de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Siebenundfünfzigster Brief

Frau von Tourvel an den Vicomte von Valmont.

Was hätten Sie von der Antwort, die Sie von mir verlangen? Ihren Gefühlen glauben, – ist das nicht ein Grund mehr, diese Gefühle zu fürchten? Und ohne deren Aufrichtigkeit zu bezweifeln noch zuzugeben, genügt es denn nicht, soll es Ihnen denn nicht genügen, zu wissen, daß ich weder darauf antworten will noch darf?

Angenommen, daß Sie mich wirklich liebten – um nun nicht mehr auf diese Sache zurückzukommen, machen wir diese Annahme –, wären die Hindernisse, die uns trennten, nicht unübersteiglich? Und bliebe mir etwas anderes zu tun übrig, als nur innig zu wünschen, Sie möchten diese Leidenschaft bekämpfen, wobei ich Ihnen nach Kräften helfen würde, indem ich Ihnen jede Hoffnung nehme. Sie geben selbst zu, daß dieses Gefühl schmerzlich ist, wenn der Gegenstand, der es einflößt, es nicht teilt. Nun wissen Sie doch zur Genüge, daß es mir unmöglich ist, Ihre Liebe zu teilen. Und wenn selbst dieses Unglück passieren sollte, wäre ich mehr darum zu bedauern, als daß Sie darüber glücklicher wären. Ich hoffe, Sie schätzen mich genug, um keinen Moment daran zu zweifeln. Hören Sie also auf, ich beschwöre Sie, hören Sie damit auf, ein Herz zu beunruhigen, dem die Ruhe so sehr nötig ist! Zwingen Sie mich nicht, es zu bedauern, Sie je kennen gelernt zu haben.

Geliebt und geachtet von einem Manne, den ich liebe und achte, habe ich alle meine Pflichten und Freuden in diesem Manne. Ich bin glücklich und habe ein Recht darauf. Gibt es lebhaftere Freuden, so verlange ich sie mir nicht, und ich will sie nicht kennen lernen. Gibt es denn etwas Besseres, als in Frieden mit sich selbst zu leben, nur heiterruhige Tage zu haben, ohne Unruhe einzuschlafen und ohne Reue aufzuwachen? Was Sie Glück nennen, ist nur Sinnenrausch, ein Sturm der Leidenschaften, dessen Schauspiel erschreckend ist, selbst wenn man es vom anderen Ufer aus betrachtet. Und wie diesen Stürmen denn begegnen? Wie sich auf ein Meer hinauswagen, das mit tausend und abertausend Schiffbrüchigen bedeckt ist? Und – mit wem? Nein, mein Herr Vicomte, ich bleibe an Land; ich liebe die Bande, die mich daran festhalten; ich könnte sie brechen, wenn ich sie nicht wollte; wenn ich sie nicht hätte, würde ich mich beeilen, sie zu nehmen.

Warum heften Sie sich an meinen Schritt? Warum bestehen Sie darauf, mir zu folgen? Ihre Briefe, die selten kommen sollten, folgen einander Tag auf Tag. Sie sollten vernünftig sein, und Sie sprechen darin nur von Ihrer verrückten Liebe. Sie umgeben mich mit Ihrer fixen Idee mehr als Sie es mit Ihrer Person taten. Man bittet Sie, von gewissen Dingen nicht mehr zu sprechen, und Sie kommen wieder damit, bloß in einer anderen Form. Es macht Ihnen Vergnügen, mich mit zwingenden Raisonnements in Verlegenheit zu setzen – dem, was ich sage, weichen Sie aus. Ich will Ihnen nicht mehr antworten, ich werde Ihnen nicht mehr antworten ... Wie Sie die Frauen behandeln, die Sie verführt haben! Wie verächtlich Sie über sie sprechen! Ich will glauben, daß es einige verdienen, aber alle? Ach ja, doch wohl, da sie ihre Pflicht verließen, um sich einer verbrecherischen Liebe hinzugeben. In dem Augenblick haben sie wohl alles verloren, bis auf die Achtung desjenigen sogar, dem sie alles geopfert haben. Diese Strafe ist gerecht, aber der bloße Gedanke daran macht erzittern. Aber was geht mich das alles an? Weshalb kümmere ich mich um diese Frauen und um Sie? Mit welchem Recht kommen Sie meine Ruhe stören? Lassen Sie mich, schreiben Sie mir nicht mehr, ich bitte Sie darum, ich fordere es. Dies ist der letzte Brief, den Sie von mir erhalten.

Schloß . . ., den 5. September 17..


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