Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

60. Ein Brief des berühmten Feßler über den Papst Pius VI. in Wien; 2) des Papstes Homilie in der Stephanskirche; aus dem Lateinischen übersetzt.

Wien, am 23. April 1782.

Pius der VI. der schönste, stattlichste Mann, den ich in meinem Leben gesehen habe, ist voll schöner Hoffnungen am 22. März in Wien eingezogen, und gestern ohne Hoffnung von Wien ausgefahren; in der Zwischenzeit von jesuitischgläubigen Andächtlern, als sichtbarer Statthalter Christi auf Erden angebethet; von wohlerzogenen Menschen als kraftvoller Greis, als Herr und regierender Fürst eines, für Wissenschaft und Kunst classischen Bodens verehret, von ungezogenen Philistern und Bethels muthwilligen Knaben als ein zweyter Elisa verspottet; von dem Kaiser auf alle mögliche Weise ausgezeichnet. Ich sah ihn dreymahl, nie ohne Empfindungen, die ich mir nicht zu erklären weiß; das erste Mahl am 25. März, an dem er sich zum ersten Mahle öffentlich gezeigt, und alle Damen vom ersten Range in die Capuzinerkirche auf dem Neuen Markte beschieden hatte. Dort las er, ohne Musik und Gesang, unter Assistenz des Titular-Patriarchen von Constantinopel, Franz Anton Maroncoi und des Titular-Bischofs von Athen, Joseph Maria Gontessini, die Messe. Ich stand nur drey Schritte von ihm, so, daß ich ihn stets im Gesichte hatte, und alle seine Mienen, Geberden und Bewegungen genau beobachten konnte. Nie kämpften Glaube und Unglaube, Jansenismus und Deismus heftiger in mir, als unter dieser Messe; der Kampf blieb unentschieden unter der Macht des in mir aufgestiegenen Gedankens: es ist doch alles nur exaltirte theatralische Kunst. Dennoch hörten die Thränen nicht auf, aus meinen Augen zu fliessen. Am Ende der Messe, welche 56 Minuten gedauert hatte, befestigte sich in mir die Überzeugung, daß ich entweder einen in Liebe zu Gott brennenden Seraph, oder den größten Schauspieler auf Erden gesehen habe. Ich glaube nicht, daß Anstand und Würde in Stellung und Haltung des Körpers, Ebenmaß und Rundung in allen Bewegungen, Feuer und Inbrunst der Liebe im Blick und Erhebung der Augen gen Himmel, Kraft und Verklärung der Andacht in dem ganzen Antlitz unter den laut gesprochenen Gebethen, menschlicher Weise höher getrieben werden können, als ich es hier gewahrte und anstaunte.

Auf sein Geheiß wurde die klösterliche Clausur auf einige Stunden aufgehoben. Die Damen versammelten sich in dem geräumigten Speisesaal des Klosters; die Gräfinn Louise, meine Muse und Grazie zugleich, war darunter: hinter ihnen standen wir Conventualen, alle in gespannter Erwartung des Eintrittes Sr. Heiligkeit. Er kam aus der kaiserl. Gruft, wo er in Maria Theresia's Mausoleum ein kurzes Gebeth verrichtet hatte. Er trat ein, mit dem anziehenden Ausdrucke der Majestät, mit Liebe und Sanftmuth verschmolzen, in päpstlicher Hauskleidung, einem weissen Talar vom feinsten schafwollenen Zeuge, scharlachrother Mozzetta, das bischöfliche Kreuz an goldener Kette vor der Brust, verfügte er sich auf den erhöhten, für ihn bereiteten Stuhl, um die Damen zum Kusse der segnenden Hand, oder vielmehr des geheiligten Fischerringes zuzulassen. Allein die frommen, von Ehrfurcht ergriffenen Frauen verlangten noch mehr, die vornehmsten derselben, die junge Fürstinn Lichtenstein, fiel ihm zu Füssen, und küßte den, mit dem heiligen Kreuze gezierten Schuh. Ihr folgten die Andern, alle in gleicher Ehrerbiethung, zuletzt sämmtliche Conventualen, unter welchen auch ich, gewiß ohne Andacht; aber nicht ohne Zittern, wovon ich die Ursache nicht weiß. – Nach vollbrachter Veneration wandte er sich zu uns jüngern Geistlichen, fragte jeden nach seinem Nahmen, Alter im Orden und im Priesterthume, auch nach unsern Studien, und ermahnte uns väterlich, feste Steine zu werden zur Mauer für das Haus Israel, in gegenwärtiger und künftiger schlimmer Zeit.

