusammenzutreffen, welche nicht Allem aufbot, um die Dinge nach ihrem Sinne gehen zu lassen, und ich kann dies gerade nicht für ein Verbrechen halten; was jedoch die zweite Muthmaßung anbelangt, so ist dieselbe irrig. Madame de Fontanges war ihrem Gatten sehr zugethan, und es herrschte zwischen dem Ehepaar gegenseitiges liebevolles Vertrauen.

Eifersucht war es daher nicht, was Monsieur de Fontanges veranlaßte, ihren Entschluß zu bekämpfen, denn wie schon bemerkt, lebte er der Ueberzeugung, er versäume seine Pflicht, wenn er die Ankunft Newtons auf der Pflanzung nicht melde. Madame de Fontanges Wunsch, Newton zurückzubehalten, war, wie sie erklärt hatte, nichts Anderes, als eine Grille, die sie sich in den Kopf gesetzt, denn sie wollte sich damit amüsiren, daß sie unsern Helden Französisch lehrte. Allerdings wäre sie wahrscheinlich nie auf diesen Einfall gekommen, wenn nicht Newtons Außenseite sehr ansprechend gewesen wäre, und da sie außerdem bemerkte, daß er weit über dem gewöhnlichen Leuteschlag stand, zugleich aber auch der Einförmigkeit ihres Lebens durch einen Umstand Abwechselung geben wollte, von dem sie sich Unterhaltung versprach, so bildete sich die Idee durch den Widerspruch ihres Gatten augenblicklich zu einem festen Entschlusse.

Die Früchte dieses Widerspruchs-Geistes kamen unserm Helden zu statten. – Ein treffliches Diner, oder vielmehr ein Souper, das er mit Monsieur de Fontanges einnahm, und ein behagliches Bett in einem Gemache, das aufs Ueppigste ausgestattet war, setzten ihn in den Stand, die nächste Nacht weit anders, als diejenigen der letzten Zeit zu verbringen.

Am andern Tag gegen zwölf Uhr wurde Newton von einem der Sklavenmädchen nach dem Boudoir der Madame Fontanges berufen. Er fand sie, wie Tags zuvor, auf ihrer Ottomane. Newton, der unter dem Messer eines schwarzen Barbiers gesessen hatte, und nun in Monsieur de Fontanges Kleidern stak, nahm sich diesmal weit achtbarer aus, als bei seiner frühern Vorstellung.

» Bon jour, monsieur,« begrüßte ihn die Dame.

Newton verbeugte sich achtungsvoll.

» Comment vous appellez-vous?«

Newton, der die Frage nicht verstand, antwortete mit einer abermaligen Verbeugung.

» Le jeune homme n'entende pas, Madame,« bemerkte Mimi.

» Que c'est ennuyant, monsieur,« sagte Madame de Fontanges. Dann deutete sie auf sich selbst. » Moi – Madame de Fontanges – vous?« – auf ihn deutend –

»Newton Forster.«

» Nu-tong Fasta – ah, c'est bon; cela commence,« sagte die Dame. » Allons, mes enfants, répétez lui tous vos noms.«

» Moi – Mimi,« begann das Mädchen, das diesen Namen trug, indem sie auf Newton zuging und auf sich selbst deutete.

»Mimi,« wiederholte Newton mit einem Lächeln und einem Nicken des Kopfes.

» Moi – Charlotte.«

» Moi – Louise.«

» Moi – Céleste.«

» Moi – Nina.«

» Moi – Caroline.«

» Moi – Manchette.»

» Et moi – Cupidon,« schloß der kleine schwarze Knabe, der jetzt heraneilte und dann eben so schnell sich wieder in seine Ecke zurückzog.

Newton wiederholte sämmtliche Namen, nachdem die betreffenden Individuen sich ihm vorgestellt hatten. Dann trat eine Pause ein; während welcher, Madame de Fontanges Aufforderung gemäß, Newton ein Stuhl angeboten wurde, auf welchen er sich niedersetzte.

