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Achtundzwanzigstes Kapitel

Durch Kutschen, Schlagbäum', voll von dem Gewirr'
Der Bauerkarren, und durch wilden Lärmen
Winkt aus der Schenk' ein Gläschen Wermuthbier,
Und rasch dahin die schnellen Posten schwärmen.
Durch solch Gewühl, gleich einem Schattenspiel,
Muß zu dem mächt'gen Babylon man wandern;
Ob man zu Pferd – zu Wagen sucht sein Ziel,
Gleicht von den Wegen einer stets dem andern.

Byron.

Als Newton Forster mit seinem Vater zu London anlangte, nahmen sie in einem unbedeutenden Wirthshause von Borough Quartier. Am andern Tage machte sich Newton auf den Weg, um die Wohnung seines Onkels aufzufinden. Sein Wirth empfahl ihm, sich an einen Buchhändler zu wenden, der ihm Einsicht in einen Adreßkalender gestatten würde, und dieser Weisung zufolge machte unser Held bei einem Laden in Fleet-Street Halt, über dessen Thüren in großen goldenen Buchstaben – »Verlag und Sortiment juridischer Bücher« geschrieben stand. Die jungen Leute in dem Laden waren sehr höflich und verbindlich und nannten ihm, ohne den Wegweiser zu Rathe zu ziehen, alsbald die Wohnung eines Mannes, der so wohl bekannt war, wie sein Onkel. Newton eilte in die angedeutete Richtung.

Es war einer jener trübseligen Tage, an welchen London das Aussehen eines ungeheuren Gassenkehrerkarrens trägt. Ein dumpfer Nebel und ein feiner Regen, der schon seit vierundzwanzig Stunden an einem fortgemacht hatte – ein schlüpfriges Pflaster und Gassen, durch welche Schlammbäche dahinschoßen, um sich in die Abzugskanäle hinunterzustürzen – so weit das Auge reichen konnte, Heere von Schirmen, die sich bald hoben, bald senkten, um einen Zusammenprall zu vermeiden – Miethkutschen in thätiger Trägheit, deren erbärmliche Gäule mit ihren gebogenen Rücken dahinwankten, Köpfe und Schwänze wie Hühner, die unter einer Dachtraufe sitzen, hängen lassend – das Klatschen von Ueberschuhen und das Fegen der Kehrbesen – auch nicht ein einziges lächelndes Gesicht unter der Menge, die an ihm vorbeiging, denn Alles schien in Hast, Rührigkeit und Selbstsucht versenkt. Newton bedauerte nicht, endlich die enge Sackgasse, welche man ihm angedeutet hatte, zu erreichen, und begann, sobald er das Gewühl im Rücken hatte, schneller zu laufen. Nach zwei Minuten befand er sich an der Thür von seines Onkels Geschäftslokal, die trotz des ungünstigen Wetters weit offen stand, als wolle sie Niemanden ein Hinderniß in den Weg legen, und jeden Augenblick des Nachdenkens über einen Schritt, der so viele Kosten mit sich führte, unmöglich machen. Newton schlug seinen triefenden Schirm zusammen und betrachtete zuerst mit Erstaunen den Schmutz, der ihm bis über die Waden gespritzt war, worauf er seine Augen zu den Thürpfosten erhob, über denen er in großen Buchstaben die Worte las: »Mr. Forster, im Erdgeschoß.« Er klopfte an und wurde von einem Schreiber eingelassen, welcher ihm bemerkte, daß der Principal bei einer Consultation sei, aber in einer halben Stunde zurückkehren werde. Newton ließ sich das Warten wohl gefallen und wurde sofort nach dem Empfangzimmer geführt, wo ihm der Schreiber die Zeitung des Tages anbot, damit er sich bis zur Ankunft seines Onkels unterhalten könne.

