de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Fünfundsiebzigster Brief

Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont.

Seit wann sind Sie so ängstlich, mein Freund? Ist dieser Prévan wirklich so schrecklich? Aber da sehen Sie, wie einfach und bescheiden ich bin! Ich bin ihm oft genug begegnet, diesem wunderbaren Sieger und habe ihn kaum beachtet. Erst Ihr Brief machte mich auf ihn aufmerksam, und so machte ich es gestern wieder gut. Er war in der Oper, saß mir fast gegenüber und da konnte ich mich mit ihm beschäftigen. Hübsch ist er, sogar sehr hübsch. Ein sehr delikates Gesicht, das in der Nähe noch gewinnen muß. Und Sie sagen, daß er mich will? Sicher wird er mir die Ehre und das Vergnügen machen. Im Ernst – ich habe wirklich Lust auf ihn und ich habe, wie ich gestehe, den ersten Schritt dazu getan. Ob es gelingen wird, das weiß ich noch nicht. Es ging so: Beim Opernausgang war er zwei Schritte von mir, und ich machte ganz laut ein Rendezvous aus mit der Marquise ** für Freitag abend bei der Marschallin. Ich glaube, das ist das einzige Haus, wo ich ihn treffen kann. Ich zweifle nicht daran, daß er mich gehört hat. Wenn der unverschämte Mensch nicht hinkommt ... Aber, was meinen Sie, glauben Sie, daß er kommt? Wenn er nicht kommt, bin ich den ganzen Abend hindurch schlecht aufgelegt. Sie sehen, er wird bei mir nicht viel Schwierigkeiten finden, in meiner Bahn zu wandeln, und wird noch weniger Schwierigkeit finden, mir zu gefallen. Er will, wie er sagte, sechs Pferde zugrunde richten, um mir den Hof zu machen –ich werde diesen Pferden das Leben retten. Ich hätte auch nicht die Geduld, so lange zu warten. Sie wissen, daß es nicht zu meinen Grundsätzen gehört, jemanden lange schmachten zu lassen, wenn ich einmal entschlossen bin, und ich bin es in diesem Falle.

Sie müssen zugeben, daß es ein Vergnügen ist, mir Vernunft zu predigen. Hat Ihre wichtige Warnung nicht einen großen Erfolg gehabt? Aber was wollen Sie? Ich vegetiere schon so lange! Seit mehr als sechs Wochen habe ich mir nichts mehr erlaubt. Und nun, wo sich etwas bietet, soll ich es mir versagen? Und ist der Gegenstand nicht die Mühe wert? Gibt es einen angenehmeren, wie Sie das Wort auch immer nehmen wollen? Sie selbst müssen ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen, denn Sie tun noch mehr als seinen Ruhm singen, und das, weil Sie eifersüchtig darauf sind. Und so will ich mich als Richter zwischen Sie beide stellen. Aber vorher muß man sich doch informieren, nicht wahr, und das will ich tun. Ich werde ein höchst unparteiischer Richter sein, und werde Sie beide mit gleichem Maß messen. Was Sie betrifft, so habe ich Ihre Denkschrift schon und bin über Ihre Sachlage unterrichtet. Da ist es doch nur gerecht, wenn ich mich nun mit Ihrem Gegner beschäftige. Unterstellen Sie sich also meinem Richtspruch und sagen Sie mir bitte vor allem, was es mit diesem dreifachen Abenteuer, dessen Held er ist, für eine Bewandtnis hat. Sie sprechen in Ihrem Brief davon, als ob ich nichts anderes wüßte als das, und ich weiß kein Wort davon. Die Geschichte passierte wohl während meiner Genfer Reise und Ihre Eifersucht ließ Sie mir nichts darüber schreiben. Machen Sie das so schnell wie möglich wieder gut. Bedenken Sie, daß ich alles wissen muß, was ihn angeht. Ich erinnere mich dunkel, daß man noch von der Geschichte sprach, als ich zurückkam: aber ich war mit anderen Dingen beschäftigt und höre selten auf Dinge, die nicht von heute oder gestern sind.

Wenn Sie das, was ich von Ihnen verlange, auch etwas verdrießt, so ist das doch ein geringer Preis für all die Mühe, die ich mir Ihretwegen gemacht habe, nicht? Ich habe Sie doch wieder näher zu Ihrer Präsidentin gebracht, nachdem Ihre Dummheit Sie von ihr getrennt hatte. Und war nicht ich es, die in Ihre Hände die Möglichkeit legte, sich an Frau von Volanges zu rächen? Sie haben sich so oft beklagt, daß Sie so viel Zeit damit verlieren, sich Abenteuer aufzustöbern – nun haben Sie sie unter den Händen! Liebe, – Haß, –Sie brauchen nur zu wählen, beides schläft unter demselben Dach, und Sie können Ihr Wesen verdoppeln: mit einer Hand streicheln, mit der andern schlagen.

Mir verdanken Sie auch das Abenteuer mit der Vicomtesse, mit dem ich sehr zufrieden bin. Sie haben ganz recht, man muß es weiter erzählen: denn wenn die Gelegenheit Sie auch begreiflicherweise veranlaßte, diskret zu sein und den Skandal zu vermeiden, so muß man doch zugeben, daß diese Frau kaum Diskretion verdient.

Außerdem habe ich etwas gegen sie. Der Chevalier von Belleroche findet sie hübscher als mir lieb ist, und auch aus andern Gründen wäre es mir ganz angenehm, einen Grund zu haben, mit ihr zu brechen, und den hab ich jetzt – man kennt diese Dame nicht mehr.

Adieu, Vicomte. Bedenken Sie, daß Ihre Zeit kostbar ist; ich will die meine damit verbringen, mich mit dem Glück Prévans zu beschäftigen.

Paris, den 15. September 17..


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