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Dissa und Wissa

Es waren mal zwei Hexen. Die waren sehr, sehr böse aufeinander. Denn sie wohnten dicht nebeneinander und konnten sich immer sehn über den Zaun, wenn sie in ihr Gärtchen gingen und da die gewöhnlichen Küchenkräuter für ihre Hexensuppen suchten, die sie immer um dieselbe Zeit bei Neumond um Mitternacht kochten.

Sie mußten aber immer schon vor Sonnenuntergang die Kräuter ausziehen, weil sie sehr fein und wenig voneinander verschieden waren. Vorher konnten sie die Kräuter nicht holen, weil sie getrocknet ihre Kraft verloren und frisch bleiben mußten.

Das war ein Kreuz!

Noch schlimmer aber war es, wenn sie einmal etwas Großes vorhatten, nicht bloß so einem kleinen Jungen eine Hasenscharte anzaubern oder eine bunte Kuh behexen wollten, daß sie blaue Milch gab; wenns ihnen darauf ankam, eine Prinzessin in eine Schlange oder einen schönen Prinzen in eine häßliche Kröte zu verwandeln.

Da waren die Kräuter recht rar, recht rar. Die konnte man auch nicht im Gärtchen ziehen; da mußte man schon ganz, ganz tief in den Wald hinein, und genau Mitternacht mußte es sein; genau zwölf Uhr nachts, keine Minute früher, keine Minute später. Da mußte man das Kraut Krumurt so genau ausziehen, daß kein Faserlein im Boden verblieb. Das Kraut Krumurt verwandelte Prinzen und, wenn es recht groß und stark war, auch Könige. Es hatte vier große Fasern an der Wurzel, an jeder großen Faser saßen fünf kleine. Blieb nun eine große Faser in der Erde sitzen, so behielt die Kröte oder die Krähe, was die Hexe nun gerade wünschte, einen menschlichen Arm oder ein menschliches Bein; die kleinen Fasern galten für einen Finger oder eine Zehe.

Es hatte auf spitzen, langen schwarzgefleckten Blättern einen kleinen braunen Mohrenkopf und rief immer mit einer Stimme, die so scharf und so spitz war wie seine Blätter, mit denen man sich ganz gehörig schneiden konnte, wenn man nicht ordentlich aufpaßte.

In der Neumondnacht ging man das Kraut Krumurt suchen, ganz im Dunkeln; denn eine Laterne durfte man nicht mitnehmen; und ohne genau die Zeit zu wissen, denn Uhren gab es nicht, und Lichte anzuzünden, die jedesmal drei Stunden brannten, dazu waren die Hexen zu geizig.

Der Krämer hätte ihnen auch nichts verkauft, um alles in der Welt nicht; denn das Geld, womit Hexen bezahlen, verwandelt sich in der Hand des Empfängers in feurige Kohlen.

So hätten die Hexen geradezu verhungern müssen, wenn sie nicht Korn und Vieh behext hätten, das sie mitnehmen und brauchen konnten. Ihnen schadete das nichts; von gesundem Korn, von gesundem Fleisch wären sie gleich krank geworden und bald gestorben.

Das Kraut Krumurt hatte also eine Stimme, eine scharfe spitze Stimme, und mit dieser scharfen spitzen Stimme rief es die ganze Neumondnacht, bis es gepflückt war. Dann schrie es furchtbar auf und war still.

Fand man es nicht in der Neumondnacht, so war es am nächsten Morgen verschwunden.

Auch war es vor Abend nicht sichtbar, so daß man es hätte aufsuchen und sich die Stelle hätte merken können.

Man konnte nur nach dem Gehör gehen.

Nun war doch nichts einfacher, als das Kraut Krumurt zu finden. Man brauchte ja nur der Stimme nachzugehen.

Flötepiepen!

Das Kraut Krumurt hatte eine falsche Stimme. Es hörte sich an, als wäre sie hier, und sie war dort. Gerade wie's die Kinder machen, wenn sie Verstecken spielen und »hu-hu!« rufen.

Und wenn die beiden Hexen ausgingen, ungefähr um dieselbe Zeit das Kraut Krumurt zu suchen, da stießen sie im Walde, wenn die Eulen heulten, oft im Finstern gegeneinander; dann knirschten sie mit den langen Hauern, den beiden Oberzähnen, die fast bis aufs Kinn gingen, sagten aber kein Wort vor lauter Wut. Dann auch, weil die, welche nun gesprochen hätte, in dieser Nacht ruhig hätte einpacken können.

