de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Neununddreissigster Brief

Cécile Volanges an Sophie Carnay.

Ich bin traurig und unruhig, meine liebe Sophie. Und ich habe fast die ganze Nacht geweint. Nicht als ob ich im Augenblick nicht sehr glücklich wäre, aber ich seh' es voraus, es wird nicht dauern.

Gestern war ich mit Frau von Merteuil in der Oper. Wir sprachen viel von meiner Heirat, und ich hörte nichts Gutes darüber. Es ist der Graf von Gercourt, den ich heiraten soll, und zwar im Oktober. Er ist reich, vornehm und Oberst in einem Husarenregiment. – Bis dahin ist alles ganz gut. Aber zuerst einmal ist er alt. Denk Dir, er ist mindestens sechsunddreißig! Und dann, sagt Frau von Merteuil, ist er ein Sauertopf und streng, und daß sie fürchtet, ich würde nicht glücklich mit ihm sein. Ich habe es ganz deutlich gemerkt, daß sie das ganz sicher weiß und daß sie es mir nur nicht sagen wollte, um mich nicht zu betrüben. Sie hat mich fast den ganzen Abend darüber unterhalten, was für Pflichten die Frauen gegenüber ihren Männern hätten, und dann gibt sie zu, daß Herr von Gercourt gar nicht liebenswürdig ist und sagt, ich müßte ihn dennoch lieben. Hat sie mir aber nicht auch gesagt, daß ich, einmal verheiratet, den Chevalier von Danceny nicht mehr lieben dürfte? Als ob das möglich wäre! Aber ich versichere Dir, ich werde ihn immer lieben. Siehst Du, eher würde ich mich gar nicht verheiraten. Soll sich dieser Herr von Gercourt einrichten wie er will, ich habe ihn nicht gerufen. Er ist jetzt in Korsika, und das ist sehr weit weg von hier, und ich möchte, er soll zehn Jahre dort bleiben. Wenn ich nicht Angst hätte, ins Kloster zurück zu müssen, so würde ich Mama sagen, daß ich diesen Mann nicht mag; aber das Kloster wäre doch noch schlimmer. Du siehst, ich bin in einer schrecklichen Verlegenheit. Ich fühle, daß ich Herrn von Danceny noch nie so geliebt habe wie jetzt, und wenn ich bedenke, daß mir nur noch ein Monat bleibt, das zu sein, was ich jetzt bin, so kommen mir immer gleich die Tränen in die Augen. Mein einziger Trost ist die Freundschaft mit Frau von Merteuil. Sie hat so ein gutes Herz, und sie fühlt all meinen Kummer mit mir, und sie ist so lieb, daß, wenn ich bei ihr bin, ich fast gar nicht mehr an die schreckliche Sache denke. Dann ist sie mir auch sehr nützlich, denn das wenige, das ich weiß, verdanke ich nur ihr und sie ist so gut, daß ich ihr alles sage, was ich denke, ohne mich zu schämen. Wenn sie findet, daß etwas nicht recht ist, zankt sie mich auch mal, aber das tut sie so lieb, und dann küsse ich sie so von Herzen, bis sie nicht mehr bös ist. Sie kann ich wenigstens lieben soviel ich Lust habe, ohne daß dabei was Schlimmes ist und das macht mir viel Freude. Wir sind jedoch übereingekommen, daß wir vor den Leuten uns nicht so zeigen, wie wir uns lieben, besonders nicht vor Mama, damit sie wegen Danceny nichts denkt. Ich versichere Dir, wenn ich immer so leben könnte wie jetzt, würde ich sehr glücklich sein. Nur dieser ekelhafte Herr von Gercourt ...

Aber ich mag Dir nicht mehr darüber schreiben, denn ich würde wieder traurig werden. Statt dessen werde ich lieber an den Chevalier Danceny schreiben und ihm nur von meiner Liebe erzählen und nichts von meinem Kummer sagen, denn ich will ihn nicht traurig machen.

Adieu, meine liebe Freundin. Du siehst wohl, daß Du Unrecht hattest, Dich zu beklagen, und daß ich, auch noch so beschäftigt, wie Du sagst, doch immer so viel Zeit übrig habe, Dich zu lieben und Dir zu schreiben.

Paris, den 27. August 17..

[Wir unterdrücken in der Folge Briefe von Cécile Volanges und Danceny, da sie weder interessant sind noch Begebenheiten mitteilen. C. D. L.]


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