de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Sechsundsechzigster Brief

Der Chevalier Danceny an Cécile Volanges. (Der Marquise von Merteuil offen im 67. Brief durch den Vicomte geschickt.)

Ach, meine Cécile, was soll aus uns werden? Welcher Gott wird uns aus dem Unglück retten, das uns verfolgt? Die Liebe möge wenigstens die Kraft geben, es zu ertragen! Wie soll ich Ihnen meinen Schrecken ausdrücken, meine Verzweiflung, als ich das Billett Ihrer Mama las! Wer hat uns verraten können? Auf wen haben Sie Verdacht? Sollten Sie eine Unvorsichtigkeit begangen haben? Was machen Sie jetzt? Was hat man Ihnen gesagt? Alles möchte ich wissen und weiß nichts. Aber vielleicht wissen Sie selbst nicht mehr als ich.

Ich schicke Ihnen hier das Billett Ihrer Mama und eine Abschrift meiner Antwort. Ich hoffe, Sie bestätigen, was ich darin sage. Ich muß auch wissen, ob Sie gutheißen, was ich seit jenem unseligen Ereignis unternommen habe, um Nachricht von Ihnen zu bekommen und von mir zu geben, und Sie vielleicht – wer kann's wissen – wiederzusehen und das besser, günstiger als bisher.

Ach, meine Cécile, wieder beisammen sein, und aufs neue ewige Liebe schwören, in die Augen sehen, in unsern Herzen fühlen, daß diese Schwüre treu und wahr und ewig sind, – was für Schmerzen würde ein solch süßer Moment nicht vergessen machen! Und ich hoffe, nein, ich weiß, dieser Moment wird sein, ich habe alles getan, um ihn möglich zu machen, und was ich tat, bedarf nur Ihrer Zustimmung. Die Hoffnung verdanke ich der tröstenden Sorge eines lieben Freundes, und meine einzige Bitte ist, Sie möchten erlauben, daß dieser Freund auch der Ihrige werde.

Vielleicht hätte ich mich ihm ohne Ihre Erlaubnis nicht anvertrauen sollen, aber mich entschuldigt das Unglück und die Notwendigkeit. Die Liebe hat mich dabei geleitet, und die Liebe verlangt Ihre Nachsicht, bittet um Verzeihung dafür, daß ich unser Geheimnis einem Dritten preisgab, ohne welchen notwendigen Schritt wir vielleicht auf ewig getrennt blieben. Sie kennen den Freund, von dem ich Ihnen spreche, er ist auch der der Frau, die Sie am meisten lieben, der Vicomte von Valmont.

Als ich mich an ihn wandte, war meine Absicht vor allem diese, ihn dafür zu gewinnen, daß er Frau von Merteuil bitte, einen für Sie bestimmten Brief zu übernehmen. Er meinte, daß das nicht gelingen würde, aber empfahl mir für die Herrin deren Kammerjungfer, die ihm verpflichtet ist. Sie wird Ihnen also den Brief überbringen und ihr können Sie die Antwort geben.

Diese Aushilfe wird uns nun allerdings gar nichts nützen, wenn Sie, wie Herr von Valmont glaubt, sofort abreisen müssen. In dem Falle aber will er uns selbst dienen. Die Dame, zu der Sie gehen, ist seine Verwandte. Er wird diesen Umstand benutzen, um zur selben Zeit wie Sie dahin abzureisen, und durch ihn wird dann unsere gegenseitige Korrespondenz gehen. Er gab mir sogar die Versicherung, daß er es uns, wenn Sie sich ihm anvertrauten, möglich machen würde, uns dort wiederzusehen, ohne zu riskieren, daß Sie sich irgendwie kompromittieren.

Wenn Sie mich lieben, Cécile, wenn Sie Mitleid mit meinem Unglück haben und mit mir leiden, dann werden Sie einem Manne, der unser Schutzgeist sein will, Ihr Vertrauen nicht versagen können. Ohne ihn bin ich der Verzweiflung verfallen und außerstande, den Schmerz, den ich Ihnen bereite, zu lindern. Ich hoffe, er wird enden, aber versprechen Sie mir, Cécile, sich ihm nicht allzusehr hinzugeben, sich nicht ganz von ihm niederdrücken zu lassen. Der Gedanke, daß Sie leiden, ist mir unerträglich. Ich würde mein Leben darum geben, Sie glücklich zu machen! Sie wissen es. Möge die Gewißheit, daß ich Sie anbete, einigen Trost in Ihr Herz bringen! Das meine hat die Versicherung nötig, daß Sie der Liebe die Schmerzen verzeihen, die sie Ihnen zu leiden gibt.

Adieu, meine Cécile, meine Geliebte!

den 9. September 17..


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