Sie hätte doch nichts mehr gefunden.

Und so suchten sie, suchten, bis die eine den Schrei, den großen Schrei hörte und nun wußte: die andere hat das Kraut gefunden.

So wie's dann in der aufkochte, gerade wie der rasende Kessel, wenn das Kraut darin zischte und brüllte. Aber es half nichts. Nur der Haß stieg, und die Hexe wurde nur noch mehr zur Hexe. Denn die beiden Hexen waren nicht von Anfang an Hexen gewesen, sondern ganz gewöhnliche kleine Mädchen, die schon als ganz kleine Dinger nebeneinanderwohnten in denselben alten Hütten weit vorm Dorf am Sumpfe, wo sonst keiner wohnen wollte.

Aber recht garstige, böse kleine Mädchen waren sie gewesen, die dem Vater wegliefen, die Mutter auslachten, sich kratzten, bissen, traten und sich die Zungen ausstreckten.

Auf der Schule wars noch viel schlimmer geworden. Und als die andern Mädchen heirateten, waren sie schon so weit in ihrer Niedertracht, daß sie mehr Böses ausrichten konnten als alle zusammen, also Hexen waren. Sie waren aber hübsch, noch viel hübscher als alle Mädchen zusammen, mit roten Lippen und bösen blinkenden Glanzscheinaugen. Die eine mit schwarzen, vergnügt schlauen Augen und schwarzem Haar, das den weißen Nacken darunter ganz, ganz lockend machte – hieß Brulle. Die andere mit grünen Augen wie ein leuchtendes Zauberkraut und Haar rot wie eine Flamme, die es kochte, nannte man Wulle. Nun warteten die beiden, bis die beiden schönsten Mädchen im Dorf, die ihnen natürlich nicht das Wasser reichen konnten, sich mit den schönsten Jünglingen versprochen hatten, die ihnen am meisten gefielen. Darauf tanzten sie auf einer Kirmes mit ihnen und verzauberten sie, daß sie den Verspruch brachen und sich mit ihnen verlobten: der Schloßbläser Schraplau mit der schwarzen Brulle, der Bogenschütze Wurmstecher mit der grünen Wulle.

So boshaft waren sie, so boshaft, daß sie nun nachher noch, als sie längst verheiratet waren, einander die Männer fortnahmen.

... Und nun gingen sie doch zusammen. Ja, sie erwiesen einander Gefälligkeiten. Sie ärgerten einander nun nicht mehr damit, daß sie die schönsten Plätze, wo starke, aber nicht ganz so mächtige Zauberkräuter standen, die mehr vorkamen, die man auch zu andern Zeiten bei Tage pflücken konnte, abflückten. Nein, sie sagten einander die Stellen, brachten sich ... zusammen.

Das kam so.

Die Hexen hatten zwei Söhne. Brulles Sohn hieß Bick, Wulles Sohn Back. Die Knaben wollten keine Zauberer werden. Um alles in der Welt nicht.

... Es gehört sich doch so, daß die Söhne von Hexen Zauberer werden, wie sie als Mädchen Hexen geworden waren.

Nun aber wollten sie weder behextes Korn noch blaues Fleisch, noch nahrhafte Krötensuppe aus dem Hexenkessel essen; viel lieber wären sie in die Dorfschule gegangen, um Schreiben und Rechnen zu lernen, als daß sie in den Zauberbüchern lesen und die Sprüche daraus auswendig lernten. Und sie zeichneten viel lieber Männchen mit Spinnenbeinen oder Frauengestalten mit wirrem gesträubtem Haar und langen Säcken »Rabeck« oder »Das ist Hulda Habestreit«, als daß sie die Zauberzeichen aus dem großen schwarzen Buche nachzeichneten, die bisweilen so seltsam aufleuchteten, wenn man sie laut aussprach ...

