Michaïl Kusmín
Die grüne Nachtigall und andere Novellen
Michaïl Kusmín

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II.

Am nächsten Tage wiederholte sich die gleiche Geschichte. Herr Bruck pflegte offenbar seine Ziele mit großer Energie zu verfolgen. Madame Garnier war sehr aufgeregt und flüsterte vor sich hin: »Mein Gott! Was will er bloß von mir?«

Ich hielt es für angebracht, sie in diesem Augenblick anzusprechen, und sagte:

»Wie kann nur ein Mensch so zudringlich sein, wenn man ihm bedeutet hat, daß sein Besuch unerwünscht ist?!«

»Er ist mir in der Tat höchst unerwünscht!«

»Die Schuld trifft eigentlich auch die Direktion des Hotels, die wohl nicht imstande ist, Ihrem so unzweideutig ausgesprochenen Wunsche Rechnung zu tragen.«

Sie zuckte die Achseln.

»Was kann die Direktion dagegen tun? Es ist ja meine Privatangelegenheit.«

»Sie könnten sich ja auch an die Polizei wenden.«

Madame Garnier verzog etwas das Gesicht und sagte:

»Ich habe Gründe, die Polizei aus dem Spiele zu lassen.«

Ich verstand sofort, daß ich soeben eine Dummheit gesagt hatte. Ich wollte mein Vergehen wieder gutmachen und beging eine womöglich noch größere Dummheit.

»Natürlich, wenn Sie Ihren Vater, Bruder oder Gatten bei sich hätten, so wären Sie diesen zudringlichen Menschen sehr schnell los.«

»Höchstwahrscheinlich.«

»Vielleicht wollen Sie mir gestatten, mit Herrn Bruck zu sprechen?«

»Sie sind aber weder mein Gatte, noch mein Bruder oder Vater! Sie sind nicht einmal mein Freund.«

Ich hätte in die Erde versinken können, aber die Dame fuhr lächelnd fort:

»Worüber würden Sie denn mit ihm sprechen?«

»Ich würde ihn nur ersuchen, Ihre Wünsche zu respektieren, und sonst nichts. Ich habe durchaus nicht die Absicht, mich Ihnen als Vertrauter aufzudrängen.«

Irgendein listiger Gedanke huschte wie eine Schwalbe durch ihre Augen, und Cécile Garnier erschien für einen kurzen Augenblick als eine echte Französin, und nicht als die stolze und, trübsinnige Dame, als die ich sie bisher gesehen hatte.

»Gut. Wenn Sie so freundlich sein wollen, so reden Sie doch wirklich mit Herrn Bruck. Ich brauche Sie nicht einmal um Diskretion zu bitten: Sie wissen ja von nichts und können daher gar nicht indiskret sein.«


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