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Das Mädchen

Gestern noch ein dürftig Ding,
Das so grau und albern ging,
Nichts an ihm zu sehen –
Und muß heut behutsam sein,
Wie wenn im Mai die Blüten schnein,
Daß nicht all verwehen.

Wie wenn ich Blüten an mir habe,
Als sei ich eine Gottesgabe –
Ein reines Wunder bin ich ja,
Wie nie ich eins mit Augen sah.
Und muß mich sehr zusammennehmen
Und schämen.

Warum? Weil ich so blühend bin
Und weil der Wind treibt Blüten hin,
Die nicht am Baum erröten
Und voller Vorsicht sind
Und Unschuld und Erblöden –
Der dumme Wind!

Abbild

Seele meines Weibes wie zartes Silber bist du.
Zwei flinke Fittiche weißer Möwen
Deine beiden Füße.
Und dir im lieben Blute auf
Steigt ein blauer Hauch
Und sind die Dinge darin
Alle ein Wunder.

Brautseele

Das Gewand meiner Seele zittert im Sturm deiner Liebe,
Wie tief im Hain
Das Herz des Frühlings zittert.
Ja du mein heftiges Herz: wir haben Frühling.
Auf einmal ist nun alles Blühen da.
Meine freudigen Wangen
Sind aufgegangen
Fromm nach deinen Küssen.
Gefährlich bist du, o Frühling,
Und verwirrt
Wie von heftiger Süße
Prangenden Weines
Pocht meine Seele.
Wie er so sonnend mich streichelt
Mit seinen Strahlen allen,
Und schlafen möchte ich
Immerzu.

So träume ich vom eigenen Blute
Und bin so wach
Von mir.
So erschrocken,
Wie man wohl aufhorcht
Im flüsternden Herzen der Nacht.

Wie Sterne, die nicht schlafen können,
So stehen meine Augen,
Und bin doch so müde, müde, so sonderbar müde.
Sind wir Mädchen nicht alle so sonderbar müde
Um diese Zeit?
Das macht, du bist um uns,
Du bist ein Zauberer:
Ja, ja das bist du,
Ein echter, rechter Zauberer.
In Bäume und Menschen zauberst du ein Sehnen und Dehnen,
Ein müdes verlangendes Gähnen.

Ja, ja, ihr Mädchenherzen,
Der kennt euch,
Vor ihm kann kein Geheimnis bestehen.
Er ist ja Weib,
Weib wie wir
Und eine heimliche, schelmische Stärke.
Frühling sag, was machst du mit uns,
Daß wir alle so sprossend müde sind.
Wir fühlen dich ganz in uns,
Du durchtönst uns,
Tust mit uns ganz das Leben.
Ja wir beben, Leben.
Fromm atmet in uns eine Andacht,
Und wohlig will es werden
Nun überall in der sprossenden Erden.
Wie wir uns regen,
Das ist immer ein leises, süßes Bewegen,
Da ist die Quelle ein rieselnder Spiegel,
Der uns erquickt und uns darreicht,
Da ist der Spiegel eine bleibende Quelle,
Und immer wird uns leise
Süß von uns.
So sind wir wartend,
So zeigt es und
Verrät es uns,
Wie süß wir sind
Für den einen, anderen.

O komm,
Komm zu mir,
Ich bin ja so süß nach dir.
O komm,
Ich bin ja so schön nach dir.
Ich deine Lebendige,
Deine weilende Zier
Vergehe nach dir.
Jeden Tag kommt Alter, kommt Welken:
O komm,
Komm du dem Alter, dem Welken zuvor.

Ein Sehnen geht in allen Blumen
Und will dich holen mit Farben und Duft,
Und alles, was schön ist auf dieser Weltwiese,
Ist aus Sehnen und Liebe schön.

Lieblich schlau
Üben wir Schönheit
So lange vor euch,
Bis daß ihr kommt;
Schüchtern schelmisch
Spielt sich unsere arme, lodernde Seele
Hin vor euch.

Dann! Dann!
Dann kommen zwei lodernde Sonnen in meinen Tag,
Du mein doppelter Tag!
Mit deinen beiden Sonnen.
Du! Du!