... Und sie sahen so frisch und rotbäckig und munter aus und gingen im September, wenn die andern Jungen frei hatten, mit denen Haselnüsse pflücken, »nuten« nannten sie das. Sie hatten alle ihre alten Taschen aus Hosen und Jacken zusammengenäht mit Nadeln, die ihnen die Mädchen liehen, und sich Beutel daraus gemacht, und mit den Messern, die sie von ihren Hexenmüttern bekommen hatten, auf daß sie damit den Kröten und Fröschen die Schenkel abschnitten; schnitten sie Haken aus den Haselnußsträuchern, mit denen sie die höchsten Büsche, worauf die braunsten, dicksten, wie ein umgekehrtes Herz aussehenden Haselnüsse saßen, die leicht aus den gelbwelk geflammten Näpfchen raschelten, zu sich niederbogen, um sie in den an einem Bindfaden links hängenden bequem schwellenden Beutel zu leeren. Die Mädchen flochten ihnen auch wie den andern Jungen aus Binsen Rüschhüte, daß sie wie Generale aussahen, und bekamen dafür Nüsse ab. Von den Jungen kauften sie sich für ein Schock Nüsse ein Stück Brot und waren froh und glücklich in der freundlichen Sonne unter dem guten blauen Himmel. Und wenn sie oben auf einem Berge oder alten Wartturme standen, schrien sie vor lauter Freude, und sie fühlten sich so froh und kameradschaftlich mit den anderen und hatten zusammen mit ihnen so eine warme Seele, wie sie das anders nie kannten, und sangen mit ihnen:

»Die Sonn erwacht,
mit ihrer Pracht
erfüllt sie die Berge,
das Tal,
o Morgenluft,
o Waldesduft,
o goldener Sonnenstrahl.
Die Welt entlang
mit Sing und Sang,
mit freiem und fröhlichem Sinn,
wir wissen woher nicht, wohin.

Mit dem Pfeil, dem Bogen
durch Gebirg und Tal,
kommt der Schütz gezogen,
froh im Morgenstrahl.«

Und kam der Abend näher, konnte man der Sonne in das klare goldene Auge blicken, und wurden ihre Schatten lang, lang wie lauter furchtbare Riesen, die immer näher und näher kamen, die immer mehr wuchsen, dann wurden ihre Stimmen fromm und ruhig:

»Wie könnt ich ruhig schlafen,
in dunkler Nacht,
hätt ich nicht, Gott und Vater,
noch dein gedacht.«

Und die armen Jungen hatten wahrlich Trost und Vertrauen nötig. Denn sie mußten nun nach Hause zu ihren bösen Hexenmüttern, die sehr zornig waren, weil ihre Söhne den ganzen Tag fortgeblieben waren, nichts gelernt hatten und statt der Zaubersprüche Nachtgebete, die sie die kleinen Mädchen gelehrt hatten, und fromme gute Lieder mit nach Hause brachten. Daß sie kein Abendessen bekamen, freute sie, und die Schläge mit dem Besenstiel duldeten sie ohne einen Laut; denn sie hatten ein gutes Gewissen und fühlten, daß man bösen Eltern, wenn sie was Böses befehlen, nicht zu gehorchen braucht. Was sonst sehr verkehrt wäre, hier war es recht.

Und wurden sie am folgenden Tage mit Zaubersprüchen und besprengten Riegeln eingesperrt, so sagten sie ein Gebet, und sie konnten heraus.

Von den Nüssen nahmen sie nicht mit nach Haus. Die brachten sie immer ins Königsschloß. Der Pförtner, der sonst so furchtbar war und eine Stimme hatte wie zorniger Donner und die Augen rollte wie feurige Räder, die man unter Belagerer laufen läßt, der lachte gutmütig und ließ sie ein. Und das Hoffräulein, das die Prinzeßlein sticken lehrte, öffnete ihnen die Tür zu dem Eckzimmer mit dem hohen runden Fenster, das kleine Stühle und Bänke mit hohen Lehnen hatte, die geschnitzt waren wie ein brauner Eichenwald, mit bunten Seidenkissen darauf, die wie Blumenkissen waren.

Wie freuten sich da die beiden, wenn sie die beiden kleinen, niedlichen Spinnräder von Elfenbein sahen, darauf Flachs gesponnen wurde, der so fein und glänzend war wie Prinzessinnenhaar! Wie freuten sie sich über die beiden Webstühle, auf denen Blumen wuchsen, so freudefarben, wie sie nur die fleißigen lieblichen Hände zweier Prinzeßlein in Seidenfäden finden können! Und auch die großen Bälle, die bunten Kugeln, die munteren Puppen, denen man den leichten Sinn und die unbeschwerte Heiterkeit nachfühlte, wie sie so rosarot und blond in ihren rüschenreinen Bettlein lagen, die Arche Noah mit dem derbgesunden Farbgeruch, den kräftig gerundeten Tieren und der von oben bis unten in ihre langen roten und blauen Gewände geknüpften Familie Noah, das war so wie die andere Seite und paßte dazu wie das Spiel zu stillem Fleiß.

