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XXIX.

Schlacht bei Royston.
Glorreicher englischer Sieg.


Am 12. September erschien in der Daily Mail der folgende Bericht eines ihrer Kriegskorrespondenten:

Royston, 11. September.

Endlich ein Sieg! Das deutsche 4. Armeekorps unter dem berühmten General von Kleppen, das prachtvolle Gardekorps unter dem Herzog von Mannheim und General Fröhlichs schöne Kavalleriedivision sind bei ihrem Angriff auf unsere Stellungen um Royston und Saffron Walden zurückgeschlagen worden, und zwar in arger Verwirrung und mit großen Verlusten! Leider sind wir zu schwach, um unseren Sieg zu verfolgen, wie er verfolgt werden sollte ...

Die drohende Nähe des 10. und 11. Korps auf unserer rechten Flanke fesselt uns an unsere wohlausgewählte Stellung, und da unsere Truppen großenteils aus ungenügend ausgebildeten Freiwilligen und Milizen bestehen, so eignen sie sich mehr für die Verteidigung verschanzter Stellungen, als für das Vorrücken durch ein so schwieriges und durchschnittenes Gelände, wie das ist, mit dem wir es hier zu tun haben. Andrerseits aber haben wir den Vormarsch der Feinde zum Stehen gebracht und dadurch sicherlich mehrere, für uns unschätzbare Tage gewonnen.

Die Unsrigen werden dadurch in den Stand gesetzt werden, die befestigten Linien zu vollenden, die die Anmarschstraßen auf London sperren, und hinter denen wir den letzten Widerstand zu leisten haben werden. – Daß auf offenem Felde so ein Haufe von Amateurtruppen, wie sie die Unsrigen der Hauptsache nach sind, so furchtbare und vollkommen ausgebildete Truppen wie die deutschen Invasionsheere sollten besiegen können, halte ich für unmöglich ...

Aber jetzt zu den glorreichen Waffentaten der Unsrigen!

Das 2. und das 3. englische Armeekorps hatten ihre Hauptquartiere in Saffron Walden und Royston; das 4. lag in Baldock, es war zurückgenommen, um unsere linke Flanke zu decken und unsere Verbindungen mit der Great Northern-Eisenbahn zu sichern. Eine detachierte Abteilung hatte sich auf dem Höhenzuge nordwestlich von Helions Bumpstead stark verschanzt und diente zur Verstärkung unserer Rechten. Unsere Hauptverteidigungslinie – die an einigen Punkten sehr dünn besetzt war – fing ein wenig südöstlich von Saffron Walden an und zog sich westlich den Höhenzug entlang über Elmdon und Chrishall nach Heydon; hier bog sie nach Süden um über Great Chrishall nach Little Chrishall, wo sie sich wieder nach Westen wandte und den Höhenzug südlich von Royston einnahm, auf dem das Dorf Therfield liegt.

Am Abend vor der Schlacht hatten wir erfahren, daß das deutsche 4. und das Gardekorps in Newmarket, Cambridge und diesseit St. Ives konzentriert waren, während General Fröhlichs Kavalleriedivision fast den ganzen vorhergehenden Tag in steter Fühlung mit unseren Vorposten gewesen war. Die Gardekavalleriebrigade lag dem Vernehmen nach ziemlich weit westlich bei Kettering.

Unser Höchstkommandierender befahl dem 4. Korps unter Sir William Packington, nach Anbruch der Dunkelheit nach Potton, zwölf Meilen gegen Nordwesten, abzumarschieren, und stellte alle nur entbehrliche Kavallerie und berittene Infanterie zu seiner Verfügung.

Am nächsten Morgen, gegen sechs Uhr, kam die Meldung, daß starke feindliche Abteilungen von Newmarket auf dein Wege nach Icknield heranrückten, desgleichen auf den Straßen zu beiden Seiten des Cam-Flusses. Zwanzig Minuten später ward berichtet, daß beträchtliche deutsche Truppenteile in der Nähe von Fowlmere und Melbourn auf den beiden parallellaufenden Straßen von Cambridge nach Royston marschierten.