Und deine Hand!

Meines Mundes duftende Blüte
Vergeht vor deiner Güte,
Und meine Wangen
Sind aufgegangen
Wie meine Flechten
Vor deiner Rechten.
Ja, du hast recht,
Glätte sie nur,
Du meine wirreglühende Sonne.

Rufe, locke alles heraus
Aus deiner Erde,
Du mein Lenz,
Du hast ja gleich zwei Sonnen,
Und eine braucht man nur
Im Himmel,
Und diese beiden Sonnen
Erzählen sich mir,
Wie du aufgewachsen und wo
Gewachsen für mich,
Wie der heilige Wein Palästinas
In seinem heißen schmelzenden Purpur
Den Heiland mir ansagt,
Sein Seelenfrühlicht,
Sein wärmendes Wandeln.
O wie da alles aufsteht,
Feierlich, rauschend, vorbereitend!

O komm,
Ich bin ja so schön nach dir!
O laß mich weinen,
Tränen der Braut.
Tränen du Böser,
Daß ich so lange warten mußte auf dich.
Das tut so wohl:
Meine Seele badet,
Dann kommt sie zu dir!
Ja

Brautseele (II)

Das Gewand meiner Seele erzittert im Sturm deiner Liebe
Wie tief im Hain
Das Herz des Frühlings zittert.
Ja, mein heftiges Herz,
Wir haben Frühling:
Auf einmal ist dann alles Blühen da.

Was schön ist auf dieser Weltwiese,
Ist nur aus Sehnen und Liebe schön,
Und will dich holen mit Farbe und Duft.
O komm, ich bin ja so schön nach dir!
O komm, ich bin ja so süß nach dir!
Ich, deine wartende Zier, deine lebendige,
Vergehe nach dir.

Jeden Tag kommt Alter, kommt Welken,
Komm du dem Alter, dem Welken zuvor!

Brautmorgen

Des Erwachens Knospe schwillt,
Hochrosig tönt sich der regere Schlummer.
Zögernd, selig bang,
Lange, lange.
Weit offen die lauschende Seele.
War es, war es nicht?
Das schreckende Märchen,
So hold und so wild!
Ein leiser Blick stiehlt sich um,
Ja, es ist da
Und sieht doch gar nicht gefährlich aus –
Und wie ruhig es atmen kann!
Als sei nichts,
Aber auch gar nichts passiert.
War das da denn so furchtbar,
So unverschämt – und scheußlich,
So zu sich zwingend –
Und kehrte sich an nichts.
Möglich, daß nur 's Dunkel so drauf wirkt.
Dieses gute schlummernde Kind,
Dieser schlummernde Friede


Und wieder sieht sie starr und steif nach oben,
Wie die Toten ihre Heimat sehen.


Nun wird es sich regen das Kind,
Das Kind mit dem seidenen Schnurrbart.
Etwas müde, selige Sterne
Sind still noch im verwunderten Glück.
Ja, das, das ist die Liebe,
Die lebensinnige, seelenvolle Liebe,
So still, so traulich still,
So mit der vollen Seele angesprengt!
Ja, das andere – früher –
Wie für die Knaben -
Wie mochte man nur?
Nun kann man haben
Die liebe lange Nacht
In inniger Macht
Bezaubernde Gaben,


Die sich nur bieten dem Mann,


Und nach des Dunkels
Stürmender Wildheit –
Leisheit scheu und zart,
Unter der ein Schelm liegt verwahrt.
Ein bedeutsam lautlos sich Stehlen von dannen
Daß man getrennt
Tummeln sich kann,
Und auf das Reich
Der nächtlichen Wildheit
Gebender Friede sich senke.


Getränkt das erstegierige Dürsten,
Der zueinander Gedrängten
Lebensbeherrschenden Kräfte.
Zerrissen
Der alles gewährenden Nacht
Magnetisches Netz.
Der zweiten Keuschheit
Köstliche Müdigkeit ruht
In dem wieder
Niedergeschwiegenen Blut,
Bis des Lebens innige Anmut
Wieder heiter steigende Kräfte gewinnt.
Und weiter sich spielt
Nach des Lebens lieblicher Weise.