Sobald die Thüre geschlossen war, begann er neugierig das Gemach und dessen Inhalt zu mustern. Im Mittelpunkte des Zimmers, das ungefähr vierzehn Fuß im Geviert messen mochte, stand ein Tisch, auf dem sich neben der einzigen Stelle, die für den Gebrauch der Feder freigeblieben war, eine Schirmlampe befand. Sonst lagen überall Pergamente, Urkunden und Akten, dicht auf einander gehäuft, umher. Einige davon, namentlich die untersten, waren durch die Zeit dunkel und mißfarbig geworden; die Dinte hatte sich zu einem trüben Roth umgewandelt, und der häufige Abdruck eines Daumens bekundete, wie viele Jahre sie schon vorhanden waren und wie lange sie als traurige Mementos der Rechtsverzögerung hier gelegen hatten. Andere waren frisch und rein, die tiefschwarze Dinte in starkem Gegensatz mit dem glänzenden Pergament – also neue Streitsachen, frisch wie die Hoffnungen Derjenigen, die sich durch schmeichelhafte Versicherungen hatten bereden lassen, in ein Irrgewinde von Aerger einzugehen, aus dem sie vielleicht nicht wieder herauskommen sollten, bis ihre Dokumente die Farbe der andern angenommen hatten, welche schweigend auf die geknickten Hoffnungen verschleppter Prozesse hindeuteten. Zu jeder Seite des Kamins standen an den Wänden massive eiserne Truhen und durch das ganze Gemach waren blecherne Aktenfascikel auf einander gehäuft, auf denen mit deutlichen lateinischen Buchstaben die Namen der Partieen geschrieben standen, deren Eigenthum hier eingeschlossen war. Sie waren aufgeschichtet wie ebenso viele Gräber des Glückes, Mausoleen hingeschiedenen Wohlstands, während die Namen als eine gleiche Anzahl von Registern menschlicher Thorheit und Streitsucht erschienen.

Aus alledem konnte übrigens Newton keinen andern Schluß ziehen, als daß sein Onkel sehr viel zu thun habe. Das Feuer in dem Kamine war so klein, daß unser Held, obgleich er vor Nässe und Kälte schauerte, doch sich scheute darin zu stören, damit es nicht ganz und gar ausgehe. Aus diesem Umstande zog er den hastigen und unbefriedigenden Schluß, daß sein Onkel kein großer Freund von Geldausgeben sein müsse. Er hatte kaum Zeit gehabt, diese Betrachtungen anzustellen und dann die Zeitung aufzunehmen, als die Thüre aufging und eine andere Partie hereingeführt wurde, welcher der Schreiber einen Stuhl anbot, mit der Bemerkung, daß Mr. Forster in wenigen Minuten zurückkehren würde.

Die so eingeführte Person war ein kleiner, junger Mann mit einem runden Gesichte, buschigen Augbrauen und störrischen Zügen, in welchen wohl Eigensinn, aber durchaus kein schlimmer Charakter zu lesen war. Gleich nach seinem Eintritte begann er ein großes Halstuch abzunehmen, das er über die Lehne eines Stuhles hing; dann zog er seinen Ueberrock aus, den er in ähnlicher Weise unterbrachte, rieb sich die Hände und ging auf das Feuer zu, das er sofort mit dem Schürhaken bearbeitete, dadurch aber augenblicklich den letzten glimmenden Rest auslöschte und das Ganze zu einem Chaos von Rauch umwandelte.

»Ich glaube 's wäre besser gewesen, ich hätt's gehen lassen,« bemerkte er, indem er den Schürer noch weiter handhabte und die schwarze Masse aufwühlte, denn das Feuer war nun wirklich ganz erstickt.

»Hoffentlich friert es Euch nicht, Sir?« fragte der Fremde, sich an Newton wendend.

»Nein, Sir, nicht sehr,« versetzte Newton gutmüthig.

»Dachte mir's wohl; 's ist bei Klienten nie der Fall, denn nichts kann so warm halten, als das Recht, Sir. Laßt Euch's zur Regel dienen, Eure Angelegenheiten nur in den Wintermonaten vorzubringen. Wenn's angeht, halte ich's gleichfalls so, denn in den Hundstagen ist's positiv zum Ersticken!«

»Ich habe in der That nie mit Advokaten zu schaffen gehabt,« versetzte Newton lachend; »aber wenn ich je so unglücklich bin, will ich Eures Rathes eingedenk sein.«

»Nie mit Advokaten? Ich wollte beinahe sagen, was zum Teufel bringt Euch denn hieher – wenn dies nicht eine unverschämte Frage wäre. – Nun, Sir, es gab auch einmal eine Zeit, in welcher ich nicht wußte, was das Recht sei,« fuhr der junge Mann fort, indem er sich Newton gegenüber auf einen Stuhl setzte. »Doch das ist lange her; ich war damals ein jüngerer Bruder und hatte kein Vermögen. Niemand nahm sich die Mühe, mit mir Proceß anfangen zu wollen, denn wenn die Leute auch gewannen, so führte es doch zu nichts. In den letzten sechs Jahren habe ich ein beträchtliches Eigenthum geerbt, und nun befinde ich mich stets in heißem Wasser. Ich habe die Rechtsgelehrten sagen hören, Ursachen brächten Wirkungen hervor; aber bei mir lautete es umgekehrt.« Ein unübersetzliches Wortspiel: causes produce effects (Ursachen bringen Wirkungen hervor) und effects produce causes (Eigenthum erzeugt Processe).