Hatte ich des unsterblichen Ganganelli's Nachfolger bey uns in einfacher Erhabenheit gesehen; so genoß ich des Glückes am Ostertage (den 31. März) im hohen Dome zu St. Stephan, das sichtbare Oberhaupt der römischen Kirche im Glanze seiner höchsten Pracht und Herrlichkeit anzustaunen. In Anwesenheit einer großen Anzahl Bischöfe und unter Assistenz mehrerer Cardinäle, alle im prächtigsten Ornate, feyerte er die Hochmesse. Nur bey dem Offertorio, bey der Consecration und bey dem Schlusse des Hochamtes stand er am Altare, mit dem Angesichte gegen das Volk gekehrt, bey den übrigen Ceremonien stand oder saß er auf seinem Throne, von welchem her ich ihn mit kräftiger Stimme bethen, nach abgesungener Epistel und Evangelium, zuerst in lateinischer, dann in griechischer Sprache, in der lateinischen kurz, aber mit Würde und Begeisterung, predigen gehört, und die geheiligten Zeichen des Sacramentes, den Kelch vermittelst eines goldenen Röhrchens genießen sah. Es glückte mir durch den Prälaten de Perme, von der päpstlichen Predigt eine getreue Abschrift zu erhalten, welche ich ihnen, dem Liebhaber solcher Dinge, hier beyfügeSiche unten als Nr. 2.. Sie wirkte mehr durch die Lebendigkeit und Kraft des Vortrages, als durch die gehaltleere Wortfülle ihres Inhaltes. Heut zu Tage höret man Päpste und Bischöfe nur bey großen Feyerlichkeiten predigen; eben darum sollten sie nicht anders, als und lediglich in Beweisung des Geistes und der Kraft reden; denn auch unter dem gläubigen Volke gibt es eine Anzahl besonnener Seelen, welche mehr auf das Quid? als auf das Quis? hören und sehen. Die Feyerlichkeit hätte sich zum hohen Kunst-Triumph des römisch-katholischen Cultus erheben können, wäre nicht durch den widrigen Contrast zwischen den edelsten Anstands-Formen in dem päpstlichen Walten, und dem gemeinen Herumtreiben einiger Mitwalter, alle Illusion gänzlich gestöret worden. Mir gereichte es noch zu besonderm Ärgernisse, daß gegen den Geist der alten, apostolischen und wahrhaft katholischen Kirche, eben so wenig hier, als in der Capuzinerkirche, die assistirenden Bischöfe, Cardinäle und Priester gemeinschaftlich mit dem Papste communicirt hatten. Wenigstens sollte bey des Papstes feyerlicher Liturgie die Form und das Communicative des Sacramentes beybehalten und beobachtet werden. Zuverlässig würden sich hier auch die heiligen Cyprianus, Hilarius, Ambrosius, Augustinus &c. geärgert haben!