Es war ein sehr nebliger Morgen, vor allem auf dem niedrigen Lande, über das der Feind im Vorrücken war; aber gegen sieben Uhr zerstreute ein Windstoß von Westen die weißen Nebelstreifen, so daß unsere Wachtposten einen ungehinderten Ausblick hatten.

Soweit das Auge reichte, bewegte sich auf der alten Römerstraße, die von Royston etwa 20 oder 30 Meilen schnurgerade nach Nordwest läuft, ein ununterbrochener Strom von marschierenden Kolonnen aller drei Waffengattungen heran. Der Wind flaute ab, die Nebel sammelten sich wieder und hüllten noch einmal die Feinde in einen undurchdringlichen Schleier ein.

Die ganze englische Linie war jetzt auf dem qui vive. Reguläre, Milizen und Freiwillige besetzten die ihnen bis ans Kinn reichenden Schanzgräben und arbeiteten noch eifrig an der Verbesserung ihrer Schießscharten und an der Verstärkung ihrer Schutzdächer. Hinter den Höhenzügen standen die Artilleristen gruppenweise um ihre »Long-Toms« und schweren Haubitzen, während die Feldbatterien, fertig bespannt, die Befehle abwarteten, um durch die Höhen gedeckt sofort dahin zu galoppieren, wo immer ihr Eingreifen zuerst nötig sein würde. – Von vornherein konnten wir die ganze Linie nicht besetzen, sondern mußten warten, bis der Feind durch seine Bewegungen einigermaßen verraten haben würde, was für Karten er in der Hand hielt.

Gegen sieben Uhr kündigte ein Geknatter aus der Umgebung Roystons an, daß die Abteilung berittener Infanterie, die den Ort jetzt allein besetzt hielt, mit dem vorrückenden Feinde in Fühlung gekommen war. Noch einige Minuten, und der Morgennebel löste sich auf, und der General und sein Stab, die auf dem Therfielder Kirchturm drei- oder vierhundert Fuß über den deutschen Plänklern standen, konnten die Eröffnung der Schlacht wie auf einem vor ihnen ausgebreiteten Panorama verfolgen. Eine dichte Feuerlinie grau uniformierter Deutscher zog sich von Holland Hall quer hinüber an die Straße nach Fowlmere; auf ihrer Linken bewegten sich zwei oder drei kompakte Kavallerieabteilungen, während die Infanteriereserven deutlich vor dem Dorfe Melbourn zu erkennen waren. Von unserer berittenen Infanterie in Royston war nichts zu sehen; aber auf der Anhöhe nordöstlich von dem Orte protzten ein paar Feldbatterien ab, brachten ihre Geschütze bis an die Stirnseite des Hügels vor und waren nach zwei Minuten in angestrengtester Tätigkeit.

Durch die Gläser konnte man die Schrapnells zu Dutzenden vor der Front der vorrückenden Deutschen explodieren sehen, die sich rasch niederwarfen; aber fast zu gleicher Zeit kam von jenseits Melbourn eine niederschmetternde Antwort: auf der ganzen Anhöhe spritzte rings um unsere Geschütze der Erdboden auf wie über einem Vulkan, offenbar feuerten die deutschen Feldhaubitzen mit Brisanzgranaten. Als unsere Feldartillerie nun gemäß einer vorher erteilten Order ihre Geschütze zurückzog und nach unserer Hauptstellung zurückgaloppierte, deployierte sofort von der Straße nach Fowlmere aus eine starke deutsche Kavallerieabteilung zur Attacke, in der unverkennbaren Absicht, die abziehende Artillerie abzuschneiden und abzufangen; sie rechnete aber ohne die Bedeckungsmannschaft von berittener Infanterie, die hinter dem langen, schmalen Feldgehölz nördlich von Lowerfield Farm versteckt gelegen hatte. Von dieser für Kavallerie nicht passierbaren Barriere aus eröffnete die Kompagnie, alles gute Schützen, ein furchtbares Magazinfeuer auf die eng aneinander gedrängten, zur Attacke vorbeireitenden Schwadronen; ein Maximgeschütz, das sie bei sich hatten, fegte ebenfalls Pferde und Reiter in Schwaden dahin. Die Attacke stockte, die Geschütze waren gerettet. Doch die deutschen Reiter gerieten jetzt erst vollends in die Klemme, denn eine unserer Batterien nahm sie von Nordosten her auf 4000 Yards Abstand unter das Feuer ihrer 4.7-zölligen Geschütze, und waren sie schon vorher in Unordnung geraten, so brachten die einschlagenden Granaten sie jetzt in die furchtbarste Verwirrung, und in wilder Flucht eilten sie nach Fowlmere zurück, um außer Schußweite zu gelangen. – So hatten wir in dem blutigen Spiele den ersten Stich gemacht!

