de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Siebenundsechzigster Brief

Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil.

Meine schöne Freundin! Aus den beiden beiliegenden Briefen werden Sie ersehen, daß ich Ihre Pläne gewissenhaft ausgeführt habe. Obschon beide Briefe von heute datiert sind, wurden sie doch gestern geschrieben, und zwar unter meinen Augen: der an das kleine Mädchen sagt alles, was wir gesagt haben wollten. Man kann nicht anders als vor Ihrer genialen Strategie eine Verbeugung machen, wenn man nach deren Erfolg urteilt. Danceny ist ganz Feuer und Brand, und werden Sie bei der nächsten Gelegenheit keine Vorwürfe mehr zu machen haben, sicher nicht. Wenn seine schöne Naive gelehrig ist, ist kurze Zeit nach seiner Ankunft hier die Sache gemacht und geschehen – ich habe hundert Mittel bereit.

Er ist wirklich noch sehr jung, dieser Danceny! Werden Sie es glauben, daß ich von ihm nicht erreichen konnte, der Mutter zu erklären, daß er die Liebe zu ihrer Tochter aufgebe? Als ob es irgendwie lästig wäre, etwas zu versprechen, wenn man entschlossen ist, es nicht zu halten! Das wäre ja Betrug, erwidert er mir jedesmal – ist diese Gewissenhaftigkeit nicht erbaulich, besonders wenn man die Tochter verführen will? Aber so sind wir Männer! Alle ganz gleich Verbrecher in unseren Absichten, und wo wir uns zu schwach zur Tat finden, nennen wir diese Schwäche Anständigkeit.

Es ist Ihre Sache, dafür zu sorgen, daß Frau von Volanges nicht wild wird über die kleinen Eschapaden, die sich der junge Mann in seinem Briefe erlaubt hat. Schützen Sie uns vorm Kloster und sehen Sie zu, daß man auf der Herausgabe der Briefe nicht weiter besteht. Danceny will sie nicht zurückgeben, und ich gebe ihm darin ganz recht: Liebe und Verstand sind hier gleicher Meinung. Ich habe übrigens diese höchst langweiligen Briefe gelesen. Sie können uns nützlich sein. Nämlich: Trotz der Vorsicht, mit der wir die Sache inszenieren, kann es doch dabei zu einem Eklat kommen, der die Heirat und damit alle unsere Absichten mit Gercourt unmöglich machen könnte. Da ich nun aber an der Mutter meine kleine Privatrache haben muß, so reserviere ich für diesen Fall das Recht, die Tochter zu entehren. Man kann aus der Korrespondenz ganz hübsche Stücke wählen; und wenn man nur die vorzeigt, ist es die kleine Volanges, die angefangen und sich einem an den Hals geworfen hat. Ein paar von den Briefen könnten sogar die Mama kompromittieren, oder mindestens in den Verdacht unverzeihlicher Nachlässigkeit bringen. Ich fühle wohl, der sehr gewissenhafte Danceny wäre anfangs ja gegen eine solche Verwertung der Briefe; aber da er persönlich angegriffen wäre, meine ich, käme man schon ans Ziel mit ihm. Man kann übrigens tausend gegen eins wetten, daß die Sache diese Wendung nicht bekommt, aber man muß schließlich auf alles vorbereitet sein.

Adieu, meine schöne Freundin. Es wäre sehr lieb von Ihnen, wenn Sie morgen bei der Marschallin von ** soupieren wollten; ich konnte nicht abschlagen.

Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen: Kein Wort zu Frau von Volanges über meine Abreise. Sie wäre imstande, die Kleine in der Stadt zu behalten oder gleich nach ihrer Ankunft wieder zurückzuholen. Habe ich sie nur acht Tage, stehe ich für alles.

Paris, den 9. September 17..

Ihr Valmont.


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