Ernst Jaedicke
Deutsche Sagen
Ernst Jaedicke

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Von Schätzen und Glocken

Der reiche Bauer von Nickelswalde

(Westpreußische Sage)

Unter dem Hochmeister Konrad von Jungingen war der deutsche Ritterorden sehr mächtig und reich und zufrieden. Damals lebte zu Nickelswalde ein Bauer, der durch seinen Reichtum berühmt geworden ist. Als nämlich einige Gäste aus Deutschland den Hochmeister in Marienburg besuchten, sahen sie überall Überfluß und Reichtum und priesen deshalb den Hochmeister glücklich. Das hörte der Schatzmeister des Ordens, Heinrich von Plauen, und er sprach zu den fremden Herren: »Der größte Reichtum des Hochmeisters ist der Reichtum seiner Untertanen. In unserm Lande wohnt ein Bauer, der elf Tonnen voll Gold hat.« Das hielten die Gäste für Scherz. Einige Tage später aber führte Herr Heinrich die Gäste seines Herrn nach Nickelswalde, wo sie bei einem Bauern einkehren mußten. Bei diesem hatte er das Mittagsmahl bestellt. Der Tisch war für die Gäste gedeckt, und rund um ihn standen zwölf Tonnen; darauf waren Bretter gelegt zum Sitz für die Herren. Als sie nun beim Essen waren, da sagte der Ritter von Plauen: »Dies ist der reiche Bauer, von dem ich euch erzählt habe.« Da ließ der Hochmeister den Bauern kommen und forderte ihn auf, seinen Reichtum zu zeigen. Der Bauer antwortete: »Ich habe euch alles hingesetzt, was mir gehört. Seht, auf was für Bänken ihr gesessen habt.« Als nun die Bretter weggenommen waren, sahen sie, daß sie auf Tonnen gesessen hatten, von denen elf voll Gold waren; die zwölfte aber war noch leer. Die Gäste verwunderten sich des reichen Bauern. Der Hochmeister aber ließ dem Bauern auch die zwölfte Tonne aus der Schatzkammer füllen, damit die Gäste in Wahrheit sagen konnten, daß im Lande des Hochmeisters ein Bauer wohne, der zwölf Tonnen voll Gold habe.


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