Nun ruhig etwas Stille,
Etwas wie eine leise Feindschaft,
Bis freundlich suchend sich neigt
Liebender Überfluß hin,
Wie sich des Auges labendes Rund
Wendet zu frommem, dürstendem Mund.


So schwellt geruhig hinan
Ihr lange anwogenden
Wellen des Lebens,
Fremden schon anheimgegeben
Treiben weiter die Säfte gemeinsamer Kraft
Innig verbunden
Einem neuen Menschen zu,
Dem Kinde gemeinsamer Liebe.

Jauchzt mit den jungen,
Den seelelebendigen,
Liebenden Leibern,
Jauchzet euch Kinder,
Gespielen zu haben,
Gespielen zu sein
Fröhlich übertollenden Lebens,
Ehe die rottende Horde der Übel
Drückend sich sammelt in alten Körpern.


So nun sammelt euch wieder
An des blumenblau gemusterten Gartentisches
Morgenzartem Imbißbehagen.
Knusprige Brötchen
Sind gar leicht zu mahlen.
Der braune starke Seim der Schokolade
Gibt wieder steigend heißen Mut
Nicht mehr weichenden Augen,
Ruhende Röte erwärmt euer Leben
Schon wieder an,
Das zärtlich dankende Leben,
Das in der Vergangenheit Liebreiz
Wonnen der Zukunft erschaut.
So köstlich erneuert sich Jugend.
Herrscht gewichtig
In wiederverschwiegener Güte,
Kredenzende Hausfrau,
Mit des silberklirrenden Löffels
Blinkendem Zepter!

Kind

Süßer Schwindel schlägt hinüber,
Heiße Blicke gehen über,
Und ein neues Leben rinnt.
Unserer Liebe starke Wonnen
Sammelt ein als starke Sonnen
In die Himmel seiner Augen
Unser Kind.

Seegesicht

Die Küste ruht.
Weites Tritonengetut
Silberne Wunden der Flut
Tobende Augen der Wut.

Krähende Pausbacks auf steigenden Rossen,
Plätschernder Spielen purpurne Flossen,
Neckisch Bedräuen mit Zacken und Spießen,
Kräftig anfassendes Leiber umschließen.
Und sieh, eine Muschel fleischgelb und zart
Von Amorinen flüsternd bewahrt.
Hingegossen ruhende Linien,
Grüßender rauschender Palmen und Pinien.
Angeblühte rosige Brüste.
Lächelnde sonnengestreifte Küste.

Fürder kein Dräuen mit Zacken und Spießen
Müd hinlallendes Leiberumschließen.
Nickende Pausbacks auf schlürfenden Rossen. –
Grünhinflüsternde, finstere Flossen.

Erloschene Wunden der Flut,
Fernes Tritonengetut
Stierende Augen der Wut.
Die Küste ruht.

Schaumgeboren

Flocken
Und Locken
Korallen
Und Lallen,
Spritzendes Tuscheln
In errötende Muscheln,
Rosenschein
Tief in die wogende Wiege hinein.
Und das Meer ganz von Sinnen
Weiß nicht, was vor lauter Jauchzen beginnen.
»Ich bin da, ich bin da!«
Bittende Wellen
Langen und schwellen:
»Ich bin da, ich bin da!«

Wellenspiel

Heiteres Leuchten im bräunen Gesicht,
Wählig der Himmel hinrollendes Licht
Prächtige Bläue so unten, so oben
Singender Jubel, freudiges Toben.

Greifende Arme ins tolle Gemisch
Kinder mit Flossen, zappelnder Fisch,
Fassen und fliehen, krähen und haschen,
Taumeln und tauchen, spritzen und waschen.

Siehe der Väter verwunderlich Treiben
Wissen vor Freude nirgends zu bleiben,
Greifende Arme ins tolle Gemisch
Fassen die Kinder, fassen den Fisch.

Schauen ihr lachendes Weltwunder an,
Ja, so ein Vater, das ist euch ein Mann.
In seinem Kinde ist noch mal sein Leben,
Kann sich nun selber ja schwingen und heben.