Bisweilen war der Burgkaplan da, ein freundlicher würdiger Jüngling, der so was ganz Gütiges und Heiliges in den Händen hatte. Der lehrte die Prinzeßlein aus einem Buche, worin große goldene und bunte Zeichen standen. Fast so seltsam wie in den Zauberbüchern zu Hause. Aber so freundlich, viel, viel milder, so freundlich lieb! So lauter und heilig wie edles Blut. So gerne, gerne hätten sie das gelernt.

Hier waren sie zu Hause, hier war ihre Heimat. So hell, so froh war ihnen zumut.

Und es streifte sie hier etwas von weitem wie Mutterhand. Kam die Königin mal nach den Knaben sehen, leuchtend in Prächten, dann winkten den verlassenen, häßlich umstarrten Knaben zwei freundlich liebe Sterne, die Liebe der Landesmutter ...

... Bick war das heitere Kornfeld mit blauen Augen, die wie Blumen waren, Back die düstere Landschaft; Bick war das Prinzessinnenzimmer, Back die Hütte daheim. Back, der düstere, sah mehr Dissa, frisch und nur forschend, sinnend verweilend, wenn so ein Wunderwölklein durch ihre Seele zog, wie sie so gerne durch die Kinderseele über den Himmel ziehen.

Die sah er, sie machte ihn hell und heiter ...

... Die feine grauhelle Frage der Augen, die freundlichleise rote Blume des Mundes, das gerade feine Flachs ihres Haares, das nicht wußte, ob es Silber war oder Gold ...

Bick, der heitere, hatte Wissa gern, die mehr über den schönen buntgemalten Zauberbüchern lag und suchend und ernst und kniend an den ernsten bunten suchenden, traurigen Blumen webte als sich mit den Spielsachen da unten tollte, dem Bählämmchen ohne Kopf, dem großen Ball, der jeden Stoß zurückgab wie ein Böcklein. Wissa hatte schwere dunkle Locken, die sich in sich zurückgezogen hatten.

Wenn er nun sein Beutlein mit Nüssen abgab und damit läutete, daß sie gegeneinanderklapperten, so machte er sein fröhlichstes, aufmunterndes Gesicht. »Prinzessin, lach mal! Ach bitte, bitte lach mal!« Und sie versuchte es. Und gelangs auch nur halb, wie freute sich Bick.

(...für ihn war es, wenn Dissa mit drolligen Schleppen spielender Gewande über Estrich, Tisch und Bänke tanzte ...)

Die beiden Hexen freuten sich auch gerade nun. Einträchtig waren sie mitsammen auf die Wiese Urpilu gegangen, eine Stunde weit in dem Zauberwalde. Hier wuchs das Sämmarakraut, das man beim letzten Sonnenstrahl pflücken mußte. Dann piepte es leise und schnoberte wie mit einem roten Schnäuzchen und plinkte mit den glänzenden roten Augen, denn es hatte als Blüte ein weißes Mäuschen und verwandelte gut gekocht jedes eine Prinzessin in ein weißes Mäuschen.

Als Bick und Back so einen recht schönen großen Sack Nüsse zusammenhatten und die den Prinzessinnen geben wollten, da lief alles erschreckt durcheinander. Die schöne Königin weinte und hatte ihr Gesicht mit den Händen darunter auf der hohen Lehne, die braun war wie ein Eichenwald, und fühlte gar nicht, wie hart die war. Der König aber rief: »Wer mir meine kleinen Töchter wiederbringt, soll mein halbes Reich erben und soll sich eine meiner Töchter wählen, damit er Hochzeit mit ihr halte, wenn sie erwachsen ist.«

Die beiden Knaben aber wußten Rat. »Das haben sicher unsere Mütter getan. Die wollten nicht, daß wir hierhergingen. Und die Prinzessinnen sind auch nicht weg. Es sind jedenfalls die beiden weißen Mäuse – –, die da unter dem Schrank waren. Es wäre am besten, man machte einen schönen goldenen Käfig für sie und verwahrte ihn gut; denn da sie verwandelt sind, haben sie auch die Furchtsamkeit der Mäuse und würden weit in die Welt laufen.