»Es thut mir leid, daß Euer Glück mit einem so schweren Hemmsteine gepaart werden mußte.«

»Oh, das ist nichts – für den Menschen ungefähr das, was die Fessel für ein Pferd auf dem Felde, damit man wisse, wo man es finden kann. Ich bin daran gewöhnt – in der That so daran gewöhnt, daß es mir gar nicht wohl wäre, wenn ich nicht Werg an der Kunkel hätte; 's ist just ein Abhaltungsmittel von dem Müssiggange. Ich bin schon in jedem Gerichtshof der Hauptstadt gewesen und habe über keinen zu klagen, als über den Requetenhof.«

»Was ist denn mit dem, Sir, und über was habt Ihr Euch zu beklagen?«

»Ei, das ist das schuftigste Institut, das man sich nur denken kann – doch vor Fremden sollte ich mich in Acht nehmen. Ihr werdet mich entschuldigen, Sir – nicht daß ich Euch beargwöhnte, aber ich weiß, was als eine Schmähung betrachtet werden könnte. Ich will Euch übrigens auseinandersetzen, warum das kein Gerichtshof ist, vor welchem ein Gentleman erscheinen kann, und wenn er es je thut, so nützt's ihn nichts, denn das Verdikt wird nie zu seinen Gunsten lauten.«

»Wie? ist es denn nicht ein eigentlicher Gerichtshof?«

»Ein Gerichtshof? Nein, 's ist nur die Klagebehörde für Eintreibung kleiner Schuldsachen. Aber ich will Euch sagen, Sir, was mir dort zustieß und Ihr werdet Euch dann selbst ein. Urtheil bilden können. Ich hatte einen Hund, Sir; es war just nach der Zeit, als ich mein Vermögen erbte – er. hieß Cäsar und war ein sehr guter Hund. Gut, Sir; ich reite eines Tags ungefähr vier Meilen von der Stadt weg, und an dem Hause eines Kartoffelverkäufers steckt ein Kaninchen seine Nase aus seinem Loche. Cäsar stürzt drauf los und das Kaninchen ist im Nu todt. Der Mann, dem das Kaninchen und die Kartoffeln gehörten, kam auf mich zu und fragte mich nach meinem Namen, den ich ihm angab; zu gleicher Zeit drückte ich mein Bedauern über den Unfall aus und rieth ihm, für die Zukunft seine Kaninchen im Kasten zu behalten. Er sagte, er wolle das thun, und verlangte mir drei Schillinge sechs Pence für das Thier ab, welches der Hund getödtet hatte. Nun hatte ich ihm meinen Rath gern gegeben, aber mit dem Gelde war es etwas Anderes; er ging daher den einen Weg, indem er etwas von Klagen vor sich hinmurmelte, und ich schlug mit Cäsar den andern ein, ohne auf seine Drohung zu achten. Gut, Sir; ein paar Tage nachher kommt mein Diener herauf, um mir zu sagen, daß mich Jemand wegen einer besonderen Angelegenheit zu sprechen wünsche, und ich lasse ihn einführen. Es war ein schuftig aussehender Bursche, der mir einen Fetzen schmutzigen Papiers in die Hand drückte und mich aufforderte, in irgend einem Hundeloch, ich weiß nicht mehr wo – zu erscheinen. Da ich die Sache nicht verstand, so schickte ich den Wisch einem Advokaten, der mir als Antwort zurückschrieb, es sei eine Aufforderung vor den Requetenhof; kein Gentleman stelle sich vor demselben, und ich solle daher der Sache den Lauf lassen. Ich hatte die ganze Geschichte schon wieder vergessen, als mir einige Tage später ein Fetzen Papier gebracht wurde, aus welchem ich mich unterrichtete, daß der Hof mich zu Bezahlung von einem Pfund, zwei Schillingen und sechs Penceen für Schaden und Kosten verurtheilt habe. Ich fragte, wer den Wisch gebracht habe, und erfuhr, daß es der Sohn des Kartoffelverkäufers sammt einem Gerichtsdiener sei. Ich erbat mir das Vergnügen ihrer Gesellschaft und fragte den Letztern, wofür mir denn eigentlich diese Anrechnung gemacht werde.

