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Dichtung und Dichter

Schön ist die Wahrheit, wahr die Schönheit; das ist alles, was ihr auf Erden wißt, und alles, was ihr zu wissen braucht. Das sind die Worte des Vorspruchs fürs Weltall, geschrieben für uns. Die Mahnung: Bilde Künstler! Rede nicht! Das ist die Formel der Vereinfachung für die so mannigfaltig auf uns eindringende Welt.

Man hat die Mitte zu nehmen: Die Welt sieht bei dem ersten Blick wie eine Realität, bei dem zweiten wie ein Traum aus. Die Welt und jedes Ding in ihr ist uns vertraut und dann wieder ein Wunder. Die Seite ihres Wunders, die Schönheit uns zu bereiten, ist Sache der Poesie. Es wird manches dunkel bleiben bis ans Ende.

Was durchlebt, gibt erst Recht auf Dichtung – es ist so frisch, so eigen, so beweisend; ist Logik, ist Dichtung.

Die Ferne bestimmt und das Gewöhnliche erhoben stellen, das ist die Kunst; auch über alles zu schreiben, allem eine Seite abzugewinnen.

Lyrik ist die Wortfindung, die Mitteilung, die Wortausgabe der Empfindung. Die Austragung, die Äußerung.

Ein Buch wird verdächtig, wenn die Gemütsseite fehlt.

Dichter und Maler, was der eine hat, wird dem andern abgezogen.

O Macht der Mitteilung durch das rechte Wort, eine Entschädigung für die Wirklichkeit, eine Erweiterung des Menschen über Zeit und Raum hinaus.

Durch diese Gabe ihres Lebens, ihrer Empfindung, sind die echten Poeten Helfer der Menschheit. Man kann deshalb durchaus nicht von einem unnützen Poeten sprechen. Sein Nutzen ist, wenn er echt und wahr ist und dann gefällt; sein Schaden aber ist groß, wenn er unwahr einen Genuß, den er selbst nicht gehabt hat, als eigen ausgibt, um einem fehlerhaften, sinnlichen oder meinungsträgen, vorurteilsvollen Lieblingswunsche der Masse Genüge zu tun.

Das ist die Vorheuchelei des falschen Dichters, der mißleitet und später abstößt.

Wenn ein Zeitalter mit den Fehlern seines Zeitalters aufräumt, werden die poetischen Überbleibsel beiseite geworfen; denn ein echter Dichter ist ebenso trotz seiner Zeit wie mit seiner Zeit – so Walther von der Vogelweide.

Sich ganz eins fühlen mit der Welt und in dem letzten Menschen noch lieben. Das ist das Geheimnis der Unsterblichkeit. Alle Dichter haben teil an dieser Gemeinschaft.

Der Dichter ist ein Prometheus der Zukunft, er muß das Originelle bringen.

Der Dichter muß positiv vordenken, sich nicht den Einfällen überlassen. Das macht stark.

Der Dichter selbst glaubt am wenigsten, daß er Dichter ist; geht zur Kritik und sagt es ihr.

Was Meister gaben, soll und darf nicht nachgeahmt werden. Die Gelehrten müssen ihre Sätze aussprechen; und die Stilkünstler müssen sie fortlassen, nachdem sie vorher ihren Lesern das Selbstfinden unfaßbar gemacht haben. Wenn etwas in der Welt wahrheitsdurstig ist, so ist es die Dichtung. Sie will nicht bloß Wissen, sondern Innenleben. Sie verlangt die Seele von allem zu sehen wie Plato, aber nicht abgeleitet, sondern im Innern, im Tiefen, im Wirklichen selbst.

Die guten Lyriker sind gute Erkenner ihrer selbst. Deshalb hat man sie gerne. Sie mögen kriegerisch oder verliebt, spöttisch oder zärtlich sein, wie sie wollen, sofern sie nur echt sind, wahr und nicht Empfindung heucheln.

Kann es nicht aristophanische Lustspiele geben? Nein, wenn unsere Zeit poesielos, unschön ist, ohne Fröhlichkeit, Lust und Behagen. Ohne eine Welt, aus welcher die Elemente der Veränderung zu nehmen und in die verschönerte wieder einzusetzen sind, kann die satirische Dichtung nicht bestehen.

Dichter: von seinem Mangel essen die Völker, von seinen Qualen, seinem Verenden nehmen die Menschen nachmals den höchsten Rausch ihrer Seele.

Bücher sind Ernten: Tollkirschen und Weizen. Was Phantasie ist bei den Menschen, ist Schöpferkraft der Gedanken bei Gott. An Höherem, Weltzusammensetzendem, die Schöpferkraft der Tat.


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