de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Achtundvierzigster Brief

Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil.

Ich werde Sie heute noch nicht sehen, meine schöne Freundin, und davon sind das meine Gründe, die ich Sie in Gnade hinzunehmen bitte.

Statt gestern direkt zurückzukehren, habe ich mich bei der Komtesse ** aufgehalten, deren Schloß beinahe auf meinem Weg liegt, und wo ich mich zum Diner einlud. So kam ich erst gegen 7 Uhr in Paris an und ging in die Oper, wo ich Sie zu sehen hoffte.

Als die Oper aus war, ging ich zu meinen Freunden hinter der Bühne und fand da meine alte Emilie, umgeben von einem zahlreichen Hof von Herren und Damen, denen sie am selben Abend noch ein Souper bei P ... gab. Ich war kaum hinzugetreten, als mich auch schon alles bat, mit von der Partie zu sein. Ein kleines, dickes und kurzes Gesicht war darunter, das mich in einem schrecklichen Holländisch-Französisch einlud und dessen Besitzer sich später als der wirkliche Held des Abends herausstellte. Ich nahm an.

Unterwegs erfuhr ich denn, daß das Haus unseres Rendezvous' der bedungene Preis für Emiliens Güte für das groteske kurze Gesicht und daß das Souper in aller Form ein Hochzeitsmahl wäre. Der kleine Mann kannte sich nicht mehr vor Freude und in Erwartung des Glückes, das ihm bevorstand; er schien mir so über die Maßen glücklich, daß mich die Lust ankam, ihn darin ein bißchen zu stören – was ich denn auch tat.

Die einzige Schwierigeit kam von Emilie, die der Reichtum dieses holländischen Bürgermeisters etwas nachdenklich machte. Nach einigem Hin und Her ging sie aber doch auf meinen Plan ein, dieses kleine Bierfaß mit Wein voll zu gießen und für den Rest der Nacht unschädlich zu machen.

Die großartige Idee, die wir uns von einem holländischen Trinker gemacht hatten, ließ uns alle Mittel anwenden. Und die Absicht gelang so gut, daß der Kleine beim Dessert schon nicht mehr die Kraft hatte, das Glas zu halten: die gütige Emilie half aber bereitwilligst zum Letzten, so daß er endlich unter den Tisch fiel, in einer Betrunkenheit, die wohl ihre acht Tage brauchen wird. Wir beschlossen also, ihn nach Paris zurückzubefördern, und da er seinen Wagen weggeschickt hatte, so luden wir ihn in den meinen, und ich vertrat seine Stelle. Ich erhielt die Komplimente und Gratulationen der ganzen Gesellschaft, die bald darauf verschwand und mich Herrn des Feldes ließ. Die lustige Stimmung und vielleicht auch die lange Enthaltsamkeit ließen mich Emilie so wünschenswert erscheinen, daß ich ihr versprach, bis zur Wiederauferstehung des Holländers bei ihr zu bleiben.

Meine Belohnung ist unter anderem auch dies, daß mir Emilie als Schreibpult dient, während ich an meine schöne fromme Liebe schreibe; es macht mir Spaß, ihr eine Epistel in dem Bette und beinahe in den Armen eines Mädchens zu schreiben, unterbrochen von vollkommenster Untreue, und ihr in dem Brief eine genaue Schilderung meiner Situation und meines Verhaltens zu geben. Emilie, die las, was ich schrieb, lachte darüber wie eine Verrückte, und ich glaube, Sie werden es nicht anders machen.

Da mein Brief von Paris aus gestempelt sein muß, schicke ich ihn Ihnen und ich lasse ihn offen. Wollen Sie ihn gütigst lesen, ihn schließen und zur Post befördern.

Bitte benutzen Sie aber nicht Ihr Siegel, auch sonst keines mit einem Liebesemblem, und Adieu, meine schöne Freundin.

P. S. Ich öffne noch einmal den Brief; ich habe Emilie ins Theater geschickt und will die Zeit benutzen, Sie zu sehen. Ich werde spätestens um sechs Uhr bei Ihnen sein, und wenn es Ihnen recht ist, gehen wir zusammen um sieben Uhr zu Frau von Volanges. Ich darf anständigerweise mit der Einladung, die ich ihr von Frau von Rosemonde zu überbringen habe, nicht mehr länger verziehen. Und dann wäre es mir auch lieb, die kleine Volanges zu sehen.

Adieu, meine schöne Dame. Ich werde ein solches Vergnügen haben, Sie zu umarmen, daß der Chevalier darüber eifersüchtig sein kann.

P..., den 30. August 17..


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