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XI.

Die Schlacht von North Berwick.
Siegesmeldung nach Berlin.


Die vier Dreadnoughts fuhren um das erste deutsche Geschwader der vier Schlachtschiffe der Sachsenklasse herum und wechselten mit ihnen auf ungefähr 5000 Yards ein furchtbares Feuer. Auf beiden Seiten gab es viele Treffer, so daß die ungepanzerten Teile der gewaltigen Fahrzeuge ziemlich beschädigt wurden. Eine elfzöllige Granate traf die zwölfzöllige Mittelbarbette des Thunderer und machte sie für ein paar Minuten unbrauchbar; die Vanguard, das Führerschiff des englischen Geschwaders, erhielt in dem konzentrierten Feuer sieben elfzöllige Granaten gegen ihre Mittelbarbette; mehrere Panzerplatten wurden ihr zertrümmert, das Backbord-Ankerspill weggeschossen, der vordere Schornstein stark durchlöchert, und ihr ganzes Gefüge erzitterte unter den furchtbaren Explosionen. Die Splitter rissen ihr die vordere Kommandobrücke fort, und ein Hagel kleiner Geschosse von den deutschen 40-Pfündern hämmerte gegen ihren Kommandoturm und machte die Leitung der Schlacht äußerst schwierig.

Das Schlachtgetöse war unbeschreiblich; die Detonation der großen zwölfzölligen Geschütze erschütterte beim Vorausschießen den ganzen Turm mitsamt seinen Insassen, und die äußerste Vorsicht war vonnöten, um ernstliche Unfälle zu verhüten.

Lord Ebbfleet führte das Manöver des Vorbeiziehens vor der feindlichen Spitze glänzend aus, obwohl das furchtbare Nahfeuer der Sachsen in diesem Augenblick starke Wirkung hatte. Aber der deutsche Admiral verminderte den Erfolg des Manövers, indem er auswich und, als die Gefahr vorüber war, seinen ursprünglichen Kurs wieder aufnahm. Das zweite deutsche Geschwader näherte sich nun reißend schnell dem englischen Hauptgeschwader dwars auf Backbord und erhielt dabei von vorne heftiges Feuer; es schloß dicht an das erste deutsche Geschwader auf, formierte sich hinter ihm in einer langen Linie und griff das Ende der englischen Linie an.

So hatten die 22 deutschen die zehn englischen Schlachtschiffe unter Sir Lewis Parker umzingelt. Das Feuer dieser gewaltigen Übermacht spielte dem schwachen Panzer der Duncan- und Vengeance-Klasse übel mit. Die Schiffe der Sachsenklasse schleuderten auf ungefähr 4000 Yards aus ihren elfzölligen Geschützen Geschoß auf Geschoß in den Rumpf der Glory, des Schlußschiffes der englischen Linie, und Rauchwolken und Flammenzungen schossen aus ihr auf; sie dampfte nur noch langsam und war augenscheinlich stark havariert.

Die vier Dreadnoughts waren nördlich von der deutschen Linie angelangt und unterhielten mit ihr ein Gefecht auf weite Distanz und mit beträchtlicher Feuerwirkung. Aber als Lord Ebbfleet die deutsche Konzentration gegen sein zweites Geschwader sah, wendete er und hielt auf es zu; zugleich ließ auch Admiral Parker seine Schiffe der Reihe nach wenden und den Dreadnoughts entgegenfahren, wobei freilich die letzten Schiffe seines Geschwaders noch stärkere Beschädigungen erlitten.

Auf beiden Seiten waren die ungepanzerten Teile der meisten Schiffe schon zu einem Gewirre zerschmetterter Balken und gewundener und zerbrochener Platten geworden.

Die kleineren Geschütze waren fast alle unbrauchbar gemacht, nur von den sechszölligen Geschützen in den Kasematten der englischen Schiffe waren die meisten noch intakt. Das Feuer der 7.5-zölligen Kanonen der Swiftsure war von starker Wirkung; der Agamemnon, das Führerschiff des englischen Hauptgeschwaders, hatte dem Kugelregen glänzend widerstanden und durch sein Feuer der Preußen starken Schaden zugefügt, wenn auch die Schiffe hinter ihm seinen Geschützen zeitweise das Ziel verdeckt hatten, da die deutschen Linien ganz achteraus waren.