»›Achtzehn Schillinge für zehn Kaninchen, die durch Euern Hund umgebracht wurden, und vier Schillinge sechs Pence für die Gerichtskosten.‹

»›Zehn Kaninchen?' rief ich. ›Ei, er hat ja nur ein einziges getödtet.‹

»›Ja, Sir, quickste der junge Kartoffelhändler; ›aber es war ein trächtiges Weibchen, und wir zählten neun Junge, die alle mit zu Grunde gingen!‹

»›Schändlich!‹ rief ich. ›Bitte, junger Herr, hat Euer Vater dem Gerichtshof gesagt, daß die Kaninchen noch nicht geboren waren?‹

»›Nein, Sir; der Vater sprach nur von einem Kaninchenweibchen und neun Jungen, die getödtet worden seien. Er forderte vier Schilling sechs Pence für das alte und nur einen Schilling sechs Pence für jedes Junge.‹

»›Ihr hättet Euch selbst einfinden sollen, Sir,« bemerkte der Gerichtsdiener.

»›Ich wollte, Cäsar hätte das Kaninchen gehen lassen. So scheint's also,‹ versetzte ich, ›daß mich diese sectio caesarea Kaiserschnitt. um neunzehn Schillinge prellt, denn er hat Anfangs nur drei Schillinge sechs Pence verlangt.‹ – Nun, Sir, was haltet Ihr hievon?«

»Ich glaube, Ihr solltet Euch eher über die Unehrlichkeit des Kartoffelverkäufers, als über das Urtheil des Hofes beklagen. Hättet Ihr Eure Sache vertheidigt, so würdet Ihr wahrscheinlich zu Eurem Rechte gekommen sein.«

»Das weiß ich nicht. Wenn Einer gegen einen Andern klagt und einen Eid darauf ablegt, so müßt Ihr entweder den Gegenbeweis liefern, oder die Sache bezahlen; Euer Eid wird gegen den seinigen nicht angenommen. Ich besuchte meinen Advokaten und sagte ihm, wie ich behandelt worden sei; er erzählte mir dann folgenden Umstand, der Euch erklären wird, was ich meine. – Er sagte mir, er kenne nur ein einziges Beispiel, in welchem eine achtbare Person vor dem Requetenhofe seine Sache gewonnen habe, und er schäme sich fast, es einzugestehen, daß er selbst bei der Sache betheiligt gewesen sei. Wie dies zuging, erhellt aus Nachstehendem. – Ein jüdischer Zimmermöblirer schickte einem seiner Verwandten eine Rechnung für eine Kommode, welche der letztere weder gekauft, noch empfangen hatte. Weil er die Bezahlung verweigerte, so wurde er vor den Requetenhof beschieden. Da er nicht wußte, wie er sich zu benehmen hatte, so ging er den gedachten Advokaten um Rath an, der ihm denselben auch aus Verwandtschaftsrücksichten nicht verweigerte.

»›Ich fürchte, daß Euch da kein anderes Mittel bleibt, als zu bezahlen,‹ sagte der Rechtsgelehrte zu seinem Vetter, nachdem er dessen Geschichte angehört hatte.

»›Aber ich kann einen Eid darauf ablegen, daß ich die Kommode nie erhalten habe.‹

»›Das ist von keinem Belang; er wird Leute beibringen, welche die Ablieferung beschwören. Um jenen Hof lungern Hunderte von Halunken, deren Jeder für eine halbe Krone bereit ist, einen Eid zu schwören, und dies reicht zu. Um Euch übrigens einen Gefallen zu erweisen, will ich sehen, was ich thun kann.‹

»Sie trennten sich, und ein paar Tage später besuchte mein Rechtsfreund seinen Vetter, welchem er mittheilte, daß seine Sache gewonnen sei. ›Freilich muß ich gestehen, auf Kosten meines Gewissens; aber man muß diese Spitzbuben mit ihren eigenen Waffen bekämpfen.‹

»›Nun und wie grifft Ihr das an?‹ fragte der Andere.

»›Wie ich vorausgesagt hatte, stellte er drei Personen vor, welche die Ablieferung der Kommode beschworen. Hierauf gefaßt, hatte ich drei Andere gedungen, welche beeidigten, daß sie die Bezahlung der Rechnung mit angesehen hätten! Einer solchen Gegenmine hatte er sich nicht versehen, und das Verdikt wurde zu unsern Gunsten erlassen.‹«

»Ist's möglich,« rief Newton, »daß ein solcher Belialshof in England existiren kann?«

»Allerdings; und da von hier aus keine Appellation stattfindet, so mögt Ihr Euch immerhin vor ihm in Acht nehmen. Was mich anbelangt –«

Hier wurde jedoch das Gespräch durch den Eintritt des Mr. John Forster unterbrochen, der von seiner Consultation zurückkehrte.

