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Die große Arbeit

Die kleine Martha läßt sich nicht stören. Ihre Puppe liegt hinter ihr ganz hilflos auf dem Rücken. Sie liegt da mitten im nassen Sande, zwischen zwei Schilfpalmen rechts und links, und ein grünbrauner Goldkäfer krabbelt ihr über das Näschen. Mit großen Augen guckt sie hilfesuchend in den Himmel und vergißt vor lauter Entsetzen zu schreien.

Die kleine Martha aber schöpft mit dem verbogenen, von lauter Arbeit schon ganz blank gescheuerten Teelöffel weiter. Sie möchte heute noch fertig werden mit ihrer Arbeit; denn sie ist ein fleißiges kleines Mädchen, und die Sonne steht schon sehr niedrig. Dicht überm Meer steht die Sonne, und der Abendhimmel und das Wasser sind so rosarot wie Himbeerlimonade. Und wenn Martha die Limonade da aus der großen Schüssel noch in den kleinen Teller schöpfen will, den sie mit ihrem Teelöffel in den Sand gehöhlt hat, dann muß sie sich wirklich sehr beeilen.

Die Limonade soll nämlich das Püppchen, weils gar so brav gewesen ist den Tag über, heute zum Abendbrot haben. Die faule Miezekatze aber liegt daneben in dem hellen Sande und läßt sich ihren grauen Pelz von oben und von unten wärmen im schönen Abendsonnenschein. Sie liegt und schnurrt. Und wenn die grellen grünen Augen, die sie manchmal öffnet, sich überzeugt haben, daß das kleine Mädchen noch immer hübsch an der Arbeit ist, dann schließen sie sich freundlich wieder zu, und das Schnurren wird fast so stark wie bei Großmutters Spinnrad.

Und auf der anderen Seite der großen Schüssel sitzt noch so ein kleines Mädchen: das heißt Dagmar und schöpft auch für Puppchen Limonade aus der großen Schüssel. Sehen aber können sich die beiden kleinen Mädchen nicht. Denn die Schüssel, die ist ganz, ganz groß; sie geht von Kolberg bis nach Dänemark.

Und auch in Dänemark, an der anderen Seite der Schüssel, liegt eine Mieze, und ihr zufriedenes Schnurren sagt: Ich bin mit der kleinen Dagmar wirklich sehr zufrieden. Die Dänenpuppe aber, die macht zwei runde verwunderte Augen über die kleine Dagmar und ihr großes Werk, das nie, nie zu Ende kommt.

Oder glaubt ihr, daß die beiden kleinen Mädchen noch fertig werden und daß ihr Püppchen das Abendsüppchen noch bekommen wird heut abend?

Ach, die Limonade ist schon ganz blaß geworden und schon gar keine Limonade mehr, sondern bloß noch Meer. Und das große Meer läuft immer wieder fort aus dem kleinen Tellerloch, wie ein unartiges Kind, wenns ins Bett soll.

Machst dus auch so? –


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