Die deutschen Plänklerketten waren jedoch noch immer im Vorrücken; deshalb saß nach einer letzten Salve die berittene Infanterie in Royston auf, galoppierte über Whitely Hill zurück und überließ den Ort dem Feinde.

Der Donner des schweren Geschützes im Osten, der allmählich an Heftigkeit zunahm, zeigte, daß das 2. Korps stark angegriffen war; gedeckt durch eine lange Reihe von Pflanzungen, war es dem deutschen 4. Korps gelungen, eine gewaltige Menge von Geschützen auf einen etwa zwei Meilen nördlich vom Dorfe Elmdon sich erhebenden Hügel zu schaffen, und zwischen ihnen und unserer Artillerie, die sich längs des Höhenzuges zwischen Elmdon und Heydon verschanzt hatte, hatte ein furchtbarer Artilleriekampf begonnen. Unter dem Schutze dieses Höhenzuges und unter Benutzung der geringen Deckung, die die nordöstlichen Ausläufer boten, ließ der Feind seine Infanterie gegen Elmdon vorgehen, und andere deutsche Truppenteile, die auch Artillerie bei sich hatten, wurden auf der Höhe nordöstlich von Saffron Walden sichtbar.

Den ganzen Morgen wütete die Schlacht, am hitzigsten vielleicht bei Elmdon, wo unsere Schützengräben mehr als einmal von den Magdeburger Bataillonen erstürmt, aber gleich wieder von dem ersten Regiment der Coldstream Guards zurückerobert wurden. Um Mittag geriet das prächtige alte Schloß zu Audley End in Brand, wobei geradezu unersetzbare Kunstschätze von unberechenbarem Werte zugrunde gingen. In den Gassen des Städtchens Saffron Walden suchte ein Knäuel Freiwilliger und Milizen in verzweifeltem Kampfe das Vorrücken der Deutschen zu hemmen, die die rechte Flanke unserer Stellung zu umgehen trachteten.

Auf unserer Linken drang die 1. deutsche Gardedivision unter dem schrecklichen Feuer unserer Artillerie hinter unserer berittenen Infanterie her in Royston ein und gelangte von dort bis auf 1500 Yards an unsere Schanzgräben heran, die auf dem oberen Abhang des Höhenzuges angelegt waren. Weiter vorzurücken war ein Ding der Unmöglichkeit; da ihre geschlossenen Reihen den Gewehren der Freiwilligen und Milizen, die unsere Verschanzungen besetzt hielten, ein ausgezeichnetes Ziel boten, bezifferten sich die Verluste der Angreifer nach Tausenden. Infolgedessen versuchten die Deutschen jetzt sich einzugraben, so gut das unter dem Hagel von Geschossen anging, der ohne Unterlaß über den Abhang hinfegte.

Gegen Mittag formierte sich auch die 2. Division des Gardekorps nach kurzem Geplänkel mit der berittenen Infanterie unseres linken Flügels zum Angriff längs der Bahnstrecke Hitchen-Cambridge, und nachdem sie einen Platzregen von Geschossen aus Feldgeschützen und Haubitzen auf unsere Stellungen hatte niedergehen lassen, rückte sie mit der größten Entschlossenheit und Todesverachtung auf Therfield vor. Gegen zwei Uhr nachmittags gelang es ihr, die Unsrigen von dem Ende der Bodenschwelle zu vertreiben, die nordwärts nach Therfield Heath verläuft, und daselbst, gedeckt durch mehrere Feldgehölze, aus denen sie die Unsrigen verjagt hatte, einige Haubitzen zu postieren.

