Ernst Jaedicke
Deutsche Sagen
Ernst Jaedicke

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Die Seele drückt in Mausgestalt eine Weide

(A. Eichner)

Ein Gutsbesitzer lebte mit seiner Frau sehr glücklich. Sie hatte nur den einen Fehler, daß sie ab und zu von einer Schlaftrunkenheit heimgesucht wurde, aus der sie durch kein Mittel geweckt werden konnte. Endlich erklärte »eine weise Frau« das Rätsel dadurch, daß die Frau ein Alp sei. Der Mann brauche nur die Frau beim Einschlafen zu beobachten. Es werde ihr dann ein weißes Mäuschen aus dem Halse kriechen, und das solle er verfolgen. Der Mann paßte auf, und richtig, wie einmal seine Frau eben eingeschlafen war, kam, überall sich vorsichtig umsehend, ein weißes Mäuschen aus ihrem Munde. Der Mann ging ihm behutsam nach und war nicht wenig erstaunt, zu bemerken, daß das Tierchen fast eine Meile weit zu einer alten Weide lief, die es drückte. Da der Gutsbesitzer seine Frau, die er trotz der Entdeckung noch innig liebte, von dem Übel nicht befreien konnte, wollte er ihr wenigstens eine Erleichterung verschaffen. Er ließ die Weide in seinen Hof versetzen. Aber die Weide ging ein, und gleichzeitig schwand auch die Gesundheit seiner Frau dahin, und wie der Mann die ganz verdorrte Weide abhacken konnte, da mußte er seine Frau zu Grabe tragen.


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