de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Vierundvierzigster Brief

Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil.

Nun wollen wir überlegen, meine schöne Freundin. Sie wissen wie ich, daß die höchst gewissenhafte und sehr anständige Frau von Tourvel die erste meiner zwei Forderungen einfach nicht gewähren kann – sie wird das Vertrauen ihrer Freunde nicht verraten, indem sie mir die Namen meiner guten Feinde nennt. Da ich aber alles nur auf die Erfüllung dieser Bedingung hin verspreche, verspreche ich gar nichts. Nun wird aber die abschlägige Antwort, die sie mir sicher geben wird, für mich ein Anrecht auf alles übrige, wobei ich nur gewinne: ich reise ab und korrespondiere mit ihr. Denn auf das verlangte Rendezvous lege ich keinen Wert und hatte das keinen andern Zweck, als sie so allmählich daran hinzuführen, mir spätere wichtigere und nötigere Zusammenkünfte nicht abzuschlagen.

Eines bleibt mir vor meiner Abreise noch zu tun: ich muß herausbekommen, wer die Leute sind, die sich bei ihr mit meiner Person so liebenswürdig beschäftigen. Vielleicht ihr Idiot von Mann, und das wäre mir nicht unangenehm. Abgesehen davon, daß die eheliche Notwehr dem Verlangen eine Lust mehr ist, bin ich sicher, daß ich von dem Augenblick an, da mein Schatz in die Korrespondenz einwilligt, nichts mehr von ihrem Manne zu fürchten habe, denn da betrügt sie ihn schon.

Sollte es aber eine intime Freundin von ihr sein, die bei ihr gegen mich hetzt, so muß ich die beiden natürlich auseinanderbringen, und das werde ich schon fertig bekommen. Aber wissen muß ich es vor allem. Gestern dachte ich schon, daß mir die nötige Aufklärung würde, aber diese sonderbare Frau tut alles anders als andere Frauen. Wir waren bei ihr, als man zum Diner ruft. Sie war gerade mit der Toilette fertig, beeilt sich, entschuldigt sich und läßt darüber, wie ich bemerkte, den Schlüssel zu ihrem Schreibtisch stecken; den zu ihren Räumen zieht sie nie ab. Während der Mahlzeit höre ich ihre Kammerjungfer herunterkommen, ich schütze Nasenbluten vor und gehe hinaus. Stürme an den Schreibtisch, dessen Schubladen alle offen sind – und finde nicht ein einziges beschriebenes Blatt. Und jetzt heizt man doch nicht! Aber was macht sie denn mit den vielen Briefen, die sie bekommt? Ich habe alles durchsucht und nichts dabei gewonnen als die Überzeugung, daß die kostbaren Briefe in ihrer Tasche bleiben. Aber wie sie da herausbekommen? Seit gestern denke ich über ein Mittel nach, und ich muß die Briefe haben! Man kann so viel und hat kein Talent zum Taschendieb. Die Liebe und ihre Künste sollten wirklich in den Erziehungsplan des Menschen aufgenommen werden. Aber unsere Eltern und Lehrer denken an gar nichts, und ich muß es tun und komme nur darauf, daß ich ungeschickt bin und das nicht ändern kann.

Ich setze mich also wieder und sehr verstimmt zu Tisch. Meine Dame besserte etwas meine schlechte Laune, da sie mich teilnahmsvoll nach meinem gar nicht vorhandenen Unwohlsein fragte, und ich versäumte es natürlich nicht, ihr zu gestehen, daß ich in letzter Zeit viel an heftigen Aufregungen litte, die meine Gesundheit zugrunde richteten. Sie ist doch davon überzeugt, daß sie davon die Ursache sein muß, aber ihre Frömmigkeit kennt die Barmherzigkeit nicht – sie verweigert die kleinste Liebesgabe, und das gibt doch ein Recht auf den Raub, nicht? Aber Adieu! Während ich Ihnen schreibe, denke ich an nichts sonst als an diese verfluchten Briefe.

Auf Schloß . . ., den 27. August 17..

V.


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