Ernst Jaedicke
Deutsche Sagen
Ernst Jaedicke

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

De Muhr in der Saaler Forst

(A. Haas)

In der Saaler Forst steht ein Busch, der nur an einem Tage im Jahre blüht und an demselben Tage auch gleich reife Früchte bekommt, wer in der nächstfolgenden Nacht zwischen 12 und 1 Uhr eine oder mehrere von diesen Früchten an sich nimmt, wird unsichtbar. Dieser Busch heißt im Volksmunde »de Muhr«.

Einst kam ein Arbeiter in der Nacht zwischen 12 und 1 Uhr an der Stelle vorbei, wo der Busch steht; im Vorbeigehen streifte er die Zweige des Busches, und dabei fielen einige von den Samenkörnern in seine Stiefel. Als er bald darauf nach Hause kam, klopfte er an die Fensterladen, daß seine Frau ihm aufmache. Die Frau schaute zum Fenster hinaus, da sie aber niemand sehen konnte, legte sie sich wieder ins Bett. Nun klopfte der Mann noch stärker, rief seine Frau auch mit Namen an, aber da diese keine Spur von ihrem Manne wahrnehmen konnte, schloß sie auch das Haus nicht auf. So mußte der Mann denn die ganze Nacht draußen bleiben. Als die Frau am nächsten Morgen in der Frühe die Haustür öffnete, ging der Mann scheltend ins Haus und trat ins Zimmer. Die Frau hörte zwar die Stimme ihres Mannes, sehen konnte sie aber nichts von ihm. Da zog der Mann die Stiefel von den Füßen, und nun wurde er seiner Frau plötzlich sichtbar. Aber die Stiefel konnten sie auch jetzt noch nicht sehen, haben sie auch nicht wiedergefunden, obgleich sie oft darüber gestolpert sind.


 << zurück weiter >>