An diesem feyerlichen Tage waren mehrere würdige Männer, welche Jansenisten hießen, darunter auch meine Gönner und Freunde, Propst Wittola und Abbé Blarer, bey dem Stadt-Unterkämmerer Vallery zur Tafel geladen. Er wohnte an der Ecke des großen, allerseits von 5 bis 7 Stock hohen Häusern eingeschlossenen Platzes, der Hof genannt. Auch ich eilte dahin, um von den Kämmerey-Fenstern herab unbefangener Augenzeuge zu seyn von der großen Handlung, welche daselbst nach einigen Stunden vorgehen sollte. Es war angesagt, der Papst werde von dem Altan der dortigen Jesuitenkirche herab das auf dem Platze versammelte Volk segnen. Gegen fünfzigtausend Menschen waren daselbst zusammengedrängt; überdieß alle Fenster und Dächer der umliegenden Häuser mit Menschen besetzt. In der dritten Stunde traten der Papst, die dreyfach gekrönte Tiara auf dem Haupt, drey Cardinäle und zwey Bischöfe, alle im vollen kirchlichen Ornat, auf den Altan heraus, der Papst setzte sich auf den erhöhten Thron unter goldgesticktem Baldachin; intonirte mit weithallender Stimme die Absolutions-Formel, welche vierhundert Hof-Chorsänger fortsetzten. Nachdem sie geendigt hatten, erhob sich Pius von dem Throne; die Tiara wurde ihm abgenommen, er trat vorwärts, erhob langsam, in abgemessener Rundung gen Himmel gerichtet, begann er in reiner Verklärung der Andacht ein inbrünstiges Gebeth. Nur Seufzen und Schluchzen unterbrachen bisweilen die tiefe Stille, welche unter der, auf dem Platze zur Erde niedergesunkenen Menschenmenge herrschte. Er schien mehr himmelan zu schweben, als zu stehen. Unter dem langen Gebeth unterstützten die Bischöfe seine Arme; also mag Moses auf des Hügels Spitze gestanden, mit dem Stabe Gottes in der Hand, von Aron und Hur unterstützt, seine Arme emporgehalten haben, als er für Josua und seine Männer wider Amalek bethete. Endlich ließ dieser zweyte Moses seine Arme sinken, und erhob seine Rechte, im Nahmen des dreyeinigen Gottes zu segnen. Auf sein Amen wurde von der Freyung her mit gewaltigem Feuern geantwortet, und sogleich erscholl der Donner der Kanonen von den Wällen der Stadt. Er begab sich wieder auf den Thron, dem der Cardinal und Graner Erzbischof Batthyanyi mit tiefer Verbeugung sich näherte, und im Nahmen des versammelten gläubigen Volkes um einen Ablaß der Sünden bat. Der oberste Bewahrer der Schlüssel Petri bewilligte einen vollkommenen, den der Cardinal dem Volke sogleich verkündigte. Hiermit war die Handlung vollbracht, unter welcher mir die Hauptperson in der Glorie erhabener Größe erschienen war. Dieß ist alles, geliebter OheimAndreas Kneidinger, k. k. Kammeringenieur in Preßburg. was ich als Augenzeuge gesehen, und von dem hiesigen Aufenthalt des Papstes Ihrem Verlangen zufolge Ihnen in Wahrheit berichten konnte, &c.Dieser Schilderung fügen wir jene des Engländers Moore bey; er zeichnet den Papst auf eine eigenthümliche Weise, und zwar mit nachstehenden Worten: »Pius VI., &c. ein wohlgewachsener Mann, von schlanker Leibeslänge, 64 Jahr alt, hat noch das frische Ansehen eines viel jüngern Mannes. Für das Ceremoniel seiner Religion hat er weit mehr Achtung, als sein Vorgänger, unter welchem, wie es heißt, dieser Theil des äussern Gottesdienstes sehr in Verfall gekommen ist. Der letztverstorbene Papst (Clement XVI.) war ein Mann von Mässigung, guter Beurtheilungskraft, und gerade in seinen Sitten. Nicht ohne Widerwillen und Ekel konnte er alle diejenige Pracht zur Schau