» Allons, dites-lui les noms de toute la garniture,« sagte Madame de Fontanges zu ihren Dienerinnen.

» Oui, Madame,« versetzte Mimi und ging dann auf Newton zu, welchem sie den Fächer in ihrer Hand zeigte. » Eventail.«

» Eventail,« wiederholte Newton, der an der Unterhaltung nach gerade Gefallen fand und nun ein französisches Wort nach dem andern wiederholte.

» Flacon,« sagte Charlotte, ihm das Kölnischwasserfläschchen zeigend.

» Chaise,« rief Louise, einen Stuhl in die Höhe haltend.

» Livre,« sagte Nina, auf ein Buch deutend.

» Mouchoir,« sagte Caroline, ihm ein gesticktes Taschenbuch zeigend.

» Montre,« ließ sich Manchette vernehmen, indem sie ihm die Uhr ihrer Gebieterin hinhielt.

» Canapé,« rief Céleste, auf die Ottomane deutend.

» Joli garçon,« platzte Cupidon heraus, der jetzt gleichfalls herankam und auf sich selber wies.

Dies veranlaßte ein helles Gelächter, und dann wurde der Unterricht wieder fortgesetzt. Jeder Gegenstand des Zimmers wurde unserem Helden der Reihe nach namhaft gemacht, und er sah sich genöthigt, die Worte zu wiederholen. Dann kam die Reihe an die Anzugsartikel, was ihm viel Unterhaltung gewährte. Jetzt aber trat ein völliger Stillstand ein, denn es wurde fühlbar, daß mit Hauptwörtern allein kein Gespräch geführt werden konnte.

» Ah! mon Dieu! il faut envoyer chercher monsieur de Fontanges,« rief die Dame. » Va le chercher, Louise.«

Monsieur de Fontanges erschien bald und wurde, nachdem ihm seine Gattin ihre Verlegenheit auseinander gesetzt hatte, um seinen Beistand angegangen. Er lachte, setzte unserem Helden den Uebelstand auseinander, und nun wurden durch Vermittelung des Hausherren, welcher die Rolle eines Dolmetschers übernahm, nach der Laune der Dame zusammenhängende Sätze gebildet, die oft viel Heiterkeit hervorriefen. Nach einer Stunde verabschiedeten sich die Männer unter Verbeugungen.

»Ich denke,« bemerkte Monsieur de Fontanges auf dem Wege, »Ihr thut besser, jeden Morgen auf ein Stündchen zu mir zu kommen, wenn Ihr anders so begierig seid, unsere Sprache zu lernen, als es Madame ist, sie Euch zu lehren. Mit Vergnügen will ich Euch allen mir zu Gebote stehenden Beistand angedeihen lassen, und ich hoffe, mit ein wenig Studium der Grammatik und des Wörterbuchs werdet Ihr in sehr kurzer Zeit im Stande sein, mit Madame de Fontanges oder sogar mit ihren dunkelfarbigen Pagen eine Conversation zu führen.«

Newton nahm dieses Anerbieten mit Dank an und erhielt am nächsten Morgen seinen ersten Unterricht; dann wurde er aufgefordert, im Boudoir der Madame de Fontanges seine Theorie in Praxis übergehen zu lassen. Es ist kaum nöthig zu bemerken, daß der Verkehr mit jedem Tage leichter ging.

Newton weilte drei Monate auf der Pflanzung des Monsieur de Fontanges, und sowohl dieser, als seine Gattin, hatte allmählig unsern Helden so liebgewonnen, daß sie gar nicht daran dachten, ihn fortzulassen. Er hatte es nun im Französischen ziemlich weit gebracht, und die Erzählung seiner Abenteuer gewährte seinen Wohlthätern viel Vergnügen, so daß sie sich für die Mühe, die sie sich mit ihm gegeben hatten, und für ihr Wohlwollen reichlich entschädigt fanden. Ueberhaupt war unser Held der Günstling der ganzen Pflanzung, vom Höchsten an bis zum Niedrigsten herunter, und sein Erscheinen wurde in der Hütte des Sklaven mit demselben Lächeln bewillkommt, wie im Boudoir der Madame de Fontanges.

