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XXXIV.

Flucht und Niederlage der Engländer.


In dieser Zeit des rauchlosen Pulvers vermochten die Deutschen schwer festzustellen, wo die englischen Verteidigungslinien wirklich besetzt waren. Trotzdem schritten sie, als das schwere Grollen des Artillerieduells, das seit dem frühen Morgen gedauert hatte, jetzt abzuflauen begann, Kompagnie auf Kompagnie, Regiment auf Regiment und Brigade auf Brigade, ruhig zum Angriff. Sie maskierten dabei das Feuer ihrer eigenen Artillerie, als sie in mächtigen Sätzen die Abhänge vor ihnen erklommen.

Das Ziel des 7. Korps schien der die ganze Stellung beherrschende feste Punkt etwas westlich vom Catcliffe zu sein; das 8. Korps richtete seine Anstrengungen gegen den vorspringenden Winkel der Verteidigungslinie etwas südlich von Woodhouse, um von hier aus die englische Stellung nordwärts nach Tinsley zu umgehen.

Die Unsrigen behaupteten sich mit der furchtlosen Tapferkeit von Engländern. Obwohl von vornherein jeder Versuch einer Verteidigung nutzlos erschien, blitzte Salve auf Salve von jedem Hügel, von jeder Bodenschwelle und aus jedem Schanzgraben der langen Linie, die von den heldenmütigen Yorkshirern besetzt war. Die Maschinengewehre knatterten und spien Feuer, die Pom-poms schleuderten in höchster Regelmäßigkeit einen ununterbrochenen Strom kleiner Granaten auf die Angreifer, – alles umsonst! Wo ein Deutscher fiel, traten mindestens drei an seine Stelle. Der Feind schien wie aus dem Boden zu wachsen! Je hartnäckiger die Verteidigung, desto zahlreicher wurden auch die Angreifer, indem die Lücken ihrer Sturmlinie mit jener Rücksichtslosigkeit wieder ausgefüllt wurden, die ein Prinzip der deutschen Taktik ausmacht.

So fluteten die Tausende vom Rother-Flusse über das sturmfreie Glacis hinauf, hin und wieder Halt machend und feuernd und dann wieder vorgehend, bis der Kampf Mann gegen Mann unmittelbar bevorstand.

Die Engländer hatten alles getan, was Männer tun können. Von Ergebung war keine Rede. Sie wurden einfach fortgeblasen, wie Strohhalme vom Sturmwind. Tote und Sterbende gab es auf beiden Seiten in Hülle und Fülle; die Krankenwagen waren voll, und zu hunderten wurden die Ächzenden hinter die Front getragen. General Woolmer sah ein, daß der Tag verloren war, und rang sich zuletzt, halb erstickt vor Bewegung, den Befehl ab, den kein Führer je gibt, – es sei denn, um nutzloses Blutvergießen zu vermeiden: »Zurück! – Zurück bis nach Sheffield!«

Die Hornsignale ertönten, die Pfeifen der Offiziere schrillten. In so guter Ordnung, als die Umstände erlaubten, und unter dem Siegesgeschrei aus tausenden deutscher Kehlen schleppten die Truppen sich nach der Stadt zurück.

Die Gegenwart sah schwarz genug aus; aber noch schlimmer war, was folgen sollte. Alle Straßen der Rückzugslinie waren von endlosen Karren- und Lazarettwagenzügen gesperrt, so daß die Leute querfeldein marschieren und über die Hecken klettern mußten, und dadurch ging auch der geringste Anschein von Ordnung verloren. Der Rückzug artete zur Flucht aus.

Da ertönte der Ruf: »Die Kavallerie! Die Kavallerie!« ... Und von Norden her kam wirklich erst ein Zug Ulanen in kurzem Galopp heran, dann die ganze Kavallerie, die über Attercliffe und Richmond Park sich quer vor die Rückzugslinie eines großen Teiles der Fliehenden postierte. Die letzteren liefen geradenwegs den Deutschen in die Hände, die sie aufforderten, die Waffen niederzulegen, und in einer halben Stunde über 2500 Gefangene aller Waffengattungen machten.

Auch die 14. Kavalleriebrigade war nicht untätig gewesen. Sie verfolgte die fliehenden Kolonnen durch das ganze Gelände nordöstlich der Stadt. Und im Süden ritt die Kavallerie des 8. Korps durch Dronfield, Woodhouse und Totley bis nach Abbey Dale und konnte so von Süden her in Sheffield eindringen, ohne auf Widerstand zu stoßen.

Auf dem Stadthause wurde die englische Fahne niedergeholt und die deutsche gehißt. Alle westwärts aus der Stadt führenden Straßen erfüllte ein wildes Durcheinander fliehender englischer Truppen.

Die Verfolgung erstreckte sich übrigens nicht weit über das Weichbild der Stadt hinaus; die Deutschen wollten sich offenbar nicht mit allzuvielen Gefangenen belasten, die sie nirgendwo internieren und auch nicht wohl auf Ehrenwort entlassen konnten. Was sie wollten, war, den großen Städten des Nordens einen nachhaltigen Schrecken einjagen.

Vor die im Stadthause versammelten Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung trat der deutsche General und forderte kurz und barsch die Zahlung einer Kontribution von einer halben Million Pfund Sterling in Gold, sowie die Lieferung aller Lebensbedürfnisse, die das deutsche Heer zur Ergänzung seines Proviants requirieren würde.

Der Lord Mayor rief die Bankiers der Stadt zusammen und kam mit ihnen überein, daß es besser wäre, die verlangte Summe aufzubringen, als zuzusehen, wie der Feind selber sich die Gewölbe der Banken aufsprengte. Man stellte eine Liste zusammen, die erkennen ließ, wieviel gemünztes oder ungemünztes Geld die einzelnen Bankhäuser augenblicklich liegen hatten, und alles, was General von Bistram zu tun hatte, war, zu den verschiedenen Firmen zu schicken, die dann am Vormittage des folgenden Tages ihre Quoten entrichten würden.

Als die Nachricht von dieser neuen Niederlage des englischen Heeres und von der Einnahme und Brandschatzung Sheffields nach London drang, beschloß das Parlament im Hinblick auf den nun unmittelbar bevorstehenden Anmarsch der Deutschen gegen die Hauptstadt, daß die beiden Häuser sich schleunigst nach Bristol begeben und dort in der großen Colston Hall zusammentreten sollten.

Die Nachricht von der Einnahme Sheffields sollte aber nicht die einzige Unglücksbotschaft aus dem Norden bleiben; die nächsten Tage brachten Kunde von neuen hartnäckigen Kämpfen, die dem Feinde im ganzen noch größere Verluste verursachten, als unseren braven Truppen, die aber stets denselben Verlauf nahmen wie die Kämpfe vor Sheffield: auch Birmingham und Manchester fielen in die Hände des Feindes, und nur Trümmer waren es, die sich von den vollständig demoralisierten und aufgelösten englischen Abteilungen nach Süden zu retten vermochten.


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