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Vorgeschmack

(Militärisches Genre)

Es war auf dem Marktplatz zu Magdeburg. Die ganze Luft gefüllt mit dem harmonischen Zittern, das edeln alten Glocken eigen ist.

Leise streichelt die Sonne wie ein liebes Haupt die Kronen der Bäume. Vergleichbar einem gutgearteten Volk, jenem altwürttembergischen Untertanen, der sein Herrscherhaupt streichelt, das ihm auf dem Schöße über Regierungssorgen eingeschlafen ist.

Die Schule ist aus: Die Töchterschule. Gruppen voll monumentalstolzer Mädchenfreundschaft! Dann wieder andere: es wippen die kirschrot und grünsamtenen Tornisterdeckel, den Nacken eingezogen, das Köpfchen voraus, mit schütternden Löckchen und wehenden Schwämmchen, als gälts Unterschlupf zu suchen vor prasselndem Hagelschauer, und laufend, laufend!

Da stutzt so eine und macht einen Knicks, über und über erglühend wie Ananaserdbeeren auf Weinblatt. Denn sie trägt ein grünes Samtröckchen.

Der Offizier, so ein Hauptmann in der vollen sehnigen Schlankheit seiner männlichen Erscheinung spricht mit ihr. Wichtige Dinge wahrscheinlich: was Papa macht, ob sie auch heute brav gewesen ist in der Schule.

Doch einerlei, schon die Tatsache, daß ein Hauptmann mit ihr spricht, macht sie beneidenswert vor ihren Mitschülerinnen allen.

Da – o Glück – berührt sein Finger ihr Kinn rechts neben der Backe, und er läßt sich herab, und sie macht sich groß und spitzt ihr Mündchen wie der Hauptmann seine kommandierenden Lippen.

Wieder einige Worte.

Und noch einmal mit der ganzen, siegessichern anmutigen Umständlichkeit seines Standes wiederholt der Hauptmann dieses Zeremoniell der Zärtlichkeit. Ein frommer Ausdruck der Ergebenheit tritt der Kleinen in die Augen, ihr Herzchen schlägt schneller und macht sich fühlbar. Ihr Inneres steigt in einem Seufzer aufwärts, empor zu aller Mädchen Ideal.

Und noch mehr sich zusammenziehend, innerlich schuckelnd vor Wonne eilt sie nach Haus, das Glück, das ihr so unvermutet eben begegnet, zu künden.

Ein Vorgeschmack.

Beglücktes Magdeburg.

Ein Ort, wo ein solcher Geist der Ritterlichkeit herrscht, ist gefeit für und für. Dahinein wird nie die Pest der modernen Frauenbewegung Eingang finden, wird nie der Nietzsche, der Ibsen, der Jacobsen die Eschstruth verdrängen.

»Mir ist, als ob ich die Hände
Aufs Haupt dir legen sollt,
Betend, daß Gott dich erhalte:
So rein und schön und hold!«

Diesem Hauptmannsgebet wollen wir uns anschließen.


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