Welche Ansichten sich Newton auch bei seinen Beobachtungen über die Sklaverei in den englischen Kolonien aufgedrungen haben mochten, – sie milderten sich mehr und mehr während seines Aufenthalts in Lieu désiré, so daß er endlich die Ueberzeugung gewann, ein Sklave könne wirklich vollkommen glücklich sein. Man muß zugeben, daß die Franzosen unabänderlich die wohlwollendsten, rücksichtsvollsten Herren sind, und die Knechtschaft trägt auf den Inseln, welche dieser Nation angehören, den mildesten Charakter. Der Grund ist augenfällig: in Frankreich herrscht Bonhommie, ein gewisser Grad von Gleichheit, der durch die allgemeine Höflichkeit zwischen den verschiedenen Abstufungen der Gesellschaft hergestellt wird. Ein französischer Diener steht zu seinem Gebieter auf einem Fuße der Vertraulichkeit, welcher der Achtung keinen Abbruch thut, und der Herr läßt sich zu seinen Untergebenen herab, ohne die gegenseitige Stellung zu vergessen. Dies geht durch das ganze gesellschaftliche Leben, und da man ohne einige Gutmüthigkeit nicht wohl höflich sein kann (denn Höflichkeit ist ein starker Zügel für die Gefühle der Selbstsucht, in denen man sich nur gar zu gerne ergeht), so herrscht im Allgemeinen ein gegenseitiger Zug des Wohlwollens, der sich überall geltend macht, wo sich Franzosen aufhalten. Die Folge davon ist, daß auch die Sklaven mit mehr Rücksicht behandelt werden, und diese ihren Herren inniger zugethan sind, als es in den Kolonien anderer Nationen der Fall ist. Newton entging dies nicht, und er sprach seine Ansicht darüber aus; ja, wenn er den Zustand der Sklaven in Lieu désiré mit dem der europäischen Bauern verglich, so sah er sich sogar genöthigt, ersten in jeder Hinsicht für glücklicher zu halten.

Eines Morgens hatte Newton mit Monsieur de Fontanges gefrühstückt, und befand sich eben auf dem Boudoir der Dame, als ein Brief hereingebracht wurde. Er war von dem Gouverneur, welcher Monsieur de Fontanges mittheilte, er habe mit großer Ueberraschung vernommen, daß er einen englischen Gefangenen in seinem Hause verberge, und verlange daher, daß derselbe augenblicklich nach dem Hauptquartier geschickt werde. Um jede Zögerung oder Weigerung zu vermeiden, hatte ein Korporal mit zwei Gemeinen das Schreiben nach der Pflanzung begleiten müssen.

Newton war eben in der Mitte einer langen Geschichte. Madame de Fontanges lag auf der Ottomane, ihre Sklavinnen saßen auf dem Boden umher, und sogar Cupidon hatte sich mit weit offenem Munde und dergleichen Augen auf halbe Entfernung aus seiner Ecke hervorgemacht, als Monsieur de Fontanges mit ärgerlichem und bekümmertem Gesichte eintrat.

» Qu'est-ce qu'il-y-a, mon ami?« fragte Madame de Fontanges, indem sie hastig aufstand und auf ihren Gatten zuging.

Monsieur de Fontanges antwortete nur dadurch, daß er ihr den Brief des Gouverneurs übergab.

» Ah! les barbares!« rief Madame de Fontanges. » Est-il possible! pauvre monsieur Nutong! on l'emmène au cachot.«

» Au cachot!« riefen sämmtliche farbige Mädchen in einem Athem und brachen in Thränen aus. » Oh ciel!«

Monsieur de Fontanges theilte darauf Newton den erhaltenen Befehl mit. Unser Held erwiederte, er habe schon von dem ersten Augenblick seines Landens an kein Recht gehabt, etwas Anderes zu erwarten, und sei seinen freundlichen Wirthen zu tiefem Danke verpflichtet, daß sie ihn so lange vor dem Gefängniß bewahrt hätten; der Rückblick auf ihr Wohlwollen würde übrigens dazu dienen, ihm die langen Stunden der Gefangenschaft zu kürzen (man sieht hieraus, daß Newton auch in der Ausdrucksweise bereits halb ein Franzose war).

