Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Mailieder

1. Maienwind

Mutwillige Mädchenwünsche
Haben Flieder
Niedergebogen,
Blauen und weißen.

Wie Tauben sind sie weitergeflogen,
Mit Wangen, wilden und heißen.
Hoch in warmen, schelmischen Händen
Haschender Sonne
Geschwungene Strahlen.
Hellbehende Wonne
Weißer Kleider
Weht.

Mutwillige Mädchenwünsche
Haben sich Flieder
Niedergebogen,
Blauen und weißen –
Sind weitergezogen ...

2. Garten

Sieh mal, Hold, da unser Garten
Kann Liebseelchen nicht erwarten.
Kuck, die wilden Blüten fliegen
Dir ans Knie,
Ans fein behende,
Nehmen lächelnd,
Leuchtend wie die Wolke oben,
Dich bei Händen.
Wollen dir im Haare liegen,
Tief ins goldne Nest.
Hasche sie!
Halt sie fest!

3. Selige Grüße

Bläulicher Flieder.
Ist das ein Grüßen!
Wirbelnde Lieder
Wehen herüber -
Stürben lieber.
Seligsein - und das heißt büßen.

4. Glück

Das ist dir gar ein glücklicher Mann,
Der nicht mal mehr sich freuen kann,
So glücklich ist er.
So kommen jeden Morgen wir her,
So kommen uns alle Tage daher.

Lichtregen

Leuchtende Tropfen:
Leid,
In das ein Lied
Verklärend sieht.

Der Sonne Geburtstag (Bei Goslar)

Die Schieferdächer zottig und breit,
Noch wacht kein einzig Haus,
Zartklare Gegend und Einsamkeit,
Da jubelt ein Vöglein sich aus.

Die Sonne zu grüßen, so steigt es hinan
In reiner und reineres Blau,
Bis man es nicht mehr sehen kann,
Nun jubelt die Himmelsau.

Die Schieferdächer zottig und lang,
Schroff ragt ein Berg einher,
Die Mondsichel zart und morgenbang,
Da Wolkenfleisch, blühend und schwer.

Die Lerche hat die Sonne gesehn
Und sinkt nun wieder zu Tal,
Das hören die Morgenwinde und wehn,
Froh glühen die Wölklein zumal.

Kirschbäume stehn und richten sich aus
Und schauen stumm sich um,
Wie Kinder stehn mit Spruch und Strauß
So köstlich blöd und dumm.

Siehe, da blitzt es freudig erhellt,
Da hebt es sich und steigt,'
Das liebeleuchtende Antlitz der Welt,
Und unsre Seele schweigt.

Hagel

Schwer Verheeren
Wirft der Himmel,
Eingefrorener Zähren
Eisiges Gewimmel.

Der schlafende Blitz

Ganz durchzottet
Die heiße lungernde Luft:
Brünstiges Moos.
Und in ihrem Schoß
Da schläft ein bleicher Blitz:
Das kühlende Schwert
In der Scheide des Rächers
O wärest du nieder,
Du bleicher röchelnder Blitz -
Dann wärs vorbei!
Der Odem der Natur
Ginge wieder frei!

Abendröte

Sieh da droben die Rosen! Ein glüher Jubel
Die Wangen der Nacht
In Scharlach und Purpurpracht.

Nun ist da droben Hochzeit:
Die Königskinder des Himmelreiches.

Strenge Augen erster Schönheit,
Frieden frierend,
Wie vor kämpfend heißen Rosen
Wunden an den schweren Schmuck goldspielender Brokate
Des Samtes tiefenweiches Blut,
Gebettet in des Schnees nachtgeflammte,
Flockenzarte Wärme: den hehren Hermelin.

Die Kränze nehmen sie von herben Scheiteln ab
Und heben Bechertau an ihres Lebens
Rötlich reine Kelche,
Und verwunden
Die Verklärung
Saftigherber Früchte.

Des strengen Lagers scheue Falten warten ...

Wie entsetzlich ist Schönheit! ...

Wie eine Siegesfahne hält
Der Himmel
Des Lebens leuchtendrote Brunst mit aller seiner Adlermacht.
Der Sieger sinkt.
Die Nacht fällt in den Wein.

Nacht

Dunkel
Vor Gefunkel.
Ihr loses Haar.
So müde
So Friede
Und wunder-, wunderklar.

Regentropfen

Regentropfen warm und groß
Machen aus der Nacht sich los,
Regentropfen warm und groß.

Da die Nacht steht ganz in Glanz,
Einen Augenblick da stands,
Ein Geisterantlitz, da entschwands.

Da, ein Blitz hat Licht gemacht,
Ganz in Glanz da stand die Nacht,
Da, ein Blitz hat Licht gemacht.

Helle wird im Lied das Leid,
Leuchtet auf wie ein Geschmeid,
Leuchtend wird im Lied das Leid.

Und da steht es in der Nacht,
Still in seiner Geisterpracht
Steht sein Antlitz in der Nacht.

Liedertropfen warm und groß
Lösen aus dem Leid sich los,
Liedertropfen warm und groß.

Wein

Du mein Wein, Adelsblut der Natur,
Nicht wahr, du lebst,

Du fließendes Juwel?
Wenn du dich im Lenz erhebst
Und an die Fässer pochst,
Willst du hinaus,

Unband du,
Hinaus zu den Deinen,
Die da blühen und innig duften
Auf sanfterlesenen Hängen um braunes Gemäuer.
Wie's da rüttelt dein Feuer,

Dein Leben!
Wieviel Geschlechter hast du schon selig gemacht:
Männer mit reinheitstarrenden Ehrenkrausen
Auf rankendem, schwarzdamastenem Taft,
Du glutetest ihnen die kühnen, hellen Augen,
Die weit die Lande umfassen
Und folgen den palmenzuwinkenden Schiffen,

Wagemutigen Meeresboten,
Die den gedankenglutenden Westen,
Den süßentzündeten Süden

Mit stählernem Norden

Tauschen wollen.
Du nährst die schwimmende Träne des Mannes,
Der allüberwindenden Stärke,
Die Träne, die nur Sieger fühlen ...
Und an die klar gestaltete Glut
Deiner rebkrausen Ratskellerfenster,
Die tief in die Seele
Scheinen festliche Andacht,

Schlug das welterobernde Lachen
All dieser sieghaft heitern Geschlechter.
Du aber throntest
Hoch auf mächtigem Rund
Deines flüssigen Reiches:
Eine bübisch lächelnde, schelmische Sonne.


 << zurück weiter >>