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Ecce poeta!

Schauen beim Dichter ist Lieben.

Echte Dichtung hat etwas Gewordenes, etwas Daseiendes: jedes ihrer Gebilde fühlt sich fest, fühlt sich gegenständlich an aus den Worten.

Der Dichter ist der Merlin, verloren in der Natur, sie zu enträtseln. Da gibts keine Weißdornhecke, die ihn schirmt. Der Himmel hat keinen Tau für ihn.

Meine ganze Schönheit möchte ich enthüllen, aber versteht ihr die Schaumblüte des Lebens?

Was sich von der Welt in uns verliebt, das wird Schönheit.

Ich bin, also ist Schönheit.

Eine Empfindung, die zu Gedanken, ein Gedanke, der zur Empfindung gerinnt; ein weises Gedicht.

Nimm alle großen Werke, sie führen die Sprache des Schweigens, des Werdens. Schweigend sind sie gewonnen, schweigend gestaltet. Es ist wie beim Heben eines Schatzes. Ein Wort daneben, und rasselnd sinkt er zur kaum entstiegenen Tiefe.

Dichten, wie ichs verstehe, heißt nicht schöne Worte, heißt schönes Leben machen.

Dichtung – in aller Kunst – verklärender Raub, hinreißende Liebe des Geistes. Blühende Gewalttat.

Lied: Eine tödliche Innigkeit. Nachtigall, die vor Seele stirbt. ¦

Lied: So was Ungeheures an Seele. Wie unterfang ich mich, darnach noch zu leben?

Alle: Liebesgewalt der Welt, das muß ja diesen kleinen grauen Körper sprengen. Sangesheld!
So stirb du vor Gott: Empedokles!

Unschuldige Tyrannen. Sich leidende. Das sind die Dichter.

Der Dichter ist das Erzeugnis und der Gegner seiner Zeit im Sinn der Zukunft.

Die Form kann nicht den Inhalt geben. Wohl aber kann und muß der Inhalt die Form aufheben.

Die Sprache ist der Frühling des Geistes:
Grün ist die Zunge des Maien.

Gelehrter, Bedienter – wie das schon passiv klingt!

Der Humor ist der Modelleur der Welt.

Witz: Es gibt davon auch eine rohe Form. Die ist physiologisch, ein Jucken des Geistes.

Ein echter Dichter haßt nichts so sehr wie das Poetische.

Dichter, bist du ein Pedant! Welches Gewitter registriert seine Blitze!

Poetische Blätter sind Tattersalls für die Sonntagsreiter ihres Pegasus, des lammfrommen Mietsgaules der Lyrik verfertigenden Konfektionsbranche.

Nicht jedes Verbrechen in Marmor ist ein Standbild.

Standbilder kranken erst an ihrem Helden und dann am Künstler.

Philistermoral

Dichter am Morgen, Kummer und Sorgen. Dichter am Abend, erquickend und labend.

Dichternoten

Wieland: Magister der Venus.
Paul Heyse: Wieland der Psyche.
Novalis: Goethe der Seele.
Goethe: das wache Selbst.
Goethe: vorsichtige Schönheit des Lebens.
Hölderlin: so ein hellenischer Mönch.
Jean Paul: Studierstübchen mit Feenpalästen oder die gelehrte Märchenwelt menschlicher Unendlichkeit.
Schiller: Feuersbrunst der Kultur.
Grabbe: Verwitterungsseligkeit.
' Otto Ludwig: Tragödie des Humors.
König Lear: Tragödie des Königs. Stirbt am Zeremoniell.
Peter Altenberg: Rezept die Welt zu sehen.
Strindberg: dämonischer Naturbursche.
Wilhelm Raabe: Staatsanwalt Simson. Jean Paul zur Zeit der Moderne. Beschauliche Weltlust vom Harz.
Gerhart Hauptmann: Rübezahl im Armenhause.
Maeterlinck: verschlafene Kutscherstube up stairs oder die lallende Beredsamkeit.
Eduard Mörike: Vikar Katull.
Arno Holz: künstlerisches Lächeln, soll sieghaft sein.
Prevost oder die geknickte Lilie.
Max Halbe: dramatisch geheiztes Idyll.
Paul Scheerbart oder die greise Indianergeschichte.
Multatuli: der Überbeamte der Menschlichkeit.
Ludwig Fulda oder der parfümierte Sturm.


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