Er küßte hierauf Madame de Fontanges die Hand, versuchte die kleinen Sklavenmädchen, die sämmtlich au deséspoir waren, zu trösten, pätschelte zum Abschied Cupidon auf den Kopf und verließ das Boudoir, in welchem er so viele heitere Stunden verlebt hatte. Draußen dankte er noch einmal Monsieur de Fontanges, welcher ihm sofort seinen Entschluß zu erkennen gab, daß er seinen Bruder, den Gouverneur besuchen und Allem aufbieten wolle, um die Mühseligkeiten seines Schicksals so viel wie möglich zu erleichtern. In weniger als einer Stunde befand sich unser Held in Gesellschaft seines Wirthes auf dem Wege nach Basse-Terre, während der Korporal und seine zwei Mann so schnell als möglich hintendrein marschirten, denn der erstere hatte genug savoir vivre um die Bürgschaft eines Bruders des Gouverneurs nicht zurückzuweisen.

Erst Abends spät langten sie zu Basse-Terre an; sie begaben sich alsbald nach dem Hause des Gouverneurs, und wurden unverweilt vorgelassen.

Der Gouverneur war anfangs nicht wenig unzufrieden über den Umstand, daß sich Newton schon so lange auf der Insel aufhielt, ließ sich aber durch Monsieur de Fontanges beschwichtigen der ihm auseinandersetzte, welche Gefahren der Gefangene ausgestanden habe, ehe er das Land erreichte. Für den langen Aufenthalt desselben zu Lieu désiré mußte das wahre Sachverhalten, nämlich Madame de Fontanges' Eigensinn als Entschuldigung dienen, die auch in einer französischen Kolonie ihr gebührendes Gewicht hatte, obgleich sie in England als eine sehr morsche Entlastung gegolten haben würde.

Der Gouverneur ließ sich mit Newton in ein Gespräch ein, und dieser theilte ihm ausführlich die Schrecken des Schiffbruchs mit, welchen er erlitten hatte. Die Erzählung schien den französischen Statthalter sehr zu ergreifen; er bedeutete Newton, daß er ihn unter solchen Umständen kaum als Gefangenen betrachten könne, und wolle daher die erste Gelegenheit benützen, ihn in Freiheit zu setzen; nur müsse er ihm sein Ehrenwort abverlangen, daß er die Insel nicht verlasse.

Newton drückte seinen Dank für die Höflichkeit aus und entfernte sich mit Monsieur de Fontanges.

»Der Marquis ist sehr teilnehmend gegen alle Schiffbrüchigen,« bemerkte Monsieur de Fontanges, nachdem sie das Zimmer verlassen hatten. »Der arme Mann! er hat vor ungefähr sieben Jahren seine Gattin, eine schöne junge Frau, und sein einziges Kind, ein kleines Mädchen verloren, als sie in einem nach Havre bestimmten Schiffe nach Frankreich zurückkehrten. Von dem Schiffe wurde nie wieder etwas gehört, und der Verlust liegt noch immer schwer auf seinem Herzen.«

»In welchem Jahre war dies?« fragte Newton.

»Im Herbste des –«

»Während jenes schrecklichen Winters gingen viele Schiffe an unserer Küste zu Grunde,« versetzte Newton. »Ich selbst hatte damals, als ich an der Küste kreuzte, mehrere Gegenstände aufgelesen, die zu einem französischen Schiffe gehörten. Sie sind noch in meinem Besitze und haben, wie ich glaube, einigen Werth.«

»In was bestehen sie?« fragte Monsieur de Fontanges.