Da wir bereits seinen Charakter geschildert haben, so brauchen wir nur noch seine Person vorzustellen. Mr. John Forster war von mittlerer Größe und etwas zur Korpulenz geneigt, aber augenscheinlich von sehr kräftigem Muskelbau. Seine schwarzen Kniehosen und seidenen Strümpfe schloßen ein Bein ein, um das ihn ein Thürsteher hätte beneiden können; auch war er über die Schultern außerordentlich breit. Er hatte einen schlotterigen Gang, wahrscheinlich in Folge des vielen Sitzens; seine Anrede war abgebrochen und seine äußere Erscheinung nichts weniger als fein. Unter seiner hohen, kahlen Stirne saßen zwei kleine funkelnde Augen und seine Wangen hingen schlapp nieder, so daß die Breite seines Unterkiefers beträchtlich vergrößert erschien. Tiefe, aber nicht unangenehme Falten furchten sein ganzes Gesicht, in welchem sich unbeugsamer Wille und ruhige Besonnenheit aussprach.

»Guten Morgen Gentlemen,« sagte er, als er in das Gemach trat; »ich hoffe, ihr habt nicht lange warten müssen. Darf ich mir die Frage erlauben, wer zuerst kam? 's ist ein altes Sprüchwort, das von der Mühle.«

»Ich glaube, dieser Gentleman kam zuerst,« versetzte der junge Mann.

» Wißt Ihr's nicht gewiß, Sir? Glaubt Ihr's nur?«

»Ich kam zuerst an, Sir,« versetzte Newton; »da ich aber nicht wegen einer Rechtssache hier bin, so kann ich wohl warten, bis dieser Gentleman sein Anliegen vorgebracht hat.«

»Nicht wegen einer Rechtssache? – hm!« entgegnete Mr. Forster, Newton in's Auge fassend. »Nun, wenn dies der Fall ist, so seid so gut, in dem Vorzimmer Platz zu nehmen, bis ich mich mit diesem Gentleman benommen habe.«

Newton nahm seinen Hut auf, ging nach der Thüre, welche Mr. Forster ihm öffnete, und setzte sich im nächsten Zimmer nieder, bis die Reihe an ihn käme. Trotz der geschlossenen Thüre konnte er leicht die Stimmen der Beiden unterscheiden – die des jungen Mannes glich dem lauten Bellen eines Köters, während die seines Onkels Aehnlichkeit mit dem grimmigen Brummen einer wilden Bestie hatte. Endlich ging die Thüre aus.

»Aber, Sir,« rief der junge Mann im Alttone.

» Zahlt, Sir, zahlt! ich sage Euch, zahlt!« antwortete der Rechtsgelehrte mit einem Stentorbasse.

»Aber er hat mich betrogen, Sir!«

»Gleichviel – zahlt!«

»Mir zweimal den Werth abgenommen, Sir!«

»Ich sage Euch, zahlt!«

»Aber, Sir, ein schändlicher Betrug!«

»Ich habe Euch schon zwanzigmal gesagt, Sir, und wiederhole es noch einmal und zum letztenmal – zahlt

»Ihr wollt also meine Sache nicht annehmen?«

»Nein, Sir! Ich habe Euch gerathen und will Euch nicht das Geld aus der Tasche stehlen! – Guten Morgen, Sir!«

Mit diesen Worten hatte Mr. Forster seinen kleinen Klienten zur Thüre hinausgedrängt und drückte ihm dieselbe vor der Nase zu, um alle weitere Discussion zu vermeiden.

Der junge Mann betrachtete einen Augenblick die geschlossene Thüre und wandte sich dann gegen Newton um.

»Wenn Ihr wirklich ein Rechtsgeschäft habt, so laßt Euch rathen und bleibt nicht, um mit ihm zu sprechen. Ich will Euch zu einem Manne bringen, der wirklich ein Rechtsgelehrter ist, denn hier wird Euch nicht zu dem Eurigen verhelfen.«

»Danke, Sir,« versetzte Newton lachend; »aber ich trage mich in der That nicht mit einem Rechtshandel.«

Ein Druck auf die Thürklinke deutete an, daß Mr. Forster im Begriffe war, wieder zu öffnen, um unsern Helden hinein zu rufen. Der junge Mann huschte daher mit einem hastigen guten Morgen an Newton vorbei und eilte auf die Straße.


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