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G

Geschichte

Wir müssen eingießen, der Tod gießt aus und macht dann unter chemischer Verdampfung Präzipitation die Geschichte, das ist Liköre und Haaröl für die Gegenwart daraus. Dieses Haaröl nennt man dann Moral. Die Haare wachsen aber nicht danach.

Gerichtsdiener

Warum betrinken sich die Gerichtsdiener? Aus Wohlwollen und Menschenliebe, weil sie von der Liste führenden Vorgesetzten, Botenmeistern immer wieder gegen das Elend angehetzt werden. Die nicht trinkenden sind die härtesten.

Geselligkeit

frischer Sinne Austausch.

Genußsucht

Ausspürung und Pflege von Feinheiten. Auch das sogenannte Gute muß sich als köstlich in diesem Bereiche ausweisen. Tugend ist oder wird später die größte Genußsucht sein, wann das Rohe ekelt.

Gelegenheit

Trost derer, die keine Gelegenheit haben, zu sehen, daß solche, die davon hatten, selbige nicht benutzt haben.

Geiz

ist subjektive Armut.

Gewaltsamkeit der Erstlingswerke

Durch wilde gewaltsame Aussprüche muß man erst seine Richtung angeben. Das Originalwerden ist wüst – siehe Schillers Räuber, und es hat sicher dem nachmaligen Teildichter Überwindung genug gekostet so zu schreiben. Ein Erstlingswerk schreiben ist oft, aus seiner Natur gehen, um alsbald nach außerhalb eingenommenem Sitze dahin zurückzukehren.

Der Torwächter will nicht öffnen, so nimmt man Dynamit und geht durch die Bresche ein. Dann kann man auf dem eigenen Wege ruhig fortfahren. Dann hat auch die leiseste Bewegung ihren schon verstandenen Sinn. Ein bekannter Autor kann, was er früher auf Lärm setzen mußte, nun auf stille Kunst wenden. Dann kann die Gesinnung wohl maßvoll, friedlich fast, nie aber dem früher Befeindeten freundlich werden aus Ästhetik, Apostasie bleibt Apostasie. Gottschall ist kein größerer Künstler dadurch geworden, daß er Hofrat und Baron zu werden vermochte.

Gesellschaft

Sprache ist schon Gesellschaft. Wer deutlich angenehme Laute spricht, hat auch andere Eigenschaften gebildet und ist anderem etwas wert.

Ganze Menschen

bleiben nicht vor dem, nicht auf dem Verfänglichen stehn, sondern gelangen dadurch zur befestigten Reinheit.

Genauigkeit

Je tiefer man eindringt in das Wesen, desto weiter ist man noch davon ab. Das kann man an Turgenjew sehen, der auf schließender, fatalistisch gesammelter Beobachtung steht. Mehr noch an Zola. Turgenjew: Tod, Zola: Zersetzung und Verwesung. Sie gehen aus alten und stürzen sich in neue Unbegreiflichkeiten. Die Undeutlichkeiten der Deutlichkeit sind hoffnungsloser. Sie verlieren, sie zerstreuen sich eben, und die anderen, ideelle kommen zum Lösen. Wenn ein Schulwort beruhigt: Das eine ist synthetisch, das andere analytisch.

Gelehrte und Stil

Die Gelehrten müssen ihre Sätze aussprechen, und die Stilkünstler müssen sie entbehrlich machen. Durch Zurechtlegen fürs Selbstfinden seitens der Leser.

Geometrie

ist die Logik des Raums.

Gravitation

ist der Schatten eines dichten Gesetzes.

Das Glück

Es ist wunderbar, wie phlegmatisch das Glück ist. »Komm nun, oder ich tu mir ein Leids an.« – Schadt nichts, und das Glück wendet sich nicht so viel.

Darum mag es noch kommen, wenn der Mensch längst nicht mehr ist. Darauf achtet indes der merkwürdige Patron nicht, sieht nicht einmal auf, legt hin, was er mitgebracht, und geht sonder Verwundern, sonder Bedauern hinaus.

Gläubiger

Man muß sie meiden, ihr Umgang verdirbt, denn die Unseligen haben sich nicht entblödet, Vertrauen zur Menschheit zu haben.

Geschichte und Gedächtnis

Ist Gedächtnis nicht subjektive Geschichte, Geschichte nicht objektives Gedächtnis?

Das Ganze

Oberflächliche Menschen haben es leicht, freisinnig zu sein. Erkennt das Ganze irgendwelcher Einrichtung, und es gehört schon Geist und Gegenwärtigkeit der Gründe zur Widerlegung. Man muß erkennen, daß ganze Lebenswirklichkeiten darin liegen, und um das, wo sich Tausende von tüchtigen Naturen unbefangen verhielten, muß man bereits sehr verbessert sein, um es darin nicht aushalten zu können.

Hätte sich die Französische Revolution gefragt, ob sie wirklich ein sittliches Bedürfnis fühle und in längerer Knechtung ein sittliches Unrecht erleide, jedenfalls hätte sie alsdann nicht einige Jahre später sich Napoleon zur Haft stellen zu brauchen.

Gesicht

Vom ganzen Körper wählen Nackte, und zwar Naive, wie die ägyptischen Badenden oder Geriebene, wie die zustimmende Phryne ihr Gesicht zur Bedeckung. Unsere Gleichgültigkeit gegen dasselbe und unsere Neigung zu niedrigeren Partien, mindestens niedriger gelegenen, kann hier nicht mitmessen, denn durch offene Verstecktheit und geheime Gewohnheit ist unsere sinnliche Uhr unherstellbar verdorben.

Gesellschaften

Der Mensch sollte von seinem Hause lernen, das nur nach innen freundlich, nach außen gleichgültiger sich verhalt. Wo ist ein Haus, dessen Tapeten an der Straße sitzen, dessen Sessel unter den Fenstern stehen, während die scharfen, rohen Ecken der Quadern in die Zimmer schneiden? Und wie ist mancher liebenswürdige, ewig heitere Gesellschafter zu Hause gegen Frau und Kinder?

Glaube

Unser Glaube ist der Gewandssaum für den nächsten Aberglauben.

Griechenland

Kunst und Genuß – und die waren in der Antike enger vereinigt, für den Harmonischen eigentlichen nur dasselbe äußerte sich bei den Hellenen eher als schönes Verlangen, bei den Römern ward es dann Genuß. Rom genießt, wo Griechenland ersehnt.


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