de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Neunundzwanzigster Brief

Cécile Volanges an Sophie Carnay.

Ich habe Dir zwar selbst gesagt, Sophie, daß es Fälle gibt, in denen man schreiben darf, und doch versichere ich Dir, daß ich mir Vorwürfe mache, Deinem Rat gefolgt zu sein, der dem Chevalier Danceny und mir viel Kummer bereitet hat. Die Probe, daß ich recht hatte, ist, daß Frau von Merteuil, die das gewiß gut versteht, schließlich auch gedacht hat wie ich. Ich habe ihr alles gestanden. Erst sprach sie gerade so wie Du, aber nachdem ich ihr alles erzählt hatte, gab sie zu, daß da doch ein Unterschied wäre; sie verlangt nur, daß sie alle meine Briefe zu sehen bekommt, ebenso diejenigen des Chevaliers, um sicher zu sein, daß ich nichts als das Notwendigste sage. Jetzt fühle ich mich ruhig. Gott, wie ich diese Frau von Merteuil liebe! Sie ist so gut und eine so achtbare Dame. Und so ist alles in Ordnung.

Nun will ich gleich an Herrn Danceny schreiben, und wie froh wird er sein! Mehr noch als er erwartet; denn bis jetzt sprach ich nur von meiner Freundschaft für ihn, und er wollte immer, ich sollte von meiner Liebe sprechen. Ich glaubte eben, das wäre dasselbe, aber ich traute mich nicht, er aber wollte es. Ich sagte es Frau von Merteuil und sie sagte, ich hätte recht getan, und daß man nur von Liebe sprechen soll, wenn man nicht mehr anders könne. Jetzt bin ich aber überzeugt, daß ich es nicht mehr länger verbergen kann, und im übrigen ist es ja dasselbe und es wird ihm um so mehr Freude machen. Frau von Merteuil sagte mir, sie würde mir auch Bücher leihen, die von all dem handeln und die mich lehren würden, mich richtig darin zu betragen, und auch besser zu schreiben als ich es tue. Denn siehst Du, sie macht mich auf alle meine Fehler aufmerksam, und das ist doch ein Beweis, daß sie mich sehr liebt. Sie hat mir nur empfohlen, Mama nichts von den Büchern zu sagen, weil das aussehen könnte, als hätte Mama meine Erziehung vernachlässigt und das könnte sie ärgern. Ich werde ihr auch nichts davon sagen.

Es ist doch eigentlich sonderbar, daß eine Frau, die kaum mit mir verwandt ist, sich mehr um mich kümmert als meine Mutter. Es ist wirklich ein Glück für mich, mit ihr bekannt zu sein. Sie hat Mama gebeten, daß sie mich übermorgen in die Oper mitnehmen dürfe in ihre Loge und sie sagte mir, daß wir ganz allein sein werden und daß wir uns die ganze Zeit dabei unterhalten können ohne zu fürchten, daß man uns dort hört. Und das ist mir noch lieber als die Oper. Wir werden uns auch über meine Heirat unterhalten; denn sie sagte mir auch, daß das wahr wäre mit dem Verheiraten, aber mehr wüßte sie auch nicht darüber. Ist das nicht sehr wunderlich, daß Mama mir nichts darüber sagt?

Adieu, meine Sophie, ich schreibe jetzt an den Chevalier Danceny. O, ich bin so glücklich!

Paris, den 24. August 17..


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