de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiundfünfzigster Brief

Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont.

Wirklich, Vicomte, Sie sind unausstehlich. Sie behandeln mich, als ob ich Ihre Maitresse wäre. Wissen Sie, daß ich sehr böse bin, daß ich wütend bin? Was soll das: Sie wollen morgen früh zu Danceny, und Sie wissen ganz gut, wie sehr notwendig es ist, daß ich mit Ihnen vor dieser Zusammenkunft spreche. Aber ohne sich um alles das zu kümmern, lassen Sie mich den ganzen Tag warten, um ich weiß nicht wo herumzulaufen. Sie sind Ursache, daß ich unentschuldbar spät zu Frau von Volanges gekommen bin, und daß alle alte Damen mich »köstlich« fanden. Ich mußte ihnen den ganzen Abend hindurch den Hof machen, um sie zu beruhigen; denn man darf alte Damen nicht ärgern, da sie die Reputation der jungen machen.

Jetzt ist es ein Uhr früh, und statt ins Bett zu gehen, wozu ich die größte Lust habe, muß ich Ihnen diesen langen Brief schreiben, der meine Schläfrigkeit verdoppeln wird durch die Langeweile, die er mir verursacht. Sie haben Glück, daß mir die Zeit fehlt, Sie länger auszuzanken. Aber glauben Sie deshalb nicht, daß ich Ihnen verzeihe – es ist nur, weil ich in Eile bin. Also:

Wenn Sie auch nur ganz wenig geschickt sind, so haben Sie morgen Dancenys volles Vertrauen; der Moment dazu ist günstig; denn der Herr ist unglücklich. Das kleine Mädchen war in der Beichte gewesen und sagte da alles, einfach alles, wie ein kleines Kind; und seit der Zeit quält sie die Angst vor dem Teufel, und sie will alles aufgeben. Sie erzählte mir all ihre kleinen Gewissensnöte mit einer Lebhaftigkeit, die mir genügend zeigte, wie sehr voll sie von allem ist. Sie zeigte mir ihren Abschiedsbrief, eine wahre Kapuzinade. Sie plauderte eine ganze Stunde mit mir, ohne ein Wort zu sagen, das einen Sinn gehabt hätte. Doch brachte sie mich deshalb in nicht geringere Verlegenheit, denn Sie können sich denken, daß ich mich einem so schlecht funktionierenden Gehirn zu eröffnen nicht riskieren kann. In all dem Geschwätz sah ich das eine deutlich, daß sie ihren Danceny liebt wie zuvor; ich bemerkte sogar eines jener Hilfsmittel, die der Liebe nie fehlen, und die das kleine Mädchen ganz reizend düpiert. Von dem Wunsch, sich mit ihrem Geliebten zu beschäftigen, gequält und in Angst vor der ewigen Verdammnis, wenn sie es tut, erfand sie sich: zu Gott zu beten, daß er sie ihren Geliebten vergessen mache, und da sie dieses Gebet zu jeder Tageszeit betet, findet sie so das Mittel, ununterbrochen an ihren Geliebten zu denken.

Bei einem, der erfahrener ist als Danceny, würde dieser kleine Zwischenfall eher ihm günstig sein als umgekehrt; aber der junge Mann ist so sehr schmachtender Seladon, daß wenn wir ihm nicht dabei helfen, er eine schön lange Zeit brauchen würde, auch das allerkleinste Hindernis zu überwinden, eine Zeit, die wir für die Ausführung unserer Pläne nicht haben.

Ja, Sie haben ganz recht, es ist schade, und ich bin so geärgert darüber wie Sie, daß er der Held dieses Abenteuers sein soll. Aber was wollen Sie – was geschehen ist, ist geschehen, und es ist Ihre Schuld. Ich verlangte von der Kleinen seine Antwort zu sehen und die ist zum Mitleid haben. Er beweist ihr mit Gründen, darüber den Atem zu verlieren, daß ein unwillkürliches Gefühl kein Verbrechen sei; als wenn es nicht aufhörte unwillkürlich zu sein von dem Moment an, da man aufhört, es zu bekämpfen! Ein Gedanke, so einfach, daß er selbst der Kleinen kam. Er jammert über sein Unglück auf eine ganz rührende Weise; aber sein Schmerz ist so süß und äußert sich so stark und aufrichtig, daß es mir unmöglich scheint, daß eine Frau, die einen Mann bis zu solcher Verzweiflung brachte und noch dazu mit so wenig Gefahr und Mühe, nicht Lust bekommen sollte, das noch weiter zu treiben.

Aber wie dem auch sei – statt meine Zeit mit Erklärungen zu verlieren, die mich kompromittiert und vielleicht gar nicht überzeugt hätten, hieß ich den Bruch gut, sagte aber, daß es in solchen Fällen anständiger wäre, seine Gründe zu sagen und nicht zu schreiben, und daß es auch Brauch wäre, Briefe und kleine Geschenke einander zurückzugeben; damit schien ich den Lieblingsgedanken der Kleinen nahzukommen und konnte sie leicht überreden, Danceny ein Rendezvous zu gewähren. Wir besprachen sofort alles dazu nötige, und ich nahm es auf mich, die Mutter zu bewegen, einmal ohne die Tochter auszugehen, und das wird morgen nachmittag sein. Danceny ist schon unterrichtet, aber, ich beschwöre Sie! wenn Sie Gelegenheit finden, bringen Sie doch diesem Schläfer bei, etwas weniger platonisch zu sein, und lehren Sie ihn, da man ihm doch alles sagen muß, daß die wahre Art, Bedenken zu besiegen, darin besteht, diejenigen, die welche haben, dahin zu bringen, daß sie nichts mehr verlieren können.

Im übrigen habe ich, damit diese lächerliche Szene sich nicht erneuert, nicht versäumt, in der Kleinen einige Zweifel über die Diskretion der Beichtväter aufkommen zu lassen, und sie bezahlt jetzt die Angst, die sie mir machte, mit der eignen, ihr Beichtvater möchte vielleicht alles ihrer Mama sagen. Hat sie erst noch ein oder zweimal mit mir gesprochen, wird sie hoffentlich nicht mehr dem Erstbesten ihre Dummheiten erzählen.

Adieu, Vicomte, und machen Sie sich an Danceny und seien Sie ihm ein Führer! Es wäre eine Schande, wenn wir nicht täten, was wir wollen, mit zwei Kindern! Wenn es uns etwas mehr Mühe macht, als wir anfangs glaubten, so wollen wir unseren Eifer damit anfeuern, daß es sich für Sie um die Tochter der Frau von Volanges handelt und für mich, daß sie Gercourts Frau werden soll. Adieu.

Den 2. September 17..


 << zurück weiter >>