Ernst Jaedicke
Deutsche Sagen
Ernst Jaedicke

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Schildhorn

(Deutsche Quellen)

Zwischen Spandau und Potsdam liegt am linken Ufer der Havel auf einer Landzunge eine Anhöhe, die Schildhorn heißt. Darauf steht eine steinerne Säule mit einem Schilde und Kreuz, die an eine Begebenheit erinnert, welche sich der Sage nach hier vor mehr als 700 Jahren zugetragen haben soll.

Um das Jahr 1140 starb zu Brandenburg der letzte wendische Beherrscher des Havellandes, namens Pribislav. Er hatte schon vor seinem Tode Albrecht den Bären zu seinem Nachfolger ernannt. Dieser nahm also die Stadt und das Land in Besitz. Zu Köpenick an der Spree wohnte aber ein Verwandter des Pribislav, der Wendenfürst Jaczo. »Bin ich nicht der natürliche Erbe des Landes,« sagte dieser bei sich selbst, »und welches Recht haben die Christen auf wendisches Eigentum?« Darum zog er mit einem zahlreichen Heer gegen das feste Brandenburg. An der Havel wurde tapfer gekämpft, und die Wenden eroberten die Burg. Aber Albrecht der Bär eilte herbei und nahm sie wieder mit Gewalt in Besitz. Jaczo zog nordwärts gen Spandau mit den Seinen. Das Heer der Christen unter Albrecht folgte ihnen. Auf den Feldern zwischen Groß-Glienicke und Spandau kam es zur Schlacht. In Haufen verließen die Wenden den Kampfplatz und flohen. Jaczo war einer der letzten, welche die Waffen schwangen. Als er sich aber von den Seinen verlassen sah, wandte auch er sein Roß und sprengte davon. Plötzlich wurde seine Flucht durch einen breiten Strom gehemmt; er hielt am Ufer der Havel. Vor ihm lag die breite blaue Wasserfläche, und ihre Wogen stiegen ruhig auf und ab. Hinter ihm der Feind. Was soll der Wende tun? Eine Landzunge streckte sich von der anderen Seite her quer in den Fluß. »Herr,« rief ein Getreuer, der Jaczo gefolgt war, »schwimmt nicht hinüber, das Wasser ist sehr tief!« Aber immer näher kommt der Feind. »Gott der Christen,« ruft Jaczo, »rette mich aus der Gefahr, so will ich dir dienen und den Götzen absagen!« »Greift den Heidenfürsten!« rief es hinter ihm. Da stürzt er jählings mit seinem Rosse, schwerbewaffnet wie er war, in die Flut hinab, die über ihm zusammenschlug. Jetzt taucht er empor. Keuchend schwimmt das treue Tier mit ihm dahin durch die Wogen.

Der Feind stand am Ufer und bewunderte Jaczos Mut; er wagte es nicht, zu folgen; ja er sandte dem Fliehenden nicht einmal einen Bolzen nach. Matter und matter wurde das Pferd. »Halt aus, mein treues Roß!« rief Jaczo. Das müde Tier wendete seine letzten Kräfte an. Noch einige Schritte, und das Pferd hatte Boden unter den Füßen. Ein Sprung, und Jaczo ist gerettet. Er stieg die Spitze der Landzunge hinan und sank auf seine Knie. »Dank dir, du mächtiger Christengott!« ruft er; »dir will ich fortan dienen. Von allen meinen Waffen besitze ich nur noch diesen Schild. Hier, wo ich Rettung gefunden, lege ich ihn nieder.«

Noch heute heißt jene Uferspitze in der Havel, wo Jaczo glücklich die Havel durchschwommen, »Schildhorn«.


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