aufstellen, welche sein Stand erforderte. Er sah ein, daß seit der Zeit, da diese Ceremonien zuerst eingeführt wurden, die Denkungsart des menschlichen Geschlechtes sich sehr verändert hatte, und daß viele der ansehnlichsten Zuschauer diejenigen Ceremonien für ungereimt hielten, welche ehedem als heilig angebethet wurden. Den jetzigen Papst hielt man schon vorher, ehe er zu dieser Würde gelangte, für einen Mann, der alle Artikel der römischen Religion festiglich glaubte, und alle ihre Gebote und Ceremonien streng beobachtete. Da er von geringerer Familie, Vermögens- und Glücksumständen war, als seine Mitcompetenten, die übrigen Cardinäle; so ist wahrscheinlich, daß er seine Erhebung zu dieser Würde seinem vorbemeldeten Character zu verdanken hat, welcher dazu geschaffen zu seyn schien, die unter dem vorigen Papste eingerissenen Mißbräuche abzustellen, unter dessen Regierung, wie man klagte, die Freydenkerey und der Protestantism' zu sehr geduldet wurden. Pius VI. verrichtet alle ihm obliegende geistliche Handlungen auf die allerfeyerlichste Weise, nicht allein bey öffentlichen und ausserordentlichen Gelegenheiten, sondern auch ganz gemeine Handlungen der Andacht. Neulich war ich in der Peterskirche fast ganz allein, schlich von Altar zu Altar, und besah Bildhauerey und Gemählde, als der Papst mit wenigen Bedienten hereinkam. Bey der Statue des heil. Petrus begnügte er sich nicht allein daran, sich vor derselben zu beugen, welches die gewöhnliche Ehrenbezeugung ist, oder vor ihr niederzuknieen, welches schon einen höhern Grad der Religion anzeigt, oder seinen Fuß zu küssen, welches als die höchste Andacht angesehen werden kann; sondern er that alles, beugte sich, kniete, küßte den Fuß, und rieb seine Stirne und Haupt an dem heiligen Steine, mit allen möglichen Zeichen der Erniedrigung, Andacht und Eifer. Schon die Hälfte dieses Fusses ist von andächtigen Lippen hinweggeleckt. Wofern das Beyspiel des Papstes durchgängig befolgt werden sollte, so müßte ein Wunder verhindern, daß nicht seine Lenden, Hüften und übrigen Theile seines Leibes ein gleiches Schicksal erlitten. Diese ungewöhnliche Bezeugung eines heiligen Eifers schreibt man bey dem Papste keiner Politik oder Scheinheiligkeit zu, sondern man glaubt, sie rühre aus einer wahren Überzeugung von der heilsamen Wirkung einer solchen heiligen Reibung her, welches freylich einen großen Begriff von einem starken Glauben gibt. – Die regelmässigen Gesichtszüge, die leichten und angenehmen Bewegungen, und das schöne Ansehen des Papstes Pius VI. haben seiner Person so viele Lobsprüche erworben, daß er mehr als Mensch seyn müßte, wenn er davon nicht selbst etwas fühlen sollte. Die Eitelkeit hat eine so allgemeine Kraft über das menschliche Geschlecht, daß man nicht bloß an der Jugend, sondern auch an ältern Personen Spuren eines solchen Gefühls wahrnehmen könnte. Auch sind Se. Heiligkeit gegen die Schönheit ihrer Person nicht unempfindlich und für deren möglichste Zierde nicht sorglos. Seine wohlgebauten Beine und Füsse sind stets mit den schönsten seidenen Strümpfen und rothen Pantoffeln von der feinsten Arbeit gezieret. Obgleich die päpstliche Tracht nicht so ausgesonnen ist, daß sie eine Mannsperson gut kleiden könnte; so gibt dennoch die ungemeine Nettigkeit, womit sie dem heiligen Vater angelegt ist, und die feine Verarbeitung derselben in den kleinsten Theilen, genugsam die Aufmerksamkeit auf Schönheit und Zierde