de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Sechsundvierzigster Brief

Frau von Tourvel an Frau von Volanges

Gnädige Frau! Herr von Valmont ist diesen Morgen abgereist; es schien Ihnen an dieser Abreise so viel gelegen, daß ich glaube, Sie davon benachrichtigen zu müssen. Frau von Rosemonde bedauert sie sehr, denn die Gesellschaft ihres Neffen ist, wie man zugeben muß, sehr angenehm. So brachte sie den ganzen Vormittag damit zu, mir von ihm zu erzählen, mit jener Zärtlichkeit, die Sie an ihr ja kennen, und ließ nichts über ihn kommen. Ich glaubte ihr die Höflichkeit schuldig zu sein, zuzuhören ohne ihr zu widersprechen, und dies um so mehr, als man zugeben muß, daß sie in Manchem wirklich recht hat. Und ich fühlte um so stärker, daß ich mir die Ursache dieser Trennung vorzuwerfen habe und weiß, daß ich sie dafür nicht entschädigen kann. Sie wissen ja, daß meine Natur nur wenig heiter ist, und das Leben, das wir hier führen, ist nicht dazu angetan, meine geringe Heiterkeit zu vermehren.

Wenn ich nicht nach Ihrem Befehl gehandelt hätte, würde ich fürchten, etwas zu leichtsinnig gewesen zu sein; denn ich war wirklich betrübt über den Schmerz meiner würdigen Freundin, der mich in einer Weise rührte, daß ich gerne meine Tränen mit den ihrigen vereint hätte.

Wir leben jetzt in der Hoffnung, daß Sie die Einladung annehmen werden, die Herr von Valmont Ihnen von Frau von Rosemonde zu überbringen hat, und einige Zeit bei uns weilen. Sie zweifeln wohl nicht an der Freude, die ich darüber haben werde, Sie hier zu sehen; und wirklichn sind Sie uns auch diese Entschädigung schuldig. Ich würde mich freuen, bei dieser Gelegenheit die schnellere Bekanntschaft von Fräulein von Volanges zu machen und Ihnen mündlich die Versicherung meiner ehrfurchtsvollen Gefühle zu geben.

Schloß . . ., den 29. August 17..


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