Der englische Vizeadmiral hatte dann seinen Kurs geändert und nach Südwesten gesteuert, sowohl, um für seine Geschütze Ziel zu haben, als auch, um sich mit Lord Ebbfleet zu vereinigen. Jetzt aber vollführten die Deutschen einen Meisterstreich: Ihr drittes Geschwader der sechs Kaiser steuerte direkt auf die Spitze der englischen Linie los und näherte sich ihr rasch auf einem im allgemeinen entgegengesetzten Kurse; zur selben Zeit steuerten die beiden anderen deutschen Geschwader so, daß sie die englischen Schiffe daran verhinderten, durch eine Gegenbewegung dem ihnen jetzt bevorstehenden Ansturm auszuweichen.

Lord Ebbfleet erkannte die Gefahr, fuhr mit Volldampf hart hinter den Schiffen der Kaiserklasse her und richtete aus den drei zwölfzölligen Turmgeschützen seines Flaggschiffes, die vorausschossen, ein furchtbares Feuer auf sie; Qualm und Funken stiegen aus dem Schlußschiff des Geschwaders, dem Friedrich III., auf, sein hinterer Turm war unbrauchbar gemacht, sein hinterer Gefechtsmast stürzte inmitten eines Hagels von Splittern zusammen, und sein Heck senkte sich. Zugleich zogen die Kaiser auch das volle Feuer des zweiten englischen Geschwaders auf sich und waren so in ein Kreuzfeuer geraten; ihr Führerschiff, Wilhelm II., ward von dem Agamemnon Sir Lewis Parkers arg hergenommen, der auf 2000 Yards aus seinen 9.2- und 12-zölligen Geschützen einen ununterbrochenen Strom von Geschossen gegen seinen Bug spie, bis es den Anschein hatte, als ob sein Aufbau sich wie vor einer unwiderstehlich wirkenden Säure in Rauch und Flammen auflösen wollte. Obwohl sein Bug schon anfing, sich zu senken, brachte das deutsche Schlachtschiff doch mit einer Wendung seine Breitseite ins Gefecht; die fünf Schiffe hinter ihm taten das gleiche.

Die Feuerdistanz war kurz, die Position günstig für einen Torpedoangriff; so feuerten die sechs deutschen Schiffe im Wenden zuerst ihre Bugrohre ab, dann rasch hintereinander ihre beiden Seitenrohre, – 30 Torpedos flogen durch die See! Die Engländer antworteten mit den beiden Seitenrohren jedes Schiffes, je nachdem sie ein Ziel für sie bekamen.

Inmitten all des Getöses und Aufruhrs entstand nun eine deutliche Pause im Gefecht; wie gebannt spähte auf beiden Flotten alles nach dem Ausgang von Angriff und Gegenangriff. Dieser Ausgang ließ nicht lange auf sich warten: einer der riesigen deutschen Torpedos traf die Exmouth gerade am Heck und zertrümmerte ihr das Ruder und die Schrauben; ein anderer traf die Swiftsure fast mittschiffs und beschädigte sie so furchtbar, daß sie sich schwer auf die Seite legte. Wilhelm II. ward von einem englischen Torpedo gerade am Buge getroffen, und da das Schiff schon tief im Wasser lag, lief es voll und sank.

Es war eine Szene von grauenerregender Furchtbarkeit. Wilhelm II. sank rasch, und niemand war da, der Besatzung beizuspringen; alles stürzte an Deck, die Geschütze hatten das Feuer eingestellt, das Schiff lag da, ein zerschmettertes Wrack, von Granaten durchlöchert und von den Bränden rauchend, die noch unter den Trümmern des Aufbaues wüteten. Nicht weit von ihr lag die Exmouth, vollständig gelähmt, aber noch feuernd, und dicht bei ihr die Glory, fast ohne Fahrt und offenbar schon sinkend, aber doch tapfer weiterkämpfend in der dichten Rauchwolke, die die explodierenden Granaten aus den Geschützen von 16 Feinden sowie die lodernden Brände an Bord hervorriefen. Die Swiftsure, jämmerlich zugerichtet und mit schwerer Schlagseite, suchte nach Süden zu entkommen, um auf Strand zu laufen.

Um 8 Uhr 40 vormittags, also nur reichlich eine Stunde seit dem Anfang der Schlacht, signalisierte der deutsche Admiral, daß der Sieg ihm gehörte! Durch Funkspruch wurde diese Meldung den deutschen Kreuzern auf offener See übermittelt und von ihnen nach Emden und Berlin weitergegeben. Schon um zehn Uhr vormittags wurden in den Straßen der deutschen Hauptstadt die Extrablätter ausgerufen, die die Niederlage der englischen Flotte, das Ende der englischen Seeherrschaft verkündeten! ... Fünf englische Schlachtschiffe, konnte die kurze Depesche vermelden, waren bereits gesunken oder außer Gefecht gesetzt!