zu erkennen. – Ich sah den Papst am heiligen Christtage dem Volke den Segen ertheilen. Sobald er auf dem Balcon an der Peterskirche von seinem prächtigen Sessel aufstund, erfolgte eine ehrfurchtsvolle Stille; das Volk fiel auf die Kniee nieder, und erhob seine Augen und seine Hände gegen den Papst, als gegen eine wohlthätige Gottheit. Nach einer feyerlichen Pause sprach er den Segen; mit größerer Inbrunst streckte er seine Arme, so weit er konnte, in die Höhe, dann schlug er sie zusammen, zog sie in geschwinder Bewegung herunter auf die Brust, gleichsam als wenn er den Segen in der Höhe gefaßt, und ihn vom Himmel herunter gezogen hätte. Endlich spreitete er seine Arme aus, schüttelte und schwenkte sich eine Zeitlang, gleichsam als wenn er den Segen unpartheyisch in voller Masse über das Volk ausschüttete. Keine Ceremonie kann besser ausgedacht werden, als diese Segenssprechung. Für meine Person, wenn ich nicht schon in meiner frühen Jugend davon sehr widrige Begriffe bekommen hätte, so würde ich gleichfalls in Gefahr gerathen seyn, ihm eine Ehrfurcht zu weihen, welche mit den Grundsätzen der Religion, worin ich erzogen bin, nicht übereinstimmet.


2.
Des Papstes Predigt in der Stephanskirche, am Ostersonntag 1782. (Übersetzt von Feßler.)

Die glorreiche Auferstehung unsers Herrn Jesu Christi dienet unserm Glauben zum Beweis der leiblichen Auferstehung in den Gliedern, welche in dem Haupte vorangegangen ist, damit der zerbrechliche, durch Zeit und Entkräftung veränderliche Leib nach Erlöschung der Begierden und Mühseligkeiten die Unsterblichkeit anziehe. Denn welchen Grund hätte Christus gehabt, zu sterben, hätte er nicht wiederauferstehen wollen, und ist er nicht um unsertwillen auferstanden, so ist er im Mangel eines hinlänglichen Antriebes hierzu, gar nicht erstanden. Er hatte von der Mutter genommen, was dem Tode unterworfen war; von dem Vater herniedergebracht, was den Todten wieder auferweckte. Verborgen war im Fleische die Anwesenheit der Majestät, und in der Hinfälligkeit des Fleisches lag die Kraft der Göttlichkeit versteckt. Unaussprechlich ist dieß Geschenk, darum frohlocke unser Fleisch, welches an sich Staub, aber durch Christum verherrlicht, einer gewissen Gemeinschaft der Göttlichkeit gewürdigt worden ist, wodurch der Tod von uns genommen, die Hölle ihre tyrannische Herrschaft verloren hat, und das menschliche Geschlecht durch die Strafe der Sünde schon im Voraus verdammt, durch das Geschenk der Gnade wiedergeboren dargestellt wird. Man glaube doch fest den Lehrsatz von unserer Auferstehung auf den Grund der prophethischen Aussprüche, des Evangeliums der Beyspiele Christi des Herrn, welcher den Lazarus aus dem Grabe hervorgerufen, den Jüngling seiner verwittweten Mutter wieder gegeben, die Tochter des Obersten der Schule wieder zum Leben erweckt hatte, damit er die Wahrheit der künftigen Auferstehung befestige. Es mögen daher erröthen und zu Schanden werden alle, die frech die Wahrheit der Auferstehung des Herrn und der unsrigen (wie es mehrern unter Euch bekannt ist), bezweifeln und bestreiten. Denn indem sie sich mühen, Gottes Rathschlüsse nach irdischem Sinne zu verdrehen, rasen sie jämmerlich; und werden nach dem prophetischen Worte verabscheuungswerth in ihren Bestrebungen. Daß sie doch aufhörten der kirchlichen Gemeinschaft mit uns sich zu rühmen, da sie nach der Auferstehung von der Versammlung der Heiligen werden ausgeschlossen bleiben!