Wie eine Sonne, die selber sich scheint,
Einmal rosig, das andere gebräunt
Wirft an das Licht sein fliegendes Wunder,
Das an der Brust hält glattzackigen Flunder.

Auf grünem Gestein rotflossige Hand
Goldüberrollt ins verschwimmende Land
Schauen zwei Augen,
Sterne stiller Freude
Ins verschwindende Weite.

Lustige Väter, junge berauscht
Schleudern mit Flossen ausspannender Hand
Schuppenumglitzerte Kinder krähend an Land -
Mutter lauscht.
So ist es, daß die Erden
Von allem Wachsen schöner werden.

Der neue Faun

Lau leuchtet die Größe des Himmels hernieder,
In weichem Lichte glänzen die Glieder.
Nur ist es verboten, sie anzuschauen:
Mit männlichem Auge die badenden Frauen.

Kein knisterndes Schilf, kein kicherndes Lachen,
Die Augen der Badewärter wachen.
Da hab ich nun mein Fernglas genommen
Und habe von ferne die Dünen erklommen.

Wie Kandidaten der Venus mit wallenden
Mänteln kommen an sie gegangen:
Ein Musenchor mit glatten abfallenden
Weißscheinenden Mänteln kommt es gegangen.
Ein Musenchor: wie große Vögel flatternd fallenden.

Vorfrühling

Weltanfassende, fröhliche Dummheit,
Sprießendes Singen seimigen Grases,
Wohligschelmisch Gewölk.
Weicher Schalmeientöne,
Sinniges Grübchen.
Am markig umwundenen Knie,
Ziehets spielend hin:
Fromm in Sonne,
Atmende Auen.

Reime und Maße,
Tabulator der Stände
Gezählt am peinlich
Gekrümmten Finger -
Das ist vorüber.
Blöde zwinkernd
Putzt die stechenden Brillengläser
Heisere Gescheitheit.
Melodische Seele der Welt,
Frühling, Schalmei,
Spiele, spiele uns alle hin
In alles Schönheit tanzendes Leben.
In das muntere Gesetz
Alle Sterne strahlenden
Liebenden Reigens.

Warum kommen nur die Menschen nicht,
Wollen sie nicht?
Und zwingen zum Tanz? ...
Nun -
Und die spatzschreienden Hecken
Und die paarenden Tiere sagen:
Die Welt geht weiter.
Auf vermoderter Triebe Rost
Immer wieder nachquillend
Tauender Teufel bereuender Frost.

Auf der grünen weiteblauen
Himmelswiese
Dauern hin, spielend versonnen,
Weltverlorne Lichtungen,
Locken rötlich träumende Kindesköpfe.
Gelbes rotes strotzendes Feuer
Roter Blumen.
Blitzelt auf bräunlichen Ständern
Suchend wach ...
Entgilbender Himmel –
Ist es nicht wärmer schon oben?
Da Gott Vater erst
Und erste Welt;
War das nicht so wie himmlische
Weltanfassende Dummheit.

Tastende Tage

Die Äste in Flammen, die Wipfel entlaubt
Am Kreuze das friedenumsprühete Haupt.

Ein Sehnen und Dehnen, wie Mädchen es haben,
Renettenrot in die Lüfte gegraben.

Ein streckendes Zittern, ein schwellendes Glühen,
Des scheinenden Baumes Ädern erblühen.

In gereiztem Scheine Feier-Weh,
Flammt Ziegelglut auf Erdenschnee.

Die versteinerte Glut, ein Liebesgedicht,
Fällt rosig warm auf der Kälte Gesicht.

Einsamkeit der Einsamkeiten,
Welt und ich: wir beide schreiten.

Haltende Hände leise schweben
Zu der Sonne goldenem Geben.

Im schmelzenden Schnee was heimlich geht,
Ob schon der Frühling im Felde steht?

Apostelhäupter im Abendscheine:
Der Kartenspieler trübe Gemeinde.

Die Äste entflammen, die Wipfel entlaubt
Am Kreuze das friedenumsprühete Haupt.


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