Die deutschen Schiffe umdrängten die zwei havarierten englischen, Exmouth und Glory, und überschütteten sie mit einem Schauer von Granaten. Sofort wendeten die beiden englischen Admiralschiffe und fuhren durch die Rauchwolken, die sich auf die See gelagert hatten und das Schießen auf weite Distanz mehr als je erschwerten, zum Entsatz heran. Gerade war durch den Qualm hindurch zu erkennen, daß auch die deutschen Torpedoboote auf der Anfahrt waren; sie wagten aber noch nicht, sich den intakten Schlachtschiffen zu nähern, und hielten sich wohlweislich außer Schußweite. Die erste und stärkste deutsche Schlachtschiffdivision deckte die anderen deutschen Schiffe bei ihrem Angriff auf die bewegungsunfähigen englischen und hatte das Feuer der elf noch kampffähigen englischen Schlachtschiffe auszuhalten.

In einem Abstande von etwa 1000 Yards umzingelten die anderen 13 deutschen Schlachtschiffe die havarierten englischen, und auf diese kurze Schußweite hatten die elfzölligen Granaten der deutschen Turmgeschütze eine furchtbare Wirkung: drei Schuß in zwei Minuten; dazu der Hagel der sechs- und 6.7-zölligen Granaten aus den kleineren deutschen Geschützen, – es war den englischen Bedienungsmannschaften völlig unmöglich, darauf mit irgendwelchem Erfolge zu antworten! Eine elfzöllige Granate traf die vordere Barbette der Glory, durchschlug deren Panzerung, die bereits durch einen früheren Treffer gelitten hatte, platzte drinnen mit furchtbarer Wirkung, riß die Bemannung der Barbette in Stücke und preßte einen Strom feuriger Gase in die Ladekammer unter der Barbette, wo eine Korditladung zum Explodieren gebracht wurde. Eine andere Granate traf den Kommandoturm und tötete oder verwundete, was drinnen war. Die Schornsteine stürzten ein; beide Masten, die schon hin und her schlotterten, kamen herunter: wie ein qualmender, formloser Rumpf lag das Schiff auf dem Wasser! Dennoch gab die Besatzung den hoffnungslosen Kampf noch nicht auf.

Als die Deutschen noch dichter heranfuhren, trafen wieder einige schwere Granaten die Glory an der Wasserlinie und drangen in den Panzer ein oder durchschlugen ihn, denn es erfolgten mehrere Explosionen, eine Rauch- und Feuersäule stieg auf mit Trümmern und Bruchstücken, die Mitte des Schiffs hob sich sichtlich, die Enden senkten sich, – die Glory brach mittschiffs entzwei und ging unter; aber selbst jetzt, wo es zum letzten ging, feuerte die hintere Barbette noch und erwies sich würdig des stolzen Namens Glory.

Eine Anzahl deutscher Torpedoboote dampfte auf die Wirbel im Wasser zu, um die Besatzung aufzunehmen; weder sie, noch die anderen, die sich dem Wilhelm II. genähert hatten, wurden hierbei von der englischen Flotte behelligt.

Eine gleich entsetzliche Szene ereignete sich an Bord der Exmouth. Sie zu retten war unmöglich, denn es bedurfte nur weniger kurzer Minuten, um das von dem Torpedo begonnene Werk zu vollenden, und die deutschen Offiziere gewährten keine Frist: aus allen Geschützen überschütteten sie, was auf der Exmouth noch des Bekämpfens wert erschien, die Barbetten und den Kommandoturm mit schwerem Feuer und ließen einen solchen Schauer von Geschossen auf das Schiff regnen, daß ein wirksamer Widerstand hier ebenso unmöglich wurde wie auf der Glory. Der siebenzöllige Panzer der Exmouth hielt auf kurze Schußweite die deutschen elfzölligen Geschosse nicht aus, und ihre Zitadelle wurde zur Totenkammer. Mitten unter dem Lodern der Brände, deren man nicht mehr Herr werden konnte, unter dem Hagel von Splittern, in dem erstickenden Qualm des brennenden Holzwerks und Linoleums und der explodierenden Granaten hielten die Offiziere und Mannschaften tapfer auf ihren Posten aus, während unter ihnen der Rumpf tiefer und tiefer wegsank. Dann lief die Braunschweig bis auf 500 Yards vor und feuerte ihren Bugtorpedo ab; er traf mittschiffs und explodierte etwa an der Basis des hinteren Schornsteins; sofort legte das Schiff sich auf die Seite und zeigte dem Feinde das Deck, über das polternd alle beweglichen Gegenstände hinrutschten. Eine mächtige Dampfwolke stieg auf und hüllte all die an Deck stürzenden blauen Gestalten ein, – dann kenterte das Schiff.


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