»In einem großen Koffer, in dem sich Frauen und Kinderkleider befinden. Es sind auch einige Ritterorden und etliche Juwelen dabei, obschon ich sie nicht näher zu beschreiben vermag, da ich seit langer Zeit nicht mehr darnach gesehen habe.«

»Wie sonderbar, daß Ihr keinen Schlüssel zu Entdeckung der Eigentümer auffinden konntet.«

»Es befanden sich französische Briefe darunter, die ich nicht lesen konnte,« versetzte Newton. »Sie waren nur mit Anfangsbuchstaben unterschrieben, die jedoch mit den Zeichen auf dem Weißzeug der Dame nicht zusammenstimmten, obgleich der Zuname wohl auch der des Kindes sein mochte.«

»Erinnert Ihr Euch noch der Buchstaben?«

»Oh ja; die Wäsche der Dame war mit L. C., das Weißzeug des Kindes aber mit J. F. gezeichnet.«

» Mon Dieu! mon Dieu!« rief Monsieur de Fontanges; »dann waren dies höchst wahrscheinlich die Kleider der Marquise de Fontanges. Ihre Wäsche muß ohne Zweifel mit dem Namen bezeichnet gewesen sein, den sie vor ihrer Vermählung trug – sie ist nämlich ein geborne Louise de Calmar. Das Kind wurde nach ihrer Großmutter Julie de Fontanges getauft. Mein armer Bruder hatte die Absicht, seine Heimfahrt in demselben Schiffe zu machen, da sein Nachfolger mit jeder Stunde erwartet wurde; aber die Fregatte, in welcher sich der neue Gouverneur eingeschifft hatte, war von einem englischen Geschwader genommen worden, und so sah sich mein Bruder genöthigt, hier zu bleiben.«

»Dann ist der Koffer ohne Zweifel ein Eigenthum des Marquis,« versetzte Newton. »Wollte Gott, ich könnte ihm von seiner Gattin und seinem Kinde eine gleich gute Nachricht geben; aber ich fürchte, dies ist unmöglich, da sie ohne Zweifel zu Grunde gegangen sind. Gedenkt Ihr, dem Marquis mitzutheilen, was ich Euch eben eröffnet habe?«

»Keineswegs; es würde nur eine Wunde aufreißen, die schon theilweise geheilt ist. Ich werde es Euch sehr Dank wissen, wenn Ihr mir nach Eurer Rückkehr den Koffer zuschickt, obgleich ich gerade auf die Effekten keinen besonderen Werth lege. Welchen Trost könnte es auch meinem Bruder geben, wenn er erführe, daß zwar die Kleider seiner Gattin und seines Kindes gerettet, sie selbst aber verloren sind.«

Hier wurde die Unterhaltung abgebrochen und nicht wieder aufgenommen.

Newton kehrte wieder nach Lieu désiré zurück, wo er einen herzlichen Willkomm fand. Drei Wochen später lief ein Schreiben des Gouverneurs ein, in welchem ihm mitgetheilt wurde, daß ein Kartelschiff zum Aussegeln bereit sei.

Mit wechselseitigem Schmerze verabschiedeten sich Newton und seine wohlwollenden Freunde von einander, und ersterer zog diesmal allein nach Basse-Terre, nachdem er Monsieur de Fontanges unter der Thüre seines Hauses Lebewohl gesagt hatte. Unser Held entdeckte jedoch bald, daß ihn sein freundlicher Wirth aus Zartgefühl nicht hatte begleiten mögen, um seinem Dank für zwei gut ausgestattete Reisesäcke auszuweichen, welche ihm, noch ehe er eine Viertelmeile von der Pflanzung entfernt war, ein berittener kleiner Neger nachbrachte. Newton dankte dem Gouverneur für seine wohlwollende Berücksichtigung, ging an Bord des Schooners Marie Therese und befand sich nach drei Tagen wieder an der Küste einer englischen Kolonie – eine Neuigkeit, mit der ich dieses Kapitel schließen will.


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