Ernst Jaedicke
Deutsche Sagen
Ernst Jaedicke

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Der Riesenstein in der Nassau

(J. Grässe)

Auf dem Keilenberge bei Königsbrück, der jetzt zum Andenken des Königs Friedrich August des Gerechten der Augustusberg heißt, wohnten in grauer Vorzeit Riesen, die mit einer andern Riesenfamilie auf dem Kulmberge bei Oschatz in Unfrieden lebten und sich mit Riesentannen und Steinwacken von vielen Zentnern warfen. In beiden Familien ragte je ein Jüngling zur Freude seiner Eltern über alle seine Verwandten an Größe und Schönheit hervor, und beide liebten ein Mädchen, die schöne Tochter des Fürsten des Elbgaues, Bila, der da, wo jetzt das Dorf Zadel liegt, auf einer Felsenburg thronte. Die Jungfrau erwiderte aber die Liebe der Riesensöhne nicht, und als diese bei ihrem Vater um ihre Hand warben, da gab ihnen dieser eine ausweichende Antwort, sie möchten seine Tochter erst zu verdienen suchen. Es hatte aber ein anderer das Herz des Mägdeleins gewonnen, und zwar ein armer Hirte, der die Lämmer an den sonnigen Höhen des Golkgebirges weidete.

Einst, als die Prinzessin am Ufer des Glaserbaches, der sich unterhalb der Neumühle in die Elbe ergießt, eingeschlafen war, näherte sich ihr eine giftige Schlange. Bevor sie aber der Prinzessin ein Leid antun konnte, erschlug sie der Schäfer. Die aus dem Schlummer aufgeschreckte Bila, welche eben von dem Jüngling geträumt hatte, sah in ihm nun ihren Retter und versprach ihm voll Dankbarkeit Herz und Hand. Lange aber blieb das Geheimnis der Liebenden den beiden Riesen nicht verborgen. Einst sahen sie ihn seiner Bila, die an jener Stelle des Baches auf ihn harrte, entgegengehen; da erhoben beide, jener auf dem Keilen-, dieser auf dem Kulmberge, ungeheure Steinblöcke und schleuderten sie ihm entgegen, er aber blieb unversehrt, denn er stand unter dem Schutze der Götter, weil er fromm und gut war. Als nun der alte Fürst das Begebnis erfuhr, nahm er den Schäfer als Eidam an und errichtete zum Dank gegen die Götter auf einem dieser Steine eine Opferstätte. Dieser Stein ist unterhalb Zadel auf Golker Revier noch jetzt zu sehen, er führt den Namen Gose (Opferstätte), das Volk aber nennt ihn den Riesenstein.

Als die Riesen sahen, daß ihnen die schöne Bila für immer entrissen war, entbrannten sie unter sich in grimmigem Kampfe, von dem noch ein zweiter Riesenstein am Rande der Nassau Zeugnis gibt. Der Sieger überlebte seinen überwundenen Gegner nur kurze Zeit.


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