Höret mich jetzt ihr Kinder der Welt, höret mich ihr Spreu, auf der mystischen Tenne der Kirche mit den Kernen vermengt! Höret ihr mich, so werdet ihr aufhören Spreu zu seyn, denn es hat Gott gefallen, daß die Völker aus meinem Munde das Wort des Evangeliums vernehmen und daran glauben sollen. Jesus Christus der Sohn Gottes hat die ganze, mit teuflischer Gottlosigkeit befleckte Welt mit dem göttlichen Blute seines unbefleckten Leibes gereinigt; ihm also, die Wahrheit unseres Glaubens erkennend und die Irrthümer der Meisten in der Gottlosigkeit verwerfend, glaubet an die Auferstehung des Fleisches in kindlicher Einfalt, welche dem göttlichen Willen mit Beyfall, nicht mit widersprechenden Gründen begegnet. Schon jetzt richtet Euer Bestreben dahin, die Gaben der Herrlichkeit Jesu Christi zu erlangen und zu behalten, damit der Glaube euern Wandel unterstütze, und eure Lebensweise dem Glauben nicht widerstreite. Darum, Geliebte, wollen wir den Herrn preisen, dessen Leiden uns Heil gebracht, und in das Recht der väterlichen Liebe eingesetzt hat. Wohl sollte ich euch noch viele Geheimnisse der Auferstehung des Herrn enthüllen, wie Christus Gott, von dem Vater keinen Augenblick scheidend, im Mutterleibe Fleisch angenommen hat, gestorben und aus dem Grabe wieder erstanden ist; was der Frauen Wallen zu dem Grabe, was die gewaltige Erderschütterung, das Erscheinen des Engels, die Wegwälzung des Steines, und mehr andere, sowohl alte als neue Geheimnisse bedeuteten; damit aber würde die Rede zu weit sich verbreiten und die Kürze der Zeit gebiethet mir, sie zu beschränken. Es sey daher genug, Geliebte, euch daran erinnert zu haben, daß heute der Glaube der Kirche in Christo bestätiget worden ist, und daß, wenn wir alle in Adam sterben müssen, wir alle auch in Christo wieder zum Leben erwachen werden. Wenn einst in Ägypten durch Schlachtung des Opferlammes das österliche Sacrament geheimnißvoll verrichtet ward, so wird jetzt durch das Evangelium der Auferstehungstag des Herrn gefeyert. Dort ward das Lamm aus dem Schafstall, hier wird der Hirt selbst geopfert. Darum hatte das verdüsterte Judenvolk, in der Absicht, die Kraft des Kreuzes zu vernichten und das Werk des Heils zu hintertreiben, den Erlöser aufgefordert, von dem Kreuze herabzusteigen, er aber wollte ausharren in der Zeit, und das Leiden vollenden uns zur Belehrung, daß die Zeit der Buße nicht zu unterbrechen, und zu den Freuden der Welt zurückzukehren sey. Darum wird in dem heutigen Evangelio nicht nur verkündiget: »Christus ist auferstanden,« sondern es wird auch hinzu gesetzt: »Er ist nicht hier; siehe da die Stätte, da sie ihn hinlegten;« wir sollten belehret werden, daß derjenige nicht wahrhaft auferstehet, welcher dort noch verbleibet, wo er gestorben war, oder gern dahin zurückfällt, wovon er erstanden ist.

