de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Achtundsechzigster Brief

Frau von Tourvel an den Vicomte von Valmont

Mein Herr! Ich wollte Ihnen nicht mehr antworten, und die Verlegenheit, die ich in diesem Augenblick empfinde, ist wohl ein Beweis, daß ich es nicht tun sollte; aber ich will Ihnen keinen Grund zur Klage über mich geben und will Sie überzeugen, daß ich für Sie tat, was ich konnte.

Ich habe Ihnen erlaubt, mir zu schreiben, sagen Sie. Ich gebe das zu. Wenn Sie mich aber daran erinnern, glauben Sie, daß ich die Bedingungen vergessen habe, unter denen ich Ihnen diese Erlaubnis gab? Hätte ich diese Bedingungen nicht so genau erfüllt wie Sie schlecht, hätten Sie eine einzige Antwort von mir bekommen? Und jetzt ist dies schon die dritte. Und wenn Sie alles tun, um mich zu zwingen, diese Korrespondenz abzubrechen, bin ich es, die sich mit der Möglichkeit beschäftigt, sie herbeizuführen. Es gibt eine Möglichkeit und sie ist die einzige. Wollen Sie sie nicht erfüllen, so ist mir das, was Sie auch immer sagen werden, der klare Beweis dafür, wie wenig Wert Sie darauf legen.

Sie dürfen mir nicht so schreiben, wie ich es weder anhören darf noch will. Geben Sie ein Gefühl auf, das mich beleidigt und beunruhigt, und an dem Sie um so weniger hängen sollten, als es das Hindernis ist, das uns trennt. Lebt denn kein anderes Gefühl in Ihnen und hat denn die Liebe auch dieses Schlimme mehr noch in meinen Augen, daß sie die Freundschaft ausschließt? Und möchten Sie selbst nicht die zur Freundin haben, deren zärtliches Gefühl Sie wünschten? Ich will das nicht glauben; dieser Gedanke hat etwas so Niedriges, daß ich mich dagegen sträube, und er würde mich von Ihnen so entfernen, daß es kein Zurück mehr gäbe.

Wenn ich Ihnen so meine Freundschaft anbiete, gebe ich Ihnen alles, was in mir ist, alles, worüber ich verfügen kann. Was können Sie mehr wünschen? Nur ein Wort verlange ich von Ihnen. Um mich ganz diesem wunderbaren Gefühl der Freundschaft hinzugeben, für das mein Herz iso geschaffen ist, – nur dieses Wort verlange ich von Ihnen, daß diese Freundschaft Ihrem Glück genüge. Ich werde alles vergessen, was man mir sagen konnte und zu Ihnen halten, um die Wahl dieses meines Freundes zu rechtfertigen.

Meine Aufrichtigkeit sollte Ihnen ein Beweis meines Vertrauens sein – es zu vermehren, das wird nur bei Ihnen liegen. Aber ich mache Sie auf eines aufmerksam: das erste Wort von Liebe wird mein Vertrauen für immer zerstören, und ich werde kein Wort mehr zu Ihnen sagen.

Wenn Sie, wie Sie schreiben, von Ihren Verirrungen zurückgekommen sind, würden Sie da nicht lieber der Gegenstand der Freundschaft einer ehrlichen Frau sein als der Reue einer schuldigen?

Leben Sie wohl. Nachdem ich so gesprochen habe, kann ich, das fühlen Sie wohl, nichts mehr sagen, bevor Sie mir nicht geantwortet haben.

Schloß . . ., den 9. September 17.. von T.


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