Wir aber wollen in die Welt ziehn und alle Riesen und Zauberer besiegen, die unsere Mütter uns schicken. Dann kommen wir wieder und heiraten sie, Herr König!« Der König verstand, die Knaben waren die Rechten, nickte froh und stolz; dann streichelte der König Bick mitleidig über das wie feines Gold, glänzende Haar, und sie gingen. Und kaum waren sie draußen vor der Zugbrücke, da donnerte es, und ein grauer Riese mit einem großen Schwert trat auf sie zu und holte mit dem Schwerte aus. Bald auf den, bald auf den. Sie wußten, daß sie keine Furcht haben durften, dann verging der Schlag. Hätten sie sich gefürchtet, wäre gleich noch ein Riese gekommen.

So gingen sie weiter, verdingten sich als Hirten, dann, als sie größer wurden, banden sie Garben, immer aber bei Tag und Nacht der graue Riese und das sausende Schwert. Bei der Arbeit, bei der Mahlzeit, auch in dem Schlafe, in den Traum kam der Riese.

Einmal aber, sie waren gerade vierundzwanzig Jahre alt geworden und feierten ihren gemeinsamen und gleichaltrigen Geburtstag. Da war der Riese fort. So sagten sie dem Bauern, daß sie sofort gehn müßten, und waren nicht zu bewegen, auch nur bis morgen zu bleiben. Sie gingen die ganze Nacht, immerzu nach Westen. Und als die frühe Junisonne aufging, da schien ihr erster Strahl in das Fenster des Schlosses.

Als sie an die Zugbrücke kamen, schlief noch alles. Sie riefen. Der Torwart kam brummend und scheltend und wollte nicht aufmachen, denn es war ein neuer, der die Knaben nicht gekannt hatte. »Wir sind Bick und Back. Wir wollen die Prinzessinnen erlösen.« Der Torwart rief die Leute zusammen und flüsterte mit ihnen. Back fragte nach dem Kaplan.

»Ach der, der ist ja schon längst Bischof.« Endlich kam der Mundschenk, der war der älteste im Schloß und hatte ganz weiße Haare. Der kannte die Knaben wieder und führte sie zum König. Der rief die Königin - Gott sei Dank! Die Mäuse lebten noch.

Da öffnete man den Schieber, und Bick faßte hinein und nahm die ... düstere Wissa, die aber nun nicht mehr so eine herbe, innerliche fragende Falte an den Mundwinkeln, so schwere braunschwarze Augen hatte – sondern es war Leuchten darin. Und als er wiederholte »bitte, bitte lach mal!«, da fiel sie ihm um den Hals und lachte, daß ihr die Augen tränten, küßte ihn und sagte: »Herzliebster!« Und die Stimme ihrer Liebe war wie Gesang. Back aber brauchte nur zu greifen und zu küssen, und da stand es holdselig und streichelte ihn und küßte ihn und sagte immer: »O du mein Bäckelein du. Nun wollen wir uns aber gern, o so gern haben!«

Natürlich war nun bald Hochzeit, und jeder der beiden kriegte eine Krone, ein Zepter und einen Reichsapfel. Die beiden Hexen aber wurden aus dem Turm geholt, worin man sie gefangengesetzt hatte. Man hatte sie nicht verbrannt, weil sie die Mütter der beiden Knaben waren, die versprochen hatten, die Prinzessinnen zu entzaubern. Die Zauberbücher bekamen sie nicht wieder, damit sie keinen Schaden mehr anrichten konnten; der Bischof, der früher Schloßkaplan gewesen war, kam und beschwor die bösen Mächte, die die Hexen in sich hatten wachsen lassen, und baute ihnen kleine Häuser. Als sie so gut und alt geworden waren, daß sie auch keine Kraft mehr zum Hexen hatten, da durften sie kommen und ihre kleinen Enkel sehn. Es waren auch zu niedliche Kinder: der kleine Prinz Fudri, den der liebe Gott der hellen Dissa und dem guten Back geschenkt hatte, der so für seine und Bicks Mutter gesprochen hatte, mehr als Bick selber; Prinzeßlein Lidia, des muntern Bick und der geistesschweren Wissa friedlich feines Töchterlein. Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie wohl heute; noch. Nur die Hexen sind wohl schon tot. Oder sind sies nicht?


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