Wir sollen an unserm Kreuze ausharren, bis wir von unserer Arbeit zur Ruhe gelangen, auch nicht in das Ägypten-Land zurückschauen, damit unsere Füsse, durch die Buße gewaschen, nicht wider besudelt werden. Wie der Erlöser sterbend uns Heil und Freude bringen wollte, so ist es geziemend, daß wir lebend ihm nicht mißfallen. Lasset euch doch nicht erschrecken von dem Unflat euers bisher geführten Lebens; denn das Verdienst eines einzigen Bekenntnisses hat alle Verbrechen des bittenden Übelthäters ausgelöscht, indem die Gnade an ihm wirksamer war, als sein Gebeth. Niemand verzweifle daher an der Barmherzigkeit und Gnade, wenn nur nach Verwerfung der Irrthümer der Glaube des Mörders erfolget. Der gute Hirt läuft durch Thäler und über Berge, um das verirrte Schaf zu suchen, hat er es gefunden, so nimmt er es auf dieselben Schultern, auf welchen er das Holz des Kreuzes getragen hat, und bringt es unter den Haufen der andern, welche dem Schafstalle nie entlaufen waren. Und war es denn nicht der Meister selbst, der seinem Verräther den Friedenskuß gewährte? Damit bewies er sich als Gott, bereit, zu verzeihen; als Freund, willig, zu lieben; als Lamm, gefaßt, zu versöhnen. Er gab sein Blut hin zur Erlösung, und ließ aus seiner Seite Wasser fließen zur Abwaschung. Durch die Erlösung im Blute sollte die Herrschaft der Sünde in uns aufhören, durch Abwaschung im Wasser unsere Reinigung von begangenen Sünden bewirkt werden. Es wäre ein gottlästerndes Verbrechen, wenn eure Buße in der Heucheley, oder lediglich in der Gewohnheit der Zeit ihren Grund hätte; denn Spötter, nicht Büßer ist derjenige, der das zu thun fortfährt, was er zu beweinen nicht aufhört. Dadurch würde dieser Tag der Versöhnung und des Friedens auch nur zum Verderben und Untergang gereichen; und ihr würdet unvermeidlich gleich werden dem Judas, in den nach dem Büßen der Satan gefahren war. Doch diejenigen, welche aus menschlicher Gebrechlichkeit in mancherley Vergehungen fallen, sollen durch Reue und Bußthränen gereinigt, wieder aufgerichtet werden, gleichwie Elisa den Haeman angewiesen hatte, sieben Mahl sich im Jordan zu waschen, damit er vom Aussatze geheilet wurde.

Schärfet also eure ganze Aufmerksamkeit auf den erhabenen Sieg der Auferstehung und vertilget in euch durch ein wahrhaft zerknirschtes Herz alle Spuren alter Begierlichkeit, damit des Teufels Neid euch nicht entwende, was Gottes Gnade euch geschenkt hat. Erhebet euch, meine Kinder, durch die Demuth zur Höhe, denn wer anders thut, der fällt, anstatt empor zu steigen. Ihr werdet jetzt würdiglich das Osterfest feyern, wenn eure Sinne, das Brot des Herrn genießend, mit keiner teuflischen Beymischung gesättiget sind, und die Nacht böser Gedanken in euren Herzen das Licht des erhabenen Sacraments nicht verfinstert. Niemand kann mit dem Teufel die Gemeinschaft des Lasters unterhalten, und zugleich das allerheiligste Geheimniß mit Christo feyern. Lasset uns wandeln auf dem Weg der Gebothe, wohin wir von ihm geleitet werden, unsere Augen seyen stets auf den Herrn gerichtet, damit er unsere Füsse den Stricken entwinde. Ich freue mich, euch erweckt zu haben zu würdiger Behandlung heiliger Gebräuche, auf welche sich das ganze Heil der Seelen gründet; aber ich kann nicht ablassen, euch zugleich zu ermahnen, daß ihr die heutige Freude mit einiger Traurigkeit verbindet; diese umfasse unsere Sünden; jene die Hoffnung der uns bereiteten ewigen Seligkeit. Meine Seele ist schon mit euren Seelen innigst zusammengefügt und gleiche Liebe hat unsere Herzen gleich und einig gemacht, damit ich mit euch in die himmlische Herrlichkeit eingehe, welches Gott verleihen möge, durch Jesum Christum unsern Herrn.


 << zurück weiter >>