Kurz zusammengefaßt: um Alt-England begann es übel zu stehen! ... In angstvoller Spannung wendeten die Beobachter auf dem Therfielder Kirchturme ihre Ferngläser nach Norden, um nach der Streitmacht des Generals Sir William Packington, die von Potton im Anmarsch sein sollte, auszuschauen. Gott sei Dank, sie hatten nicht lange zu warten! Um 2 Uhr 15 kündete das Aufblitzen eines Heliographen an, daß die Vorhut bereits in Bassingbourn eingetroffen war, und das Gros ihr unmittelbar folgte, nachdem es der Beobachtung durch alle die feindlichen Patrouillen und Flankendeckungen entgangen war: es stand jetzt gerade hinter dem rechten Flügel der deutschen Reserven, die bis in die Nähe von Royston vorgenommen worden waren, um den Angriff ihres Gros auf die englische Stellung zu unterstützen. Ein paar Minuten später, und auch der Feind hatte offenbar den Anmarsch Sir William Packingtons wahrgenommen. Eiligst verließen zwei oder drei Regimenter Royston und deployierten nach Nordwesten. Aber die Geschütze des Baldocker Korps beschossen sie so wirksam, daß sie zauderten und den rechten Moment versäumten. Sämtliche weittragenden Geschütze der englischen Verschanzungen richteten sich auf sie, indem sie es der Infanterie und der Feldartillerie überließen, sich mit den gegen ihre Stellungen vorgehenden deutschen Truppen abzufinden; so wurden die drei Bataillone, wie auch ein viertes, das ihnen zu Hilfe geschickt wurde, durch grauenhaftes Kreuzfeuer einfach aufgerieben; ihre Reste fluteten nach Melbourn zurück, ein ungeordneter Haufe versprengter Nachzügler, während die Baldocker Truppen auf Royston vorrückten und alles vor sich hertrieben.

Die am weitesten vorgerückten deutschen Truppen machten eine letzte Anstrengung, unsere Position zu nehmen, als sie sahen, was hinter ihnen vorging; aber es geschah nur mit halbem Herzen, sie mußten bald innehalten, und mit aufgepflanztem Bajonett sprangen die Unsrigen aus ihren Schützengräben und stürzten mit hellem Hurrageschrei, das von der ganzen meilenweiten Linie aufgenommen wurde, auf sie los. Hier und da versuchten die Deutschen standzuhalten, aber in einer halben Stunde waren sie in die Ebene hinabgeworfen und zogen sich in größter Unordnung nach Nordosten zurück, wobei sie durch das Kreuzfeuer unserer Geschütze Tausende verloren.

Ihre Kavallerie machte noch einen heldenmütigen Versuch, durch eine Attacke nördlich von Royston den Tag zu retten, und es war ein großartiger Anblick, wie ihre gewaltigen Massen mit einem Ungestüm dahinsausten, der alles fortzufegen drohte; aber die Unsrigen kauerten sich hinter den Hecken der Römerstraße zusammen und mähten sie schwadronsweise nieder. Kein einziger kam bis auf die Straße. Das glänzende Gardekorps hatte sich aufgelöst.

Unser vereinigtes 3. und 4. Korps rückte nun gegen die gefährdete rechte Flanke des deutschen 4. Korps vor, das sich tapfer kämpfend zurückzog und sein äußerstes tat, um den Rückzug seiner Kameraden zu decken, die ihrerseits seine Bewegungen stark hemmten. Bei Anbruch der Nacht gab es, abgesehen von den Gefangenen, südlich von Widdelsford keinen unverwundeten Deutschen mehr! Und um dieselbe Zeit gingen wir auf unsere ursprüngliche Stellung zurück.


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